Allgemeines Aktionskonzept
Psy-Jeunes Wir bieten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, welche sich freiwillig melden, eine ambulante
psychologische und psychotherapeutische Hilfe und Unterstützung, damit sie nachhaltig ein Leben
in psychischer Gesundheit und Wohlbefinden führen können.
IMPRESSUM
Autor: Das Team von Psy-Jeunes
Koordination: Die Qualitäts- und Entwicklungsabteilung (Q&D) der Solidarité Nationale
Datum der Genehmigung: 14. Juni 2016
Genehmigt durch das Direktionskomitee des Luxemburger Roten Kreuzes
Vielen Dank an das gesamte Team des Dienstes für seine Mithilfe.
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Lieber Leser,
Ich freue mich sehr darüber das allgemeine Aktionskonzept des Psy-Jeunes, der psychotherapeutischen
Beratungsstelle für Jugendliche und junge Erwachsene des luxemburgischen Roten Kreuzes, in den
Händen zu halten und es mit allen Interessierten zu teilen.
Dieses Dokument ist das Ergebnis der, auch zum Teil kritischen, Auseinandersetzung des gesamten
Teams des Psy-Jeunes mit dem zeitweiligen Verständnis des Zwecks, den Handlungsfeldern und der
angewandten Methoden des Angebotes. Nach internen Diskussionen und Überlegungen, aber auch durch
den Austausch mit der Direktion verfügt das Psy-Jeunes, zu diesem Zeitpunkt, über ein gemeinsames
aktualisiertes Ziel- und Praxisverständnis. Konkret hervorheben kann man hier die Beschreibung der
Klientencharakteristik aber auch die Klärung und Erläuterungen über die drei Betreuungssäulen der
traumaspezifischen Psychotherapie, der allgemeinen Psychotherapie und der psychologischen
Beratungen. Die Auflistung und die Erklärungen der angewandten Methoden und Praktiken geben
Aufschluss darüber, wie die neu definierte Zielsetzung erreicht werden kann.
Ich bin fest davon überzeugt, dass der Aufwand der das Psy-Jeunes in den letzten Monaten bei der
Erstellung dieses Dokumentes betrieben hat, sich positiv auf die Qualität des Angebotes auswirken wird,
und so den Klienten noch zielgerichteter geholfen werden kann. Mit diesem Ansatz und der neuen
Zieldefinition integriert das Psy-Jeunes auf eine anspruchsvolle Art und Weise die Mission des
luxemburgischen Roten Kreuzes, die vorsieht besonders hilfsbedürftigen Menschen dabei zu helfen,
würdig und in Autonomie zu leben. So mobilisiert die Organisation die menschliche Solidarität und handelt
vorbildlich, effizient und verantwortungsbewusst, um Menschen in Notlagen zu helfen und um Situationen
materieller, gesundheitlicher und sozialer Not vorzubeugen, sowohl in Luxemburg wie auch im Ausland.
Das Luxemburger Rote Kreuz ist Teil der internationalen Bewegung des Roten Kreuzes und des Roten
Halbmonds und teilt seine 7 Grundsätze.
Die Direktion dankt dem Team für seine engagierte Mitarbeit an diesem Dokument und beglückwünscht es
zu dem nun vorliegenden Resultat, das einen echten Leitfaden für seine tägliche Arbeit darstellt. Der Dank
richtet sich aber auch an die Abteilung der Qualitätsentwicklung für die vorbildliche Betreuung des Teams
bei der Ausarbeitung.
Gilles Dhamen,
Direktor der nationalen Solidarität des luxemburger Roten Kreuzes
4
Inhalt
Inhalt ............................................................................................................................................................. 4
Einführung .................................................................................................................................................... 6
I DAS LUXEMBURGER ROTE KREUZ ................................................................................... 7
1.1 GESCHICHTE UND WERTE DES LUXEMBURGER ROTEN KREUZES 7
1.2 ORGANIGRAMM UND ADRESSE DES HAUPTSITZES 9
II VORSTELLUNG UND BESCHREIBUNG DES DIENSTES ................................................ 10
2.1 GESCHICHTE DES DIENSTES 10
2.2 ALLGEMEINE VORSTELLUNG DER EINRICHTUNGEN 10
2.3 DIE ZIELGRUPPE UND IHRE BEDÜRFNISSE 10
2.4 ÜBERSICHT ÜBER DIE AKTEURE 11
2.5 MISSION UND ANGEBOTENE DIENSTLEISTUNGEN 13
2.6 GESETZLICHER PARTNER 13
2.7 RECHTLICHE BEDINGUNGEN UND VORSCHRIFTEN 14
III AUFBAU, FUNKTIONSWEISE UND RESSOURCEN DES DIENSTES ............................. 15
3.1 PROZESSABLAUF IM ÜBERBLICK 15
3.2 ZUGANGSWEGE 16
3.3 PROZESSABLAUF 16
3.3.1. ERSTKONTAKT 16
3.3.2. ANTRAGSTELLUNG 16
3.3.3. PSYCHOLOGISCHE BERATUNG 17
3.3.4. PSYCHOLOGISCHE PSYCHOTHERAPIE. 17
3.3.5. BEHANDLUNG VON TRAUMATA 18
3.3.6. ABSCHLUSS DER PSYCHOTHERAPIE 19
3.4 KONZEPTE UND METHODEN 20
3.4.1. EMDR 20
3.4.2. KLINISCHE HYPNOSE (MEG*) 20
3.4.3. EGO-STATE-THERAPIE 20
3.4.4. KLIENTENZENTRIERTE PSYCHOTHERAPIE 21
3.4.5. PSYCHOLOGISCHE SCHMERZTHERAPIE 21
3.4.6. SCREENTECHNIK (BILDSCHIRMTECHNIK) 21
3.4.7. STRESS UND STRESSBEWÄLTIGUNG 22
3.4.8. PROBLEMLÖSETRAINING 22
5
3.4.9. SELBSTINSTRUKTIONSMETHODEN 22
3.4.10. KONFRONTATIONSMETHODEN 22
3.4.11. SOZIALES KOMPETENZTRAINING 23
3.4.12. ROLLENSPIELMETHODEN 23
3.4.13. ENTSPANNUNGSVERFAHREN 23
3.4.14. OPERANTE METHODEN 23
3.4.15. KONZENTRATIONS- UND AUFMERKSAMKEITSTRAINING 23
3.4.16. ELTERNTRAINING 24
3.5 DIE MITARBEITERRESSOURCEN: FUNKTIONEN, VERANTWORTLICHKEITEN UND KOMPETENZEN 24
3.6 NETZWERK EXTERNER AKTEURE 24
3.7 INFRASTRUKTUR UND AUSRÜSTUNG 25
3.8 FINANZIERUNGSQUELLEN DES DIENSTES 25
3.8.1. FINANZIELLE ÜBERWACHUNG UND KONTROLLE 25
IV DAS QUALITÄTSKONZEPT ALS ANTRIEBSFAKTOR FÜR DEN ERFOLG ..................... 26
4.1 LEITUNG DES DIENSTES (STRATEGISCHER ÜBERBLICK) 26
4.2 ENTWICKLUNGSPLAN 27
4.3 BESCHWERDEMANAGEMENT 27
4.4 RISIKOMANAGEMENT 27
4.5 FORTBILDUNGSPLAN 28
Anhang ....................................................................................................................................................... 29
Liste der Abkürzungen ................................................................................................................................ 30
Bibliografie .................................................................................................................................................. 31
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Einführung
Es ist mir eine besondere Freude Ihnen anhand dieses Dokuments die Arbeit des ambulanten
psychologischen und psychotherapeutischen Dienstes „Psy-Jeunes“ des Luxemburger Roten Kreuzes
näher bringen zu dürfen.
Das vorliegende allgemeine Aktionskonzept ist das Resultat einer intensiven Zusammenarbeit unserer
Mitarbeiter mit der Abteilung „qualité & développement“, und dies über mehrere Monate. An dieser Stelle
möchte ich mich deshalb ganz besonders bei Manuela Woll, Chantal Demesmaeker und Jerry Fellens
bedanken, ohne deren unermüdliches Engagement ein derartig kreativer Entwicklungsprozess nicht
möglich gewesen wäre. Ein weiterer Dank gilt der „Direction Solidarité Nationale“ und dem „Comité de
direction“ für ihr Vertrauen, welches sie uns entgegenbringen.
Die Neubearbeitung eines bestehenden Konzepts gibt jedem einzelnen Mitarbeiter die Möglichkeit die
bisherige Arbeitsweise zu überdenken, neue Ideen zu entwickeln und somit sein Fachwissen, seine
Erfahrungen und seine persönliche Note in die Entwicklung mit einfließen zu lassen. Das Resultat dieser
überaus wertvollen Entwicklungsarbeit ist in diesem Aktionskonzept festgehalten und soll weiterhin in einer
fortwährenden Überprüfung die Qualität des Dienstes gewährleisten, unser Ziel immer vor Augen „den
Jugendlichen und jungen Erwachsenen, welche sich freiwillig melden, eine ambulante psychologische und
psychotherapeutische Hilfe und Unterstützung zu bieten, damit sie nachhaltig ein Leben in psychischer
Gesundheit und Wohlbefinden führen können“.
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre, und hoffe, dass diese ein umfangreiches Verständnis unserer
Arbeit ermöglicht.
Christiane Weintzen,
Direktionsbeauftragte von Psy-Jeunes
7
I Das Luxemburger Rote Kreuz
1.1 Geschichte und Werte des
Luxemburger Roten Kreuzes
Geschichte
Am 8. August 1914 versammelten – nach einem
Appell Ihrer Königlichen Hoheit Großherzogin
Marie-Adelheid – Emile und Aline MAYRISCH
zehn Persönlichkeiten der luxemburgischen
Gesellschaft, um im Beisein eines Notars die
Gründungsurkunde des Luxemburger Roten
Kreuzes zu unterzeichnen. Im Oktober 1914
erhielt es die offizielle Anerkennung des
Internationalen Komitees des Roten Kreuzes.
Durch das Gesetz vom 6. August 1923 wurde das
Luxemburger Rote Kreuz als gemeinnützige
Organisation anerkannt und erhielt den Status
einer juristischen Person.
Das Rote Kreuz hilft allen Menschen, die seiner
Hilfe bedürfen, unabhängig von ihrer Nationalität,
Rasse, Religion, sozialen Stellung oder
politischen Überzeugung. Es gibt verschiedene
Formen von Hilfsbedürftigkeit, im Ausland wie in
Luxemburg, und das Rote Kreuz versucht, sie
mithilfe engagierter Mitarbeiter und
ehrenamtlicher Helfer so gut es geht zu lindern.
Seit 20 Jahren werden die Aktionsfelder des
Roten Kreuzes ständig mehr, seine Aktivitäten
vervielfältigen sich. Dank der Unterstützung
staatlicher und privater Partner sowie der
Bevölkerung kann es Dienstleistungen anbieten,
die den sich ändernden Bedürfnissen der
Gesellschaft gerecht werden. Tag für Tag wird
das Luxemburger Rote Kreuz in den Bereichen
Gesundheit, Soziales, Jugend und humanitäre
Hilfe tätig und seine Mitarbeiter wenden – so
unterschiedlich sie auch seien – bei der
Ausübung ihres Berufs die sieben Grundsätze
der weltweiten Rotkreuz-Bewegung an:
Die sieben Grundsätze
Menschlichkeit
Das Leben und die Gesundheit schützen und der
Würde des Menschen Achtung verschaffen.
Unparteilichkeit
Keinen Unterschied zwischen den Menschen
nach ihrer Nationalität, Rasse, Religion, sozialen
Stellung oder politischen Überzeugung machen.
Neutralität
Keine Partei ergreifen bei Feindseligkeiten und
Konflikten politischer, rassischer, religiöser oder
ideologischer Art.
Unabhängigkeit
Trotz der Unterstützung staatlicher Behörden
seine Eigenständigkeit bewahren, um immer
gemäß den Grundsätzen der internationalen
Bewegung des Roten Kreuzes und des Roten
Halbmonds handeln zu können.
Freiwilligkeit
Freiwillige und uneigennützige Hilfe bringen
Einheit
In jedem Land nur eine einzige Rotkreuz-
Organisation aufbauen, die allen offensteht und
im ganzen Staatsgebiet humanitär tätig wird.
Universalität
In der internationalen Bewegung des Roten
Kreuzes und des Roten Halbmonds haben alle
Nationalgesellschaften die gleichen Rechte und
die Pflicht, sich gegenseitig zu helfen.
8
Das Mission Statement
„Unsere Mission ist es, besonders
schutzbedürftigen Menschen zu helfen, in Würde
und autonom zu leben. Indem wir zu humanitärer
Solidarität auffordern, können wir beispielhaft,
effizient und verantwortungsbewusst handeln,
um Menschen in Notlagen zu helfen und sie vor
materieller, gesundheitlicher und sozialer Armut
zu schützen, in Luxemburg wie im Ausland.“
Bientraitance
Die vier Organisationen Arcus Asbl, Caritas
Luxembourg, Croix-Rouge luxembourgeoise und
Elisabeth haben die Initiative ergriffen ein
gemeinsames Konzept hinsichtlich der
Förderung der „Bientraitance“ zu erstellen.
Dieses Konzept besteht aus folgenden Punkten:
- Angebot einer Weiterbildung zur
Sensibilisierung hinsichtlich der
Bientraitance und der Prävention zur
Misshandlung, welche für alle aktuellen und
künftigen Arbeitsnehmer und Freiwillige
obligatorisch ist.
- Einstellung zweier Ansprechpartner, welche
für den wertschätzenden und wohlwollenden
Umgang in der Einrichtung zuständig sind,
diesen fördern, darüber informieren,
beraten, andere weiterbilden und möglichen
Missbrauch oder Misshandlung
vorhersehen. Eine für alle Organisationen
und deren Arbeitnehmer (aktuell und künftig)
zur Verfügung gestellte, externe, rechtliche
Ressource.
Durch diese Vorgehensweise und die dadurch
geförderte Bientraitance, erhoffen sich die vier
oben erwähnten Organisationen, dass alle
Einrichtungen und sozialen Strukturen (Sport-
und Freizeitvereine) sowie die öffentlicheren
Autoritäten besonders folgende Punkte
beachten:
- Ein bewusstes Wahrnehmen der Realität,
dass das Phänomen der Misshandlung und
des Missbrauchs in allen sozialen
ebereichen und allgemeinen
Interessenbereichen möglich ist
- Die Sensibilisierung der Problematik die
Misshandlung, bzw. Missbrauch darstellt
- Die Prävention der Misshandlung, des
Missbrauchs
* Der Begriff der dem Bedeutungsfeld des
französischen „bientraitance“ am nächsten
kommt wäre Gutbehandlung. Da es keine
deutsche Bezeichnung gibt, die exakt die gleiche
Bedeutung hat, wird das französische Wort
„bientraitance“ auch in deutscher Übersetzung
beibehalten.
9
1.2 Organigramm und Adresse des Hauptsitzes
Adresse des Hauptsitzes
Rotes Kreuz Luxemburg
44, Boulevard Joseph II
L-1840 Luxemburg
Postanschrift:
b.p. 404 L- 2014 Luxembourg
Tel.:+352 2755
10
II Vorstellung und Beschreibung des Dienstes
2.1 Geschichte des Dienstes
Der Psy-Jeunes wurde am 1. Oktober 1993
gegründet, mit dem Ziel eine ambulante
Betreuung für 12- bis 24-Jährige anzubieten. Zu
der Zeit entstand die Kinderklinik, mit dem
damaligen Auftrag, Kinder bis 12 Jahre zu
betreuen, die Psychiatrie als stationäre
Einrichtung gab es noch nicht. In erster Linie war
Psy-Jeunes für Heimkinder gedacht, schnell
wurde die Struktur aber für alle Jugendlichen
aufgemacht.
Ab 1994 erhielt das Rote Kreuz eine Konvention,
mit dem damaligen Familienministerium.
Die Ursprungsidee, für Jugendliche mit
belastenden Lebensereignissen, eine
therapeutische Begleitung anzubieten, wurde bis
dato beibehalten.
Heute bietet Psy-Jeunes eine ambulante
psychologische und psychotherapeutische Hilfe
und Unterstützung für Jugendliche und junge
Erwachsene an, spezialisiert auf traumatische
Lebensereignisse.
2.2 Allgemeine Vorstellung der
Einrichtungen
Das Team des «Service psychothérapeutique
pour jeunes » bietet Hilfe und Unterstützung für
Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 12
und 21 Jahre. Das Angebot richtet sich sowohl an
den Jugendlichen selbst, wie auch an sein
Umfeld: seine Eltern, Geschwister sowie Erzieher
und Lehrer.
Das Angebot findet in den Räumlichkeiten des
Dienstes statt. Die Termine finden in einem
ambulanten Rahmen, in der Regel einmal
wöchentlich statt.
Psy-Jeunes
17, rue Glesener
L-1631 Luxembourg
Telefonische Erreichbarkeit: 2755
Email : [email protected]
2.3 Die Zielgruppe und ihre
Bedürfnisse
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen
haben einen Punkt im Leben erreicht, wo es in
ihren Augen und/oder in den Augen ihrer
Familienmitglieder/Freunde nicht mehr
weitergeht. Dieser belastende Lebensmoment
kann sich in Verhaltensauffälligkeiten zeigen wie:
Affektive Störungen:
o Anhaltende leichte bis starke
Schwankungen im Stimmungs-,
Antriebs- und Aktivitätsbereich.
Neurotische Belastungs- und
somatoforme Störungen:
o Reaktionen auf schwere
Belastungen und
Anpassungsstörungen,
o Angst- und Zwangsstörungen,
o somatoforme Störungen
Verhaltens- und emotionale Störungen
mit Beginn in Kindheit- und Jugend:
o hyperkinetische Störungen,
o Störung des Sozialverhaltens,
o Störung des Sozialverhaltens
und der Emotionen und
o Ticstörungen
Verhaltensauffälligkeiten mit
körperlichen Störungen und Faktoren
o Hierzu zählen u.a.
Essstörungen und
o Schlafstörungen.
Verhaltensauffälligkeiten können Folgen von
nicht verarbeiteten belastenden und/oder
traumatischen Ereignissen sein, die das Kind
oder den Jugendlichen an Leib und Leben oder
massiv in seinem Selbstwert bedroht haben. Das
kann z.B. geschehen, wenn sich Eltern
voneinander trennen; wenn ein Elternteil oder
naher Angehöriger verstirbt oder von schwerer
Krankheit bedroht ist; wenn dem
Jugendlichen/jungen Erwachsenen seelische,
körperliche und sexuelle Misshandlungen (auch
im frühesten Kindesalter) im außer- und
innerfamiliären Umfeld widerfahren; wenn er
einen schweren Unfall überlebt hat oder auch
Zeuge davon wird oder wenn er in der Schule
11
schlechte Leistungen erbringt und sich als
Versager fühlt. Gefühle, die durch solche
Ereignisse ausgelöste werden sind u.a. Scham-
und Schuldgefühle, Ängste vor Kontrollverlust
und/oder Versagensängste, Gefühle von
Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit Einsamkeit oder
innere Leere. Die Jugendlichen entwickeln
daraufhin ungünstige Strategien, um mit diesen
Gefühlen umzugehen, die in den häufigsten
Fällen zu Verhaltensauffälligkeiten führen.
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen
brauchen Hilfe und Unterstützung um neue Ziele
für sich zu finden. Dabei ist es wichtig ihnen zu
helfen Sicherheit nach Innen und Außen
herzustellen, damit sie in ihrer Situation die
notwendige psychische Stabilität finden können.
Diese beiden Faktoren sind ausschlaggebend
dafür belastende Erfahrungen verarbeiten zu
können um dadurch ein Leben in psychischer
Gesundheit und Wohlbefinden führen können.
2.4 Übersicht über die Akteure
Legende: rot = Rotkreuz-interne Abteilungen und Dienste
blau= Rotkreuz-externe Personen und Institutionen
12
Im Rahmen der psychologischen Beratung und Psychotherapie ist die Zusammenarbeit mit weiteren
Akteuren, die dem Jugendlichen zusätzliche unterstützende Maßnahmen zukommen lassen können, von
besonderer Wichtigkeit.
Als Akteur bezeichnen wir all jene Personen und Institutionen, welche im Rahmen unserer Arbeit in einer
Beziehung zu dem Klienten stehen. Wir unterscheiden zwischen Akteur, Netzwerk und Partner.
Als Netzwerk verstehen wir alle Akteure und Partner, die einen Einfluss auf unsere Arbeit und die
Zielsetzung in Bezug auf die Familie haben. Die Zusammenarbeit zwischen und mit den verschiedenen
Akteuren ist teilweise formalisiert, teilweise implizit oder indirekt. (siehe auch 3.5. Netzwerk externer
Akteure, S.22).
Partner der Familienhilfe sind Personen und Institutionen, wo unsere Zusammenarbeit, die Rechten und
Pflichten vertraglich oder gesetzlich festgehalten sind (siehe auch 2.6. Partner, S.13).
Eine gute Zusammenarbeit zwischen allen involvierten Akteuren verbessert die Prognose des
Jugendlichen.
- Zusammenarbeit CPI: bei der Notwendigkeit weiterer unterstützender Angebote
(Heimunterbringung, Familienhilfe) für den Jugendlichen kann ein CPI eingeschaltet werden,
welcher die verschiedenen Hilfemaßnahmen koordiniert.
- Zusammenarbeit mit SPOS und Schule: erste Verhaltensauffälligkeiten des Jugendlichen können
im schulische Rahmen auftauchen, so dass die Schule/SPOS gemeinsam mit den Eltern die
Möglichkeit einer Psychotherapie erarbeitet und so den Kontakt zum Psy-Jeunes bahnen.
- Zusammenarbeit CPOS: bei Schwierigkeiten basierend auf Schulproblemen und
schulische/berufliche Orientierung, kann diese Einrichtung unterstützend herbeigezogen werden.
- Bei der Notwendigkeit einer stationären Aufnahme oder einer medikamentösen Begleitbehandlung
erfolgt eine Zusammenarbeit mit dem medizinischen Umfeld (Psychiatrie, niedergelassene
Mediziner, Psychiater, SDIP).
- Im Falle drohender Kindeswohlgefährdung erfolgt eine Meldung an das Jugendgericht. Darüber
hinaus verweist das Jugendgericht zur Therapie ans Psy-Jeunes
- Bei gegebener Indikation erfolgt die Therapie in systemischem Kontext zusammen mit der Familie
oder Teilfamilie.
13
2.5 Mission und angebotene
Dienstleistungen
Wir bieten Jugendlichen und jungen
Erwachsenen, welche sich freiwillig melden,
eine ambulante psychologische und
psychotherapeutische Hilfe und
Unterstützung, damit sie nachhaltig ein Leben
in psychischer Gesundheit und Wohlbefinden
führen können.
Das Psy-Jeunes bietet sowohl psychologische
Beratung wie auch Psychotherapie im
ambulanten Setting (siehe auch Abschnitt 3.2).
Die Gespräche finden in den Räumlichkeiten des
Psy-Jeunes statt.
2.6 Gesetzlicher Partner
Nationales Kinderbüro -
Office national de l'enfance
„Das nationale Kinderbüro (Office national de
l'enfance - ONE) untersteht dem Ministerium für
Erziehung, Kinder und Jugend (Ministère de
l'Education nationale, de l'Enfance et de la
Jeunesse) und ist eine Behörde, die Hilfestellung
für Kinder und ihre Familien leistet und die
Qualität dieser Hilfestellung gewährleistet.
Das ONE setzt sich in Sachen Prävention und
frühzeitige Betreuung in Situationen
psychosozialer Bedürftigkeit von Kindern,
Jugendlichen und Familien ein. Dabei geht es vor
allem um die individuelle Hilfe für die Betroffenen.
Die Einsätze des ONE gründen auf der
Zusammenarbeit mit den Eltern, gesetzlichen
Vormündern oder dem Umfeld des betroffenen
Kindes. Das ONE möchte Kinder und
Jugendliche vor Gefahren und Vernachlässigung
oder Missbrauch schützen.
Das ONE ist der erste Ansprechpartner in
Sachen Information und Orientierung der
Betroffenen und der entsprechenden
Dienstleister. Die persönliche Beratung der
Betroffenen ist ebenfalls möglich, dies
vorzugsweise nach Terminvereinbarung.
Das ONE arbeitet mit den deutschen,
französischen (Aide sociale à l'enfance - ASE)
und belgischen (Service d'aide à la jeunesse -
SAJ) Jugendämtern zusammen.“
http://www.guichet.public.lu
14
2.7 Rechtliche Bedingungen und
Vorschriften
Das Gesetz vom 16. Dezember 2008 bezüglich
der Kinder- und Familienhilfe gestaltet einen
neuen Rahmen für Kinder mit Schwierigkeiten
oder in Not und ihren Familien. Es unterstreicht
die Wichtigkeit der Vorbeugung, der Teilnahme
der Kinder und Familien und der Frühzeitigkeit
der Hilfsmaßnahmen. Das Gesetz ist maßgebend
für die Entstehung des Office National de
l’Enfance (ONE).
An wen richtet sich das Gesetz?
An alle Kinder und junge Erwachsenen zwischen
0 und 27 Jahren, die sich auf dem Gebiet des
Großherzogtums befinden:
- Die Schwierigkeiten in ihrer körperlichen,
geistigen, psychischen oder sozialen
Entwicklung aufweisen,
- Die einer körperlichen oder moralischen
Gefahr ausgesetzt sind,
- Die den sozialen Ausschluss riskieren.
Wer kann einen Hilfeantrag stellen?
- Das Kind,
- Der junge Erwachsene,
- Ein Familienmitglied oder eine Person
aus seinem Umfeld,
- Eine Fachkraft
Was sind die Aufgaben des ONE?
Die Anträge auf Hilfe werden an das ONE
gerichtet.
Das ONE koordiniert die Umsetzung der psycho-
sozialen Hilfsmaßnahmen für die Kinder, junge
Erwachsenen und Familien. Diese Hilfen werden
in einem Hilfeplan festgehalten, der zusammen
mit dem Kind und den Eltern erstellt wird.
Welche Hilfen werden angeboten?
Es werden den Kindern und Familien
institutionelle und familiäre Hilfen (z.B. die
zeitweilige Unterbringung in einem Heim) sowie
ambulante Hilfen angeboten (z.B.
psychologische Beratung und Therapie,
heilpädagogische Förderung, Unterstützung zur
Erziehung…).
Wer bezahlt die Hilfsmaßnahmen?
Die verschiedenen Hilfsmaßnahmen werden vom
Office National de l’Enfance (ONE) bezahlt, einer
öffentlichen Verwaltung die dem
Familienministerium unterliegt. Eine Beteiligung
an den Unkosten kann von den Eltern gefordert
werden, die je nach finanzieller Situation
angepasst wird.
Daneben haben die Eltern beziehungsweise die
volljährigen Klienten die Möglichkeit die
psychologische Beratung oder die
Psychotherapie integral zu bezahlen. In diesem
Fall wird keine Abrechnung und auch keine
Berichterstattung über das ONE stattfinden.
Psy-Jeunes hat eine Anerkennung als „service
d’aide sociale à l‘enfance pour consultation
thérapeutique“, ausgestellt vom Ministerium für
Familie und Integration am 4. November 2013.
Agrément N° CO-CT/003/2008
15
III Aufbau, Funktionsweise und Ressourcen des
Dienstes
3.1 Prozessablauf im Überblick
16
Das Angebot des Psy-Jeunes ist eine ambulante psychologische und psychotherapeutische Hilfestellung
und Unterstützung, für jeden Jugendlichen und jungen Erwachsenen der freiwillig um diese Hilfe bittet,
damit er ein Leben in psychischer Gesundheit und Wohlbefinden führen kann.
Die Schwerpunkte und Inhalte der Psychotherapie oder Beratung werden individuell sehr verschieden sein,
je nachdem, was ein Jugendlicher erlebt hat, welche Lösungsstrategien er bisher entwickelt hat, welche
Fähigkeiten er mitbringt und welche Herangehensweise ihm entspricht.
3.2 Zugangswege
Die Anmeldung kann über mehrere Wege erfolgen:
- Der Klient meldet sich bei der 2755. Hier wird eine telefonische Anmeldung mit dem Klienten
gemacht, bei welcher er seine persönlichen Daten (Name, Alter, Adresse usw.) angibt sowie kurz
den Anmeldungsgrund beschreibt. Dieser dient vor allem dazu, vorab entscheiden zu können, ob
das Angebot des Psy-Jeunes für das dargestellte Problem geeignet ist. Die Zusammenarbeit mit
dem Telefondienst 2755 ist vertraglich geregelt (siehe Anhang „accord de prestation de service“)
- Der Klient meldet sich beim ONE (Office Nationale de l‘Enfance). Er wird dort zu einem Gespräch
eingeladen, bei welchem festgelegt wird, welcher Service am geeignetsten ist oder welcher Service
Aufnahmekapazitäten hat. Anschließend kann er dann zu uns weitergeleitet werden
3.3 Prozessablauf
3.3.1. Erstkontakt
Beim Erstgespräch geht es vor allem um eine gute Kontaktaufnahme. Dabei versucht der Therapeut einen
ersten Gesamteindruck der Problematik zu erlangen und Therapiewünsche und -ziele herauszuarbeiten.
Hierzu erfragt der Therapeut Symptome und Beschwerden, aufgrund derer ein späteres Erklärungsmodell
erarbeitet werden kann. Zudem klärt der Therapeut den Klienten über den weiteren möglichen
Behandlungsverlauf auf.
In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass Therapeut und Klient gemeinsam entscheiden, dass es zu
keiner therapeutischen Zusammenarbeit kommt. Dies kann zum einen passieren, wenn die Erwartungen
des Klienten nicht mit dem therapeutischen Angebot übereinstimmen oder aber kein guter persönlicher
Kontakt zwischen beiden hergestellt werden kann.
In dieser ersten Kontaktphase wird eine Indikation entweder für psychologische Beratung oder für
psychologische Psychotherapie gestellt. (siehe unten)
3.3.2. Antragstellung
Nach diesem Erstgespräch stellt der Therapeut einen Antrag beim Office National de l'Enfance (ONE),
welcher die Kosten für die therapeutische Unterstützung für Kinder und Jugendliche übernehmen kann.
Eine Elternbeteiligung kann vom ONE je nach Einkommensverhältnissen erhoben werden. Der Erstantrag
(FG1) wird in der Regel für 3 Monate bewilligt. In diesen 3 Monaten wird mit dem Klienten gemeinsam ein
individuelles Störungsmodell sowie klare Therapieziele erarbeitet. Nach Ablauf dieser 3 Monate wird ein
sogenannter Hilfeplan (PI) erstellt, welcher das Störungsmodell (Ursachen und Symptomentwicklung)
sowie Ziele festhält. Dieser wird an das ONE gesendet und ermöglicht ein Fortsetzten der Therapie um
weitere 6 Monate. Danach können im Halbjahresrhythmus Verlängerungsanträge an das ONE gestellt
werden.
17
Alternativ zu der Kostenübernahme und der Berichterstattung an das ONE haben die Eltern
beziehungsweise der volljährige Klient die Möglichkeit einer anonymen psychologischen Beratung oder
Psychotherapie (siehe Kapitel 2.7 Rechtliche Bedingungen und Vorschriften, S.13).
3.3.3. Psychologische Beratung
Gegenstand der psychologischen Beratung sind Aufarbeitung und Überwindung persönlicher sowie
sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde. Hierbei kommen in der Regel
psychologische und psychotherapeutische Techniken zum Einsatz, die zum Teil auch aus der
Psychotherapie bekannt sind. Während Psychotherapie jedoch eine Tätigkeit zur Feststellung, Heilung
oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert ist, geht es bei der psychologischen Beratung um
Hilfestellungen für psychisch gesunde Menschen mit konkreten Lebensproblemen. Diagnostik in der
psychologischen Beratung ist daher keine Störungsdiagnostik. Sie strukturiert vielmehr Situationen, erhebt
Informationen über psychologische Prozesse wie Kognition, Emotion, Verhalten, Motivation, ermittelt
Ressourcen und stellt ein der Situation angemessenes komplexes, geordnetes Abbild der Struktur des
Beratungsanliegens, der Bedürfnisse, Wünsche, Ziele, Möglichkeiten und ggf. Defizite des Beratung
Suchenden dar, auf deren Grundlage gezielt verschiedene Beratungsformen angewendet werden können.
(*Quelle siehe Anhang)
3.3.4. Psychologische Psychotherapie.
Ziel einer ersten Therapiephase aus therapeutischer Perspektive ist es, die Symptome sowie deren
Entstehung und Aufrechterhaltung besser verstehen zu können. Dabei wird vor allem auf die üblichen
Verhaltensweisen des Klienten, seine Gedanken, Bewertungen, Emotionen und körperlichen Beschwerden
eingegangen. Auch die Reaktionen der Umwelt, sowie die Konsequenzen, die sein Verhalten auf sein
persönliches Wohlbefinden hat, werden besonders beleuchtet.
Hierzu wird eine genaue Exploration, sowie Familienanamnese erhoben, Verhaltensbeobachtung und
Testverfahren kommen zum Einsatz. Aufgrund dessen wird eine Diagnose sowie ein Störungsmodell
gemeinsam mit dem Klienten erstellt. In dieser Arbeitsphase soll eine vertrauensvolle Beziehung zur
Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten zu entwickelt werden.
Nach dieser ersten Phase werden die gesammelten Erkenntnisse reflektiert und die möglichen
Lösungswege erarbeitet. Schwerpunkte und Inhalte der psychotherapeutischen Arbeit werden individuell
sehr verschieden sein, je nachdem was der Klient erlebt habt, welche Lösungsstrategien er bisher
entwickelt hat, welche Fähigkeiten er mitbringt und welche Herangehensweise ihm entspricht. Es werden
unterschiedliche Techniken, Übungen und Therapieschwerpunkte notwendig sein um die einzelnen
Teilziele erlangen zu können. Therapieübergreifend können folgende Schwerpunkte generalisiert werden:
- Schaffung von Lebens- und Rahmenbedingungen, die eine Psychotherapie ermöglichen (äußere
Sicherheit, Therapiemotivation. Wohn-und Lebenssituation)
- Ressourcen erarbeiten und generalisieren (Hobbies, Achtsamkeits- und Entspannungsverfahren)
- Psychische Stabilisierung (Reduktion von Suizidgedanken und selbstverletzendem Verhalten,
Erstellen eines Notfallplans)
- Ausschließen von akuter Suizidalität
- Soziales Netzwerk (hilfreiche Personen)
- Alternativverhalten für Belastungssituationen erarbeiten und ausprobieren
- Lebensgeschichtliche Belastungen aufarbeiten
18
3.3.5. Behandlung von Traumata
Ein Schwerpunkt des Service ist die Behandlung von Traumata
Ein Trauma ist „[…] ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit
außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe
Verzweiflung hervorrufen würde.“ (ICD-10) (z. B. Naturkatastrophe oder menschlich verursachtes schweres
Unheil – man-made disaster – Kampfeinsatz, schwerer Unfall, Beobachtung des gewaltsamen Todes
Anderer oder Opfersein von Folter, Terrorismus, Vergewaltigung oder anderen Verbrechen).
Die Reaktionen auf ein Trauma können unmittelbar nach dem Ereignis auftreten, oder aber erst Wochen,
Monate oder Jahre danach. Manchmal kann es sein, dass die Betroffenen zwischen ihren Symptomen und
dem Trauma überhaupt keinen Zusammenhang mehr herstellen. Mögliche Reaktionen sind:
Symptome des Wiedererlebens:
sich aufdrängende, belastende Erinnerungen an das Trauma, Flashbacks, Alpträume
Vermeidungssymptome:
emotionale Stumpfheit, Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit der Umgebung und anderen
Menschen gegenüber, aktive Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an
das Trauma wachrufen könnten. Manchmal können wichtige Aspekte des traumatischen
Erlebnisses nicht mehr (vollständig) erinnert werden
Vegetative Übererregtheit:
Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhte Wachsamkeit, übermäßige
Schreckhaftigkeit, erhöhte Ängstlichkeit, Panikattacken
Die Symptome bedürfen einer entsprechenden spezifischen traumatherapeutischen Behandlung, die in 3
Phasen erfolgt:
1. Stabilisierung:
In der ersten Phase wird eine sichere therapeutische Beziehung hergestellt. Spezielle
Stabilisierungsübungen helfen den Betroffenen über Imagination und Entspannung ihre innere Sicherheit
wiederzuerlangen (innere Stabilisierung). Gleichzeitig werden die Rahmenbedingungen derart gestaltet,
daß eine Retraumatisierung des Patienten ausgeschlossen wird. So wird bspw. entschieden, wie ein
Jugendlicher vor weiteren Misshandlungen und sexuellen Übergriffen geschützt werden kann (äußere
Stabilisierung).
2. Traumasynthese:
In der zweiten Phase wird das Ereignis direkt bearbeitet. Dabei werden verschiedene Techniken zur
Durcharbeitung des traumatischen Erlebnisses eingesetzt. EMDR (Eye Movement Desensitiziation and
Reprocessing: Traumabearbeitung mit neuropsychologisch wirksamen Augenbewegungen) und die
Screentechnik sind die am häufigsten angewandten Verfahren. Es können auch körperliche Techniken
angewendet werden.
3. Überprüfung, Eingliederung des Erlebten in die Lebensachse:
In der dritten Phase wird überprüft, ob sich alle Folgen des Traumas zurückgebildet haben oder weitere
therapeutische Schritte eingeleitet werden müssen. In dieser Phase wird dem Betroffenen die Trauerarbeit
ermöglicht, damit das Erlebte, als Teil seines Lebens angenommen werden kann.
19
3.3.6. Abschluss der Psychotherapie
In einer anschließenden Selbstregulationsphase geht es darum, die erreichten Veränderungen im Alltag
zu stabilisieren, um somit die Selbstwirksamkeit des Klienten zu erhöhen: Termine finden nicht mehr
wöchentlich statt. Ziel ist ein Loslösen vom Therapiesetting und die anschließende Beendigung der
Therapie.
20
3.4 Konzepte und Methoden
3.4.1. EMDR
Ein besonderer Schwerpunkt des Service ist die Arbeit mit Traumata und EMDR.
EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, was auf Deutsch Desensibilisierung
und Verarbeitung durch Augenbewegung bedeutet. Dr. Francine Shapiro (USA) entwickelte diese
Psychotherapieform zur Behandlung von Traumafolgestörungen Ende der 80er Jahre des letzten
Jahrhunderts. Mit der EMDR-Methode können Traumafolgestörungen bei Erwachsenen sowie Kindern und
Jugendlichen behandelt werden. In Deutschland wird EMDR etwa seit 1991 angewendet. 2006 hat der
wissenschaftliche Beirat für Psychotherapie EMDR als wissenschaftlich begründete
Psychotherapiemethode anerkannt.
Die Wirksamkeit von EMDR ist durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt. Die
Forschungsergebnisse zeigen: Nach der Behandlung einer einfachen posttraumatischen
Belastungsstörung mit EMDR fühlen sich 80 Prozent der Patientinnen und Patienten deutlich entlastet –
und das bereits nach wenigen Sitzungen. Ein zentrales Element der EMDR-Behandlung ist die
Nachverarbeitung der belastenden Erinnerung unter Nutzung bilateraler Stimulation: Die Patientin bzw. der
Patient folgt den Fingern der Therapeutin mit den Augen, während diese ihre Hand abwechselnd nach
rechts und links bewegt. Diese Stimulation unterstützt das Gehirn, die eigenen Selbstheilungskräfte zu
aktivieren und die belastenden Erinnerungen zu verarbeiten. (http://www.emdria.de/emdr/was-ist-emdr/)
3.4.2. Klinische Hypnose (MEG*)
Klinische Hypnose/Hypnotherapie gilt als ressourcenorientierter Ansatz, der es Patienten erlaubt,
körperlichen Symptomen und psychischen Problemen mit positiven Erfahrungen und eigenen
Bewältigungskompetenzen zu begegnen. Hypnotherapie ist gekennzeichnet durch die flexible Nutzung
verschiedener Ebenen der Informationsverarbeitung, wobei unwillkürliche Prozesse, zb. Intuitive,
ganzheitliche und bildhafte Reaktionen in der Trance aktiviert und für die Therapie genutzt werden. Die
Kommunikation mit dem Unbewussten als einer inneren Instanz ermöglicht das Verstehen und Verändern
der Symptomatik. Unbewusste Ressourcen, zb. als Imagination, therapeutische Geschichten und
Metaphern oder innere Teile (Ego-States) werden somit zur Problemlösung und zur Unterbrechung
dysfunktionaler Muster, letztendlich zur Veränderung des Selbst verwendet. (*Milton Erickson Gesellschaft)
3.4.3. Ego-State-Therapie
Ego-States ist ein Konzept. Sein Wert liegt in der klinischen Stimmigkeit, Handhabbarkeit und Einfachheit.
Prinzipiell kann man verschiedenen Erlebnisinhalten, Gefühlen und Aufgaben verschiedene States
zuordnen. Jeder State hat bzw. hatte eine adaptive Funktion.So kann man den Patienten einladen, sich
sein jüngeres Ich vorzustellen und damit in Kontakt zu gehen. Probleme können dadurch entstehen, dass
verschiedene States verschiedene Interessen, Bedürfnisse, Entwicklungsstadien aufweisen, die
miteinander in Konflikt sind. Symptome wie Angst, Panik, posttraumatische Belastungsstörung lassen sich
häufig als Ausdruck verschiedener Ego States und deren Probleme verstehen. Oft handelt es sich um
sogenannte kindliche States, die in der Traumatisierung oder Verletzung wie eingefroren sind. Das
wichtigste Ziel der Ego-State-Therapie ist es, dass verschiedene Teile der „inneren Familie“ zu
konstruktiver Kommunikation und Kooperation angeregt werden. Es kommen zb. Techniken der klinischen
Hynose, wie zb. Die Herstellung einer Alltagstrance, zur Anwendung. (Reddemann et. al.)
21
3.4.4. Klientenzentrierte Psychotherapie
Ist eine Therapieform der humanistischen Psychologie. Sie geht auf ihren Begründer Carl R. Rogers
zurück.In seiner wissenschaftlichen Forschungsarbeit ging er der Frage nach, welche Bedingungen dazu
führen, dass eine Person von sich aus über ihr Erleben spricht, sich dabei besser verstehen lernt und
schliesslich zu Einstellungs- und Verhaltensveränderungen gelangt. Damit eine psychologisch relevante
Veränderung des Selbstkonzeptes einer Person stattfinden kann, müssen vom Therapeuten die drei
Grundhaltungen in der Beziehung zum Klienten gelebt werden: 1.) Bedingungslose positive
Wertschätzung, 2.) Empathie und 3.) Kongruenz (Echheit). Je mehr es gelingt, die personenzentrierte
Grundhaltung zu verwirklichen, desto grösser die Chance, dass bei den Klienten ein Prozess in Gang
kommt, der sich auf Besserung oder Heilung von psychischen oder psychosomatischen Störungen
zubewegt, auf die Übernahme von Selbstverantwortung und Verantwortung für andere, auf eine Zunahme
von Lern- und Lebensfreude, auf den Abbau von Wachstumsbockierungen. (Quelle: siehe Bibliothek)
3.4.5. Psychologische Schmerztherapie
Schmerzen haben erheblichen Einfluss auf die Psyche des Menschen. Oft sind psychologische Verfahren
der einzige Weg chronischen Schmerzen zu lindern. Psychologische Methoden versuchen am affektiven,
kognitiven und sozialen Aspekt chronischer Schmerzen anzusetzen. Im diagnostischen Teil werden die
biologischen, psychischen und sozialen Merkmale des aktuellen Schmerzverhaltens und –erlebens
erhoben. Danach kommen spezifische Verfahren zur Veränderung ungünstiger Verhaltens- und
Empfindungsgewohnheiten vermittelt und in den Alltag des Patienten transferiert. Es können aufarbeitende
(Konflikt-, Gedanken und Beziehungsanalyse) oder vorwiegend modifikatorische (Aktivitätsänderung,
Verhaltenslenkung, Entspannungs- und Visualisierungstechniken, Hypnotherapie) zur Anwendung
kommen. (Deutsche Schmerzgesellschaft (DGSS))
3.4.6. Screentechnik (Bildschirmtechnik)
Die Screentechnik ist eine psychotherapeutische Technik zur Traumabearbeitung oder Stärkung von
Ressourcen. Anwendung findet diese Methode z.B. in der Traumakonfrontation. Die Arbeit mit der
Bildschirmtechnik erfordert eine gezielte qualifizierte Vorbereitung. Dazu werden innere Ressourcen wie
Kraft, Sicherheit, Weisheit verfügbar gemacht und gestärkt. Geeignete Methoden sind zb. „sicherer Ort“,
„innere Helfer“, sowie Distanzierungstechniken, zb. „Tresor-Technik“. Bei der Bildschirmtechnik projiziert
der Patient die Traumathematik auf einen „inneren Bildschirm“ oder eine imaginäre Leinwand, auf der er
das Geschehen als Zuschauer sozusagen distanziert und portionsweise betrachten kann. Mit einer
imaginären „Fernbedienung“ kann er Einfluss nehmen, beispielsweise auf die Dauer des Betrachtens,
Nähe, Größe, Deutlichkeit, Lautstärke des Sicht- und Hörbaren. Mit dieser Methode kann ein Trauma
Schritt für Schritt durchgearbeitet werden. Die überwältigenden Gefühle von Ohnmacht, Todesangst, Panik,
Ekel, Scham werden dabei zunehmend zu unterscheiden gelernt von Gefühlen, die der Verarbeitung
dienen (Empörung, Trauer, Wut).(Quelle: siehe Bibliothek)
22
3.4.7. Stress und Stressbewältigung
Patienten sind häufig mit vielfältigen Anforderungen konfrontiert, deren inadäquate Bewältigung mit einem
erhöhtem Stresserleben und beeinträchtigenden Stresssymptomatiken, auf der physiologisch-vegetativen
Ebene, der kognitiv-emotionalen Ebene sowie der Verhaltensebene, verbunden ist. Zu den
Anforderungsklassen im Kinder- und Jugendalter gehören: alltägliche Belastungen (Streitigkeiten mit den
Eltern, Geschwistern oder Freunden); kritische Lebensereignisse (Trennung der Eltern, Umzug); und
entwicklungsbedingte Anforderungen (wie körperliche Veränderungen in der Pubertät). Die Schulung von
Stressbewältigungskompetenzen ist deshalb in der Gesundheitsförderung zentral. Ein früh erlerntes,
gesundes Bewältigungspotential ist von unschätzbarem Wert für das spätere Leben.
Zum Stressbewältigungstraining gehören:
a) Die Vermittlung eines Stressmodells
b) Identifikation von Stressreaktionen
c) Identifikation von stressauslösenden Situationen
d) Vermittlung von Stressbewältigungsstrategien.
3.4.8. Problemlösetraining
Zu den kognitiven Fähigkeiten eines Menschen gehören neben Aufmerksamkeit und Konzentration,
Informationsverarbeitung und Gedächtnis sowie Denken und Sprechen auch Problemlöse-, Planungs- und
Reflexionsfähigkeiten. Das Problemlösetraining ist ein spezieller therapeutischer Ansatz mit dem Ziel,
verschiedene komplexe Schwierigkeiten des Alltags selbstständig zu bewältigen. Hierbei werden
spezifische Probleme beispielhaft behandelt, damit Patienten lernen, auf welche Weise sie generell
Probleme lösen können. Zum Problemlöseprozess gehören: Allgemeine Orientierung, Beschreibung des
Problems, Erstellen von Alternativen, Treffen einer Entscheidung, Anwendung und Überprüfung der
Entscheidung.
3.4.9. Selbstinstruktionsmethoden
Diese gehören zu den bekanntesten Verfahren der kognitiven Verhaltensmodifikation. Sie werden
eingesetzt, um die kognitiven Voraussetzungen zu vermitteln, dir für ein erfolgreiches Verhalten notwendig
sind. Dazu gehören hauptsächlich Formen der Handlungssteuerung und der emotionalen
Selbstregulierung, beispielsweise zur angemessenen Einschätzung von Situationen, zur Erarbeitung von
Zielen, zur Planung komplexer Handlungen und zur Ausführung sowie Überwachung, Korrektur und
Bewertung von Handlungsschritten.
3.4.10. Konfrontationsmethoden
Die Konfrontation (auch Exposition genannt) meint die aktive Auseinandersetzung mit angstauslösenden
Situationen um eine Reduktion der Angstreaktion und eine Bewältigung zu ermöglichen. Unter diesen
Oberbegriff fallen Ausführungen wie:
Habituationstraining; ein in-vivo-Verfahren, bei dem der Patient direkt mit einer sehr aversiven Situation,
abgestuft im Sinne einer Annäherungshierarchie, konfrontiert ist.
Systematische Desensibilisierung; die Angststimuli werden hierarchisch angeordnet dargeboten, zunächst
in der Vorstellung (in-sensu), danach in der Realität
Angstbewältigungstraining; der Patient trainiert Angst- und Anspannungsgefühle frühzeitig wahrzunehmen
und bei auftretender Angst selbstständig zu deren Bewältigung vorher erlernte Entspannungstechniken
einzusetzen.
23
3.4.11. Soziales Kompetenztraining
Soziale Kompetenz umfasst eine Vielzahl von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die bedeutsam für eine
gelungene zwischenmenschliche Interaktion sind. Soziale Kompetenz ermöglicht es den Patienten, eigene
Interessen, Ziele und Bedürfnisse zu vertreten und durchzusetzen und gleichzeitig die Ziele, Interessen
und Bedürfnisse der jeweiligen Interaktionspartner zu berücksichtigen und zu wahren.
Eine Indikation für soziales Kompetenztraining besteht prinzipiell, wenn ein unangemessenes
Sozialverhalten vorliegt, das in Relation zum jeweiligen Entwicklungsstand bzw. von Gleichaltrigen deutlich
abweicht. Das Training empfiehlt sich als wichtiger Baustein bei verschiedenen psychischen Störungen,
insbesondere bei sozialen Ängsten, Störungen des Sozialverhaltens, Depressionen oder hyperkinetische
Störungen. Es ist ebenso bei entsprechenden subklinischen Verhaltensproblemen wie Schüchternheit,
sozialem Rückzug oder aufsässigem, distanzlosem und enthemmten Verhalten angezeigt.
3.4.12. Rollenspielmethoden
Das therapeutische Rollenspiel verfolgt zwei Ziele. Zum einen sollen neue Verhaltensweisen ausprobiert,
geübt und letztlich stabil erlernt werden, sie bisher nicht oder nur rudimentär im Verhaltensrepertoire des
Patienten vorhanden waren. Zum anderen sollen bereits erworbene Verhaltensweisen aktualisiert werden,
die bisher wegen ungünstiger Lebensumstände oder dysfunktionaler Gedanken (z.B.im Rahmen von
Ängstlichkeitsproblematik) nicht (oder nicht ausreichend) gezeigt wurden.
3.4.13. Entspannungsverfahren
Entspannungsverfahren sind nie alleinige Behandlungsmethode, sondern Teil eines multimethodalen
Behandlungsprogramms. Sie erfüllen unterschiedliche Funktionen:
Zusätzliche Begleitmaßnahme: beispielsweise zur allgemeinen Stressreduktion im Alltag
Vorbereitungsmaßnahme bei lern- und verhaltensauffälligen Patienten zu Beginn einer
Therapiesitzung
Therapieunterstützung: durch die Selbstbeeinflussungs- und Selbstwirksamkeitserfahrungen
während der Entspannungsübungen kann der Aufbau von Selbstinstruktions- und
Selbstkontrolltechniken unterstützt werden.
Zentrale Behandlungsmethode je nach Störungsbild.
Zu den einzelnen Entspannungsverfahren gehören:
Sensorische Verfahren: Progressive Muskelentspannung, Biofeedback
Imaginative Verfahren: Hypnose, Vorstellungsbilder- und Entspannungsgeschichten
Kognitive Verfahren: autogenes Training und meditative Verfahren
3.4.14. Operante Methoden
Hierbei handelt es sich um therapeutische Verfahren, die auf den Prinzipien der instrumentellen oder
operanten Konditionierung aufbauen. Hierzu zählen Verstärkungspläne und Extinktion.
3.4.15. Konzentrations- und Aufmerksamkeitstraining
Konzentration bezeichnet die Bündelung der geistigen Energie auf einen Gegenstandsbereich;
Aufmerksamkeit die grundlegende Fähigkeit, Reize auszuwählen, aufzunehmen und angemessen zu
verarbeiten. In der Therapie kommen wissenschaftlich evaluierte Trainingsprogramme zum Einsatz.
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3.4.16. Elterntraining
Die Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten und Bezugspersonen ist in der
psychotherapeutischen Behandlung von Kindern- und Jugendlichen häufig eine Voraussetzung für die
Effektivität der Behandlung und die Stabilität erzielter Veränderungen. Es gibt vielfältige Elterntrainings,
wie z.B. Triple P oder PEP. Die Trainings haben folgende Ziele:
Genaue Beobachtung und Beschreibung des Kindsverhaltens, der sozialen Interaktion und der
situativen Bedingungen
Förderung positiver Interaktionen und situativer Verhältnisse
Aufbau zielführender, bestärkender Erziehungsstrategien
Vermittlung von Erziehungsstrategien zum Abbau von Problemverhalten
3.5 Die Mitarbeiterressourcen: Funktionen, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen
Das Team besteht aus einer Direktionsbeauftragten mit einer 34-Stunden-Stelle, sowie zwei Diplom-
Psychologen mit jeweils 30 und 40 Stunden pro Woche.
Die Mitarbeiter haben Aus- und Weiterbildungen in Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie
(Verhaltenstherapie), Erwachsenenpsychotherapie, systemischer Therapie, Traumatherapie, EMDR,
Hypnotherapie, Gesprächspsychotherapie sowie psychologischer Schmerztherapie.
3.6 Netzwerk externer Akteure
AFP- Solidarité-Famille
ALUPSE-DIALOGUE
Arcus asbl
CPOS centre de Psychologie et d’Orientation Scolaire
SPOS service de Psychologie et d’Orientation Scolaire
Centre de Médiation asbl
Centre thérapeutique Kannerhaus Jean
Familljen-Center
Fondation Pro Familia
Gesond Liewen & Center de consultations
Haus 89
Impuls – aide aux jeunes consommateurs
Planning Familial
Jugend- an Drogenhellef
Refuge « Péitrusshaus »
SDIP- service de détection et d’intervention Précoce pour troubles psychiques
Service National de la Psychiatrie Juvénile
Service Psychologique pour enfants et adolescents victimes de violences domestiques de
consultation
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3.7 Infrastruktur und Ausrüstung
Die Räumlichkeiten des Psy-Jeunes befinden sich in der vierten Etage und sind über Treppen und mit
Aufzug erreichbar.
Jeder Berater/Therapeut hat ein eigenes Büro mit einer Sitzecke für die Beratung/Therapie. Insgesamt
stehen vier Büros zur Verfügung.
Neben dem Eingangsbereich, der auch als Empfangs- und Warteraum genutzt wird, gibt es noch eine
kleine Küche mit Tisch und Sitzgelegenheit sowie zwei getrennte Toiletten.
Der Dachboden ist durch eine ausklappbare Leiter zugänglich und ist Bestandteil des Mietvertrages.
Die Büros sind mit einem Computer ausgestattet und an einen zentralen Drucker angeschlossen. Die
Mitarbeiter haben Zugang zu der Rotkreuz-internen Serverstruktur und haben ein spezialisiertes
Informatikprogramm zur Erfassung der Klientendaten, zur Dokumentation sowie zur Abrechnung der
geleisteten Einheiten (QM-Center von daarwin©).
3.8 Finanzierungsquellen des Dienstes
Wie bereits im Kapitel 2.7 „Rechtliche Bedingungen und Vorschriften“ erwähnt, finanziert das ONE die
verschiedenen Leistungen wie sie in der „Convention-Cadre horaire““ definiert sind.
Als „service d’aide sociale à l’enfance pour consultation thérapeutique“ verrechnet der Psy-Jeunes
vorrangig Stundensätze, die als « consultation psychologique ou psychothérapeutique d’enfants, de jeunes
adultes et de familles » unter dem Code 9.1 anfallen.
Die finanzielle Partizipation der Eltern, insofern die Leistung übers ONE abgerechnet wird, wird vom ONE
festgelegt und auch eingeklagt.
Neben dieser Finanzierung durch die öffentliche Hand können die Eltern beziehungsweise die volljährigen
Klienten die Sitzungen auch privat bezahlen. Eine Abrechnung und Berichterstattung übers ONE wird dann
nicht stattfinden. (siehe hierzu auch Kapitel 2.7 Rechtliche Bedingungen und Vorschriften, S.13.
In besonderen Fällen kann die Therapie auch von den Eigenmitteln des Roten Kreuzes übernommen
werden. Die Bewilligungsprozedur des „Fonds de Solidarité“ befindet sich im Anhang.
3.8.1. Finanzielle Überwachung und Kontrolle
Neben der monatlichen Abrechnung der geleisteten APC’s an das ONE besteht jederzeit die Möglichkeit
die Sitzungen der psychologischen Beratung bzw. Therapie pro Klient und pro Therapeut im QM-Center
zu verfolgen (siehe Kapitel 3.7 Infrastruktur und Ausrüstung).
In enger Zusammenarbeit mit der Rot-Kreuz-internen Finanzabteilung findet ein monatliches Controlling
statt. Die abgerechneten Leistungen werden in Bezug zu den gesamten monatlichen Ausgaben gesetzt.
Des Weiteren überwachen die finanziellen Indikatoren das proratisierte Gleichgewicht zwischen
klientenbezogener und administrativer Arbeit.
26
IV Das Qualitätskonzept als Antriebsfaktor für den
Erfolg
Das Ziel jedes Qualitätskonzepts ist eine dynamische und kontinuierliche Verbesserung.
Deshalb hat das Luxemburger Rote Kreuz eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt:
- Jährliches Datenblatt mit den Management-Indikatoren des Dienstes, das als Reporting-Instrument
dient
- Die Verstärkung der Hilfsteams sowohl im Bereich Qualität und Entwicklung als auch auf der Ebene
der Generaldirektion (Abteilung Entwicklung der Organisation – „CDO“) und auf der Ebene der Dienste
der nationalen Solidarität („Solidarité nationale“; Abteilung Qualität- und Entwicklung – „Q&D“)
- Die Ausarbeitung eines Entwicklungsplans für jeden Dienst, der die prioritären Arbeitsfelder des
Dienstes hervorhebt und auch die Dimensionen Qualitätsmanagement (Bearbeitung von
Beschwerden, Fortbildungsplan …) und Risikomanagement umfasst.
- Das Verfassen eines allgemeinen Aktionskonzepts für jeden Dienst.
Die Qualitäts- und Entwicklungsabteilung (Q&D) der nationalen Solidarität hat die Aufgabe, die Qualität
sicherzustellen und zu verbessern sowie Arbeitskonzepte, Entwicklungspläne und Arbeitsprozesse der
verschiedenen Dienste umzusetzen und/oder zu begleiten, und dies mit dem Ziel, die Effizienz des
Mitteleinsatzes (z.B. Hilfsdienste, Infrastruktur, Humanressourcen usw.) zu optimieren. Weitere
Aufgabenbereiche sind die Entwicklung der Dienste und der Kompetenzen der Mitarbeiter, die Fort- und
Weiterbildung, die Humanressourcen (Bereich Beruf, Teamführung, Reglementierte Berufsausbildung,
Coaching), Arbeitskonzepte, Ehrenamt und Innovation.
Die Abteilung „Q&D“ arbeitet aktiv mit dem Team Entwicklung der Organisation der Generaldirektion
zusammen. Sie setzt die Strategie und Gesamtpolitik des Luxemburger Roten Kreuzes um.
4.1 Leitung des Dienstes (Strategischer Überblick)
Die Balanced ScoreCard ist ein Messsystem für das Leistungs-Gleichgewicht zwischen:
- finanziellen und nicht-finanziellen Indikatoren
- kurzfristigen und langfristigen Aspekten
- intermediären Indikatoren und Ergebnismessungen
Diese Indikatoren verteilen sich auf 4 Achsen (Kunden, interne Prozesse, organisationales Lernen,
Finanzen). Sie sind jedoch vor allem untereinander durch Ursache-Wirkungs-Beziehungen verbunden, die
die Strategie sichtbar machen und es erlauben, die Initiativen der Mitarbeiter, der Dienste und der
Gesamtorganisation darzustellen.
Ziel der Qualitätsentwicklung ist es, eine Balanced Score Card für Psy-Jeunes zu erarbeiten.
Aktuell besteht schon das jährliche Datenblatt „fiche signalétique“, welche im Jahresrhythmus aktualisiert
wird. Sie dient der Steuerung der Abteilung über die Bereiche Finanzen, Mitarbeiter und prozessspezifische
Indikatoren. (siehe auch Kapitel 3.8.1 Finanzielle Überwachung und Kontrolle).
27
4.2 Entwicklungsplan
Jede Organisation arbeitet täglich an der Verwirklichung ihrer Ziele, um ihre Mission zu erfüllen.
Gewisse Zwänge und unerwünschte Nebeneffekte können die Organisation daran hindern oder dabei
bremsen, diese Ziele zu erreichen und dadurch die Leistungsfähigkeit der Organisation schwächen.
Um dies zu verhindern, werden Aktionen (mithilfe eines Plans) umgesetzt, um die Wirkung dieser
unerwünschten Nebeneffekte zu beseitigen oder zu vermindern.
Deshalb wird der Entwicklungsplan durch die verschiedenen Schritte geprägt, die zur Aufstellung eines
Aktionsplans des Dienstes und für seine Verbesserung nötig sind:
- Schritt 1: Antwort auf die Frage „Was muss sich in der Organisation ändern?“
- Schritt 2: Antwort auf die Frage „In welche Richtung muss es sich ändern?“
- Schritt 3: Antwort auf die Frage „Wie kann man es ändern?“
Jede Frage wird von logischen Werkzeugen des Thinking Process begleitet, die aus der Methode der
„Engpasstheorie“ (von Dr. Eliyahu Goldratt (1947-2011) entwickeltes Konzept) hervorgehen.
Diese Werkzeuge zielen auf die Analyse und Lösung von Problemen sowie die Identifizierung und
Beseitigung der Ursachen ab, die zu unerwünschten Nebeneffekten führen.
Es handelt sich um einen interaktiven Ansatz in Form von Teamarbeit, während der die Mitarbeiter eines
Dienstes die bei ihrer täglichen Arbeit auftretenden Probleme benennen: So werden sie sich der
Auswirkungen auf die gesamte Organisation bewusst.
Dieses gemeinsame Bewusstwerden schafft ein Gemeinschaftsgefühl und fördert die Zustimmung zu den
durchzuführenden Veränderungen.
4.3 Beschwerdemanagement
Eine Beschwerde ist der vom Kunden mündlich oder schriftlich formulierte Ausdruck einer Unzufriedenheit
mit den Dienstleistungen des Luxemburger Roten Kreuzes. Sie ist eine Aufforderung zum Handeln infolge
einer vom Kunden artikulierten Unzufriedenheit.
Unter Beschwerdemanagement versteht man das von einer Organisation genutzte System zur Bearbeitung
artikulierter Unzufriedenheit, um die Beziehung zwischen dem Dienst und dem sich beschwerenden
Klienten zu stabilisieren.
4.4 Risikomanagement
Das Luxemburger Rote Kreuz hat sich entschieden, für alle seine Dienste ein Risikomanagement
einzuführen, das in den Händen des jeweiligen Leiters des Dienstes liegt.
Jeder Dienst muss also seine allgemeinen Risiken (quer verlaufender, gemeinsamer und strategischer Art)
sowie seine lokalen Risiken identifizieren, ausgehend von der Analyse seiner Prozesse und gemäß dem
jeweils geltenden Risikomanagement-Verfahren.
Auf dieser Basis wird ein Aktionsplan erstellt, der sich gegen die zu bekämpfenden Risiken richtet.
Anschließend werden die Risikoindikatoren identifiziert, um die Entwicklung und die Auswirkungen der
Risiken zu beobachten; auf diese Weise kann das Leistungsmanagement des Dienstes auf der Basis der
oben beschriebenen Balanced ScoreCard integriert werden.
Das Risikomanagement wird in verschiedenen Etappen eingeführt. Die Mitarbeiter erstellen eine erste
Kartografie der globalen Risiken und bewerten diese nach Impact und Auftretenswahrscheinlichkeit aus
ihrer subjektiven Sicht. Der so definierte Koeffizient ermöglicht eine Einschätzung der genannten Risiken.
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Die rot eingeordneten Risiken gelten als akut und werden vorrangig behandelt. Die orange eingeordneten
Risiken werden in einem festgelegten Aktionsplan behandelt oder mindestens überwacht.
Kartografie der Risiken*
Pro
ba
bilit
é
Très Souvent 4 0 0 0 0
Souvent 3 0 1 0 0
Rare 2 0 1 1 0
Nul ou quasi- impossible 1 0 0 2 0
1 2 3 4 faible modéré important catastrophique
Impact *Situation April 2016
Die in der oben beschriebenen ersten Phase als orange eingestuften Risiken sind:
P3 : I2: Psychische Belastung des Beraters / Therapeuten
P2 : I3: Drogenkonsum vor der Tür
Die genaue Beschreibung der globalen Risiken, ihrer Ursachen und Wirkungen ist Teil des
Risikomanagements. Der Aktionsplan, die Indikatoren und die erwünschten Effekte werden in einem
Rhythmus von 6 Monaten ausgewertet und ständig weiterentwickelt.
In den folgenden Schritten wird eine globale Risikoeinschätzung durch das Management erfolgen. Des
Weiteren werden die einzelnen Prozessabläufe analysiert (Risikoeinschätzung nach Prozessen).
Im „Comité risques“ vom Roten Kreuz entsteht eine globale Sicht und Überwachung aller Risiken der
verschiedenen Abteilungen. Die Qualitäts- und Entwicklungsabteilung (Q&D) der Solidarité Nationale hat
die Funktion der Koordination innerhalb ihrer Abteilungen.
4.5 Fortbildungsplan
Während der jährlichen Mitarbeitergespräche wird mithilfe des Kaleidoskops der spezifische
Fortbildungsbedarf ermittelt und an die Abteilung Qualität und Entwicklung weitergegeben, die
anschließend einen an die Bedürfnisse jedes Mitarbeiters angepassten Fortbildungsplan erstellt.
29
Anhang
Logigramme „accord de prestation de service“ 2755
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Liste der Abkürzungen
AEF Aide à l’Enfance et à la Famille – Gesetz vom 16. Dezember 2008 bezüglich der Kinder-
und Familienhilfe
APC Accord de Prise en Charge – Bewilligung der Leistung durch das ONE im Rahmen des
AEF-Gesetzes
ASE Aide Sociale à l’Enfance – französisches Jugendamt
CDO Cellule Développement de l’Organisation – Abteilung vom Roten Kreuz Luxemburg
CHL Centre Hospitalier de Luxembourg
CPI Coordinateur de Projet d’Intervention im Rahmen des AEF-Gesetzes
CPOS Centre de Psychologie et d'Orientation Scolaires
EMDR Eye Movement Desensitiziation and Reprocessing
FG1 Formularbezeichnung beim ONE
FG2 Formularbezeichnung beim ONE
FMA5.1 Formularbezeichnung beim ONE
FMA6 Formularbezeichnung beim ONE
FMA7 Formularbezeichnung beim ONE
ICD-10 International Classification of Diseases
MEG Milton Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose
ONE Office National de l’Enfance
PI Projet d’Intervention
Q&D Qualité & Développement – Abteilung vom Roten Kreuz Luxemburg
SAJ Service d’Aide à la Jeunesse – belgisches Jugendamt
SCAS Service Central d’Assistance Sociale
SDIP Service de Détection et d’Intervention Précoce pour troubles psychiques
SLEMO Service de Logement En Milieu Ouvert
SNJ Service National de la Jeunesse
SPOS Service de Psychologie et d'Orientation Scolaire
WHO World Health Organization
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Bibliografie
Tara L. Kuther, Robert D. Morgan: Careers in Psychology: Opportunities in a Changing World. Wadsworth
2007.
N. Ladany, A. Inman: Handbook of Counseling Psychology. 4. Auflage. John Wiley & Sons, New York 2008.
Carl R. Rogers: Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie. Fischer TB, Frankfurt a. M. 1993.
Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie (GwG)
Katharina Sternek, Über den Einsatz und die Wirkungsweise von "Bildschirm-Techniken", Phänomenal
6(1), S. 20-29.
Luise Reddemann, Arne Hoffmann, Ursula Gast (HR): Psychotherapie der dissoziativen Störungen
(Lindauer Psychotherapie Module). Georg Thieme, Stuttgart, New York 2004, ISBN 3-13-130511-8, S. 135
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