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Kapitel des L3T Lehrbuch (http://l3t.eu)
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2 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)
1. Einführung: Der Stellenwert von Lerntheorien
Es ist eine wiederkehrende Frage, welche lerntheore-tischen Hintergründe man eigentlich kennen muss,um eine technologiegestützte Lernumgebung erfolg-reich gestalten zu können. Viele Novizen auf demGebiet des Lehrens und Lernens gehen davon ausoder hegen zumindest die Hoffnung, dass ihnen dasWissen über die wichtigsten Lerntheorien den Wegim Didaktischen Design weist: „Sag mir, welcheLerntheorie du bevorzugst, und ich sage dir, was zutun ist.“ Diese Erwartung ist ebenso illusorisch wiedie Annahme falsch ist, in der Gestaltungspraxisseien lerntheoretische Kenntnisse letztlich über-flüssig. Es stellt sich also die Frage, welchen Stel-lenwert Lerntheorien insbesondere für Grund-satzentscheidungen im Didaktischen Designhaben. Der Begriff des Didaktischen Designs wird indiesem Beitrag in einem neutral beschreibendenSinne verwendet und schließt damit alle Ansätze ein,die gemeinhin verschiedenen Paradigmen wie zumBeispiel Kognitivismus und Konstruktivismus zuge-ordnet werden. Didaktisches Design steht damit auchüber Begriffen wie Instruktionsdesign, das in derdeutschen Fassung im Übrigen wesentlich enger defi-niert ist als das englische Pendant „instructionaldesign“.
Mit Grundsatzentscheidungen sind solche Ent-scheidungen gemeint, die den „Charakter“ einer Lernumgebung prägen, der wiederum Einfluss aufviele weitere Detailentscheidungen hat: etwa aufAuswahl und mediale Aufbereitung von Inhalten, aufGestaltung von Aufgaben zur inhaltlichen Auseinan-dersetzung, auf Technologiewahl und -einsatz etc.Was aber sind Lerntheorien genau?
Lerntheorien konzentrieren sich darauf, mög-lichst global zu beschreiben und zu erklären, wieLernen generell „funktioniert“. Lernen wird ge-meinhin als Erfahrungsprozess aufgefasst, der dazuführt, dass eine Person relativ stabile Dispositionenfür direkt beobachtbares Verhalten (Können) odernicht sichtbares „Verhalten“ (Wissen) aufbaut (vgl.Bodemann et al., 2004). Das aber kann viel heißen:(a) Lernen kann sich darauf reduzieren, sich zu infor-mieren. Es genügt einem dann, Informationen zugegebener Zeit wiederzuerkennen, mit denen mansich beschäftigt hat. (b) Lernen kann auch anspruchs-voller gemeint sein und darauf hinauslaufen, dassman über neues Wissen tatsächlich verfügt. Diesesmöchte man dann wiedergeben und irgendwo ein-setzen können. (c) Lernen kann explizit darauf aus-gelegt sein, einen bestimmten Problemtyp zu lösen.Das ist mit dem Anspruch verbunden, die erworbene
Kompetenz konkret anzuwenden und damit zuhandeln. (d) Schließlich kann das Lernen mit demZiel belegt sein, langfristige Expertise in einem Feldaufzubauen. Als Experte oder Expertin strebt manumfassendes Wissen und flexibles Können auch inwenig vorhersehbaren Problemsituationen und einebestimmte Haltung an.
Alle diese Lernformen basieren auf Erfahrungund verändern die Dispositionen einer Person.Gleichzeitig sind die Art der Erfahrung und die Qua-lität des potenziell resultierenden Wissens undKönnens sehr unterschiedlich. Bis heute gibt es keineLerntheorie, die alle denkbaren Lernformen zufrie-denstellend beschreiben, geschweige denn erklärenkönnte. Es ist also geradezu notwendig, dass esmehrere Lerntheorien gibt, die jeweils Akzentesetzen und nur bestimmte Formen oder Aspekte vonLernen im Blick haben und andere ausblenden. JedeLerntheorie bewegt sich allerdings (mindestens inihrer Entstehung) im gerade dominierenden wissen-schaftlichen Zeitgeist. Lehr-/Lernforscher/innen undExpertinnen und Experten auf dem Gebiet des Di-daktischen Designs sind wie andere Wissenschaft-ler/innen „Kinder ihrer Zeit“ und nehmen eineeigene Perspektive ein, mit der Folge, dass man derenErkenntnisse nicht als einzig gültige Wahrheit be-trachten darf. Die jeweils vorherrschende oder auchpräferierte Lerntheorie prägt die Lehr-/Lern-Auf-fassung von Entwicklerinnen und Entwicklern didak-tischer Designs sowie Lehrenden wie auch die von
Lernenden.Das ist ein wichtiger, oft übersehener Punkt, denn:Wenn Lerntheorien implizit wirken, dann sind sienicht Ausgangspunkt einer bewussten Gestaltungs-strategie, sondern ein eher unkontrollierter Einfluss-faktor, der reflektierte Gestaltungsentscheidungenmöglicherweise behindert. Kenntnis über Lern-theorien kann also in einem ersten Schritt dabeihelfen, mögliche implizite Wirkungen zu erkennenund offen zu legen. Ob sie einen in einem zweitenSchritt auch darin unterstützen, zu einer Gestaltungs-strategie zu kommen, gilt es zu klären. Zu diesemZweck werden zunächst einmal die gängigstengroßen Lerntheorien in aller Kürze beschrieben.
Lerntheorien konzentrieren sich darauf, möglichstglobal zu beschreiben und zu erklären, wie Lernen ge-‐nerell „funk4oniert“. Sie bewegen sich (mindestens inihrer Entstehung) im gerade dominierenden Zeitgeistund beeinflussen Lehr-‐/Lern-‐Auffassungen.
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Didak4sches Design. Von der Lerntheorie zur Gestaltungsstrategie) — 3
2. Lerntheorien: Eine Übersicht
Der Behaviorismus und das Reiz-‐ReakDons-‐Modell
Wer schon etwas vom Behaviorismus gehört hat,denkt meist als erstes an speichelnde Hunde und he-beldrückende Tauben oder Ratten. Berühmte Tier-versuche spielen im Behaviorismus in der Tat eineRolle, bilden aber nur auffällige Wegmarken einerLerntheorie, deren Prinzipien die (Lern-)Psychologiebis zur Mitte des 20. Jahrhunderts dominiert haben.Grundlage des Behaviorismus ist das Reiz-Reak-tions-Modell. An den mentalen, im Gehirn ablau-fenden Prozessen zwischen Reiz und Reaktion ist derBehaviorismus dagegen nicht interessiert (Black-Box-Denken). Das Gehirn wird als ein Organ angesehen,das auf Reize mit angeborenen oder erlernten Verhal-tensweisen reagiert. Nachfolgende Konsequenzengelten als neue Reize, die das Verhalten formen.Damit sind die beiden Konditionierungsformen an-gesprochen, die den Behaviorismus kennzeichnen:Beim klassischen Konditionieren wird ein an sichneutraler Reiz zeitlich mit einem Reiz gekoppelt, dereine (reflexartige) Reaktion auslöst, sodass der ersterespäter auch allein die Reaktion bedingt. Das funktio-niert besonders gut bei physiologischen, aber auchemotionalen Reaktionen wie Furcht und Stress(Watson & Rayner, 1920). Beim operanten Kondi-tionieren wird ein spontanes Verhalten mit einemangenehmen Reiz (positiv) oder durch Entfernungeines unangenehmen Reizes (negativ) verstärkt undauf diese Weise geformt (Skinner, 1954). Dass Ver-haltensweisen nicht nur durch eigenes Tun und Ver-stärkungen, sondern auch durch Beobachtung undNachahmung erlernt werden können, hat Bandura(1977) mit dem Lernen am Modell gezeigt: Hierfungiert das Modellverhalten als Hinweisreiz für eineNachahmungsreaktion. Nachgeahmt wird das Ver-halten vor allem dann, wenn das Modell einem selbstähnlich ist und erfolgreich war. Die Prinzipien desBehaviorismus werden in diesem Modell um ko-gnitive Aspekte erweitert.
Behavioristische Lerntheorien beruhen auf einergroßen Anzahl von Laboruntersuchungen, in denenman sich grundsätzlich nur für beobachtbares Ver-halten interessiert; innere Vorgänge kommen erst inBanduras Prinzip der Nachahmung allmählich zumTragen. Forschungsmethodisch setzt der Behavio-rismus auf experimentalpsychologische Verfahren,um Ursache-Wirkungsbeziehungen aufzudecken undProzesse der Verhaltensänderung möglichst eindeutigbeschreiben und erklären zu können. Das Men-schenbild im Behaviorismus ist stark geprägt vonKonditionierung auf und durch äußere Reize. Lernen
gilt als Sonderform des Verhaltens und wird als eineArt Trainingsvorgang verstanden. Beim Lehren sollbezogen auf ein bestimmtes Ziel Verhalten gesteuertund verändert werden. Fast zwangsläufig resultiertaus dieser Auffassung eine eher autoritäre Rolle desLehrenden: Er hat eine starke Machtposition undentscheidet, was wie zu lernen ist. Er gestaltet „Reiz-situationen“ und Konsequenzen so, dass die ange-strebten Lernergebnisse eintreten und stabilisiertwerden. Das Kommunikationsverhältnis zwischenLehrenden und Lernenden ist unidirektional (Baum-gartner et al., 2004). Die Lernenden sind in behavio-ristisch gestalteten Lernumgebungen durchaussichtbar aktiv. Allerdings sind diese Aktivitäten fürden Lehrenden nur im Hinblick auf den „Output“(Lernergebnisse) von Interesse.
Der KogniDvismus und die InformaDonsverarbeitungs-‐perspekDve
Der Kognitivismus beansprucht spätestens seitBeginn der 1980er Jahre den lerntheoretischen Füh-rungsanspruch. Seine Ursprünge liegen in techni-schen und mathematischen Gebieten (Kybernetik,Informationstheorie, Künstliche Intelligenz); er wirdals Informationsverarbeitungsparadigma bezeichnet(vgl. Baumgartner & Payr, 1999). Anders als der Be-haviorismus interessiert sich der Kognitivismus nichtfür die direkte Verbindung von Reizen und Reak-tionen, sondern dafür, mit welchen Methoden Men-schen zu Problemlösungen kommen. Lernen gilt alsein mentaler Prozess, der sich analog zur Informati-onsverarbeitung im Computer modellieren lässt. DieAufnahme und Verarbeitung von Information führtzu Wissen, das im Gehirn repräsentiert ist und ge-speichert wird. Lehr-/Lern-Prozesse stellt man sichals meist sprachlich codierte Informationsüber-tragung vom Sender (Lehrende) zum Empfänger(Lernende) vor. Diese Vorstellungen aus der Nach-richten- und Computertechnik haben vor allem dieGedächtnisforschung in hohem Maße beflügelt. Seiteinigen Jahren werden diese durch den konnektionis-tischen Ansatz ergänzt oder modifiziert, der mit bio-logischen Modellen über Gehirn und neuronaleNetze arbeitet (vgl. Rey, 2009).
Im Rahmen kognitivistischer Forschung suchtman in (quasi-)experimentellen Studien nach Ur-sache-Wirkungs-Mechanismen und Zusammen-hängen von Variablen. Der Computer dient als wich-
Lernen gilt im Behaviorismus als Sonderform des Ver-‐haltens, das sich durch geeignete Reizsitua4onen undKonsequenzen steuern und verändern lässt.
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4 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)
tiges Hilfsmittel zur Simulation regelhafter Zusam-menhänge. Das Menschenbild im Kognitivismus istweniger mechanistisch als im Behaviorismus, weilman dem Menschen auch zielgerichtetes Handelnund Problemlösen und nicht nur reaktives Verhaltenunterstellt. Kennzeichnend ist aber auch hier dieSuche nach berechenbaren Beziehungen und Regelninnerhalb von und zwischen kognitiven Prozessen.Die Lernenden haben eine aktive Rolle, sind abernicht selbsttätig. Die Lehrenden nämlich bereiten In-halte und Probleme didaktisch auf, um den Informa-tionsverarbeitungsprozess zu erleichtern; sie habendie „Problemhoheit“ und bestimmen weitgehend,was wie gelernt wird. Das Kommunikationsverhältnisist bidirektional, ohne dass aber Lehrende und Ler-nende tatsächlich gleichberechtigte Rollen haben(Baumgartner et al., 2004). Anders als im Behavio-rismus steuert der Lehrende den Output allerdingsnicht über die Gestaltung von Reizen und Konse-quenzen, sondern durch tutorielle Unterstützung.
Der KonstrukDvismus und die Vorstellung vom Men-‐schen als Welterzeuger Es gibt verschiedene, alte und neuere, Varianten desKonstruktivismus mit Bezug zur Erkenntnistheorie,Evolutionstheorie, Neurobiologie, Gehirnforschung,Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Wissens-soziologie, Kognitionsforschung etc. (vgl. Pörksen,2001). Gemeinsam ist ihnen allen die Auffassung,dass sich Realität nicht objektiv wahrnehmen, be-schreiben und erklären lässt und folglich weder direktnoch voraussetzungsfrei erkannt werden kann.Vielmehr beruhe jeder Wahrnehmungs-, Erkenntnis-und Denkprozess auf den Konstruktionen eines Be-obachters. Es interessiert daher weniger, was „wahr“ist (weil sich das gar nicht feststellen lässt), sonderneher, was sich als nützlich bzw. viabel erweist (vonGlasersfeld, 1996). Für den Konstruktivismus ist dermenschliche Organismus ein System, das zwar ener-getisch offen und mit der Umwelt strukturell ge-koppelt ist. Er ist aber gleichzeitig informationell ge-schlossen, sodass unser Gehirn nur auf die bereitsverarbeitete und interpretierte Information vonaußen reagiert (Autopoiesis). Lernen ist folglichebenfalls ein aktiver, aber zudem ein autopoietischerVorgang, der von außen nur angeregt oder gestörtwerden kann. Vertreter des pädagogisch-didakti-schen („neuen“) Konstruktivismus postulieren vor
diesem Hintergrund Lernumgebungen, die komplexeProbleme bieten, Authentizität und Situiertheit vonInhalten und Aufgaben sicherstellen, multiple Per-spektiven berücksichtigen, eigene Erfahrung und Re-flexion anregen und Anlässe zum sozialen Austauschgeben (Reusser, 2006). Wissen ist für den Konstrukti-vismus eine individuelle und soziale Konstruktions-leistung des Menschen. Forschungsmethodisch kon-zentriert man sich konsequenterweise auf Feldstudienmit teilnehmender Beobachtung und interpretativeVerfahren, mit dem Ziel, komplexe Phänomenebesser zu verstehen. Anthropologisch betrachtet giltder Mensch im Konstruktivismus als Erschafferseiner eigenen Realität, als „Welterzeuger“, der nichtnur reagiert oder Informationen verarbeitet, sonderngestaltend in seine Umwelt eingreift und diese ver-ändert. Da Lehren und Lernen als unterschiedlicheSysteme gelten, die allenfalls lose miteinander ge-koppelt sind, erscheint Lehren als direkte Vermittlungwenig sinnvoll. Der aktive Part liegt eindeutig beimLernenden, sodass die Rolle des Lehrenden nur mehrdarin bestehen kann, Lernaktivitäten anzustoßen undLernende bei der Identifikation und Lösung vonkomplexen Problemen zu unterstützen – entwederdirekt durch soziale Interaktion oder indirekt durchdie Gestaltung von Kontexten. Als Coach hat derLehrende im Vergleich zum Lernenden zwar einenErfahrungsvorsprung; die Zusammenarbeit aber wirdals gleichberechtigt betrachtet. Das Kommunikations-verhältnis ist demnach nicht nur bidirektional,sondern ausgewogen (Baumgartner et al., 2004).
Der KonnekDvismus und die Vision vom Leben undLernen in Netzwerken Ob der Konnektivismus ebenfalls eine eigene Lern-theorie darstellt, ist höchst umstritten. Eine derHauptthesen des Konnektivismus besteht darin, dasssich Lernen als ein selbstorganisierter Prozess inNetzwerken vollzieht und allem voran darin besteht,Verbindungen herzustellen. Damit verlagert sich dasInteresse von den innerpsychischen Abläufen einerPerson auf das, was diese in realen oder virtuellenNetzwerken, bestehend aus Personen und Artefaktenbzw. Informationsquellen (verteiltes Wissen), macht(vgl. Moser, 2008). Zugrunde liegt die gegenwärtigeBeobachtung, dass Menschen in einer stark techni-sierten und mediatisierten Welt eher neue Zusam-menhänge herstellen als genuin Neues konstruieren.
Der Kogni4vismus betrachtet Lernen als einen men-‐talen Prozess, der ähnlich wie die Informa4onsverar-‐beitung im Computer abläu) und zu Wissensreprä-‐senta4onen im Gehirn führt.
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Im Konstruk4vismus gilt Lernen als ak4ver und auto-‐poie4scher Konstruk4onsvorgang, der durch Kontexteund komplexe Probleme allenfalls angeregt oder ge-‐stört werden kann.
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Didak4sches Design. Von der Lerntheorie zur Gestaltungsstrategie) — 5
Eine eher normative Forderung des Konnektivismusist, nicht mehr nur durch eigene Erfahrung zu lernenund Wissensinhalte per se zu erwerben, sondern ineiner sich rasch ändernden Welt Entscheidungen zutreffen (was bereits als Lernakt gilt), Verbindungenzwischen Wissensbereichen zu erkennen und dazu inNetzwerken zu partizipieren (Bernhardt & Kirchner,2007). Während sich Behaviorismus, Kognitivismusund Konstruktivismus wissenschaftstheoretisch re-lativ deutlich positionieren lassen, ist dies beim Kon-nektivismus schwer und in der Literatur nicht explizitaufgearbeitet. Während der Mensch im Konstrukti-vismus als Erschaffer und Gestalter seiner eigenenRealität gilt, hat er im Konnektivismus als Teil einesNetzwerkes nur mehr Gestaltungsmacht auf Formund Ausprägung neuer Verbindungen. Die ablau-fenden Prozesse gelten als emergent und können inder Folge kaum geplant oder von außen gesteuertwerden. Eine wie auch immer geartete Vermittlungs-didaktik ist nicht möglich. Der aktive Part dürfte alsonicht bei dem, sondern bei den Lernenden liegen,die sich im besten Fall gegenseitig unterstützen, vorallem informell und voneinander sowie von den sieumgebenden Informationsquellen lernen. Ein Leh-render scheint prinzipiell nicht nötig; allenfalls könnteihm die Aufgabe obliegen, Netzwerke – für eineKommunikation ohne Hierarchien – zu ermöglichen.
Fazit: Lerntheorien und ihre Wirkung im DidakDschenDesign Als Paradigmen sind Lerntheorien Orientierungs-ideale, mit denen man das Lernen erforschen kann.Sie bedingen die Sichtweise in der Forschung, legenForschungsfragen nahe und blenden andere aus,lenken Strategien und Methoden der Datenerhebungund -auswertung. In ihrer jeweiligen Hochzeit prägenLerntheorien auch die Auffassung von Lernen undLehren in der Praxis inklusive Welt- und Men-schenbild. Lerntheorien haben aus dieser Perspektivebetrachtet eine große, aber diffuse Wirkung auf dasDidaktische Design. Gleichzeitig sind sie keine hand-lungspraktischen Theorien, aus denen sich konkretedidaktische Entscheidungen systematisch ableitenlassen. Zwischen einer Lerntheorie und dem Handelnin der Praxis liegen mindestens didaktische Modelle,die sich explizit oder auch nur implizit auf eine Lern-theorie beziehen (vgl. Reinmann, 2005): Beispiels-
weise ist die programmierte Instruktion eine Aus-koppelung aus dem behavioristischen Paradigma undkann einen z.B. bei der Gestaltung eines Computer-Based Trainings zum Vokabellernen unterstützen.Die Elaborationstheorie stammt aus dem kogniti-vistischen Paradigma und liefert Vorschläge, wie manLerninhalte in einer bestimmten Form anordnet undaufbereitet. Problemorientierte Modelle wie die An-chored Instruction o d e r Goal-based Scenariosschließlich werden gemeinhin dem konstruktivisti-schen Paradigma zugeordnet und geben Anregungendafür, wie man komplexe Lernumgebungen u.a. nar-rativ gestalten kann. Doch selbst diese Modelleliefern in der Regel keine Anleitungen, wie man be-stimmte Inhalte auswählt und aufbereitet, Instruk-tionen und Aufgaben gestaltet, Feedback gibt etc. Sienehmen einem auch nicht die Grundsatzent-scheidung ab, welchen Charakter eine Lernumgebungüberhaupt haben sollte. Wie aber, so muss manfragen, kommt man dann zu einer Gestaltungsstra-tegie, wenn dies Lerntheorien nicht leisten können?
3. Ziele als Grundlage für didakDsche Grundsatzent-‐scheidungen
Lehrziele als Ausgangspunkt im didakDschen Design Wer eine technologiebasierte Lernumgebung ge-stalten will, muss wissen, welchen Zweck sie erfüllensoll und welche Ziele man damit unter welchen Be-dingungen erreichen will. Nur dann kann der didak-tische Designer eine Idee vom Ganzen und daraufaufbauend eine Strategie entwickeln, die den Cha-rakter der Lernumgebung prägt. LerntheoretischeKenntnisse sind hier weder ausreichend noch prak-tisch besonders hilfreich. Entscheidend ist vielmehrzu klären, ob man etwa Lernende vor sich hat oderansprechen will, die (a) sich einfach nur über be-stimmte Inhalte informieren oder (b) sich Wissen an-eignen oder (c) Kompetenzen zum Problemlösen er-werben oder (d) langfristig Expertise auf- oder aus-bauen wollen. Der Informationssuchende möchteaufbereitete Inhalte, bringt womöglich wenig Zeit mitund will sich nicht in komplexe Dialoge verstricken.Lernende etwa in der Schule oder zu Beginn einesStudiums haben den Anspruch, verständliche Infor-mationen und Hilfen zu erhalten, um sich Wissen an-zueignen, das sie vor allem in Prüfungen brauchen.
Lerntheorien sind keine handlungsprak4schenTheorien, aus denen sich Regeln für didak4sche Ent-‐scheidungen ableiten lassen. Sie beeinflussen aber er-‐heblich Lehr-‐/Lern-‐Auffassungen und haben entspre-‐chend indirekte Wirkungen auf das Didak4scheDesign.
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Nach Auffassung des Konnek4vismus ist Lernen einselbstorganisierter Prozess in realen oder virtuellenNetzwerken, der vor allem darin besteht, Verbin-‐dungen herzustellen.
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6 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)
Lernende, die bereits einen Beruf oder andere Auf-gaben vor sich sehen, erwarten von einem Lernan-gebot die Möglichkeit, sich auszuprobieren, ihrWissen anzuwenden und Probleme damit lösen zukönnen. Der angehende oder schon ausgebildete Ex-perte dagegen ist an Details und Spezialwissen seinerPeers interessiert, will sich austauschen und lernen,indem er an seinem Fachgebiet mitarbeitet. Es sindgenau diese Lernziele inklusive der Rahmenbedin-gungen (Größe und Eigenschaft der Zielgruppe,Umfang verfügbarer zeitlicher und anderer Res-sourcen etc.), die man explizit machen und analy-sieren muss, um die ersten didaktischen Entschei-dungen treffen zu können, die eine Lernumgebungfür weitere Detailentscheidungen rahmen.
In der Hand der Gestalter/innen des didaktischenDesigns werden Lernziele zu Lehrzielen. Da dasLernen der Grund allen Lehrens ist (oder zumindestsein sollte), ist der Gedanke nicht abwegig, den Be-griff der Lernziele dem der Lehrziele vorzuziehen.Allerdings kann man weder davon ausgehen, dassLernende alle Lehrziele als eigene Lernziele über-nehmen, noch kann man als Lehrender wirklichgenau wissen, was die innersten Ziele der Lernendenim Einzelnen sind (Klauer & Leutner, 2007). Lehr-ziele mögen als Begriff „autoritärer“ klingen, be-zeichnen aber besser, worum es beim DidaktischenDesign tatsächlich geht. Die oben verwendeten Be-griffe wie Information, Wissen, Kompetenz und Ex-pertise, die in der Literatur allesamt umfangreich(wenn auch nicht einheitlich) präzisiert sind, könneneine erste Möglichkeit sein, um verschiedene Lehr-ziele grob zu unterscheiden. Für konkrete Gestal-tungsmaßnahmen aber ist das nicht ausreichend. Hierbieten sich stattdessen verschiedene Lehrzieltaxo-nomien an.
Chancen und Grenzen von Lehrzieltaxonomien
Eine Taxonomie ist ein Klassifikationsschema, mitdem man Gegenstände, Prozesse oder Phänomenesystematisch nach einheitlichen Regeln oder Prin-zipien ordnet. Eine Lehrzieltaxonomie ist also einKlassifikationsschema, um Lehrziele zu ordnen. Einmögliches Ordnungskriterium ist der Abstrakti-onsgrad von Lehrzielen: In dem Fall kann man z.B.konkrete von abstrakten Lehrzielen trennen. Ist dasKriterium inhaltlich, dann unterscheidet man etwafachliche von überfachlichen Lehrzielen. Das Kri-terium kann auch verschiedene Dimensionen desLernens heranziehen und kognitive, emotional-moti-vationale und motorische Lehrziele postulieren. In-nerhalb einer Lehrzielkategorie (z.B. der kognitiven)wird sehr häufig das Kriterium Schwierigkeits- oderKomplexitätsgrad herangezogen. Manche Lehrziel-taxonomien kombinieren zwei Ordnungskriterienund kommen auf diesem Wege zu einer Matrix. Dasklassische Beispiel unter den Lehrzieltaxonomien istdie Taxonomie von Bloom und Mitarbeitern, die be-reits in den 1950er Jahren entwickelt wurde und zwi-schen kognitiven, affektiven und psychomotorischenLehrzielen differenziert. Am umfangreichsten ausge-arbeitet wurde der Bereich der kognitiven Lehr-ziele: Hier werden sechs Klassen von Lehrzielen un-terschieden, die hierarchisch (nach Schwierigkeitsgradund Komplexität) aufeinander aufbauen: Kenntnisse,Verständnis, Anwendung, Analyse, Synthese, Beur-teilung (Bloom & Krathwohl, 1956). Tabelle 1 gibteinen Überblick, wann diese Lehrziele als erreichtgelten können.
45 Jahre später haben Anderson und Krathwohl(2001) eine Revision der Taxonomie von Bloom vor-gelegt. Dabei wurde die eindimensionale Taxonomiein zwei Dimensionen, nämlich „Wissen“ und „ko-gnitive Prozesse“, aufgegliedert und zu einer Matrix
In der Praxis : Eine Analogie für den EinstiegWas ist wesentlich, um zu einer Gestaltungsstrategie zukommen? Zum Eins4eg in eine Antwort auf diese Fragekönnte ein analoger Gedanke hilfreich sein: Wer einenGarten anlegen will, braucht erst einmal eine Idee vomGanzen. Notwendig ist außerdem ein Mindestmaß anWissen über verschiedene Pflanzen und deren Ansprüchez.B. an Boden, Licht und Temperatur. Botanisches Wissenallein aber genügt nicht, um zu einem zufriedenstellendenErgebnis zu kommen, denn: Ein Garten entsteht üblicher-‐weise nicht einfach so, sondern mit bes4mmten Zielen unterbes4mmten Bedingungen. Genau die muss der Gärtner
kennen: Soll der Garten der Ruhe und Erholung oder Kindernzum Spielen dienen, soll er das Auge erfreuen oder Ort einesneuen Hobbys werden? Ist der Garten groß oder klein,schakg oder sonnig? Was soll er kosten und wie vielAufwand darf er in der Pflege machen? Ist der Gärtner ein-‐fallslos, wird er machen, was der Mainstream hergibt. Ist ergedankenlos, wird er den Mainstream ebenfalls reprodu-‐zieren, ohne dass ihm das bewusst ist. Versteht er dagegensein Handwerk, plant er bewusst und eigenständig sowie mitpräzisem Blick auf Ziele und Gegebenheiten.
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Didak4sches Design. Von der Lerntheorie zur Gestaltungsstrategie) — 7
kombiniert. Diese Matrix bezieht sich ausschließlichauf den Bereich der Kognition; die ursprünglichebenfalls aufgenommenen affektiven und motori-schen Lehrziele fallen in der revidierten Fassung weg.Die kognitiven Prozesse werden in Verbform be-schrieben und repräsentieren von links nach rechtswiederum eine steigende Komplexität (siehe Ta-belle 2). Das Wissen erhält als eigene Dimensionweitere Unterkategorien, die ein Kontinuum vomFaktenwissen zum metakognitiven Wissen (Wissenüber das eigene Wissen) bilden.
Lehrzieltaxonomien können eine große Hilfe fürdie Planung eines Lernangebots sein: Wer als didakti-scher Designer eine Liste oder Matrix verschiedenerLehrziele vor sich hat, wird sich leichter bewusst, wasmit einer Lernumgebung erreicht werden soll, welcheErwartungen unrealistisch sind und an welche Mög-lichkeiten man noch gar nicht gedacht hat. Handelt essich um ein Lernangebot, das im Rahmen einer Bil-dungsinstitution durchgeführt werden soll, helfenLehrzieltaxonomien außerdem dabei, die im institu-
tionellen Kontext kaum vermeidbaren Prüfungen(Assessment) in die didaktischen Überlegungen miteinzubeziehen. Nur wer die Ziele klar formuliert hat,kann auch valide Assessment-Formen gestalten, diezu einer Lernumgebung passen.
Als Alternative zu klassischen Lehrzieltaxonomienwerden mitunter Lernzieltypen empfohlen (Oser &Patry, 1990). Diese unterscheiden sich von klassi-schen Lehrzielen dadurch, dass sie weder hierarchischoder nach Dimensionen des Lernens klassifiziertwerden noch der Zweiteilung in eine Inhalts- undVerhaltenskomponente folgen; auch auf eine Opera-tionalisierung wird verzichtet. Jeder Lernzieltyp isteiner bestimmten Lernform zugeordnet und bildetmit dieser ein Basismodell. Ein Beispiel für einsolches Basismodell ist das Lernen durch Eigener-fahrung und entdeckendes Lernen, bei dem sichLernende Erfahrungswissen aneignen. Ein zweitesBeispiel ist die Begriffs- und Konzeptbildung, bei deres um den Aufbau von Fakten, Sachverhalten undvernetztem Wissen geht. Ein drittes Beispiel stellenRoutinebildung und Training von Fertigkeiten mitdem Ziel der Automatisierung dar.
Lehrziel Lehrziel ist erreicht, wenn der/die Lernende
Kenntnisse Sachverhalte beschreiben, definieren und erinnern kann.Verständnis in eigenen Worten Zusammenhänge beschreiben, Sachlagen interpre4eren, vergleichen kann.Anwendung Berechnungen durchführen, Regeln anwenden, Verbindungen herstellen, Schlussfolgerungen ab-‐
leiten kann.Analyse die Bestandteile eines Ganzen erkennen und ihr Zusammenwirken durchschauen, Problemquellen
finden und zwischen Fakten und Schlussfolgerungen unterscheiden kann.Synthese aus vorgegeben Bestandteilen etwas Neues schaffen, eine Struktur aunauen, Prozeduren entwi-‐
ckeln oder Lösungen entwerfen kann.Beurteilung fundierte Bewertungen von komplexen Sachverhalten vornehmen, Urteile fällen und die effizien-‐
testen Lösungswege für schwierige Probleme ermiqeln kann.
Tabelle 1: Kognitive Lehrziele nach Benjamin Bloom
Dimension Wissen
Dimension kogniDve Prozesse
Erinnern Verstehen Anwenden Analysieren Bewerten Erschaffen
FaktenwissenKonzeptwissenProzesswissenMetakogni4ves Wissen
Tabelle 2: Revision der Bloomschen Taxonomie nach Anderson und Krathwohl (2001)
Mit einer Lehrzieltaxonomie ordnet man Lehrziele,opera4onalisiert diese und erleichtert die Kon-‐struk4on geeigneter Assessment-‐Formen.
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8 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)
4. Gestaltungsstrategie: Von der Ausrichtung zum di-‐dakDschen Szenario
Ausrichtungen und Formate einer Lernumgebung
Ziele sind ein wichtiger Ausgangspunkt, um den Cha-rakter bzw. die Ausrichtung einer Lernumgebungfestzulegen. Mit der Ausrichtung fallen Grund-satzentscheidungen darüber, ob eine Lernumgebungzum Beispiel (a) vor allem instruktional orientiertund eher geschlossen oder (b) primär problemorien-tiert und eher offen konzipiert ist oder (c) beides inunterschiedlichem Ausmaß kombiniert. Diese Unter-scheidung geht auf eine alte Kontroverse zwischenDavid Ausubel und Jerome Bruner darüber zurück,wie rezeptiv versus aktiv (oder besser: produktiv) dasLernen erfolgt bzw. erfolgen sollte (Neber, 1987). Be-steht das Ziel vorrangig darin, rezeptives Lernen zufördern, konzentrieren sich Lehraktivitäten darauf,Inhalte lerngerecht aufzubereiten und Lernende darinanzuleiten, sich diese anzueignen (darbietendesLehren nach Ausubel oder direkte Instruktion). Be-steht das Kernziel dagegen darin, produktivesLernen zu fördern, werden konstruktive Aktivitätenwie Problemlösen in eigens gestalteten Kontextenwichtig (entdecken-lassendes Lehren nach Bruneroder problemorientierte Förderung). Mitunterwerden solche typischen Konzeptionen bzw. Ausrich-tungen einer Lernumgebung auch als Formate be-zeichnet, die sich in mehreren Dimensionen unter-scheiden können: zum Beispiel im Umgang mitWissen (Rezeption oder Anwendung), in der Steue-rungsinstanz (Fremd- oder Selbststeuerung), in derSozialform (Einzellernen oder kooperatives Lernen)etc. (Schnotz et al., 2004). Je mehr Dimensionen manannimmt, deren Ausprägung variiert, umso mehrKombinationen sind möglich. Man kann sich alsonicht nur zwei, sondern sehr viele Formate konstru-ieren. Dies führt letztlich zu verschiedenen didakti-schen Szenarien.
DidakDsche Szenarien und deren Ordnung
Unter einem didaktischen Szenario versteht man einkomplexes Bildungsarrangement, bestehend aus einerbestimmten Organisationsform (u.a. abhängig vonder Institution), einer konkreten Umgebung undeiner Lehr-/Lern-Situation, in der mehrere Lehrme-thoden zum Tragen kommen (Schulmeister, 2006,
S. 199 f.). Didaktische Szenarien liegen gewisser-maßen zwischen den hoch-abstrakten didaktischenAusrichtungen bzw. Formaten einerseits und didakti-schen Methoden andererseits. Es gibt eine ganzeReihe von Versuchen, diese Szenarien (ähnlich wieLehrziele) nach didaktischen Dimensionen zu ordnen(vgl. Baumgartner, 2006). Die resultierenden Taxo-nomien unterliegen im Falle des technologiege-stützten Lernens in der Regel weniger stark lerntheo-retischen Einflüssen wie Formate, sind dafür aber„anfälliger“ für den technologischen Wandel. Endeder 1990er Jahre schlagen Back et al. (1998) anhandvon distributiven, interaktiven und kollaborativenTechnologien eine relativ einfache Unterscheidungfolgender Szenarien vor: (a) ein lehrerzentriertes Sze-nario zur Informationsvermittlung, (b) ein lernerzen-triertes Szenario zum Wissens- und Fertigkeitserwerbund (c) ein teamzentriertes Szenario zur Wissens-teilung und zum Problemlösen.
Ein relativ neuer Ordnungsvorschlag für didak-tische Szenarien postuliert folgende drei „Paar-Di-mensionen“ mit jeweils drei Ausprägungen (Schul-meister et al., 2008): (1) den Grad der Virtualität einesLernangebots und die Gruppengröße, für die sich dasLernangebot eignet, (2) den Grad der Synchronizitätund der (Multi-)Medialität sowie (3) den Anteil vonInhalt (Content) versus Kommunikation und denGrad der Aktivität. Die Matrix aus jedem Dimen-sionen-Paar ergibt jeweils neun Szenarien. Tabelle 3verdeutlicht das Vorgehen am Beispiel des ersten Di-mensionen-Paars.
Bildet man für jedes Dimensionen-Paar einesolche Kreuztabelle, lassen sich laut Schulmeister etal. (2008) prinzipiell alle Formen der Lehre damit er-fassen. Die hohe Granularität der Taxonomie bezahltman allerdings mit Unübersichtlichkeit, weshalb dieAutoren empfehlen, sich auf den Grad der Virtua-lität, der Synchronizität und die Gruppengröße mit jezwei Ausprägungen zu konzentrieren, was in achtGrundtypen mediendidaktischer Szenarien mündet.
Didaktische Taxonomien dieser Art wurden undwerden primär dazu entwickelt, die Vielfalt, die manin der technologiegestützten Bildungspraxis vor-findet, beschreiben und einordnen zu können. Erst inzweiter Linie eignen sie sich auch dazu, didaktischeAktivitäten anzuregen, indem sie einen Überblicküber Beispiele geben oder als Vorbilder wirken,sofern auch empirische Befunde oder praktische Er-fahrungen zu einzelnen didaktischen Szenarien vor-liegen.
Darbietendes und entdecken-‐lassendes Lehren sindzwei typische und alt bekannte Ausrichtungen bzw.Formate, die verschiedene Lernformen fördern undebenso verschiedene Bezeichnungen tragen.
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Didak4sches Design. Von der Lerntheorie zur Gestaltungsstrategie) — 9
Von der Lerntheorie zum didakDschen Handeln
Der Weg von der Lerntheorie zum eigentlichen di-daktischen Handeln ist weit: Lerntheorien öffnendem Lehrenden die Augen dafür, was Lernen allesbedeuten kann, aus welchen Perspektiven sich Lernenbetrachten lässt, welche vielfältigen Beschreibungs-sprachen sich dafür eignen und welche Erklärungennaheliegen, wenn man Lernen (wie auch das Aus-bleiben von Lernen) nachvollziehen und beeinflussenwill. Im besten Fall helfen lerntheoretische Kennt-nisse auch dabei, eigene implizit wirkende Lernauf-fassungen zu entdecken und zu verhindern, dass siedidaktische Entscheidungen unkontrolliert stören.Allenfalls über Erkenntnisse aus der Forschungmögen Lerntheorien auch eine Hilfe dabei sein, zueiner didaktischen Grundsatzentscheidung über dieAusrichtung einer Lernumgebung zu gelangen. Aus-schlaggebend für letztere aber sind allem voran dieZiele des jeweiligen Lehrvorhabens, weshalb derenAnalyse so wichtig ist, wenn es darum geht, eine Ge-staltungsstrategie zu erarbeiten. Die konkreten Zielesind letztlich auch ausschlaggebend, welches didak-tische Szenario man wählt bzw. zu welchem didakti-schen Szenario man gelangt. Lehrzieltaxonomienbieten hierfür eine systematisierende Hilfe, haben al-lerdings auch den Nachteil, dass sie sich relativ ein-seitig auf kognitive Ziele konzentrieren und damitandere womöglich verdrängen. Auch Lehrzieltaxo-nomien sind oft lerntheoretisch geprägt. Didakti-schen Szenarien sowie didaktische Taxonomienkönnen als Vorbild oder als kreativer Impuls wirken,weshalb deren Kenntnis das didaktische Handeln er-leichtern kann.
Literatur
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▸ Baumgartner, P. & Payr, S. (1999). Lernen mit Software. Inns-bruck: Studien-Verlag.
Gruppengröße
Individuelles Lernen Lernen in Gruppen Lernen in Großgruppen
Virtualität Präsenz z. B. Teleteaching z. B. virtuelles Klassenzimmer z. B. Podcast
Integriert z. B. Aufgaben im LMS En#ällt z.B. Tutoring
Virtuell z. B. Lernen mit Skript z. B. Live-‐Gruppenarbeit z. B. Webserver-‐Zugriff
Tabelle 3: Kreuztabelle aus Virtualität und Gruppengröße. Quelle: Schulmeister et al., 2008
Empfehlungen zur weiteren Lektüre▸ Klauer, K.J. & Leutner, D. (2007). Lehren undLernen. Einführung in die Instruk4onspsychologie.Weinheim: Beltz. ▸ Reinmann, G. (2010). Studientext Didak4schesD e s i g n . M ü n c h e n . U R L : h q p : / / g a b i -‐reinmann.de/wp-‐content/uploads/2011/04/Stu -‐dientext_DD_April11.pdf ▸ Schulmeister, R. (2006). eLearning: Einsichten undAussichten. München: Oldenbourg.
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Formulieren Sie mindestens zwei Argumente, warumes rela4v schwer ist, eine konkrete Lernumgebungeinem lerntheore4schen Paradigma genau zuzu-‐ordnen. Welchen Sinn kann eine solche Zuordnunghaben?
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Schreiben Sie die wich4gsten S4chpunkte heraus, mitdenen man verschiedene Lerntheorien kennzeichnenkann, und stellen Sie diese in einer Tabelle zu-‐sammen: In welchen Dimensionen unterscheiden siesich? Wie sind Sie auf Ihre Dimensionen gekommen?
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Die Grenzen zwischen Formaten bzw. Ausrichtungeneiner Lernumgebung und didak4schen Szenarien sindfließend: Wo ziehen Sie die Grenze und warum?
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Was erhoffen Sie sich von lerntheore4schen Kennt-‐nissen für didak4sche Entscheidungen in der Praxis?Hat sich Ihre Antwort darauf verändert, nachdem Siediesen Text gelesen haben? Wenn ja, in welcheRichtung?
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10 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)
▸ Baumgartner, P. (2006). E-Learning-Szenarien. Vorarbeiten zueiner didaktischen Taxonomie. In: E. Seiler Schiedt; S. Kälin &C. Sengstag (Hrsg.), E-Learning – alltagstaugliche Innovation?,Münster: Waxmann, 238-247.
▸ Baumgartner, P.; Häfele, H. & Maier-Häfele, K. (2004).Content Management Systeme in e-Education. Innsbruck: Stu-dienverlag.
▸ Bernhardt, T. & Kirchner, M. (2007). E-Learning 2.0 imEinsatz – „Du bist der Autor!“ – Vom Nutzer zum WikiBlog-Caster. Boizenburg: Hülsbusch.
▸ Bloom, B.S. & Krathwohl, D.R. (1956). Taxonomy of educa-tional objectives: The classification of educational goals, by acommittee of college and university examiners. Handbook I:Cognitive Domain. New York: Longmans, Green.
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▸ Glasersfeld, von E. (1996). Radikaler Konstruktivismus. Idee,Ergebnisse, Probleme. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
▸ Klauer, K.J. & Leutner, D. (2007). Lehren und Lernen. Ein-führung in die Instruktionspsychologie. Weinheim: Beltz.
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