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Blickpunkt Hämatologie Sichelzellen MQZH 2011-01 Steckbrief Sichelzellen Grösse: variabel, meist >10 μm Form: - Sichelform - Halbmondform - Bootform - Holly leaf-Form* *Holly leaf engl. bedeutet Stechpalmen- blatt (in Anlehnung an das charakteristische Aussehen dieser Zellform). Ursache und Verbreitung der Sichelzellanämie Ursache Ursache der Sichelzellanämie ist ein verändertes Hämoglobin (Hä- moglobinopathie). Ein genetisch bedingter Defekt der Betakette des Hämoglobins führt dabei zur Bildung des pathologischen Hämoglobin S (HbS). Wird das HbS- Merkmal von beiden Elternteilen vererbt, spricht man von einer homozygoten, bei Vererbung durch einen Elternteil von einer hetero- zygoten Form. HbS tritt einzeln, häufig aber auch in Kombination mit anderen Hämoglobinopathien auf (z.B. Beta-Thalassämie, HbC). Verbreitung Die Sichelzellanämie ist neben den Thalassämien die häufigste Hämoglobinopathie. Sie ist vor allem in West- und Ost-Afrika, Saudi-Arabien, Iran, Zentralindien und Nordmalaysia verbreitet. In den USA sind rund 8% der afroame- rikanischen Bevölkerung Träger von HbS. Auch in der Schweiz findet sich, bedingt durch Adoptionen und Im- migration eine zunehmende Zahl von Sichelzellerkrankten. Einleitung Der Sichelzellanämie (syn. Drepanozytose) liegt eine vererbte Anomalie der Hä- moglobinbildung zu Grunde, bei der an Position 6 der Beta-Globinkee eine Aminosäure verändert ist (Valin sta Glutaminsäure). Erythrozyten, welche mit diesem abnormen Hämoglobin S (HbS) ausgestaet sind, tendieren im Mi- lieu mit niedrigem Sauerstoffgehalt zu Formveränderung (Sichelzellen). Die Sichelzellen (Drepanozyten) können ineinander verhaken und so die Mikrozir- kulation behindern. Homozygote Träger der Krankheit zeigen eine chronische Hämolyse und erleiden daher episodisch schmerzhafte und zum Teil lebens- bedrohlich Gefässverschlüsse, die auch zu Gewebezerstörung (Infarkt) führen können. Unser Ringversuchspräparat 2011-01 H3b stammt von einer Patientin mit einer homozygoten Sichelzellanämie. Entstehung und Abbau der Sichelzellen HbS-Moleküle tendieren unter Sauerstoffmangel dazu, sich aneinander zu la- gern und in eine Keenform überzugehen (Polymerisation). Die Länge der so entstandenen Hämoglobinkeen überschreitet den Durch- messer des normalen scheibenförmigen Erythrozyten und führt deshalb zu einer Änderung seiner Form (Sichelung). Unter erneutem Sauerstoffanstieg, kommt es zum Zerfall der Hämoglobinkeen und damit zur Rückkehr des Erythrozyten in seine normale Form ( siehe Darstellung unten). Im Blutkreislauf von Hb S-Trägern geschieht diese Erythrozytensichelung und Sichelrückbildung laufend beim Wechsel vom sauerstoffarmen, venösen zum sauerstoffreichen arteriellen Blut. Irgendwann ist die Erythrozytenmembran jedoch so stark geschädigt, dass diese instabil wird. Der Abbau dieser Erythrozyten geschieht durch Makrophagen in der Milz. Nachweis der Sichelzellanämie Sichelzellen sind bei homozygoten Trägern im normalen Blutausstrich erkenn- bar. Bei heterozygoten Trägern sind diese nur in speziellen, sauerstoffarmen Präparationen mikroskopisch nachweisbar. Die mikroskopische Untersuchung von Blutausstrichen ist für die Diagnose- stellung ungeeignet. Diese erfolgt über den Nachweis von HbS (mit HPLC oder mit isoelektrischer Fokussierung) oder durch den Nachweis der zugrun- de liegenden genetischen Veränderung (molekulare Mutationsanalyse). Aggregation Keenbildung Scheiben- form Holly leaf - Form Sauerstoffarmes Milieu Lösung der Aggregate Einzelmolekül Sauerstoffreiches Milieu Sichelform Holly leaf - Form

Blickpunkt Hämatologie Sichelzellen · Hämoglobinopathie. Sie ist vor allem in West- und Ost-Afrika, Saudi-Arabien, Iran, Zentralindien und Nordmalaysia verbreitet. In den USA sind

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Blickpunkt Hämatologie Sichelzellen MQZH 2011-01

Steckbrief SichelzellenGrösse: variabel, meist>10μmForm: -Sichelform -Halbmondform -Bootform -Hollyleaf-Form*

*Holly leaf engl. bedeutet Stechpalmen-blatt (in Anlehnung an das charakteristische Aussehen dieser Zellform).

Ursache und Verbreitung der SichelzellanämieUrsache

UrsachederSichelzellanämieisteinverändertesHämoglobin(Hä-moglobinopathie).EingenetischbedingterDefektderBetakettedesHämoglobinsführtdabeizurBildungdespathologischenHämoglobinS(HbS).WirddasHbS-MerkmalvonbeidenElternteilenvererbt,sprichtmanvoneinerhomozygoten,beiVererbungdurcheinenElternteilvoneinerhetero-zygotenForm.

HbStritteinzeln,häufigaberauchinKombinationmitanderenHämoglobinopathienauf(z.B.Beta-Thalassämie,HbC).

Verbreitung

DieSichelzellanämieistnebendenThalassämiendiehäufigsteHämoglobinopathie.SieistvoralleminWest-undOst-Afrika,Saudi-Arabien,Iran,ZentralindienundNordmalaysiaverbreitet.IndenUSAsindrund8%derafroame-rikanischenBevölkerungTrägervonHbS.

AuchinderSchweizfindetsich,bedingtdurchAdoptionenundIm-migrationeinezunehmendeZahlvonSichelzellerkrankten.

Einleitung

Der Sichelzellanämie (syn. Drepanozytose) liegt eine vererbte Anomalie der Hä-moglobinbildung zu Grunde, bei der an Position 6 der Beta-Globinkette eine Aminosäure verändert ist (Valin statt Glutaminsäure). Erythrozyten, welche mit diesem abnormen Hämoglobin S (HbS) ausgestattet sind, tendieren im Mi-lieu mit niedrigem Sauerstoffgehalt zu Formveränderung (Sichelzellen). Die Sichelzellen (Drepanozyten) können ineinander verhaken und so die Mikrozir-kulation behindern. Homozygote Träger der Krankheit zeigen eine chronische Hämolyse und erleiden daher episodisch schmerzhafte und zum Teil lebens-bedrohlich Gefässverschlüsse, die auch zu Gewebezerstörung (Infarkt) führen können. Unser Ringversuchspräparat 2011-01 H3b stammt von einer Patientin mit einer homozygoten Sichelzellanämie.

EntstehungundAbbauderSichelzellen

HbS-Moleküle tendieren unter Sauerstoffmangel dazu, sich aneinander zu la-gern und in eine Kettenform überzugehen (Polymerisation).Die Länge der so entstandenen Hämoglobinketten überschreitet den Durch-messer des normalen scheibenförmigen Erythrozyten und führt deshalb zu einer Änderung seiner Form (Sichelung). Unter erneutem Sauerstoffanstieg, kommt es zum Zerfall der Hämoglobinketten und damit zur Rückkehr des Erythrozyten in seine normale Form ( siehe Darstellung unten).Im Blutkreislauf von Hb S-Trägern geschieht diese Erythrozytensichelung und Sichelrückbildung laufend beim Wechsel vom sauerstoffarmen, venösen zum sauerstoffreichen arteriellen Blut. Irgendwann ist die Erythrozytenmembran jedoch so stark geschädigt, dass diese instabil wird.Der Abbau dieser Erythrozyten geschieht durch Makrophagen in der Milz.

NachweisderSichelzellanämie

Sichelzellen sind bei homozygoten Trägern im normalen Blutausstrich erkenn-bar. Bei heterozygoten Trägern sind diese nur in speziellen, sauerstoffarmen Präparationen mikroskopisch nachweisbar. Die mikroskopische Untersuchung von Blutausstrichen ist für die Diagnose-stellung ungeeignet. Diese erfolgt über den Nachweis von HbS (mit HPLC oder mit isoelektrischer Fokussierung) oder durch den Nachweis der zugrun-de liegenden genetischen Veränderung (molekulare Mutationsanalyse).

Aggregation

Kettenbildung

Scheiben-form

Holly leaf -Form

Sauerstoffarmes Milieu

Lösung der Aggregate

Einzelmolekül

Sauerstoffreiches Milieu

Sichelform

Holly leaf -Form

Blickpunkt Hämatologie

ImpressumAutorin Annette SteigerFotografie Dr. Roman Fried

Fachliche Beratung K. Schreiber, Dr. J. Goede, Klinik für Hämatologie, Universitätsspital Zürich

© 2011 Verein für medizinische Qualitätskontrolle www.mqzh.ch

ZellmorphologiebeiHämoglobinS

a-b: Sichelformen, c-d: Bootformen, e: Halbmondform, f: Holly-leaf-Form, g: Ovalozyt, h: Howell-Jolly-Körper, i: Targetzelle, k: Pappenheim-Körperchen

BegleitendemorphologischeAtypienderErythrozyten

Die Sichelzellanämie zählt wegen der verkürzten Lebensspanne der Sichelzel-len zu den hämolytischen Anämien und weist einen erhöhten Zellumsatz auf. Morphologische Zeichen: Sphärozyten, Polychromasie und vereinzelte Erythroblasten. Zudem schädigen wiederholte Infarkte das Milzgewebe und führen zu einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit dieses Organs (funktionale Asplenie). Morphologisch Zeichen: Targetzellen, Howell-Jolly-Körper, Pappenheimkörper, baso-phil punktierte Erythrozyten.

Howell-Jolly-Körper

Pappenheim-körper

Basophile Punktierung

Sphärozyt

HalbmondformEndenspitzzulaufend,regelmässig,starkgebogen

ScheibenformnormalerErythrozyt

SichelformenEndenspitzzulaufend,unterschiedlichstarkgebogen

Hollyleaf-FormEndeninmehrereSpitzenauslaufend.ÜbergangsformzwischenScheiben-undSichelform.

BootformEndenspitzzulaufendabernichtgebogen

Targetzelle

Quantitative hämatologische Befunde

Rotes Blutbild bei homozygo-tem HBS

-Hämoglobintief(meistzwischen70-80g/l)-ErythrozytenzahlundHämatokritvermindert-RDWdeutlicherhöht(Ec-Anisozytose)-Retikulozytenzahlerhöht

Weisses Blutbild

Leukozyten-undNeutrophilenzahlmeistleichterhöht.

Thrombozytenmeistleichterhöht

Hämolyseparameter

-Bilirubinerhöht-LDHerhöht-Haptoglobinvermindert-HbA1cvermindert

Sichelzellen und Malaria

HeterozygoteHbS-Trägersindge-gendieschwerenVerlaufsformenderMalariageschützt,daderMa-lariaerregersichinderSichelzelleschlechtervermehrenkann.SofindensichdenninGebietenindenendieMalariaverbreitetist,auchüberdurchschnittlichvieleHbS-Träger(«genetischerÜberle-bensvorteil»).

Polychroma-tischer Ec

Erythroblast

a) b) c) d)

f) g) h) i) k)

e)

© KEYSTONE