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derpersonalrat.de 32. JAHRGANG ISSN 0175-9299 D 8319 personalrecht im öffentlichen dienst Der Personalrat 3 | 2015 bewerbung Manche Fragen sind tabu pflegezeit Die Reform soll Verbesserungen bringen europa Das EU-Recht beeinflusst das Beamtenrecht Nur die Besten dürfen es sein einstellungen

Der Personalrat – Leseprobe 03.2015

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»Der Personalrat« ist seit über 30 Jahren die Zeitschrift für den Personalrat. Von Profis und Experten aus Gewerkschaften, Wissen- schaft und Praxis geschrieben, erscheint sie 11-mal jährlich, immer fundiert, dabei rand- voll mit wichtiger Rechtsprechung und hilf- reichen Praxistipps.

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derpersonalrat.de

32. JAHRGANG

ISSN 0175-9299

D 8319

personalrecht im öffentlichen dienst

Der Personalrat

3 | 2015

bewerbung Manche Fragen sind tabu

pflegezeit Die Reform soll Verbesserungen bringen

europa Das EU-Recht beeinflusst das Beamtenrecht

Nur die Besten dürfen es sein

einstellungen

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D e r Pe r s o n a l ra t 3 | 2015titelthema einstellungen

Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GGbewerberauswahl Nur wer nach Eignung, Befähigung und

fachlicher Leistung am besten ist, wird eingestellt oder befördert.

Doch was ist unter diesen Kriterien zu verstehen?

VON T I MO H E B E L E R

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D e r Pe r s o n a l ra t 3 | 2015 einstellungen titelthema

Jeder Deutsche hat gemäß Art. 33 Abs. 2 GG nach seiner Eignung, Befä-higung und fachlichen Leistung glei-chen Zugang zu jedem öfentlichen Amt. Art. 33 Abs. 2 GG ist die zentrale

grundgesetzliche Norm im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ver-gabe von öfentlichen Ämtern. Der Beitrag er-läutert die hierzu wichtigsten Fragestellungen in knapper Form.

Subjektiv- und objektiv-rechtlicher Gehalt

Art. 33 Abs. 2 GG ist sprachlich subjek-tiv-rechtlich formuliert, indem dort statuiert ist, dass jeder Deutsche nach Eignung, Befä-higung und fachlicher Leistung gleichen Zu-gang zu jedem öfentlichen Amt hat. Somit hat jeder deutsche Bewerber um ein öfentli-ches Amt einen Anspruch darauf, dass sein Begehren, das öfentliche Amt verliehen zu bekommen, anhand der Merkmale Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung geprüft wird und somit Eingang in das Bewerbungs-verfahren indet. Ist der Bewerber der Ansicht, dass dies nicht geschehen ist, so kann er eine Rechtsverletzung im Klageweg geltend ma-chen, weil er durch Art. 33 Abs. 2 GG klage-befugt ist. Art. 33 Abs. 2 GG ist außerdem ein grundrechtsgleiches Recht, dessen Verletzung gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG mit der Ver-fassungsbeschwerde vor dem Bundesverfas-sungsgericht gerügt werden kann.1

Daneben hat Art. 33 Abs. 2 GG auch eine objektiv-rechtliche Stoßrichtung. Art. 33 Abs. 2 GG enthält eine objektive Wertent-scheidung, die das Interesse der Allgemeinheit zum Ausdruck bringt, möglichst qualiizierte Bewerber in die öfentlichen Ämter zu beru-fen.2 Es wird somit verfassungsrechtlich das Prinzip der Bestenauslese vorgegeben.

Öfentliches Amt

Der Begrif des öfentlichen Amtes in Art. 33 Abs. 2 GG ist nach einhelliger Ansicht weit zu verstehen.3 So ist anerkannt, dass er nicht nur

darum geht es

1. Das Grundgesetz

gibt in Art. 33 Abs. 2 das

Prinzip der Bestenauslese

vor, das bei Stellenbeset­

zungen im öfentlichen

Dienst zu beachten ist.

2. Das soll dem Interesse

an der bestmöglichen Be­

setzung des öfentlichen

Dienstes dienen.

3. Die Personalauswahl

hat sich an Eignung, Be­

fähigung und fachlicher

Leistung zur orientieren.

Andere Kriterien sind

grundsätzlich unzulässig.

1 Siehe etwa Höfling, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblatt, Art. 33 Abs. 1 bis 3 GG, Rn. 53; Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz­Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 33 GG, Rn. 15; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz­ Kommentar, 13. Aufl., 2014, Art. 33 GG, Rn. 7; Masing, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz­Kommentar, 2. Aufl., 2006, Art. 33 GG, Rn. 35; Lecheler, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblatt, Art. 33 GG, Rn. 17; Maunz, in: Maunz/Dürig (Begr./Hrsg.), Grundgesetz­ Kommentar, Loseblatt, Art. 33 GG, Rn. 12; Battis, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz­ Kommentar, 7. Aufl., 2014, Art. 33 GG, Rn. 20.

2 BVerwGE 86, 244 (249); Jachmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Begr./Hrsg.), Grundgesetz­Kommentar, 6. Aufl., 2010, Art. 33 GG, Rn. 12; Voßkuhle, in: Hoffmann­Riem/Schmidt­ Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 3, 2. Aufl. 2013, § 43, Rn. 58; Jarass (Fn. 1), Art. 33 GG, Rn. 7.

3 Siehe hierzu mit umfangreichen Nachweisen statt vieler nur Masing (Fn. 1), Art. 33 GG, Rn. 41 f.; Höfling (Fn. 1), Art. 33 Abs. 1 bis 3, GG, Rn. 62.

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D e r Pe r s o n a l ra t 3 | 2015

Wann der Personalrat Nein sagen kannzustimmungsverweigerung Personalmaßnahmen dürfen nur

begründet abgelehnt werden. Wird gegen die Bestenauslese verstoßen,

rechtfertigt das die Verweigerung. Dabei ist einiges zu beachten.

VON M I C H A E L K RÖ L L

Wenn im öfentlichen Dienst eingestellt oder befördert wer-den soll, ist das Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33

Abs. 2 GG1 zu beachten. Solche personellen Einzelmaßnahmen werden nicht selten zwi-schen Dienststelle und Personalrat kontrovers diskutiert. Beispielsweise kann der Personal-rat eine interne Bewerberin für wesentlich bes-ser qualiiziert halten, er sieht ein Abweichen vom Anforderungsproil oder die Stellenaus-schreibung scheint auf eine bestimmte Person zugeschnitten. Kommt es zu keiner Einigung, fragt sich, ob und wie der Personalrat die be-absichtigte Personalmaßnahme dann auch ab-lehnen darf.

Angabe von Gründen zwingend

Will der Personalrat eine mitbestimmungs-plichtige Maßnahme, etwa eine Einstellung oder Beförderung, ablehnen, muss er dies in einer ordnungsgemäß einberufenen Personal-ratssitzung bei Beschlussfähigkeit mit entspre-chender Stimmenmehrheit beschließen.2 Die so beschlossene Zustimmungsverweigerung ist der Dienststellenleitung anschließend zwingend

· innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist, · schriftlich und · begründet mitzuteilen.

Verweigert der Personalrat nicht innerhalb der vorgegebenen Frist schriftlich unter Angabe der Gründe die Zustimmung zur beabsichtigten Maßnahme, gilt diese nach § 69 Abs. 2 BPersVG

bzw. den entsprechenden Vorschriften der Lan-despersonalvertretungsgesetze als gebilligt.

Der Personalrat muss zwingend Gründe für seine Ablehnung angeben. Wird das bereits versäumt, ist die Ablehnung unbeachtlich und die Maßnahme darf nach Ablauf der gesetzli-chen Frist realisiert werden.3

Bei mitbestimmungsplichtigen Personal-maßnahmen ist hinsichtlich der anzugeben-den Begründung nach den jeweiligen gesetz-lichen Grundlagen zu diferenzieren. Das BPersVG und einige Landespersonalvertre-tungsgesetze (siehe Tabelle) geben einen Ka-talog zulässiger Versagungsgründe zwingend vor. Die anderen Personalvertretungsgesetze kennen einen solchen Versagungskatalog hin-gegen nicht.

übersicht

Landespersonalvertretungsgesetzliche

Versagungskataloge

Bayern Art. 75 Abs. 2

Hamburg § 80 Abs. 6

Hessen § 77 Abs. 4

Mecklenburg-Vorpommern § 68 Abs. 5

Nordrhein-Westfalen § 66 Abs. 3

Saarland § 80 Abs. 2

Sachsen § 82 Abs. 2

Thüringen § 76 Abs. 3

1 Näher hierzu Hebeler, in diesem Heft ab S. 8.2 Vgl. etwa § 34 Abs. 2 BPersVG (Sitzungseinladung), § 37 Abs. 2

BPersVG (Beschlussfähigkeit) und § 37 Abs. 1 BPersVG (Stimmenmehrheit) und entsprechende Vorschriften der Landespersonalvertretungsgesetze.

3 BVerwG v. 27.9.1993 – 6 P 4.93 –, PersR 1993, 495.

titelthema einstellungen

darum geht es

1. Personalauswahlen

haben sich am Prinzip

der Bestenauslese zu

orientieren.

2. Solche Auswahlent­

scheidungen trift nicht

der Personalrat, sondern

die Dienststelle.

3. Werden hierbei Fehler

gemacht, kann der Perso­

nalrat seine Zustimmung

verweigern.

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D e r Pe r s o n a l ra t 3 | 2015

Nach § 77 Abs. 2 BPersVG bzw. den ver-gleichbaren Vorschriften einiger Landesper-sonalvertretungsgesetze kann der Personalrat nur unter den dort abschließend aufgeführten Gründen seine Zustimmung verweigern. Das trift dann zu, wenn die beabsichtigte Per-sonalmaßnahme gegen ein Gesetz verstößt (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG). Auch Art. 33 Abs. 2 GG ist ein solches Gesetz. Wird bei ei-ner Personalmaßnahme das Prinzip der Bes-tenauslese missachtet, kann der Personalrat seine Zustimmung wegen Verstoß gegen ein Gesetz verweigern.4

Gibt es hingegen keinen normierten Versa-gungskatalog, den der Personalrat bei der Be-gründung seiner Zustimmungsverweigerung zu beachten hat, dürfen dessen Ablehnungs-gründe nicht ofensichtlich außerhalb der Mitbestimmung liegen.5 Moniert der Perso-nalrat, mit der Personalmaßnahme werde ge-gen ein Gesetz verstoßen, liegt das jedenfalls innerhalb der Mitbestimmung. Damit kann der Personalrat auch in Ländern, in denen das Landespersonalvertretungsgesetz keinen Versagungskatalog vorgibt, seine Zustimmung verweigern, wenn bei der angedachten Perso-nalmaßnahme gegen das Prinzip der Besten-auslese verstoßen wird.

Besonderheiten bei der Bestenauslese

Bei Personalmaßnahmen, etwa Einstellungen oder Beförderungen, denen eine personelle Auswahl und ein nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG zu trefendes Werturteil zugrunde liegt, obliegt die Beurteilung der Beschäftigten und Bewerberinnen und Bewerber nach den Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung allein der Dienststellen leitung. Diese hat einen weiten Ermessens- und Beurteilungs-spielraum, der gerichtlich nur beschränkt nach-prüfbar ist und in den auch der Personalrat mit seinen Einwendungen nicht eindringen darf. Der Personalrat ist nicht an der Auswahlent-scheidung beteiligt, auch nicht faktisch über seine Ablehnungsgründe (siehe Beispiel).

Der Personalrat kann die Zustimmung zur Einstellung einer Bewerberin, eines Bewerbers nur dann verweigern, wenn die Dienststelle bei der Eignungsbeurteilung den anzuwendenden Begrif oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegan-gen ist oder allgemeingültige Maßstäbe nicht

beachtet oder sachfremde Erwägungen ange-stellt hat.6 Um das prüfen zu können, sind dem Personalrat die Auswahlerwägungen so um-fassend mitzuteilen, dass er in der Lage ist, zu erkennen, ob sich die Auswahlentscheidung noch im Rahmen des Ermessens- und Beurtei-lungsspielraums hält.7

Ein zulässiger Einwand sachfremder Aus-wahlerwägungen ist gegeben, wenn der Per-sonalrat die Personalmaßnahme ablehnt, weil keine ausreichende Auswahlbegründung vor-liegt. Das greift etwa dann, wenn die Auswahl-entscheidung zwischen verschiedenen Bewer-berinnen und Bewerbern allein darauf gestützt wird, dass der ausgewählte Bewerber den gestellten Anforderungen genügt, ohne eine vergleichende Betrachtung mit den übrigen Bewerberinnen und Bewerbern anzustellen.8

Beachtlichkeit der Gründe

Die Verweigerung der Zustimmung ohne Gründe ist  – ebenso wie die verfristete oder

4 Altvater/Baden/Berg/Kröll/Noll/Seulen, BPersVG, 8. Aufl., § 77 Rz. 27; Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 13. Aufl., § 77 Rz. 17.

5 BVerwG v. 30.4.2001 – 6 P 9.00 –, PersR 2001, 382; BAG v. 19.6.2007 – 2 AZR 58/06 –, PersR 2007, 429.

6 BVerwG v. 23.9.1992 – 6 P 24.91 –, PersR 1993, 24, und v. 2.11.1994 – 6 P 28.92 –, PersR 1995, 83.

7 Altvater/Baden/Berg/Kröll/Noll/Seulen, a.a.O., § 69 Rz. 17. 8 OVG Nordrhein­Westfalen v. 24.11.1999 – 1 A 3563/97.PVL –,

PersR 2000, 288.

Bei der Personalauswahl

gehen die Meinungen

zwischen Dienststellen­

leitung und Personalrat

oftmals auseinander.

einstellungen titelthema

beispiel

Kommt der Personalrat etwa zu der Ein­

schätzung, dass der ausgewählte Bewerber

nicht der am besten geeignete ist, sondern

eine nicht ausgewählte Bewerberin, lässt

sich hiermit eine Zustimmungsverweigerung

nicht beachtlich begründen. Der Personalrat

darf der Auswahlentscheidung der Dienst­

stelle nicht eine eigene entgegensetzen.

nachschieben von gründen

Enthält das Verweige­

rungsschreiben des Per­

sonalrats entweder keine

oder eine ofensichtlich

außerhalb des Rahmens

des Mitbestimmungstat­

bestandes liegende bzw.

missbräuchliche Begrün­

dung, so ist ein Nach­

schieben von Gründen für

die Zustimmungsverwei­

gerung nach Ablauf der

Zustimmungsfrist nicht

mehr möglich.

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D e r Pe r s o n a l ra t 3 | 2015beamtenrecht EuGH-Urteile und Beamtenverhältnisse

EuGH-Urteile und Beamtenverhältnisseeu-recht Das Unionsrecht beeinflusst immer mehr auch das

Beamtenrecht. Bei vielen Streitigkeiten entscheidet letztendlich

der EuGH. Für Beamte kann das häufig von Nutzen sein.

VON N A D I N E A BS E N G E R UND A N D R E A S P R I E B E

Für die Beschäftigten im öfentlichen Dienst, die sie vertretenden Personal-räte, aber auch für ihre Arbeitgeber und Dienstherren haben Entschei-

dungen des EuGH, die die Ausgestaltung von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen be-trefen, große Bedeutung. Darum ist es wichtig, die wesentlichen Entscheidungen des EuGH zu kennen. Der vorliegende Beitrag stellt aus-gewählte aktuelle EuGH-Entscheidungen vor, um die Tragweite des Unionsrechts und der EuGH-Rechtsprechung für die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in Deutschland aufzuzeigen. Die Bedeutung des Unionsrechts wird häuig unterschätzt – oftmals ist es auch schlicht unbekannt. Das führt dazu, dass be-deutsame Schutzrechte der Beschäftigten nicht geltend gemacht oder gar europarechts-widrige Regelungen vereinbart werden.

EuGH-Rechtsprechung wird immer wichtiger

Die Europäische Union (EU) ist eine supra-nationale Organisation, die in bestimmten Be-reichen unabhängig von der politischen Wil-lensbildung in den Mitgliedstaaten für diese verbindlich Recht setzen kann (Art. 4 Abs. 1, 5 Abs. 1-3 EUV). Die Mitgliedstaaten haben alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Plichten zu erfüllen, die sich aus den europäi-schen Verträgen oder den Handlungen der Or-gane der Union ergeben (Art. 4 Abs. 3 EUV). In Verbindung mit Art. 288 AEUV ergibt sich daraus unter anderem die Plicht der EU-Mit-gliedstaaten  – so auch für Deutschland –,

Unionsrecht zu beachten und einzuhalten, EU-Richtlinien frist- und ordnungsgemäß in nationales Recht umzusetzen und die die Aus-legung von Unionsrecht betrefende Recht-sprechung des EuGH zu berücksichtigen.1

Insbesondere die EuGH-Rechtsprechung hat in den letzten Jahren einen erheblichen Be-deutungszuwachs für die EU-Mitgliedstaaten erfahren, denn häuig kann nur der EuGH im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren klären, wie Unionsrecht im Detail auszulegen ist und ob es bestimmten nationalen Regelun-gen gesetzlicher, tarilicher oder arbeitsvertrag-licher Art entgegensteht.

Der EuGH hatte in den letzten Jahren im Rahmen verschiedener solcher Vorabent-scheidungsverfahren über viele für die Aus-gestaltung von Beschäftigungsverhältnissen relevante Fragen zu entscheiden. Dabei ging es zum Beispiel um die Zulässigkeit von nach dem Alter gestafelter Entgelte, die Nichtan-rechnung von Vorbeschäftigungszeiten und den Verfall von Urlaub bei Krankheit. Die

1 Siehe auch Trümner/Absenger, PersR 12/2014, 23 ff. zur Frage der konkreten Wirkung von Unionsrecht auf Beschäftigungs­verhältnisse und wie bzw. für wen es verbindlich ist.

darum geht es

1. Das Unionsrecht wirkt

auch auf das Beamten­

recht in Deutschland.

2. Ob das Unionsrecht

nationalen Regelungen

entgegensteht, entschei­

det der EuGH.

3. Eine Auswahl jüngerer

EuGH­Urteile belegt:

Für die sozialen Schutz­

rechte der Beamten

bietet die einschlägige

Recht sprechung des

EuGH viele Vorteile.

vorabentscheidungsverfahren

Vorabentscheidungsverfahren sind gemäß

Art. 267 AEUV Verfahren, im Rahmen derer

die nationalen Gerichte der EU­Mitglied­

staaten die Möglichkeit haben, dem EuGH

Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vor­

zulegen, wenn dies für die ihnen vorliegen­

den, national anhängigen Gerichtsverfahren

entscheidungserheblich ist.

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D e r Pe r s o n a l ra t 3 | 2015 EuGH-Urteile und Beamtenverhältnisse beamtenrecht

EuGH-Rechtsprechung hat erheblichen Ein-luss auf die Ausgestaltung der Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland und damit letztendlich auf die Rechte der Be-schäftigten. Viele dieser Entscheidungen spie-len auch im Bereich des Beamtenrechts für die Ausgestaltung der Dienstverhältnisse von Beamtinnen und Beamten eine wichtige Rolle. Im Bereich des öfentlichen Dienstes kommt hinzu, dass öfentlich-rechtliche Arbeitgeber Teil der Staatsgewalt in Deutschland sind. An-ders als private Arbeitgeber sind sie schon aus diesem Grunde als Teil des EU-Mitgliedstaates Deutschland grundsätzlich an das Unions-recht gebunden.

Altersabhängige Besoldung

Der EuGH hat im Bereich Entgelt im Rah-men eines deutschen Vorlageverfahrens am 19.6.20142 entschieden, dass die Besoldungs-regelungen der §§ 27, 28 Bundesbesoldungs-gesetz a.F. (BBesG) unvereinbar mit EU-Recht waren. Das galt auch für die bis Ende Juli 2011 geltende Berliner Beamtenbesoldung, die die-se Regelungen übernommen hatte. Die Höhe des Grundgehalts bei Begründung des Beam-tenverhältnisses hing maßgeblich vom Alter ab und war deshalb eine unzulässige Diskriminie-rung jüngerer Beschäftigter. Anders als der Be-grif der Altersdiskriminierung auf den ersten Blick erwarten lässt, sind nicht nur ältere Be-schäftigte von Altersdiskriminierungen betrof-fen, sondern – wie diese Entscheidung zeigt – auch jüngere. Der EuGH sah in den genannten Regelungen einen Verstoß gegen Art. 6 der europäischen Antidiskriminierungs-Richtlinie 2000/78/EG, die wie auch Art. 21 der Europä-ischen Grundrechtecharta Diskriminierungen aufgrund des Alters verbietet.

Die Gesetzgeber in Bund und Ländern gingen bei der Schafung der Regelungen des BBesG a.F. davon aus, dass ältere Beamte über mehr Diensterfahrung verfügen und deshalb eine höhere Besoldung für sie gerechtfertigt sei. Laut EuGH bedingt ein höheres Alter je-doch nicht ohne weiteres mehr Diensterfah-rung, da diese regelmäßig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, nicht jedoch vom Alter abhängt.

Die Berücksichtigung von Berufserfah-rung als ein die Vergütung erhöhendes Ele-ment ist laut EuGH zulässig, nicht jedoch das ausschließliche Abstellen auf das Alter.

Für unionsrechtskonform hat der EuGH in dieser Entscheidung aber die aktuellen Be-soldungs-Überleitungsregelungen erklärt, die eine Überleitung in die neue  – diskriminie-rungsfreie – Beamtenbesoldung gewährleisten sollen. Und dies, obwohl sie an das unter dem alten, diskriminierenden Besoldungsrecht er-worbene Grundgehalt anknüpfen und damit letztendlich die früheren diskriminierenden Besoldungsregelungen bei älteren Beamten bis zu deren Dienstende fortwirken. Der EuGH hat die Überleitungsvorschriften für verein-bar mit dem Unionsrecht gehalten, da sie der Wahrung des Besitzstandes dienen und auch verhältnismäßig sind.

Das BVerwG hat sich hinsichtlich der al-ten Besoldungsregelungen im Oktober 2014 der Aufassung des EuGH angeschlossen und aufgrund der dem alten Besoldungssystem in-newohnenden unzulässigen Diskriminierung Jüngerer zahlreichen Beamten aus den Dis-kriminierungen resultierende Entschädigungs-zahlungen zugesprochen.3 Da das Urteil des EuGH erwartet wurde, hatte der Bund bereits zum Juli 2009 entsprechende Neuregelungen zur Besoldung samt der genannten Überlei-tungsregelungen eingeführt, die inzwischen auch von der Mehrheit der Bundesländer übernommen wurden.

Zwangspensionierungen

In Deutschland gibt es neben nach dem Alter gestafelten Entgeltregelungen zahlreiche wei-tere an das Alter anknüpfende Regelungen, so nach dem Alter gestafelter Urlaub, alters-abhängiger Sonderkündigungsschutz, Höchst-einstellungsaltersgrenzen, aber auch Rege-lungen, die die automatische Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Erreichen des Regelrenteneintrittsalters vorsehen. Auch viele dieser Regelungen sind seit Inkrafttreten der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien Gegenstand von gerichtlichen Entscheidungen gewesen.

So hatte der EuGH hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit so genannter Zwangspensio-nierungen zu entscheiden, ob nationale Rege-lungen, wie die des hessischen Beamtengeset-zes a.F., die Altersgrenzen für die automatische Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Erreichen des 65. Lebensjahres vorsahen (heute 67), eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters sind.4 Der EuGH urteil-

2 C­501/12 – (Specht et al ./. Land Berlin). 3 Siehe BVerwG v. 30.10.2014 – 2 C 3.13 –; – 2 C 6.13 –; – 2 C 32.13 –; – 2 C 36.13 –; – 2 C 38.13 –; – 2 C 39.13 –; – 2 C 47.13 –. Näher hierzu Baßlsperger, PersR 2/2015, 41 ff.

4 EuGH v. 21.7.2011 – C­159/10 – (Fuchs ./. Land Hessen).

beschäftigte im öffentlichen dienst

Derzeit arbeiten rund

6,8 Millionen Menschen

im öfentlichen Dienst.

Im klassischen öfent­

lichen Sektor (Bund,

Länder, Kommunen,

Sozialversicherung usw.)

sind es 4,6 Millionen.

59 % der Beschäftigten

sind Tarifangestellte,

41 % Beamte.

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Zahlen, Daten, Fakten

zum Personal der öfentli­

chen Arbeitgeber, Link:

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sektor.de/rund-ums-

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