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Dezentralisierung durch (Re-) Kommunalisierung? Konzessionsvergabe, - verträge und -abgaben im juristischen Kreuzfeuer Institut für Berg- und Energierecht der Ruhr- Universität Bochum XVIII. Jahrestagung Dr. Cornelia Kermel

Dezentralisierung durch (Re-) Kommunalisierung? Konzessionsvergabe, -verträge und -abgaben im juristischen Kreuzfeuer Institut für Berg- und Energierecht

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Dezentralisierung durch (Re-) Kommunalisierung? Konzessionsvergabe, -verträge und -abgaben im juristischen Kreuzfeuer

Institut für Berg- und Energierecht der Ruhr-Universität BochumXVIII. Jahrestagung

Dr. Cornelia Kermel

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BGH, Urteile vom 17.12.2013 - KZR 65/12 und KZR 66/12

Als marktbeherrschende Anbieter der Wegenutzungsrechte in ihrem Gebiet sind die Gemeinden gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (§ 20 Abs. 1 GWB a.F.) und § 46 Abs. 1 EnWG verpflichtet, den Konzessionär für den Betrieb eines Energieversorgungsnetzes in einem diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen (Verpflichtung zur diskriminierungsfreien Vergabe)

Die Auswahl muss in einem transparenten Verfahren erfolgen und ist vorrangig an Kriterien auszurichten, die die Ziele des § 1 EnWG (Gewährleistung einer sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen örtlichen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas konkretisieren (Inhaltliche Anforderungen)

Genügt die Konzessionsvergabe diesen Anforderungen nicht, liegt eine unbillige Behinderung derjenigen Bewerber vor, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt worden sind (Rechtsfolgen eines Verstoßes)

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Verpflichtung zur diskriminierungsfreien Vergabe von Wegenutzungsrechten nach § 46 Abs. 2 EnWG (1) Pflicht zur Beachtung des Diskriminierungsverbots folgt aus § 19 Abs. 2 Nr. 1

GWB (§ 20 Abs. 1 GWB a.F.) und aus § 46 Abs. 1 EnWG ‒ Kommunen sind Normadressaten des Diskriminierungs- und Behinderungsverbots

gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (§ 20 Abs. 1 GWB a.F.):

• Gemeinden handeln beim Abschluss von Konzessionsverträgen als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts (Rn. 19)

• Sie haben dabei eine marktbeherrschende Stellung:

‒ Sachlich relevanter Markt ist das Angebot sog. qualifizierter Wegenutzungsrechte (nicht als Nachfrager von Netzinfrastrukturdienstleistungen) (Rn. 21)

‒ örtlich relevanter Markt ist das Gemeindegebiet der jeweiligen Gemeinde (keine Einbeziehung anderer Gemeinden in den örtlich relevanten Markt) (Rn. 22 f.)

• Betroffener Markt ist gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich, was bereits aus der Bekanntmachungspflicht nach § 46 Abs. 3 EnWG folgt

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Verpflichtung zur diskriminierungsfreien Vergabe von Wegenutzungsrechten nach § 46 Abs. 2 EnWG (2)

Als Normadressat sind die Gemeinden gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (§ 20 Abs. 1 GWB a.F.) verpflichtet, im Auswahlverfahren keinen Bewerber um die Konzession unbillig zu behindern oder zu diskriminieren. Diese Pflicht steht mit den Regelungen des EnWG und dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung im Einklang (Rn. 25 ff.) ‒ Beachtung des Diskriminierungsverbots gemäß § 46 Abs. 1 EnWG im Verfahren

um die Vergabe von qualifizierten Wegenutzungsrechten im Sinne von § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG

• Wortlaut erfasst auch Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung gehören

• Aufbau der Norm

• § 46 Abs. 1 S. 2 EnWG gilt auch für qualifizierte Wegenutzungsrechte

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Verpflichtung zur diskriminierungsfreien Vergabe von Wegenutzungsrechten nach § 46 Abs. 2 EnWG (3) Beachtung des Diskriminierungsverbots gemäß § 46 Abs. 1 EnWG im

Verfahren um die Vergabe von qualifizierten Wegenutzungsrechten im Sinne von § 46 Abs. 2 S.1 EnWG auch im Falle der Vergabe an einen Eigenbetrieb (BGH KZR 65/12, Rn. 31)‒ Gemeinden können sich nicht auf ein „Konzernprivileg“ berufen

‒ Gemeinden können sich nicht auf die Grundsätze der In-house-Vergabe berufen

• Aus dem Zweck der Regelungen des § 46 EnWG ergibt sich, dass die Gemeinde auch bei einer „Systementscheidung“ für einen Netzbetrieb durch einen Eigenbetrieb das Diskriminierungsverbot zu beachten hat

• § 46 Abs. 4 EnWG dient dem Ziel, beim Wettbewerb um die Konzession für den Netzbetrieb Eigenbetriebe den in § 46 Abs. 2 und Abs. 3 EnWG genannten Energieversorgungsunternehmen gleichzustellen

• Die in § 46 Abs. 4 EnWG angeordnete entsprechende Anwendung wäre andernfalls sinnlos

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Verpflichtung zur diskriminierungsfreien Vergabe von Wegenutzungsrechten nach § 46 Abs. 2 EnWG (4)

‒ Pflicht der Gemeinden zur diskriminierungsfreien Auswahl des Konzessionärs steht mit dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) im Einklang (Rn. 30 ff.)• Auch wenn Versorgung mit Energie eine Aufgabe der verfassungsrechtlich

geschützten kommunalen Selbstverwaltung ist, bedeutet dies nicht, dass die im Zusammenhang mit dieser Versorgung stehende wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden keinen rechtlichen Schranken unterläge. Das Recht zur kommunalen Selbstverwaltung besteht vielmehr nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze, zu denen auch das EnWG gehört

• § 46 Abs. 1 EnWG greift nicht in verfassungswidriger Weise in den Kernbestand des Selbstverwaltungsrechts ein. Einzelne Ausprägungen wirtschaftlicher Tätigkeit sind nicht geschützt

• Bei Vorliegen eines unterstellten Eingriffs (keine Bevorzugung von Eigengesellschaften etc.) wäre dieser jedenfalls verhältnismäßig und verfassungsrechtlich unbedenklich zur Förderung des Wettbewerbs um die Wegerechte

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Inhaltliche Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Vergabe von Wegenutzungsrechten gem. § 46 Abs. 2 EnWG

Aus der Bindung der Gemeinden an das Diskriminierungsverbot ergeben sich sowohl verfahrensbezogene als auch materielle Anforderungen

‒ Konkretisierung der verfahrensbezogenen Anforderungen in BGH KZR 65/12 Rn. 44 ff.

‒ Konkretisierung der materiellen Anforderungen in BGH KZR 66/12 Rn. 36 ff.

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Verfahrensbezogene Anforderungen an diskriminierungsfreie Vergabe von Wegenutzungsrechten gem. § 46 Abs. 2 EnWG

Verfahrensbezogene Anforderungen (BGH KZR 65/12 Rn. 44 ff.) :

Das Auswahlverfahren muss so ausgestaltet werden, dass die am Netzbetrieb interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt

Das aus dem Diskriminierungsverbot folgende Transparenzgebot verlangt, dass den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen die Entscheidungskriterien der Gemeinde und deren Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden

‒ Kriterien müssen nicht bereits in der öffentlichen Bekanntmachung genannt werden. Ausreichend ist deren Nennung in einem Verfahrensbrief nach erfolgter Bekanntmachung, der allen Interessenten übermittelt wird

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Materielle Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Vergabe von Wegenutzungsrechten gem. § 46 Abs. 2 EnWG (1) Materielle Anforderungen (BGH KZR 66/12 Rn. 36 ff.) :

‒ Auswahl des Netzbetreibers ist vorrangig an Kriterien auszurichten, die die Zielsetzung des § 1 Abs. 1 EnWG konkretisieren

• Galt auch schon vor Einfügung von § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG.

• Die in BGHZ 143, 128, 146 f. getroffene Aussage, wonach die Kommunen völlig frei und ungehindert darüber entscheiden können, wer nach Auslaufen eines Konzessionsvertrages für die Energieversorgung zuständig sein sollte, ist nicht so zu verstehen, dass die Gemeinde bei der Bestimmung des künftigen Konzessionärs frei von jeder gesetzlichen Vorgabe ist

• Schon unter der Geltung von § 13 EnWG 1998 und § 46 EnWG 2005 hatte die Konzessionsvergabe entsprechend der Zielbestimmung des § 1 EnWG zu erfolgen

‒ Folgt aus dem Schutzzweck der Regelung,

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Materielle Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Vergabe von Wegenutzungsrechten gem. § 46 Abs. 2 EnWG (2) Bindung der Auswahlentscheidung der Gemeinden an die Ziele des § 1 Abs. 1

EnWG steht im Einklang mit dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht (Rn. 43)‒ Wertungswiderspruch zwischen Nachfrager eines sicheren und preisgünstigen

Netzbetriebs einerseits und der bestmöglichen Verwertung der kommunalen Wegerechte andererseits wird durch § 46 Abs. 1 Satz 2 EnWG Rechnung getragen

‒ § 3 KAV regelt ferner abschließend, welche weiteren Leistungen vereinbart oder gewährt werden dürfen

• „Damit setzt das Gesetz der Berücksichtigung der finanziellen Interessen der Gemeinde als marktbeherrschender Anbieterin ebenso klare wie enge Grenzen, …“

• Daraus ergibt sich, dass die weiteren, nicht auf den zulässigen Inhalt des Konzessionsvertrags bezogenen Auswahlkriterien an den energiewirtschaftlichen Zielen orientiert sein müssen, die mit dem Wettbewerb um das Netz und der Auswahl des bestgeeigneten Bieters erreicht werden sollen“ (Rn. 45 f.)

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Materielle Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Vergabe von Wegenutzungsrechten gem. § 46 Abs. 2 EnWG (3) „Der Zweck des Gesetzes, einen Wettbewerb um das Netz zu erreichen, lässt

weitere Auswahlkriterien, die weder konzessionsabgabenrechtlich zulässige Nebenleistungen im Zusammenhang mit der Wegenutzung noch die Ausrichtung des Netzbetriebs auf die Ziele des § 1 EnWG betreffen, nicht zu.

Dies bedeutet indes nicht, dass den Gemeinden bei der Formulierung und Gewichtung kein Spielraum verbliebe …“ (Rn. 48)‒ Die mehreren Einzelziele des § 1 EnWG sind einer unterschiedlichen

Konkretisierung, Gewichtung und Abwägung gegeneinander durch die Gemeinde zugänglich

‒ Zulässig sind auch Auswahlkriterien, die qualitative Eigenschaften und Unterschiede der Angebote bei Netzbetrieb und Netzverlegung bewerten (z. B. Bereitschaft zur Erdverkabelung oder zur Verlegung von Leerrohren)

‒ Erfüllung ihres Auftrages der Daseinsvorsorge durch die konkreten Auswahlkriterien und deren Gewichtung

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Materielle Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Vergabe von Wegenutzungsrechten gem.§ 46 Abs. 2 EnWG (4)

Keine abschließende Entscheidung durch den BGH, inwieweit die Planungshoheit der Gemeinde und ihr Recht zur Konkretisierung der energiewirtschaftlichen Ziele des Netzbetriebs es rechtfertigen können, bei der Auswahl des Netzbetreibers auch gemeindliche Einflussmöglichkeiten auf betriebliche Entscheidungen des Netzbetreibers und deren Umfang zu berücksichtigen

‒ BGH beanstandet nicht grundsätzlich, wenn die Angebote besser bewertet werden, die es der Gemeinde erlauben, auch nach der Konzessionsvergabe ein legitimes Interesse an der Ausgestaltung des Netzbetriebs zu verfolgen (z.B. Einflussmöglichkeiten auf Effizienz, Sicherheit und Preisgünstigkeit des Netzbetriebs)

‒ Fraglich ist, ob ein Angebot deshalb besser bewertet werden darf, weil der Gemeinde zur Sicherung ihrer Einflussmöglichkeiten eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung am Netzbetreiber angeboten wird (Rn. 53)

• Allenfalls dann zulässig, wenn dem legitimen Interesse, die Konkretisierung der energiewirtschaftlichen Ziele des Netzbetriebs über die Laufzeit des Vertrages nachzuhalten, nicht in anderer Weise – etwa durch Regelungen des Vertragsrechts – angemessen Rechnung getragen werden kann

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Vom BGH für zulässig erachtete Auswahlkriterien

Ausreichender Bezug zum Konzessionsvertrag (Rn. 73 ff.):‒ Konzessionsabgaben

‒ Gemeinderabatt

‒ Abschlagszahlungen

‒ Folgekostenübernahme

Allgemeingültig

Einzelfallentscheidung bei folgenden Kriterien notwendig (Rn. 78 ff.):‒ Endschaftsbestimmung

‒ Kaufpreisregelung

‒ Vertragslaufzeit

‒ Auskunftsansprüche

‒ Zusatzleistungen in den Grenzen des § 3 KAV

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Rechtsfolgen des Verstoßes (1)

Unbillige Behinderung derjenigen Bewerber, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt worden sind (Rn. 54 ff.)

‒ Folge ist das Nichtbestehen eines Überlassungsanspruchs oder eines Übereignungsanspruchs gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG

• BGH unterscheidet sprachlich Regelung in § 46 Abs. 2 EnWG vor und nach dem 04.08.2011. Überlassen nicht Übereignen?

• Maßgeblich für Anwendung des Rechts ist der Zeitpunkt des Abschlusses des jeweiligen neuen Konzessionsvertrages

Bestätigung OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2012

(VI-3 Kart 137/12 (V)

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Rechtsfolgen des Verstoßes (2)

‒ Aktivlegitimation nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG setzt Vorliegen eines neuen wirksamen Konzessionsvertrages voraus

• Nicht ausreichend ist, dass die Gemeinde ihre Auswahlentscheidung durch den Abschluss eines KVs zum Ausdruck gebracht hat, jedenfalls wenn die Vergabe nicht an einem offensichtlichen und schwerwiegenden Mangel leide (so aber BNetzA, B. v. 29.1. und 19.6.2012 zu gemischt genutzten Anlagen)

• widerspricht dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG• Zweck der Vorschrift fordert keinen von einer wirksamen

Wegerechtseinräumung unabhängigen Überlassungsanspruch• Auch Schutz des Überlassungsschuldners spricht dagegen, eine

befreiende Netzüberlassung an einen bloß vermeintlichen Wegerechtsberechtigten zu ermöglichen (Rn. 64 in KZR 65/12)

Bestätigung OLG Düsseldorf, B. v. 12.12.2012 (VI-3 Kart 137/12 (V)?

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Rechtsfolgen des Verstoßes (3)

Unbillige Behinderung der Mitbewerber hat Nichtigkeit des neu geschlossenen Konzessionsvertrages nach § 134 BGB zur Folge (Rn. 101 ff.)‒ Andernfalls langfristiger faktischer Ausschluss aller anderen Bewerber.

Dies kann nur über Nichtigkeitsfolge verhindert werden‒ Das berechtigte Interesse der aktuellen und potentiellen Bewerber um die

Konzession ist darauf gerichtet, dass ihre Chancen auf Erteilung der Konzession durch ein gesetzmäßiges Auswahlverfahren gewahrt werden

‒ „Schutzwürdige Interessen fehlerhaft ausgewählter Unternehmen an der tatsächlichen Erfüllung eines unter Verstoß gegen zwingende Bestimmungen abgeschlossenen Vertrags bestehen – jedenfalls vor tatsächlicher Übernahme des Netzes oder Aufnahme des Netzbetriebs – von vornherein nicht“ (Rn. 57) Bestätigung OLG Düsseldorf, B. v. 12.12.2012 (VI-3 Kart 137/12 (V)?

Analoge Anwendung des § 134 BGB auf „Konzessionierung“ des Eigenbetriebs (KZR 65/12 Rn. 79 ff.)

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Rechtsfolgen des Verstoßes (4)

Keine Verpflichtung zur Vorabinformation (keine Anwendung des § 101a GWB)

Kein Einwendungsausschluss (keine analoge Anwendung des § 107 Abs. 3 GWB)

Keine unzulässige Rechtsausübung wegen Verstoßes gegen unselbständige Nebenpflicht nach §§ 241 II, 311 II Nr. 1 BGB ‒ Offen gelassen, ob eine solche besteht (aber wohl eher ablehnend)‒ ungeklärte Rechtslage spricht dagegen, dass Beklagte die grundsätzlichen

Mängel der Ausschreibung erkennen musste. Jedenfalls ungeklärt, ob Kommune das Verfahren wiederholt hätte, wenn gerügt worden wäre

Keine Verwirkung des Nichtigkeitseinwands

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Rechtsfolgen des Verstoßes (5)

Ausschluss auch des auf die Endschaftsbestimmung gestützten vertraglichen Übertragungsanspruchs (Rn. 120 ff.):‒ Durchsetzung des vertraglichen Anspruchs steht der Einwand unzulässiger

Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen, wenn eine Auswahlentscheidung der Gemeinde zu Lasten des bisherigen Netzbetreibers gegen das Gebot des diskriminierungsfreien Zugangs nach § 46 Abs. 1 EnWG und damit gegen § 20 Abs. 1 GWB a.F. verstößt.

‒ Das zum Vollzug des Betreiberwechsels gestellte vertragliche Übereignungsverlangen beruht dann auf dem Rechtsverstoß und vertieft ihn

• Offen gelassen, ob es bereits an der Aktivlegitimation fehlt, wegen der Einheitlichkeit der Abtretung und der vertraglichen Ansprüche

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Konsequenzen für die Konzessionsvergabe in den Kommunen BGH Entscheidungen vom 17.12.2013 schaffen Rechtssicherheit hinsichtlich

der Anforderungen an die Konzessionsvergabe ‒ Aber: Ausführungen zu einzelnen zulässigen Auswahlkriterien enthält

Unschärfen (Rn. 74 ff.) Das Nichtvorliegen einer Systementscheidung zugunsten der Kommunen im

Rahmen der Vergabe von Wegerechten vom BGH bereits in der Kaufering-Entscheidung hervorgehoben

Kein Erfordernis für eine gesetzliche Neugestaltung des § 46 EnWG in Bezug auf das Verfahren zur Konzessionsvergabe

Geforderte Konkretisierungen im Gesetz in Bezug auf Kaufpreis und Umfang der zu übertragenden Anlagen („gemischt genutzte Anlagen“) schaffen neue Probleme‒ Verfassungsrechtliche Erwägungen (z.B. Art 14 GG)

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Weitere neuere Entscheidungen zum Nichtvorliegen einer gemeindlichen Systementscheidung VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.08.2013 (1 S 1047/13)

Die durch das Bürgerbegehren angestrebte ausschreibungsfreie Übernahme der Konzessionen und des Betriebs von Strom- und Gasnetze verstößt gegen die Pflicht zur Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens.

BKartA , Beschluss vom 02.12.2013 – Gemeinde Cölbe (B8-180/11-1)

Unzulässigkeit der Vergabe der Konzession an die neu gegründeten Kooperationsgesellschaft infolge erfolgter Vorfestlegung . Weitere Bewerber können die Konzession nicht selbst erwerben (wegen erfolgter Verpflichtungszusage, das Konzessionierungsverfahren zu widerholen, wurde das Verfahren eingestellt)

BKartA , Beschluss vom 30.11.2012 - Mettmann (B8-101/11)

Unzulässigkeit der Vergabe der Konzession an die neu gegründeten Stadtwerke Mettmann GmbH & Co. KG ohne Auswahlverfahren. Interessenten können die Konzession nicht selbst erwerben, sondern nur eine 49,9 %ige Beteiligung an den Stadtwerken)

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Weitere neuere Entscheidungen zu den Auswahlkriterien

OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.11.2013 (1/13)

Die Entscheidung der Kommune muss sich maßgeblich an den in § 1 EnWG genannten Zielen orientieren. Sie darf folglich nicht lediglich oder vorrangig fiskalischen Interessen dienen

OVG Niedersachsen, Beschlüsse vom 11.09.2013 (10 ME 87/12 und 10 ME 88/12)

Bei der Entscheidung der Kommune über die Vergabe der Konzessionen müssen die Ziele des § 1 EnWG zu mindestens 50 % einfließen. Art. 28 Abs. 2 GG wird dadurch nicht tangiert

BKartA , Beschluss vom 02.12.2013 – Gemeinde Cölbe (B8-180/11-1)

Die entscheidungserheblichen Kriterien müssen sämtlichst an den Zielen des § 1 EnWG ausgerichtet sein

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Neuere Entscheidungen zu dem Nebenleistungsverbot nach § 3 KAV in Konzessionierungsverfahren

OLG München, Urteile vom 26.09.2013 (U 3587/12 und U 3589/12)

Unzulässigkeit des Anbietens von unentgeltlichen Leistungen im Rahmen von Energiekonzepten (unentgeltliche Beratung und Datenübermittlung). Dies gilt jedenfalls soweit diese Leistungen nicht unter den Vorbehalt der Zulässigkeit gestellt werden

OLG Bamberg, Urteile vom 03.11.2010 – 3 U 92/10 – und vom 27.12.2012 – 3 U 63/12

Unzulässigkeit der unentgeltlichen Verlegung von Leerrohren DSL-Verkabelung sowie die Erstattung gezahlter Folgekosten / Baukostenzuschüsse

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Neuere Entscheidungen zu dem Nebenleistungsverbot nach § 3 KAV in Konzessionierungsverfahren LG München, Urteil vom 18.12.2013 - rechtskräftig (37 O 1781/13)

Verstoß gegen § 3 KAV bei folgenden Zusagen des Kooperationspartners: • Garantierendite von 8,25 % • Übernahme des Kaufpreisrisikos, soweit in dem Alt-Konzessionsvertrag der

Sachzeitwert vorgesehen ist • Übernahme der Entflechtungs- und Einbindungskosten, Übernahme der Kosten

eines möglichen Rechtsstreits mit dem bisherigen Netzbetreiber • Beteiligung an bestehenden Projekten zur regenerativen Energieerzeugung• Unterstützung beim Aufbau eines Glasfasernetzes • Unterstützung beim Aufbau eines regionalen Energievertriebs • Unterstützung bei der Nutzung des steuerlichen Querverbunds • Zusammenarbeit bei künftigen kommunalen Projekten zur Erzeugung

regenerativer Energien

Unerheblich ist, ob diese Leistungen im KV selbst oder in einer anderen Vereinbarung vereinbart werden

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Dr. Cornelia KermelRechtsanwältinT +49-(0)30-2094-2362F +49-(0)30-2094-2094M +49-(0)172 899 53 [email protected]

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