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UMSCHAU 38

Hauptstadtgespraech

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UMSChaU 38 Seit Juni 2011 werden 37 erdgasbetriebene Mercedes e-200 im Fuhrpark des Deutschen Bundestages eingesetzt. Dies haben wir zum Anlass genommen, um im medium gas eine Gesprächsserie zu starten. karl krüger, der leiter energiepolitik bei VnG, spricht mit politischen entscheidern über ein breit gefächertes themenspektrum rund um energie, umwelt und Mobilität. Anschließend geht es mit der erdgas-e-klasse zum nächsten termin. Zur person rolf hempelmann medium gas 3 | 2011 Fotos Michael Fahrig

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Rolf Hempelmann und Karl Krüger auf dem Brückenübergang vom Marie-Elisabeth-Lüders-Haus ins Paul-Löbe-Haus. Hier befindet sich das Abgeordneten-Büro von Rolf Hempelmann.

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Das VnG-hauptstadtgespräch

Seit Juni 2011 werden 37 erdgasbetriebene Mercedes e-200 im Fuhrpark des Deutschen Bundestages eingesetzt. Dies haben wir zum Anlass genommen, um im medium gas eine Gesprächsserie zu starten. karl krüger, der leiter energiepolitik bei VnG, spricht mit politischen entscheidern über ein breit gefächertes themenspektrum rund um energie, umwelt und Mobilität. Anschließend geht es mit der erdgas-e-klasse zum nächsten termin.

Interview

möglicherweise entstehende Versorgungsengpässe behoben werden können. Ich hätte mir hier seitens der Bundesregierung ein koordinierteres Vorgehen gewünscht.

Unter dem Vorzeichen einer Energiewende, die auf den ausbau des Energiesystems – also auch des netz- und Speicheraus-baus – angewiesen ist, bleibt die Versorgungssicherheit immer ein hauptthema. Zurzeit sehen wir enorme Verzögerungen im ausbau, auch bedingt durch Widerstände vor Ort. Versorgungs-sicherheit unter diesen Voraussetzungen aufrechtzuerhalten, ist eine sehr anspruchsvolle aufgabe. Bei einem Partei und Bundes-länder übergreifenden Energiekonsens wäre dies viel einfacher zu realisieren gewesen.

Sind die kommunalen energieversorger die Gewinner der ener-giewende? Es kann nicht sein, dass man ausschließlich auf die kommunale Karte setzt. Wir werden auch weiter die größeren Marktakteure brauchen. Es wird einen anderen Mix geben zwischen großen zentralen Erzeugungsanlagen und einer Vielzahl von kleineren dezentralen anlagen. Das bringt schon allein die art und Weise mit sich, wie erneuerbare Energien Strom erzeugen. Ergänzend benötigen wir geografisch sinnvoll platzierte Blockheizkraftwerke und flexible Gaskraftwerke. Insbesondere in Industrieregionen und Ballungsräumen müssen wir die Vorteile größerer anlagen auch nutzen. Wir brauchen aber vor allem eine völlig andere Beziehung zwischen der angebots- und der nachfrageseite, denn es wird einen Mentalitätswechsel geben, weg vom reinen Mengenverkauf hin zu intelligenten Energiedienstleistungen.

Fotos Michael Fahrig

herr hempelmann, wie viel regulierung brauchen wir für einen funktionierenden energiemarkt?Wir haben ein reguliertes netz. hier hat die Bundesnetzagentur als Regulierer in den letzten Jahren schon das Richtige gemacht, indem sie Effizienzreserven gehoben und überhöhte netzentgel-te abgesenkt hat. Für eine notwendige netzqualität brauchen wir aber auch permanente Investitionen. Ich selbst sitze ja im Beirat der Bundesnetzagentur. In der letzten Beiratssitzung habe ich darum gebeten, einmal die hintergründe der jetzigen Festlegung künftiger Eigenkapitalrenditen bei Strom- und Gasnetzinvestitio-nen zu erläutern. Ich plädiere dafür, zukünftige Investitionen indi-viduell zu prüfen, um das Investitionsrisiko abschätzen können. abhängig vom jeweiligen Risiko muss dann eine entsprechende Rendite gegenüber stehen.

haben regulierer das thema Versorgungssicherheit noch hin-reichend im Blickfeld?alles das, was in den 1990er Jahren an Veränderungen im Ener-giesektor stattgefunden hat, ist sehr stark durch eine bestimm-te Wettbewerbsphilosophie getrieben worden. Dadurch waren letztlich auch die zahlreichen Privatisierungen im Energiesektor begründet. Im laufe der letzten Jahre hat die EU eine Reihe von Regelungen geschaffen, die in Punkto Versorgungssicherheit verloren gegangen waren. Die Politik muss sehr darauf achten, dass bei der Umsetzung von wettbewerbsgetriebenen Reformen die Versorgungssicherheit nie außer acht gelassen wird. Das sehen wir auch bei der laufzeitverkürzung von atomkraftwerken. Erst anschließend machte man sich Gedanken, wie dadurch

teil 2: karl krüger im Gespräch mit rolf hempelmann, Mitglied des Deutschen Bundestages und energiepolitischer Sprecher der SpD-Bundestagsfraktion.

Zur person rolf hempelmann

geboren am 1. Juni 1948 in herten (nRW) | Oberstudiendirektor a. D. 1976–1985 lehrer für Sport und Englisch am Gymnasium in Gelsenkir-chen 1985–1994 | leiter eines Gymnasiums in Essen | seit 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages (Wahlkreis Essen II) | seit 2003 energiepo-litischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

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Karl Krüger und Rolf Hempelmann diskutieren vor der Kulisse des Reichstages.

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hier liegt die Stärke von kommunalen Energieversorgern. Diese bringen die nötige Kundennähe mit, um auf flexible Wünsche der nachfrager reagieren zu können.

Die damalige rot-grüne Bundesregierung hat mit der Verab-schiedung des erneuerbare-energien-Gesetzes (eeG) eine Art Subventionsspirale für alternative energieträger losgetreten. wie stehen Sie heute zum thema Subventionen? als das EEG entwickelt wurde, sind wir von einem sehr niedrigen niveau an Erneuerbaren gestartet. heute machen Wind-, Sonne- und Wasserkraft rund 20 Prozent der Stromerzeugung aus. Richtig ist, dass man die Fördersätze immer wieder überprüfen muss, da eine Überförderung bei einem solchen Instrument geradezu fatal ist. Insbesondere beim thema Photovoltaik hätte man früher reagieren müssen. Das ist aber durch die jetzige Bundesregierung richtigerweise angepasst worden. Die entscheidende Frage ist jedoch, was wir heute tun müssen, damit sich Erneuerbare wie andere Energieträger auch in Zukunft erfolgreich im Markt be-wegen können. Da hat die Bundesregierung mit der Einführung einer optionalen Marktprämie das Problem vom Grundsatz her erkannt. Wenn ich aber die großen Mengen an den Markt brin-gen will, muss ich da ganz anders rangehen. Ich denke, für eine Verstetigung der Einspeisung erneuerbarer Energien muss man gleichzeitig auch über direkte anreize nachdenken.

wenn die erneuerbaren zukünftig den Markt dominieren, muss es dann nicht auch eine prämie für konventionelle energieträger geben?

Mit dieser Frage befassen wir uns derzeit intensiv. Sie spielen hier auf das sogenannte Kapazitätsmarktmodell an, was ja auch die Ethik-Kommission ins Spiel gebracht hat. Manche sagen, es sei fatal, dass dieses Modell ungeprüft in die Öffentlichkeit gelangt ist und sofort Erwartungshaltungen entfaltet hat. Von der Energiebranche höre ich hier ganz unterschiedliche Stim-men. Einige sagen, ein solches Modell brauche man nicht, da der Markt die Investitionsentscheidungen schon regelt. andere sagen, man brauche ein solches Modell, da keine Bank Projekte finanziert, deren Jahresauslastungen sich nicht sicher prognosti-zieren lassen. Wir haben erkannt, dass es sich bei einem solchen Prämienmodell um ein Instrument handelt, worüber man nicht mal eben im Vorbeigehen entscheidet. Fatal wäre es, wenn wir hier etwas schaffen, was nur zur finanziellen Belastung des Verbrauchers führt, uns in der Sache aber nicht weiterbringt.

wird es nach dem Atomausstieg in Deutschland eine renais-sance der Steinkohle geben?Das glaube ich nicht. Momentan werden die Zechen auf die Stilllegung vorbereitet und es finden keine Erschließungsin-vestitionen mehr statt. Die Entscheidung über die Zukunft des Kohleabbaus ist ja primär eine europäische Entscheidung und wird maßgeblich von europäischen Umweltpolitikern getrieben. Die EU-Kommission wollte eine Deckelung der Subventionen und trotz des weltweiten Preisanstiegs wird es schwer sein, hier das Fass nochmal aufzumachen. auch die Diskussion in Deutschland ist keine, die automatisch in die Renaissance der Steinkohle führt. Einmal aufgrund der hohen staatlichen Förderung und

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Für Rolf Hempelmann ist das Berliner Parlamentsviertel neben seinem Essener Wahlkreis eine Art zweite Heimat. Nach dem Gespräch mit Karl Krüger geht es mit dem Erdgas-Mercedes des Bundestags-Fuhrparks zum nächsten Termin am Berliner Alexanderplatz.

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darüber hinaus wegen der hohen Umweltbelastungen, die die Kohleförderung und -verbrennung nun mal mit sich bringen.

nun haben sich drei ostdeutsche Bundesländer zur Braunkoh-leförderung bekannt. haben Sie ein Gefühl dafür, wie es mit der Braunkohle in Deutschland weitergeht? Ich denke, die Perspektiven von Braunkohle sind sehr einge-schränkt. Über Braunkohle zu sprechen, ist schwieriger geworden als noch vor einigen Jahren, da der Klimaaspekt immer dominan-ter geworden ist. Wie wir nun erkennen mussten, besitzt auch das thema CO2-freie Kohle – Stichwort CCS – keine wirkliche Bedeutung mehr. hier waren die Widerstände vor Ort einfach zu groß. Selbst eine rot-grüne Regierung würde sich sehr schwer tun, dieses thema noch einmal aufzugreifen. Braunkohle ist aber ein einheimischer Energieträger, viele arbeitsplätze hängen hier dran. Die Politik muss also antworten geben, die eine verant-wortliche Klimapolitik mit einer verantwortlichen Regionalpolitik verbindet.

wie wichtig ist das thema Mobilität für den wirtschaftsstandort Deutschland? wieso übt die politik eigentlich einen so einseiti-gen einfluss bei der technologieförderung aus?Insbesondere im Verkehrssektor lässt sich eine Menge an CO2 einsparen. Es gibt eine ganze Reihe von vielversprechenden an-sätzen, bei denen wir sehr genau schauen müssen, dass sie sich nicht gegenseitig behindern. Ich finde es richtig, dass wir uns um das thema Elektromobilität kümmern. Wenn wir es nicht tun, tun es andere. trotzdem sind hier natürlich noch viele Fragen offen.

Gerade die art der Betankung bzw. des aufladens stellt sich für mich als großes Problemfeld dar. Unterdessen haben wir mit der Erdgasmobilität bereits heute eine marktfähige technik, die man noch viel stärker in den Markt einbringen kann. hier müssen die automobilhersteller und die Gaswirtschaft in Zukunft intensiver werben, um den autofahrern zu zeigen, wie viel kostengünstiger und umweltschonender man mit Erd- und Bioerdgas unterwegs sein kann. Der Bundestag geht mit seinem Fuhrpark hier ja mit gutem Beispiel voran.

Die entwicklung von erdgasfahrzeugen wurde bis jetzt nicht öffentlich gefördert und trotzdem hat man es geschafft, diese technologie in den Markt zu bringen. Die Bundesregierung gibt allein 500 Millionen euro pro Jahr für das thema elektromobilität aus. Ist man hier einem technologietrend verfallen, der mög-licherweise die an ihn gesetzten Ziele gar nicht erfüllen kann?Die Elektromobilität wird kommen. Ich möchte mich allerdings nicht festlegen, ob wir das Ziel von einer Million Fahrzeugen bis zum Jahr 2020 tatsächlich erreichen. Wenn wir parallel zur Ent-wicklung der Elektromobilität unser Energiesystem so verändern, dass wir in hochstromphasen den überschüssigen Windstrom speichern können und ihn dann zur Beladung von Elektroautos einsetzen, sehe ich für die Elektromobilität sehr große Chancen. als kurzfristig verfügbare Option sehe ich definitiv nur Erdgas als alternativen Kraftstoff.

herzlichen Dank für das Gespräch.