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MENSCHEN FÜR ANDERE Nr. 4 | 2013 Das Magazin der Jesuitenmission Weltbegeisterte

Heft 4, 2013

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MENSCHEN FÜR ANDEREN

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Das Magazin der Jesuitenmission

Weltbegeisterte

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Liebe Freundinnen und Freunde unserer Missionare und Partner weltweit!

Gott liebt diese Welt. Das sagt sich so leicht. Anders lässt sich jedoch Weih-nachten und die Menschwerdung Gottes in diese Welt hinein nicht verstehen oder nachvollziehen. Es gehört schon ein großes Stück Begeisterung dazu, sich in dieser Welt zu engagieren: Lepra und Armut in China, Gewalt gegen Frauen in Simbabwe, Menschen im Bürgerkrieg und auf der Flucht in Syrien. Es braucht Mut hinzuschauen. Es braucht Weltbegeisterte, die an die Grenzen gehen und etwas riskieren. Gott ist so begeistert von dieser Welt, dass er sich selbst engagiert. Er lässt die Welt mit ihren Problemen nicht hängen. Er tut das, indem er sich im wahrsten Sinne des Wortes einmischt: Er wird einer von uns, er teilt mit uns das Schicksal.

Die Jesuitenmission finanziert nicht nur Projekte. Wir packen selbst zu und helfen mit. Wir sind vor Ort und leben und arbeiten mit den Menschen in Not. Ob es die Jesuiten in den Partnerländern, Missionare wie Luis Gutheinz SJ, oder unsere Freiwilligen – Weltbegeisterte, die sich für ein Jahr in einem unserer Projekte engagieren – sind. Davon erzählen wir in diesem Heft. Von der Not und von bereichernden Erfahrungen auf beiden Seiten, wenn Men-schen sich gemeinsam für eine lebenswertere Welt einsetzen.

Ich danke Ihnen für all Ihre Hilfe.Viel Segen in dieser Weihnachtszeit und im Neuen Jahr!

Hans Tschiggerl SJ MENSCHEN FÜR ANDERE

EDITORIAL

ImpressumJESUITENMISSION - MENSCHEN FÜR ANDERE, 2013 - Heft 4Medieninhaber und Herausgeber: Missionsprokur der Gesellschaft Jesu in Österreich, Mag. Johann Tschiggerl SJ, Dr. Ignaz Seipel Platz 1, A-1010 Wien, Tel +43 01 5125232-56, [email protected], www.jesuitenmission.atRedaktion und Gestaltung: Hans Tschiggerl, Katrin Morales, Magdalena Weber, Regina Robanser, Druck: LDD Communication GmbH, Ziel der Publikation: Information der Spender über die aktuellen Entwicklungen in den Hilfsprojekten, Bildnachweis: Jesuitenmission, Zerene Haddad/JRS (S. 14f)

Österreichische Post AG / Sponsoring Post, 13Z039521S. ZVR Zahl 530615772, SO 1345 MENSCHEN FÜR ANDERE

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Nachdem die Regierung Chinas den Religionsgemeinschaften den Frei-raum eröffnete, im sozialen und me-dizinischen Bereich tätig zu werden, hat Luis Gutheinz seinen Einsatz für Leprakranke aufs Festland Chinas aus-gedehnt. In der Volksrepublik China leben etwa 300.000 bis 500.000 Le-prakranke. Luis Gutheinz bereist seit 1983 regelmäßig die Volksrepublik China, um u.a. im Priesterseminar von Sheshan bei Shanghai Theologie zu unterrichten und die Leprakran-ken im Süden Chinas zu besuchen. Außerdem gibt er Exerzitien für die in der Lepraarbeit stehenden Schwe-stern. Mit der Unterstützung von Or-

densschwestern ist das China Leprosy Service in vielen Dörfern in Südchi-na tätig geworden und hat etwa 5.000 Leprakranken medizinische Hil-fe, persönliche Zuwendung, Ausbil-dungsmöglichkeiten und vielseitige materielle Hilfen zugutekommen lassen. Die intensiven Begegnungen sind für ihn und die Leprakranken über die Jahre zur »Heilserfahrung« geworden.

Welche Gefühle erfüllen Dich an Deinem 80. Geburtstag?

Zunächst ein Staunen, dass bereits 80 Jahre vergangen sind. Dann tiefe

P. Luis Gutheinz SJ feierte am 12. November 2013 seinen 80. Ge-burtstag. Neben seiner Lehrtätigkeit an der theologischen Hoch-schule der Fu Jen Universität bleibt er in intensivem Kontakt mit den Leprakranken. Hier ein Gespräch mit unserem China- missionar:

Ein Leben für China

P. Luis Gutheinz SJ mit Kindern im Lepradorf Meggu

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Dankbarkeit an den Dreieinen Gott, an die Eltern, Geschwister, Lehrer, Mitschüler und schließlich die Mit-brüder aus aller Welt. Weiters das Wis-sen, nicht mehr der junge Jesuit von 1961 zu sein. 80 Jahre fordern ihren Tribut in einer Erfahrung des leich-ten Rückganges der inneren Spann-kraft und schöpferischen Energie, die aber auch die von vielen Ereig-nissen geprägte Sicherheit des Le-bensweges bringen. Schließlich die Sehnsucht, noch einige Projekte zu verwirklichen als Beitrag zum Auf-bau eines wahrhaft inkulturierten Christentums in der Welt von Tai-wan und China. Und noch ein bren-nender Wunsch: Seit der Ankunft von P. Alois Schwarz SJ in Xianxian sind insgesamt 42 österreichische Jesuiten in die China Mission gesandt wor-den. Davon sind 41 zum Herrn vo-rausgegangen. Ich bete, dass die ös-terreichische Provinz wieder Jesuiten aussendet!

Inkulturation ist das Herzstück Deiner Arbeit. Kannst Du über Erfahrungen berichten?

Als ich nach China kam, hatte ich das Gefühl, dass alle Chinesen gleich aus-

schauen. Im Laufe der letzten 52 Jah-re wurde mir aber durch viele Bege-gungen bewusst, dass jeder Mensch ein unverwechselbares Individuum ist und seine Eigenart besitzt. Nur ER kann auf dem kleinen Raum eines menschlichen Antlitzes Milliarden Variationen schaffen.Als ich versuchte mich an China an-zupassen hörte ich einen Buben sa-gen “Hao nankan!“ d.h. auf Deutsch: „Papa, der schaut schrecklich aus!“ Mir ging ein Licht auf: Luis, es steht in deinem Gesicht festgeschrieben – du bist Österreicher. Die Lösung, ganz und gar Chinese zu werden, ist nicht möglich. Als einziger Ausweg blieb für mich beide Welten so weit wie möglich zu integrieren. Bei einem Weihnachtsspiel in Xinz-hu sollte ich einen Witz erzählen. Als ich ihn beendete, brach in der groß-en Stadthalle mit mehr als 500 Per-sonen ein unvergesslicher Beifall aus. Ich wusste in jenem Augenblick: Luis, wenn nicht alle Stricke reißen, wirst Du den Weg in die chinesische Welt schaffen. In aller Bescheidenheit ge-sagt, so war und ist es!

Gibt es entscheidende Momente in Deinem Leben als Missionar?

Mein langer Weg der Inkulturati-on nach Taiwan und China lässt sich in vier Phasen beschreiben: Pha-se I (1961-1969): Lernen, Aufneh-men, Fragen, Hineinbewegung nach Taiwan und China. Phase II (1970-1980): Begegnung und Konfrontati-on zweier Kultur- und Lebenswelten. Phase III (1981-1985): Entschiedene Einwurzelung in die Welt Taiwans und Chinas, verbunden mit einer

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Freundschaft im Lepradorf

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Ein Standard-werk der Theologie für die Kirche in china

wahrhaften Hingabe. Und schließlich Phase IV (seit dem 25. November 1985): Die von Gott geschenkte Ver-einigung der zwei Welten, Ost und West, in einem einzigen Heimatge-fühl. Diese Erfahrung brachte seit je-nem Tag das herrliche Gefühl, hier in Taiwan/China ganz zu Hause zu sein, wie ich es in Tannheim, Tirol bin. Ich fühle mich nicht mehr als Ausländer in Taiwan/China, wohl aber weiß ich, dass in meinem Gesicht die westliche Welt erscheint. Diese Grunderfah-rung half mir als Theologe das Ge-heimnis Jesu Christi, der in seiner Person die göttliche und menschliche Welt vereint, besser und existentieller zu verstehen.

Was hat Dich der Dienst an den Leprakranken in China gelehrt?

Erstens, die erbauende Geduld und Demut der Leprakranken. Oft stehe ich mit tiefer Bewunderung vor die-sen Menschen, die mit verstümmel-ten Händen und von Geschwüren angeschwollenen Füßen mit lebens-bejahender Energie ihren Alltag mei-stern; so kann ich die Leprakranken meine Lehrer und Erzieher nennen.

Zweitens, das unverzweckte Zu-sammenleben mit den Leprakranken, das ihnen den Mut zum Leben gibt, lehr-te mich, den theolo-gischen Sinn des Heils von Jesus Christus tiefer zu verstehen: Das Mitle-ben Jesu bei uns, gesandt vom Vater, ist das Heil! So kann ich es in Vorlesungen an der „Fu Jen Faculty of

Theology of St. Robert Bellarmine“ überzeugender darlegen.

Drittens, es ist möglich, mit den Re-gierungen in Taiwan und China im Dienst an Leprakranken zusammen-zuarbeiten. Diese Zusammenarbeit verlangt Umsicht, Vorsicht und Weit-sicht.

Als Dogmatik Professor prägst Du Priester, Bischöfe, Schwestern und viele Christen in China. Gib uns einen kleinen Einblick in die Werk-statt des Theologen P. Gutheinz SJ.

Als Antwort sei erlaubt, auf mein Buch „Chinesische Theologie im Werden: Ein Blick in die Werkstatt der christlich-chinesischen Theo-logie“ hinzuweisen. Der Band ent-hält Vorlesungen, die ich im Winter- semester 2009-2010 an der Goethe- Universität Frankfurt gehalten habe.

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Die Kirche in Taiwan und China ist im Wachsen. Welche Herausforde-rungen und Chancen siehst Du?

Die Herausforderungen für die Christen in Taiwan und China be-stehen im Wesentlichen in den welt-weiten Herausforderungen aller Christen, so z.B. die Weitergabe des christlichen Glaubens an die jun-ge Generation des Smartphones und der digitalen Welt. Dann die Achtung vor der Würde des menschlichen Le-bens, vor allem in der ersten Phase im Mutterschoß. Mir scheint, dass Ab-treibung und die damit verbundene Euthanasie zu den alarmierendsten Problemen der ganzen Menschheit zählen. Schließlich der Mut zum Ver-zeihen und zur Versöhnung, individu-ell, in Gemeinschaften, und zwischen den Völkern. Ich bin überzeugt, dass das Christentum in seinem Besten das ist, was die Menschheit und da-mit auch China, heute und morgen am meisten braucht.

Hat die Junge Kirche in Asien eine Botschaft an die Kirche in Europa?

Erstens, der Mut zu neuem Leben, d.h. der Mut zum Kind. Ohne die-sen Mut können wir dem Alten Kon-tinent Europa Adieu sagen. Zweitens, Europa hat eine große Verantwortung für Afrika. Die Kolonialzeit hat Afrika ausgebeutet und die Menschen ver-sklavt. Heute muss Europa zusammen mit Afrika zu einer der drei Säulen der kommenden Welt werden, neben Asien und den Amerikas.

Was sind Deine Zukunftsprojekte?

Im Jahre 1969 gründeten wir die „Fu

Jen Theological Publications Associ-ation“ mit dem Ziel, Arbeitsinstru-mente für die theologische Arbeit in der Welt Taiwans und Chinas zu ver-öffentlichen. So erschienen von mir ins Chinesische übertragen u. a. eine Bibelsynopse, das „Gesetz Christi“ von Bernhard Häring, das „Lexikon der Bibeltheologie“ und kürzlich der Denzinger (Sammlung aller kirch-lichen Lehraussagen). Die Studenten und Lehrer der Theologie haben also bereits wichtige Instrumente zu the-ologischer Arbeit in chinesischer Sprache in Händen. Das gegenwär-tige Projekt lautet: Eine katholisch-ökumenische Bibel-Enzyklopädie in Chinesisch. Die Arbeit für dieses Projekt hat bereits begonnen, mehr als 30 Mitarbeiter(innen) behandeln verschiedene Themen zur Beantwor-tung der grundsätzlichen Fragen: Was ist die Bibel? Woher kommt sie? Wer interpretiert sie authentisch? Wie be-zieht sie sich zu anderen Religionen und zum authentisch christlichen Leben in unserer modernen Welt? Wir hoffen, das Projekt bis zum 31. Dezember 2016 druckreif zu machen.

P. Aloysius Gutheinz SJ

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Bisher mussten die Dorfbewohner viele Kilometer zurücklegen, um an Wasser zu gelangen. In Zusammenar-beit mit der lokalen Wasseraufsichts-behörde sowie der Dorfgemeinschaft unterstützte BIOMIN über die Jesui-tenmission MENSCHEN FÜR AN-DERE den Bau einer Wasserleitung. Es wurde ein Aufsichtskomitee orga-nisiert, um das Projekt zu managen. Die Dorfbewohner arbeiteten unzäh-lige Stunden, um das Wassersystem fertigzustellen und allen Haushalten einen Wasseranschluss zu ermög-lichen. Über ein Jahr lang wurden Pipelines und Speichertanks sowie Filter gebaut um den Menschen aus-reichend Trinkwasser zu sichern.

Hujia Village, Anhua Hunan

In Hujia wurden drei Pipelinesy-steme, drei Staudämme, drei Trink-wassertanks und drei Trinkwasserfilter errichtet. Eine Vielzahl an Haushalten profitiert nun von diesem neuen Was-sersystem.

Hetaowan Village, Shiqian, Guizhou

Um Trinkwasser zu befördern, wur-den in Hetaowan eine Pipeline und

zwei Speichertanks konstruiert. Diese Investitionen stellen für die Einwoh-ner eine große Erleichterung im All-tag dar. Die Pipelines erreichen 105 Haushalte, die Dorfkirche sowie das Gemeindezentrum.

Durch das Projekt konnten die Hy-gienestandards wie auch der Gesund-heitszustand der Menschen durch die erbauten Wasseranlagen deutlich ver-bessert werden. Besonders die Le-bensqualität der vielen alten Men-schen wurde verbessert. Die weiten Strecken zum Wasserholen haben ih-nen den Alltag besonders erschwert. Die Gemeinschaft wird künftig so-wohl mit der Ausweitung als auch der Instandhaltung der Wassersysteme ei-genständig fortfahren. Auch der Zu-sammenhalt innerhalb der Gemein-schaft ist durch dieses Projekt massiv gewachsen.

Etwa 570 Dorfbewohnern in Hujia und 500 Einwohnern in Hetaowan konnten wir den Zugang zu sauberem Wasser er-möglichen. Gemeinnützige Institutionen, wie die Dorfkirche, die Schule und das Krankenhaus, haben zusammengearbeitet und profitieren von diesem Projekt. Lesen Sie einen Auszug aus dem Projektbericht:

Sauberes Wasser für die Landbevölkerung in China

Wasser für herrn hu Dayou und sein ganzes Dorf

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Afrika pur

Als ich Ende August 2012 nach Simbabwe aufbrach, hatte ich wenig Vorstellung von dem, was mich dort erwarten würde. Das einzige, was si-cher schien, war, dass ich in der Schu-le tätig sein sollte, denn als Religions-lehrerin war es das, was ich „konnte“.Knapp zwei Monate lang war dem auch so. Anfangs marschierte ich mit meiner Kollegin Magdalena jeden Tag durch den Busch nach Cheza,

einem Dorf ca. 6 km von der Mis-sion entfernt. Dort arbeiteten wir in einer Primary School und erlebten Afrika pur. Kein Wasser, kein Strom, die Schulgebäude in einem katastro-phalen Zustand. Nur wenige Kinder hatten ein Heft zum Schreiben, viele blieben zwischendurch immer wie-der von der Schule weg, weil die El-tern das Schulgeld nicht aufbringen konnten. Acht Euro für drei Monate.Hier erlebte ich zum ersten Mal

„Maswera sei?“ „Ndaswera maswerawo.“ – „Wie haben Sie den Tag verbracht?“ „Ich habe ihn gut verbracht, wenn Sie ihn auch gut verbracht haben.“ Oft habe ich diesen Gruß in den zehn Monaten in Makumbi gehört bzw. ausgesprochen und oft habe ich abends festgestellt, dass ich den Tag tatsächlich gut verbracht habe. In der Jesuitenmission in Makumbi, unter all den herzlichen Menschen, ist es mir gelungen, jeden einzelnen Tag bewusst zu leben und dafür dankbar zu sein.

Wadzanai – Neue Wege für Frauen in Simbabwe

Veranstaltung zum Thema Schluss mit

Gewalt gegen Frauen – Taramba.

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SIMBABWE

am eigenen Leib, dass die Hautfar-be ein Problem sein kann, dass ich als Weiße nicht immer und überall willkommen war. Die politische Situ-ation und vor allem die bevorstehen-den Wahlen in Simbabwe stoppten unsere Arbeit von einem Tag auf den anderen. Ich verlagerte meine Tätig-keit somit auf die Primary School in der Mission, aber selbst dort griff die Maschinerie und machte jeden wei-teren Schulbesuch unmöglich. Ohne diese persönliche Erfahrung hätte ich nie geglaubt, dass man ohne eigenes Verschulden so plötzlich zwischen die politischen Fronten geraten kann.

Wadzanai Community Centre

Die darauf folgenden Wochen waren ziemlich schwierig. Nach lan-gem Hin und Her, Suchen, Finden, neuerlichem Suchen, fand ich schließlich meinen Platz im Wad-zanai Community Centre, das ganz in der Nähe der Mission liegt. Dort wurde mir bewusst, welche Fähigkei-ten ich entwickeln konnte und wie andere auf besondere Weise gefor-dert waren. So haben es eines Mor-gens die Umstände verlangt, dass ich einen Lastwagen mit Material und Lebensmitteln zu einem Workshop nach Chinamhora lenken musste, auf einer Straße mit unzähligen Schlag-löchern und kleinen Seen, von denen ich nur hoffte, dass sie nicht zu tief wären. Bevor wir losfahren konnten, mussten einige Männer noch den linken Vorderreifen aufpumpen – mit einer Fahrradpumpe! Meinen beiden Mitfahrern habe ich erst im Nach-hinein verraten, dass ich zum ersten Mal am Steuer eines Lastwagens ge-sessen bin.

Women Empowerment

Wadzanai Community Development Trust ist eine Organisation, die 2006 von Apolonia Chonyera gegründet wurde. Sie versucht, Frauen in ih-rem Selbstbewusstsein, in ihrer Selb-ständigkeit zu stärken und über ihre Rechte aufzuklären. „Polly´s“ großes Anliegen ist es, Frauen aus der totalen Abhängigkeit von ihren Männern zu befreien.

Eigenes Geld verdienen

Im Wadzanai Community Centre er-lernen sie, wie sie ihre Felder besser bestellen und die Produkte verarbei-ten und gewinnbringend vermark-ten können, um auf diese Weise ihr eigenes Geld zu verdienen. So wurde z. B. vor einigen Jahren eine Erdnuss-butter-Maschine gekauft, mit der die Frauen aus den umliegenden Dörfern ihre Erdnüsse zu Erdnussbutter mah-len und verkaufen können. Einige

herta Tiefen-grabner mit Polly, der Leite-rin des Wadza-nai community centres

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SIMBABWE

Frauen sind im Community Centre angestellt, wo sie bei Veranstaltungen putzen oder kochen. In Kursen ler-nen Frauen Tontöpfe für den täg-lichen Gebrauch herzustellen oder machen Batikarbeiten und Stoffma-lereien. Andere werden in Projekte, wie das Chicken oder Piggery Pro-ject, eingeschult und versuchen damit gewinnbringend zu arbeiten.

Ein Haus für die Familie

Es sind meist die Frauen, die das Haus für die Familie bauen, was schon bei der Herstellung der Ziegel beginnt. Die Sorge um die Kinder, der Un-terhalt für die (Groß-) Familie, die Schulgebühren, die Feldarbeit – alles lastet auf den Schultern der Frauen. Ich habe schwangere Frauen gesehen, die noch wenige Tage vor der Entbin-dung auf dem Feld gearbeitet haben. Es gibt keine Schonzeit. Ein großes Problem ist der Alkohol. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit – die Ar-beitslosenrate liegt bei 92% - sitzen viele Männer zu Hause herum und trinken selbst gebrautes, starkes Bier. Nicht selten sind sexuelle Übergriffe die Folge.

Selbstwertgefühl

Mit großem Engagement kämpft Polly trotz ihrer mittlerweile 66 Jah-re und einem schweren Bandschei-benleiden gegen Gewalt und Miss-brauch aller Art. In Workshops in ihrem Center und auch in Primary und Secondary Schools der umlie-genden Dörfer sollen die Mädchen und jungen Frauen zu mehr Selbst-wertgefühl geführt werden. Sie wer-den über die verschiedenen Formen

von Missbrauch aufgeklärt, über die rechtliche Situation informiert und ermutigt, sich anderen anzuvertrauen bzw. Anzeige zu erstatten. In den Re-aktionen und Aussagen der Mädchen konnte man – leider – nur allzu oft erahnen, dass sie selbst bereits Opfer von Gewalt und Übergriffen gewor-den waren.

Gewaltfreie Wege

Durch die Frauen, die in die Work-shops kommen, soll ein Netzwerk in den Dörfern errichtet und das Be-wusstsein geschaffen werden, dass das Leiden nicht in der Natur der Frau grundgelegt ist. Durch die Kul-tur der Shona, in der die Frau zum Großteil noch immer als Eigentum des Mannes gilt, und durch das Zu-sammenleben der Großfamilien auf engstem Raum ist sexueller Miss-brauch weit verbreitet. Das Team im Wadzanai, das sich aus fünf Frauen und zwei Männern zusammensetzt, versucht das traditionelle Rollenbild der afrikanischen Frau aufzubrechen und neue, gewaltfreie Wege zu gehen.

Im Wadzanai Centre habe ich mei-ne Familie vor Ort gefunden, Polly ist mir Freundin und Vorbild gewor-den. Von ihrem Haus geht keiner mit leeren Händen weg, der sie um Hilfe bittet, selbst wenn sie ihr letztes Ei oder Mealie Meal (Maismehl für Sadza) gibt. Ihr Grundsatz ist: „Wenn Gott mir diese Menschen schickt, dann ist es meine Pflicht ihnen zu helfen so gut es mir möglich ist.“

Herta Tiefengrabner

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AUF DER FLUchT

Die Drei und ein Esel:Ikone und Urbild von Flucht.Für alle, die fliehen müssenund die vertrieben werden,Hoffnung und Trost.

Bild: „Nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten“ (Mt 2,13). Darstellung auf Papyrus durch einen unbekannten ägyptischen Künstler.

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Gesegnet seien alle,die uns willkommen heißen in ihrem Land.Gesegnet sei ein jeder,der uns ein Licht ins Fenster stellt,das uns den Weg erhelltzum gastlichen Haus.

Pilger sind wir doch alle,ohne bleibende Stätte,auf dem Weg in ein anderes Land.Alle Flüchtenden dieser Erdesind ein Gleichnis dafür.

AUF DER FLUchT

Bild: In seinem Zyklus über die sieben Werke der Barmherzigkeit hat der indische Künstler Jyothi Sahi dieses Bild gemalt, eine Ikone für das 5. Werk der Barmherzigkeit: „Fremde gastlich aufnehmen“.

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Diese Mutter mit ihren beiden Kindern ist aus Syrien geflohen und hat Aufnahme und Gastfreundschaft auf einem Bauernhof im Bekaa Tal im Libanon gefunden. Sie helfen beim Hüten der Kühe und verdienen so ihren Lebensunterhalt.

AUF DER FLUchT

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SyRIEn

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Hilfe für den WinterDie Jesuiten in Syrien leisten mit Hilfe des JRS als internationaler Organisation für mehr als 300.000 Menschen humanitäre Hilfe in Form von Nahrungsmitteln, Haushaltsgegenständen und Klei-dung für den kalten Winter. Hier vier Schlaglichter aus Aleppo, Homs, Beirut und Antakya.

Zerene Haddad, JRS-Mitarbeiterin des Regionalbüros schreibt:

„Letzte Nacht haben wir´s geschafft, Telefonkontakt mit Mourad in Aleppo herzustellen. Dort läuft es nicht so gut. Er hat nachdrücklich da-rum ersucht, dass wir für sie beten. Eine Rakete ist letzten Samstag im Zentrum für psychosoziale Betreuung eingeschlagen. Zwei Freiwillige erlitten leichte Verletzungen und Teile unseres Lagers wurden schwer beschädigt. Seitdem ist das Zentrum bis auf weiteres geschlossen. Alle anderen Aktivitäten (Verteilung von Kleidung, Feldküche, medizinische Betreuung etc.) werden fortgeführt. Die Telefonverbindung ist schlecht. Wir haben über eine Woche lang versucht vom Libanon aus mit un-seren Leuten in Syrien Kontakt aufzunehmen und haben es gestern Abend endlich geschafft. Das Internet funktioniert auch nicht (seit vier Monaten). Anscheinend sind in Syrien einige Waren für den täglichen Gebrauch verfügbar, aber zu so exorbitanten Preisen, dass die Leute sie sich nicht leisten können. Letzte Woche Donnerstag durfte dann nach fast zwei Monaten der erste Konvoi mit Mehl und Heizmaterial nach Aleppo fahren.“

Sally Salem, JRS Koordinatorin in Kafar Zabad, Libanon, erzählt:

„Am nächsten Tag kam ein Vater namens Nizar zur Schule und bat uns seine Tochter, Zeana, aufzunehmen. Ich werde das breite Lächeln im Gesicht des Mäd-chens nie vergessen. Ich habe ihm gesagt, dass wir keinen Platz mehr haben, aber er wollte ein „Nein“ als Antwort nicht akzeptieren. Er flehte mich an und sagte: „Ich bringe den Tisch, den Stuhl und die Bücher mit, aber bitte lasst meine Toch-ter zur Schule gehen.“ Seine Entschlossenheit, sein Kind in die Schule zu schi-cken, berührte mich sehr. Wie könnte ich da ablehnen? Ich kann die Freude, die sich im Gesicht des Vaters widerspiegelte, nicht beschreiben als wir seine Tochter in die völlig überfüllte Klasse aufnahmen. Sie leben in einer Garage unter einem Haus, die sie von einer dort lebenden Familie gemietet haben. Die Hygienezu-stände in dieser Garage sind so schlecht, dass das Mädchen von Läusen befallen wurde. Der Vermieter und seine Familie wollten nicht, dass sich die Läuse ausbrei-ten, aber anstatt das Mädchen mit Läuseshampoo zu behandeln, schnitten sie ihr nur das schöne lange Haar ab.“

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SyRIEn

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Frans van der Lugt SJ ist seit mehr als 15 Monaten in Homs eingeschlossen:

„Wir müssen immer mehr auf die Hilfe der anderen vertrauen, vor allem auf Grund der Lebensmittelknappheit. Es ist nun mehr als 15 Monate her seit Nah-rungsmittel nach Homs gebracht wurden. Wir haben nur mit den Lebensmitteln, die wir in unseren Kellern aufbewahrt oder in verlassenen Häusern gefunden haben, überlebt. Wir können die Gegend nicht verlassen, da wir von allen Sei-ten belagert werden. Immer mehr unserer Leute leiden an Mangel- und Unter-ernährung. Die Sorgen werden mit dem herannahenden Winter immer größer. Wir wissen, dass wir an der Kälte leiden werden. Und es wird noch schlimmer durch den Mangel an Wasser, Heizmaterialien und Nahrungsmitteln. Unsere Häu-ser schützen uns nicht mehr vor der Kälte, da alle Türen und Fenster zerbrochen sind. Wir versuchen Traurigkeit und Verzweiflung zu unterdrücken. Aber trotzdem sind diese Gefühle immer im Hintergrund.“

Stefan Hengst, JRS-Länder- direktor in der Türkei schreibt:

„Im südtürkischen Antakya habe ich einen Kebap- budenbesitzer getroffen. Er sagt, dass alle essen müssen. Ein befreundeter LKW-Fahrer, der aufgrund des Bürgerkriegs arbeitslos geworden ist, kommt und isst sein Kebap. Be dient wird er dabei von einem kleinen Jungen. Erst beim zweiten Hinschau-en fällt mir auf, dass er kein Türkisch spricht. Und dann sehe ich noch zwei Freunde von ihm, die im selben Alter sind, und einen älteren Jungen. Sie alle sind Flüchtlinge aus Syrien, die am Kebapstand mit-arbeiten. So haben sie etwas zu tun, etwas zu essen, einen Ort, wo sie den Tag verbringen können und ei nen Menschen, der sie in sein Herz geschlossen hat. Bei meinem nächsten Be such hatten sie alle Schürzen bekommen und gehörten damit prak-tisch schon dazu. Zaghaft versuchen sie jetzt auch mit mir Kontakt aufzunehmen. Über ein breites Lächeln kommen wir nicht hinaus, aber vielleicht ist das schon sehr viel.“

Dieses syrische Kind ist mit seiner Familie in den Libanon geflohen. Be-sonders im Winter brauchen sie unsere Unterstützung. Wir danken für Ihre Hilfe in der Arbeit des Flüchtlingsdienstes der Jesuiten in Syrien, Libanon, Jordanien und der Türkei. Spendenbezeichnung: Syrienhilfe

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Die Einsatzorte liegen in Osteuropa, Lateinamerika, Afrika und Asien. Ob bei der Arbeit mit Kindern und Ju-gendlichen, behinderten und kran-ken Menschen oder Flüchtlingen – Jesuit Volunteers erleben spannende Begegnungen mit anderen Kulturen und lernen die Welt von vielen neu-en Seiten kennen. Mit ihren Erfah-rungen bereichern sie nach ihrer Rückkehr unsere Gesellschaft.

Ann-Kathrin kommt in Makumbi, Simbabwe an

Es ist sechs Uhr in der Früh. Draußen hört man schon Gesang, starke, afri-kanische Stimmen. Kurz vermischen sich die Lieder mit meinem Traum, dann wache ich auf. Wieder einmal froh um mein Moskitonetz versuche ich die wohlgenährte Spinne über meinem Bett zu ignorieren und ver-lasse meinen sicheren Hafen.

Gegensätze

Es sind gerade einmal zwei Wochen vergangen, seit ich afrikanischen Boden betreten habe und doch kommt es mir vor, als wäre der Ab-schied von Zuhause schon viel länger her. Vielleicht liegt es an der Sonne, an die man sich so schnell gewöhnt, oder am Sadza, das Brot der Simb-abwer. Vielleicht sind es aber auch die kleinen Berge um Makumbi he-rum, ein Stück Heimat an einem fremden Ort. Auch die vielen

Die Arbeit der Jesuiten steht im Dienst einer weltweiten Solida-rität mit den Armen und umfasst den Einsatz für Glaube und Ge-rechtigkeit. Über unseren Freiwilligendienst wirken junge und jung gebliebene Menschen in ausgewählten Sozialprojekten tat-kräftig mit. Zurzeit sind 29 Jesuit Volunteers unterwegs.

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Ann Kathrin und Mirjiam sind in Makumbi, Simb-abwe im Einsatz

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Evelin lebt und arbeitet mit Alexandra und christian in Guadalajara

Avocado-, Bananen-, Zitronen- und unbekannten Obstbäume lassen Makumbi wie ein kleines Paradies erscheinen! Eine Oase in einem Land, wo viele Menschen Tag für Tag in die Knie gezwungen werden und oft von alleine nicht mehr aufstehen kön-nen. Makumbi ist eine Oase in einem Land, in dem die Wasserreserven für die Townships in Harare zwei Mo-nate vor der Regenzeit zur Neige ge-hen und wo viele Jugendliche nach der Schule der Armee ihres diktato-rischen Staates beitreten, weil es ihre einzige Möglichkeit ist, ein bisschen Geld zu verdienen. Simbabwe ist ein Land, in dem die Gegensätze mit ei-ner enormen Wucht aufeinander prallen.

Meine Arbeit

Seit einer Woche arbeite ich in einer Preschool, einer Art Kindergarten in Makumbi. Miss Tangwara ist dort al-leine für ca. 35 Kinder von drei bis sechs Jahren zuständig. Im Moment bin ich dort noch keine große Hil-fe, weil ich vor allem nur beobachte und schockiert bin über die Situation. Vieles wird sich mit der Zeit auch än-dern, wenn ich mich dann auf Shona mit den Menschen unterhalten kann, doch im Moment fühle ich mich ein bisschen gelähmt.

Ein neuer Alltag für Evelin in Guadalajara, Mexiko

Meine Arbeitsstelle ist die Helen- Keller-Schule für blinde Kinder. Als wir die Schule an unserem ersten Tag hier besucht haben, war mir alles bereits sehr sympathisch. Wir arbei-ten mit Kindern, die vier bis sieben Jahre alt sind und unterstützen die

Klassenlehrerin bei ihren täglichen Arbeiten. Chris und ich arbeiten in der 2. und 3. Klasse der Vorschu-le. Diese besteht aus ca. 15 Kindern, die nicht alle regelmäßig den Unter-richt besuchen. Ich finde es sehr in-teressant, wie sicher sich die Kinder, obwohl manche ganz blind sind, in den Räumlichkeiten bewegen. Wenn es zu einem Zusammenstoß kommt, bin meistens ich schuld, weil ich nicht aufgepasst habe. Das Hauptthe-ma in der Vorschule ist die Sensibili-sierung. Das heißt, die Kinder lernen Sachen zu ertasten und mit verschie-denen Materialien zu arbeiten. In der Pause helfen wir den Kindern ihr Es-sen warm zu machen oder unterstüt-zen sie einfach bei kleinen Problem-chen. Die Kinder haben uns sehr gut aufgenommen. Dann geht es für die 3. Klasse an die zweite Arbeitsein-heit. In dieser werden die Nicht-Se-henden darauf vorbereitet die Blin-denschrift und die Sehenden lesen und schreiben zu lernen. Wenn das vorbei ist, bekommen wir noch un-ser Mittagessen in der Schule und werden dann entlassen. Wenn wir uns eingewöhnt haben, werden wir noch die Möglichkeit haben mit den älteren Schülern in den Schwimm- oder Computerunterricht zu gehen.

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Mitarbeiten und vor allem Mitleben Michael in Dumka Raiganj, Indien

4:40 Uhr, mein Wecker läutet. Drau-ßen ist es noch dunkel und in meinem Zimmer wimmelt es von Mosquitos, aber irgendwie schaffe ich es doch, das Bett zu verlassen und mich fertig zu machen. Nach einer Viertelstunde bin ich bereit, die Jungs aufzuwecken und sie zum Morgensport zu bewegen. Mit dabei ist ein großer Lautsprecher, der motivierende, laute Musik zum Aufstehen spielt.

Danach geht es weiter mit der ersten Studienzeit, während ich mir Zeit nehme, gemütlich zu duschen, soweit das mit kaltem Wasser geht.

6:25 Uhr. Ich höre die Jungs schon in der Kapelle das erste Lied für die Messe singen und beeile mich, um doch noch pünktlich zu kommen. Nach einer halben Stunde ist die Messe zu Ende und es gibt Frühstück. Doch bevor Paula und ich in die Kom-munität gehen um zu frühstücken,

helfen wir im Hostel noch beim Essen austeilen. Heute ist Sonntag und daher müssen die Jungs nicht zur Schule. Statt der Schulstunden gibt es „study-time“ und Arbeiten am Vormittag.

Um 16:00 Uhr hat es sich aus-studiert, Zeit zum Fußballspielen. Jeden Tag spielen die Jungs eine Partie Fußball, wobei nach Alter ge-trennt drei Spiele gleichzeitig statt-finden. Ich bin nicht der große Fußball-Star, aber es macht immer wieder Spaß, mit den Jungs zu spie-len, da sich viele beim Spiel öffnen und aus sich herauskommen.

Um 18:00 Uhr beginnt schon wieder die nächste „study-time“. Manchmal machen wir einen Workshop oder ich lerne mit den Jüngeren für die Schule. Hin und wieder setze ich mich auch mit meiner Lektüre in die „study-hall“ und lese. Allzu weit komme ich dabei jedoch nie, da im-mer wieder jemand mit einer Frage zu seiner Schullektüre vor mir steht.

19:30 Uhr, Abendessen. Zuerst wie-der bei den Jungs beim Austeilen helfen und dann ab in die Kom-munität zum Abendessen. Danach dürfen die Kleinen schon ins Bett, während die anderen noch bis um 21:30 Uhr „study-time“ haben. Manchmal lese ich noch eine Gute-Nacht-Geschichte vor, bevor ich sel-ber ins Bett falle.

Für mehr Informationen besuchen Sie unsere Homepage:

www.jesuit-volunteers.org

Katrin Morales

Michael mit den hosteljungs

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„Im Vergleich zu Einsätzen in Chi-na, Simbabwe oder Siebenbürgen - was kann ich erzählen von einem Jahr im Altenheim in Deutschland?“ Vielleicht schwingt hier meine Ent-täuschung von damals mit, bezüg-lich eines Einsatzes vor der Haus-tür. Doch genau darüber möchte ich sprechen. Ich war damals 22 Jahre alt, als ich am Programm von JEV „Ein Jahr anders leben“ teilnahm. Es war nach zwölf Schuljahren und drei Aus-bildungsjahren zur Volksschullehre-rin mein erstes – wie ich es immer

nannte – Bildungsjahr, und das im besten Sinn. Es war ein Jahr, das mir den Blick über den Tellerrand nicht intellektuell vermittelte, sondern ihn für mich erlebbar werden ließ. Es war damals der einzige Jahrgang von JEV, in dem Einsatzorte ausschließlich in Deutschland und Österreich angebo-ten wurden. „Wenn schon Deutsch-land, dann wenigsten Berlin oder Hamburg!“, dachte ich mir. Es wur-de Stuttgart. Ich wollte mit Kindern arbeiten, vielleicht in einem Flücht-lingslager. Stattdessen alte, demenz-

Vor der eigenen Tür

„Was sollen wir tun? Was ist unser Auftrag? Welche konkreten Möglichkeiten gibt es, sich zu engagieren?“ Die Jesuitenmissi-on lud anlässlich der 450 Jahrfeier der Jesuiten in Österreich zu einem Weltcafé im Kardinal König Haus in Wien ein. Freiwillige aus verschiedenen Einsatzgebieten erzählten von ihren Erfah-rungen. Birgit Tschurtschenthaler engagierte sich für ein Jahr als „Jesuit European Volunteer“ in einem Altenheim in Deutschland. Nach dem Einsatz studierte sie Pädagogik und Psychologie und ist seit 15 Jahren als Beratungslehrerin in Tirol tätig.

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kranke Menschen in einem Heim. So ziemlich das Gegenteil von allem, was ich mir vorgestellt hatte. „Genau darum geht es“, sagte mir damals P. Horst Knott SJ, der Leiter von JEV, „um die Armut im eigenen Land, vor der eigenen Haustür.“

Mich auf Ungewohntes einlassen

Durch das Nicht-Erfüllen meiner Vorstellungen wurde ich für Neues aufgebrochen. Im Einlassen auf das für mich Unattraktive wurde ich an meine Grenzen geführt und uner-wartete Erfahrungen eröffneten sich: Erst nachdem mir mein zukünftiger Einsatzbereich mitgeteilt worden war, begann ich, die vielen alten Men-schen um mich herum wahrzuneh-men. Ich hatte sie davor regelrecht aus meinem Leben ausgeblendet. Was „Personalnot“ bedeutet, erfuhr ich am eigenen Leib. Ich erlebte, dass ich nach zwölf Arbeitstagen am Stück beim besten Willen nicht mehr so geduldig sein konnte, wie ich gerne

gewesen wäre. Ich kam mit meinen Grenzen in Kontakt.

Mich im Nicht-Spektakulären, im Nicht-Sichtbaren engagieren

Im Zusammensein mit dementen, al-ten Menschen wird man unausweich-lich darauf verwiesen, dass allein der gegenwärtige Augenblick zählt – alles andere versinkt in Vergessenheit. Das Reichen einer Hand, damit ein Fort-bewegen möglich wird. Das Zuhören, das Interesse am anderen, damit Isola-tion durchbrochen wird. Die Beglei-tung zur Toilette, die Herausforde-rung, den alten Menschen in dieser für viele beschämenden und auch berührenden Situation mit Würde zu begegnen. Ich konnte die sogenann-te Tagesbetreuung mitaufbauen. D.h. wir versuchten für demenzkranke Personen, einen Raum zu schaffen, wo möglichst alltagsnah gemeinsam der Tag verbracht werden konnte – für sie Orientierung geschaffen wur-de. Vielleicht war damit auch etwas „Herzeigbares“ entstanden, doch das Eigentliche geschah im Verborgenen, im Nicht-Spektakulären der alltäg-lichen Begegnungen, im einander Wahrnehmen, im sich immer wie-der um Geduld mühen, im Humor, in der Aufmerksamkeit füreinander - im Dazwischen, das nicht festgehal-ten werden kann.

Als Freiwillige in keinem abhängigen Dienstverhältnis

Mitten am Vormittag wünschte sich eine Frau im Rollstuhl, dass ich mit ihr in die Kapelle fahren solle. Von der Personalsituation her gesehen, schwer

Philipp Kahr hat in Rumänien als Freiwilliger im hospiz und in einer Suppen-küche mitgear-beitet

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möglich zu machen. Insgesamt waren 12 bis 16 Personen zu betreuen. Ich entschied mich trotzdem, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Von der Leitung wurde ich nachträglich für diese selb-ständige Entscheidung gerügt. Doch wenige Tage später war die Frau ge-storben. Es war eine prägende Erfah-rung: meiner Intuition zu vertrauen, mich zu trauen, auch zu eigenen Ent-scheidungen zu stehen.

Ich bin sehr froh, diese Freiheit, die-se Unabhängigkeit in meinem ersten Arbeitsjahr erfahren zu haben. Die Position als Freiwillige hat den Blick für Veränderungswürdiges geschärft. Etwas von dieser Haltung begleitet mich bis heute, wenn auch die Rah-menbedingungen in meiner Arbeit andere geworden sind.

Die existentielle Verbunden-heit von Aktion und Kontemplation

Mein Bewusstsein für die Untrenn-barkeit von Aktion und Kontemplati-on wuchs in diesem Jahr. Immer stär-ker habe ich erlebt, dass mein Tun und Machen leer bleibt, wenn ich meine, alles allein bewältigen zu müssen, dass ich mich mit Ohnmacht und Zwei-feln, Anfragen und Enttäuschungen an das Größere wenden, mich der Gegenwart anvertrauen kann.In meinem Vorstellungs- oder Be-werbungsgespräch für JEV bei P. Josef Maureder SJ in Innsbruck habe ich den Rat mitbekommen, in allem den Blickkontakt mit Gott zu bewahren. An dieser Stelle möchte ich meine Dankbarkeit ausdrücken für die mir unschätzbar wertvolle Begleitung durch Jesuiten und auch Nicht-Jesui-

ten, durch Frauen und Männer, durch junge und alte Menschen - wie ich glaube im Sinne des Ignatius - auf einem Weg der Befreiung!

Was sollen wir tun?

Es gibt sicher zig Antworten auf diese Frage. Was für mich erlebbar wurde: Auf der Suche und offen bleiben. Ei-gene Vorstellungen erkennen und be-reit sein, sie auch über Bord zu wer-fen, wenn sich die Realität anders zeigt. Sich dort, wo man sich hinge-stellt findet, mit all seinen Möglich-keiten einsetzen. Nicht nur das Spek-takuläre, Mess- und Erzählbare gilt. So viel Wesentliches geschieht im Dazwischen, das nicht festgehalten werden kann. Die Chance der Un-abhängigkeit, die Chancen, Unge-wöhnliches zu tun. Und den Blick-kontakt mit Gott nicht verlieren, ihn immer wieder aufnehmen: Aktion und Kontemplation konkret im All-tag leben.

Birgit Tschurtschenthaler

Birgit beim Treffen der Steuerungs-gruppe der Bera-tunglehrerInnen in ihrer jetzigen Arbeit

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In KüRzE

Adventaktion des Kollegium Kalksburg Frau Professor Ulrike Heimhilcher-Dohnal startet mit ihren Schülern eine Adventaktion: Jesus ist ein Flücht-lingskind. Die Flucht der Heiligen Familie nach Ägyp-ten ist in der Kunst oft dargestellt und ist besonders in der Weihnachtszeit präsent. Derzeit sind weltweit mehr als 45 Millionen Menschen auf der Flucht. Im Rahmen der diesjährigen Adventaktion des Kollegium Kalksburg werden Projekte für Menschen unterstützt, die auf der Flucht sind: z.B. die Arbeit des JRS im Krisenherd Sy-rien. Ein Adventkalender der besonderen Art stellt das Flüchtlingskind Jesus und Schicksale von Flüchtlings-kindern heute in den Mittelpunkt.

Ihr Vermächtnis für die Zukunft

Die Jesuitenmission ist in den Bereichen Armutsbekämpfung, Schulbildung, Glau-bensverkündigung, Gesundheitsarbeit und Flüchtlingshilfe aktiv. Wir können nur hel-fen, weil Menschen in Österreich uns dabei unterstützen. Das Grundprinzip unserer Arbeit ist die solidarische Begegnung von Mensch zu Mensch. Die Jesuitenmission stärkt und begleitet Initiativen an der Basis, die den Armen direkt helfen und sie ak-tiv einbinden. Mit Ihrem Vermächtnis zugunsten der Mission – das heißt zugunsten vielfältiger pastoraler und sozialer Projekte unserer Mitbrüder und Partner weltweit – ermöglichen Sie Zukunft. Wenn Sie über ein Legat zugunsten der Jesuitenmission nachdenken und Beratung wünschen, wenden Sie sich direkt an: P. Hans Tschiggerl SJ, Dr.-Ignaz-Seipel-Platz1, 1010 Wien. Telefon: 0676 9436799, [email protected].

Besuch des Projektes „Elijah“

„Elijah“ von P. Georg Sporschill und Ruth Zenkert nimmt sich in einigen Dörfern nahe Hermannstadt (Sibiu) in Siebenbürgen besonders der dort ansässigen Romafamilien und deren Kinder an. Große Fortschritte wurden innerhalb weniger Monate erzielt: die Errich-tung einer Musikschule für Kinder, die hier verschie-dene Instrumente lernen können; die Einrichtung von Läden, in denen Dinge des täglichen Bedarfes günstig angeboten werden; der Bau eines Badehauses für eine bessere Hygiene im Dorf und manches andere.

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Liebe Leserin, lieber Leser!

P. Luis Gutheinz SJ ist unser Tor nach China. Seine Erfahrungen in der Arbeit mit Leprakranken und seine Kontakte zur Ausbildung von Priestern und Schwestern für den pastoralen und sozialen Dienst eröffnen uns den Zugang zu den Nöten der Menschen in China: • Wir unterstützen die Lepra- und Aidsarbeit der Jesuiten in Festlandchina.• Wir fördern die Ausbildung von Sozialarbeitern und Schwestern. • Wir helfen Dorfgemeinschaften in den ärmsten Gebieten bei der Trinkwasserversorgung. • Wir unterstützen Diözesen bei der Priesterausbildung.

Herzlichen Dank für Ihre Hilfe!

Hans Tschiggerl SJMissionsprokurator

UNSERE BITTE: Hilfe für Jesuitenprojekte in China

Ihre Spende ist gemäß § 4a Z. 3 und 4 EstG absetzbar! ZVR-Zahl 530615772 / SO 1345

Spendenkonto: PSK 7086 326 / BLZ: 6000MENSCHEN FÜR ANDERE Projektname: Jesuitenprojekte China

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JESUITENMISSIONMENSCHEN FÜR ANDEREDr. Ignaz Seipel Platz 1A-1010 WienTel.: +43 01 5125232 - 56 [email protected]

SpendenkontoPSK 7086 326BLZ: 60000BIC: OPSKATWWIBAN: AT52 6000 0000 0708 6326MENSCHEN FÜR ANDERE

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Mein Beitrag für eine lebenswerte Zukunft