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InfoMagazin April | 2012 Unterstützt durch das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg aus Mittel des Europäischen Sozialfonds. Herausgegeben von den Regionalbüros des Netzwerks Fortbildung Weiterbildung in Baden-Württemberg Eindrücke – Übersichten – Ausblicke Am Anfang war das World Wide Web eine Sache für Konquistadoren. Überall gab es etwas Neues zu entdecken. Das passte zum Lebensgefühl der 1990er Jahre. Heute aber, so Sebastian Buggert vom Kölner Rheingold Institut für Markt- und Medienforschung, habe sich die Funktion des Internets funda- mental gewandelt: Vom weltweiten Netz 1990 zum persönlichen Rückzugsort 2010. „Alles, was wir in der Welt haben, haben wir im Netz nochmal“, beschreibt der Gastredner beim Jahres- empfang des Netzwerks Fortbildung in Stuttgart das heutige „totale Internet“. In seinem Vortrag über „Social Media - Fluch und Segen für Bildungseinrich- tungen“ hat Buggert auch die entsprechenden Zahlen parat: 243 Millionen Homepages, täglich 20.000 neue Domains, 247 Mrd. Emails täglich, 1,3 Mio. Twitter Tweets pro Stunde, 600 Mio. Facebook-User, 500.000 Facebook-Kommentare pro Minute. Aber mit den zusammenstürzenden Hochhaustürmen von 9/11, durch Dauerkrise und Verunsicherung, sei auch beim digitalen Lebensgefühl alles anders geworden. Zärtliche Berührung am Touch-Screen Buggert spricht vom „Internet Cocooning“. Das persön- liche Netz, gesteuert über den „zärtlichen Berührungs- punkt“ Touch-Screen, biete Sicherheit, Nähe und Ge- borgenheit. In der persönlichen Community sei immer etwas los. „Mir wird nicht langweilig, aber es erschlägt mich auch nicht“, erläutert der Markt- und Medienfor- scher das Online-Lebensgefühl. Eingebunden in den persönlichen Freundeskreis verfügten die User über ein hohes Maß an Verbundenheit auf der einen Seite und an Kontrolle und Autonomie auf der anderen. „Ich bin am Drücker, ich kann bestimmen, was ich like“, so Buggert über den zufriedenen Internet-Cocoon. Rheingold-Tiefschürfer Buggert diagnostiziert bei den Heilige Drei: Google, Apple und Facebook: Große Bilder beim Jahresempfang in Stuttgart ...................... 1 Vom Ratschlag zur Konstruktionshilfe: Regionalbüros bieten professionelle Orientierungsberatung ... 3 Qualitätskriterien guter Beratung Nationales Forum definiert Kompetenzbereiche ..................................... 5 Mit Weiterbildung ins Schwarze treffen: Eindrücke von der „Jobs for Future“ in Mannheim ....................... 6 Trends vor Ort: Neuer Weiterbildungsatlas 2011 des Netzwerks Fortbildung ...................................................... 8 Türen öffnen: Finanz- und Wirtschaftsminister Dr. Nils Schmid bei der BINEA in Reutlingen .......................... 9 Chancen-Ergreifer werden: Start der Veranstaltungsreihe „45 Plus“ in Heilbronn .......................................... 11 Heilige Drei: Google, Apple und Facebook Sicherheit, Nähe, Geborgenheit: Internet-Cocooning Trend im Online-Lebensgefühl: Internet-Religiosität

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Weiterbildung in Baden-Württemberg WB Report 04 April 2012 Eindrücke - Übersichten - Ausblicke

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InfoMagazin April | 2012

Unterstützt durch das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg aus Mittel des Europäischen Sozialfonds.

Herausgegeben von den Regionalbüros des Netzwerks Fortbildung

Weiterbildung in Baden-WürttembergEindrücke – Übersichten – Ausblicke

Am Anfang war das World Wide Web eine Sache für Konquistadoren. Überall gab es etwas Neues zu entdecken. Das passte zum Lebensgefühl der 1990er Jahre. Heute aber, so Sebastian Buggert vom Kölner Rheingold Institut für Markt- und Medienforschung, habe sich die Funktion des Internets funda-mental gewandelt: Vom weltweiten Netz 1990 zum persönlichen Rückzugsort 2010.

„Alles, was wir in der Welt haben, haben wir im Netz nochmal“, beschreibt der Gastredner beim Jahres- empfang des Netzwerks Fortbildung in Stuttgart das heutige „totale Internet“. In seinem Vortrag über „Social Media - Fluch und Segen für Bildungseinrich-tungen“ hat Buggert auch die entsprechenden Zahlen parat: 243 Millionen Homepages, täglich 20.000 neue Domains, 247 Mrd. Emails täglich, 1,3 Mio. Twitter Tweets pro Stunde, 600 Mio. Facebook-User, 500.000 Facebook-Kommentare pro Minute. Aber mit den

zusammenstürzenden Hochhaustürmen von 9/11, durch Dauerkrise und Verunsicherung, sei auch beim digitalen Lebensgefühl alles anders geworden.

Zärtliche Berührung am Touch-Screen

Buggert spricht vom „Internet Cocooning“. Das persön-liche Netz, gesteuert über den „zärtlichen Berührungs-punkt“ Touch-Screen, biete Sicherheit, Nähe und Ge-borgenheit. In der persönlichen Community sei immer etwas los. „Mir wird nicht langweilig, aber es erschlägt mich auch nicht“, erläutert der Markt- und Medienfor-scher das Online-Lebensgefühl. Eingebunden in den persönlichen Freundeskreis verfügten die User über ein hohes Maß an Verbundenheit auf der einen Seite und an Kontrolle und Autonomie auf der anderen. „Ich bin am Drücker, ich kann bestimmen, was ich like“, so Buggert über den zufriedenen Internet-Cocoon.

Rheingold-Tiefschürfer Buggert diagnostiziert bei den

Heilige Drei: Google, Apple und Facebook: Große Bilder beim Jahresempfang in Stuttgart ...................... 1

Vom Ratschlag zur Konstruktionshilfe: Regionalbüros bieten professionelle Orientierungsberatung ... 3

Qualitätskriterien guter Beratung Nationales Forum definiert Kompetenzbereiche ..................................... 5

Mit Weiterbildung ins Schwarze treffen: Eindrücke von der „Jobs for Future“ in Mannheim ....................... 6

Trends vor Ort: Neuer Weiterbildungsatlas 2011 des Netzwerks Fortbildung ...................................................... 8

Türen öffnen: Finanz- und Wirtschaftsminister Dr. Nils Schmid bei der BINEA in Reutlingen .......................... 9

Chancen-Ergreifer werden: Start der Veranstaltungsreihe „45 Plus“ in Heilbronn .......................................... 11

Heilige Drei: Google, Apple und Facebook

Sicherheit, Nähe, Geborgenheit: Internet-Cocooning Trend im Online-Lebensgefühl: Internet-Religiosität

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Kurz mal reingeschaut in die gut besuchten Workshops „Facebook-Marketing für Bildungs-einrichtungen“ der Regionalbüros Karlsruhe und Pforzheim: Jede Menge Tipps und Tricks und Trends - für Aufgeschlossene.

Auf Facebook kann man sich mit Freunden vernetzen. Man kann liken und teilen. Eine Firma kann bei Facebook keine Freunde haben, nur Fans. Aber mit den Fans kann man so richtig ziel-genau Social Media Marketing machen.

Manche Kolleginnen und Kollegen im Netzwerk Fortbildung sind längst Facebook-Profis, andere probieren noch aus, wie es geht und was sie da-von halten. Ein spannender Erfahrungsaustausch.

Feedback der Teilnehmer: „Träume heute Nacht davon!“, „Sehe mich in meiner Skepsis bestätigt“, „Sehr komplex, das braucht viel Zeit und Res-sourcen“, „Wichtiger Unterschied zwischen privat und Unternehmen“, „web 2.0 ist ein Muß“, „Will kein Facebook-Junkie werden“.

Dauergästen im Netz allerdings auch eine gewisse „Internet Religiosität“. Der 43 jährige studierte Psy-chologe und Internet-Kenner hat – Jesses Maria und Joseph! - drei wesentliche Kräftebündler („Aggrega-toren“) im heutigen Netz ausgemacht: Apple, den „Heilsbringer, der die neuesten Errungenschaften der IT zu den Menschen bringt“, verkörpert durch einen Messias der besonderen Art, Steve Jobs. Dann die welt-umspannende „Gemeinschaft der Brüder und Schwe-stern im Geiste“, die „immerfort das neue Evangelium posten“: Facebook. Schließlich über allem, „reduziert und bildlos, als Startseite sofort auf dem Rechner, mit Antworten auf alle Fragen“: Google.

Was bedeutet diese kosmische Erkenntnis für die Wei-terbildung? „Wir brauchen Online-Kompetenz“, konsta-tiert Buggert. Zum einen geht es um das permanente Updaten: Technik, Inhalte, User-Verhalten, Trends etc. Dann gilt es, Chancen zu nutzen und Risiken zu er-kennen bezogen auf Kontakte, Potenzial, Sicherheit, Datenschutz, Suchtgefahr etc. Schließlich bedarf es an-

gemessener Umgangsformen und Strategien hinsicht-lich der Recherche, des Networkings, der Akquise, der Netiquette.

„Wir brauchen aber auch Offline-Kompetenz“, ergänzt Buggert. „Wir müssen unsere Online-Phasen kontrol-lieren, begrenzen und differenziert steuern können.“ Dazu sei ein ganzes Paket von Soft-Skills erforderlich:

• Empathie, Kommunikation, Beziehungs- management

• Kreativität, Echtheit, Spontaneität• Liebe fürs Detail, den Mitarbeiter, das Produkt,

den Kunden• Mut zum Offline, zur Lücke, zur eigenen

Schöpfung.

„Weiterbildung“, so der Gastredner beim gut be-suchten Jahresempfang des Netzwerks Fortbildung im Stuttgarter Haus der Wirtschaft, „hat daher auch den Auftrag, den Mut, die Selbständigkeit und Leiden-schaft für Entwicklungs- und Schöpfungsprozesse zu fördern.“

> Heilige Drei: Google, Apple, Facebook

Facebook 2012 - Austausch im Kollegenkreis

Zeigt, wie es bei Facebook zugeht: Andreas Mertens Organisiert den Erfahrungsaustausch: Ute Braun (r)

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Vom Ratschlag zur KonstruktionshilfeIn der immer komplexeren und sich ständig ver-ändernden Arbeitswelt am Übergang zur Wissens-gesellschaft sind Ratschläge für die beruflich wie persönlich motivierte Weiterbildung gar nicht so einfach zu erteilen. Wer will heute genau wissen, was morgen zählt? Wer kann, wer soll die Verant-wortung für das lebenslange Lernen übernehmen? Der Staat, die Firma, jeder einzelne? Gefragt ist vor allem eine professionelle Beratung.

Es passiert beim Frisör, im Taxi, zuhause und am Stammtisch: Beratung. Was soll ich tun? Was passt zu mir? Kann ich das schaffen? Früher mag die Antwort leichter gefallen sein. Der Sohn soll das gleiche machen wie der Vater… Der berufliche Aufstieg gelingt am be-sten wenn... Bei der ortsansässigen Firma werden gera-de Leute gesucht für...

Normierte Bildungs- und Berufsverläufe, erläutert Prof. Dr. Christiane Schiersmann vom Institut für Beratungs-wissenschaft der Universität Heidelberg, „verlieren an Bedeutung. Die Individuen stehen vor der Herausforde-rung, ihre jeweiligen Bildungs- und Berufsbiographien weitgehend individuell und in eigener Verantwortung zu gestalten.“ Dies beginne bei der Entscheidung über die Schullaufbahn, gehe über die Wahl der Berufsaus-bildung oder eines Studiums und reiche bis zur Teil-nahme an Weiterbildung.

Ein Klick in der Datenbank

Die Weiterbildungslandschaft in Baden-Württemberg ist sehr ausdifferenziert. Im Netzwerk Fortbildung sind rund 1.300 Bildungseinrichtungen zusammenge-schlossen. Deren Angebot umfasst viele zehntrausend Seminare, Kurse, Lehrgänge etc. So können die po-tentiellen TeilnehmerInnen praktisch alle Fachgebiete finden, für die sie sich interessieren oder in denen sie einen bestimmten Kurs absolvieren möchten. Ein Klick in der Datenbank unter www.fortbildung-bw.de reicht, und schon wird das gesuchte Weiterbildungs-Angebot nach Themen und Region und bei entsprechender Eingabe sogar Postleitzahlen genau aufgelistet. Wozu dann eigentlich noch Beratung?

Von Employability ist immer öfter die Rede. Gemeint ist damit die Auffassung, dass der einzelne für seine Beschäftigungsfähigkeit sorgen müsse. „Diese Ent-wicklung“, analysiert Schiersmann, „eröffnet einerseits Handlungsspielräume für die Individuen, beinhaltet aber andererseits auch Unsicherheiten und Risiken.“ Beides führe dazu, dass Beratung als personenspezi-fische Orientierungshilfe für ‚passende‘ Bildungs- und Berufsentscheidungen immer wichtiger werde.

Eine solche professionelle Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung trägt laut Schiersmann auf der in-dividuellen Ebene dazu bei, die bildungs- und berufs-biografische Gestaltungskompetenz und damit die persönlichen Möglichkeiten von Bildungsbeteiligung und Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen. Mit Blick auf die bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Ziele kann eine gute Bildungs- und Berufsberatung die Effektivi-

tät und Effizienz des Bildungssystems erhöhen, weil die Teilnehmer genau das finden, was und wie und wo sie lernen wollen. Dadurch verringern sich auch die Ab-bruchquoten. Auf der gesellschaftlichen Ebene erhöht eine professionelle Beratung die Chancen zur gesell-schaftlichen Teilhabe und fördert die soziale Integra-tion tendenziell ausgegrenzter Gruppen.

Aber was genau macht eine solche professionelle Bera-tung aus? „Von Beratung sprechen wir erst dann“, fasst Prof. Schiersmann den aktuellen Diskussionsstand zusammen, „wenn der Prozess über die reine Informa-tionsvermittlung hinaus geht und eine subjektiv be-deutsame Verarbeitung von Informationen umfasst.“ Information und Reflexion stünden in einem Wechsel-spiel.

Beratung unterstützt Konstruktionsprozess

Ausbildung – Beruf – Rente: Dieses über viele Jahr-zehnte gültige Modell einer individuellen Berufslauf-bahn, so Schiersmann, sei mittlerweile fast zum Son-derfall geworden. Heute leite die Ausbildung über in einen Prozess des lebenslangen Lernens: „Stetige be-rufliche wie persönliche Weiterentwicklung und Neu-orientierung statt Eintritt und Verbleib in nur einem Berufsfeld“, betont die Beratungsexpertin, „kennzeich-nen die Zukunft der persönlichen Berufsbiographien im Sinne eines ganz individuellen Life Designs.“ Eine professionelle Beratung könne diesen individuellen Konstruktionsprozess unterstützen.

Systemisches Verständnis von Beratung im Kontext

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Wer in der Weiterbildungsberatung Dienst hat oder wer entsprechende Anfragen am Telefon zu beant-worten hat, weiß aus den konkreten Gesprächen: Nur die wenigsten Interessenten wissen genau, was sie suchen. Aus einer Frage folgt die nächste: Was gibt es für ein Angebot? Was kostet das? Wie lange dauert es? Ist genügend Geld und Zeit verfügbar? Unterstützt der Arbeitgeber (oder die Arbeitsagentur) das Weiter-bildungsinteresse? Einstieg, Umstieg, Aufstieg: Was ist das berufliche Ziel? Karriereplanung, Lebensplanung, gewollte oder erzwungene Veränderungen: Was sagen die Familie oder wichtige Bezugspersonen? Welches Angebot und welche Lernformen passen zur bishe-rigen Lernerfahrung?

Professionelle Beratung erforderlich

Eine große Herausforderung, die seitens der Berater ein hohes Maß an Professionalität erforderlich macht. Dazu gehört vor allem auch ein differenziertes Ver-ständnis aufeinander aufbauender Beratungsschritte. Fachleute wie Prof. Schiersmann unterscheiden bei der personenbezogenen Beratung drei Bereiche: die trägerneutrale Orientierungsberatung zur Entschei-dungsfindung, die Kompetenzentwicklungsberatung

beim jeweiligen Bildungsträger, und die Lernberatung im Prozess der Weiterbildung.

Der Bedarf an einer ersten Orientierungsberatung, das zeigen die Erfahrungen am Counter wie am Telefon, ist riesengroß. Und je besser die Orientierungsberatung gelingt, desto sicher kann sich der Interessent anschlie-ßend für das passende Angebot entscheiden. Folglich steigt damit auch der Erfolg der Weiterbildung. Weni-ger Abbrüche. Passende Lernatmosphäre. Mehr Lern-erfolg. Der Switch zum Lifelong Learning, zum lebens-begleitenden Lernen, gelingt.

Einheitliche Qualitätskriterien

Aufgrund ihres aktuellen Beratungsauftrags in der ESF Förderperiode 2011 – 2013 haben die Regionalbüros in Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg ein Phasenmodell für die professionelle Orientierungs-beratung erarbeitet. Damit wird sichergestellt, dass die Regionalbüros nach einheitlichen und nachvollzieh-baren Qualitätskriterien arbeiten.

Dieses Phasenmodell wird derzeit erprobt und in den Feinheiten weiter entwickelt. Diese schrittweise Vorge-henssweise trägt dazu bei, im Alltag ein hohes Maß an individueller Beratungsqualität zu erreichen.

> Vom Ratschlag zur Konstruktionshilfe

Phasenmodell der Regionalbüros (Stand April 2012) für die professionelle Orientierungsberatung: Beziehung, Klärung, Lösung

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Qualitätskriterien guter BeratungBei einer Tagung Anfang 2012 in Berlin hat das „Nationale Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung“ einen Kriterien-katalog vorgestellt, nach dem sich die Qualität von Beratung gut beschreiben lässt.

In einem „offenen Koordinierungsprozess“ haben 34 Experten aus den wichtigsten Feldern der Bildungs- und Berufsberatung unter Federführung des Instituts für Bildungswissenschaft der Universität Heidelberg (Prof. Dr. Christiane Schiersmann) ein gemeinsames Be-ratungsverständnis entwickelt und daraus „Qualitäts-merkmale einer guten Beratung“ abgeleitet. In diesem Rahmenmodell lassen sich die jeweiligen Qualitätskri-terien samt Indikatoren und Messinstrumenten alltags-tauglich beschreiben.

Beratung als professionelle Tätigkeit

Zunächst haben die Fachleute aus Politik, Verwaltung, Praxis und Wissenschaft in ihren Diskussionen vier übergreifende Kompetenzen definiert. Dabei geht es ganz allgemein um „Beratung als professionelle Tätig-keit“, um „Orientierung an den Ratsuchenden“, „Her-stellen von Transparenz des Beratungsangebots und -prozesses“, „Handeln nach ethischen Prinzipien“ und „Mitwirken an Qualitätsentwicklung“.

Zum Kompetenzprofil professioneller Berater zählen außerdem:

• Kompetenzen für das Gestaltung von Beratungsprozessen

• Kompetenzen in Bezug auf Ratsuchende• Kompetenz zur professionellen (Selbst-)Reflexion• Kompetenzen für das Mitgestalten der

Organisation• Gesellschaftsbezogene Kompetenzen

Im einzelnen geht es bei der Gestaltung von Beratungs-prozessen um die Kompetenz zur „Schaffung einer tragfähigen Beziehung“, um das „Klären der Anliegen und Vereinbarung eines Kontraktes“, um die „Situa-tionsanalyse und Klärung von Ressourcen“, schließlich um das „Erarbeiten von Lösungsperspektiven“.

Bezogen auf den Ratsuchenden machen folgende Berater-Kompetenzen eine gute Beratung aus: „Einbe-ziehen von lebenslauf- und berufsbezogenen Kennt-nissen“, „Einbeziehen von Wissen um Persönlichkeits-entwicklung“, „Berücksichtigung des sozialen Umfeldes von Ratsuchenden“ sowie „Umgang mit Diversität“.

Selbstfreflexion und Weiterentwicklung

Bei der professionellen (Selbst-)Reflexion des Bera-tungshandelns geht es um die „Entwicklung einer pro-fessionellen Haltung im Beratungskontext“ sowie um das „permanente Wechselspiel von Selbstreflexion und Weiterentwicklung des professionellen Handelns“.

Prof. Dr. Christiane Schiersmann von der Universität Heidelberg präsentiert das neue „Kompetenzprofil für Beratende“

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Die organisationsbezogenen Kompetenzen der Berater „zielen auf das Mitgestalten und Weiterentwickeln or-ganisationaler Rahmenbedingungen“. Hierbei geht es zum Beispiel um das „Initiieren und Gestalten der Leit-bild- und Strategieentwicklung“, um das „Gestalten der formalen Organisation und der relevanten Prozesse“, um die „(Weiter-)Entwicklung der Organisationskultur“, um die Berücksichtigung der Ressourcen“ sowie – im

> Qualitätskriterien guter Beratung Sinne von „Netzwerkkompetenz“ - um das „Kooperieren und Interagieren mit dem gesellschaftlichen Umfeld“.

Die gesellschaftsbezogenen Kompetenzen schließlich beinhalten die „Einbeziehung von Wissen zu gesell-schaftlichen Rahmenbedingungen“ und die „Berück-sichtigung der gesellschaftlichen Ziele“ (z.B. Erhöhung der Bildungsbeteiligung, Verbesserung der Selbstorga-nisationsfähigkeit).

Auf der Jobs for Future buhlen Unternehmen um Azubis - und mahnen Weiterbildung an. Das Netzwerk Fortbildung fungiert dabei als „erstklassiger Ansprechpartner“.

Sicher konzentrieren, zielen, die richtige Technik und vor allem: „nicht aufgeben, das ist das Wichtigste.“ Bernhard Goldschmidt von Hochseilgarten- und Team-parcours Forest Jump in Walldürn wird nicht müde, die Jugendlichen, die ihn umringen, zu ermutigen. Am Stand des Regionalbüros des Netzwerks Fortbildung

stehen die Messebesucher Schlange. Sie lernen: Den Umgang mit der Wurfaxt zu üben, hat viel mit dem richtigen Leben zu tun. Wenn man ins Schwarze trifft wie der 15-jährige Marius aus Deidesheim, fühlt sich das gut an. Um zielsicher zu bleiben, sei allerdings ständiges Training nötig, gibt Goldschmidt den Besu-chern mit auf den Weg.

Um beruflich am Ball zu bleiben, sei das Netzwerk Fort- bildung ein „erstklassiger Ansprechpartner“, fand Prof. Dr. Markus Müller, Leiter der Abteilung Mittelstand im

Mit Weiterbildung ins Schwarze treffen

Beim Rundgang über die „Jobs for Future“ in Mannheim griff auch Prof. Dr. Markus Müller (l.) beherzt nach der Wurfaxt Foto: ag

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Ministerium für Finanzen und Wirtschaft. „Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Sobald man aufhört, treibt man zurück“, zitierte er in seiner Rede zur Messe-eröffnung Benjamin Britten.

Tatsächlich wird Regionalbüroleiterin Christine Arm-brust häufig für Beratungsgespräche zum Dranbleiben angefragt - etwa wenn es um den Wiedereinstieg in den Beruf geht. Gemeinsam mit den Netzwerken für berufliche Fortbildung Mannheim und Heidelberg hat sie auf der „Jobs for Future“ ein breites Vortrags- und Aktivitätenprogramm auf die Beine gestellt.

Auch Staat und Unternehmen gefordert

Mit Blick auf den demografischen Wandel und eine verlängerte Lebensarbeitszeit verwies Mannheims Bürgermeister Michael Grötsch darauf, dass die An-

forderungen an den Beruf nicht nur für Arbeitnehmer steigen. Auch Staat und Unternehmen müssten dazu beitragen, dass in der wachsenden Vielfalt auf dem Arbeits- und Bildungsmarkt Informationen fließen und Orientierung geboten wird. Drei Tage lang repräsen-tierte das Angebot den Ausbildungsmarkt mit besten Chancen für Gespräche von Mensch zu Mensch.

Im zwölften Jahr seit Bestehen der Messe für Arbeit, Aus- und Weiterbildung zeigten dort nicht nur die Kammern, die Agentur für Arbeit oder das Regionalbü-ro des Netzwerks Fortbildung Flagge. Zunehmend ge-hören auch Hochschulen, private Bildungsanbieter und Firmen zu den Ausstellern. Einfallsreich buhlen sie um künftige Mitarbeiter. Sogar die Schweizerische Bundes-bahn machte Station in Mannheim: Zugverkehrsleiter werden dringend gesucht.

Fachkräftemangel ist für Betriebe aller Größenord-nungen kein leeres politisches Schlagwort, sondern Realität. Mit Zahlen unterlegte dies Markus Müller:

Über 78.800 Ausbildungsverträge im vergangenen Herbst bedeuten gegenüber dem Vorjahr einen Rück-gang von 5,7 Prozent. Die Zahl der Bewerber sinkt, Stellen bleiben unbesetzt. Die „Allianz für Fachkräfte Baden-Württemberg“ ist von dieser Not an qualifi-zierten Bewerbern motiviert, die Unterstützung für die duale Ausbildung ein erklärtes Ziel des Ministeriums.

Auf der Messe machte Müller, ebenso wie Bürgermei-ster Grötsch in seinem Grußwort, deutlich: „Wir können es uns nicht leisten, einen einzigen Jugendlichen ohne Chance auf eine Ausbildung auf der Strecke zu lassen.“ Die wachsende Ausstellungsfläche und das breite An-gebot auf der „Jobs for Future“ zeigen, dass die Aus-steller ihre Chance erkennen, entscheidende Kontakte zu knüpfen.

Damit die unzähligen Möglichkeiten an Ausbildungs-wegen durchschaubarer werden, demonstrieren Azu-bis, was sie täglich tun: Angehende Kinderkranken-

schwestern zeigen das Wickeln im Brutkasten, künftige Friseure haben ihre Life-Auftritt, am Stand der Hand-werkskammer wimmelt es wie auf einer Baustelle.

Geheimtipp Medizintechnik

Per Video zeigt BASF, was Fachleute im Bereich Tech-nik oder Elektro in einem Industrieunternehmen kön-nen müssen. Jennifer Büchert von der BASF-Abteilung Ausbildungsmanagement überrascht die Eröffnungs-prominenz mit ihren Ausbildungsangeboten in der Gastronomie.

Auch am Stand der Universität Heidelberg geht es längst nicht nur ums Studieren: „Viele Leute wissen gar nicht, dass wir auch zu den größten Ausbildern der Region gehören. Außerdem wollen wir unsere wissen-schaftlichen Weiterbildungen bekannt machen“, sagt Projektleiterin Petra Nellen. Noch sind die Weiterbil-dungen in den Bereichen Management oder Medizin-technik ein Geheimtipp. (ag)

> Mit Weiterbildung ins Schwarze treffen

Kompetenz durch Übung (1): Zielen mit der Wurfaxt Kompetenz durch Übung (2): Wickeln im Brutkasten Foto: ag Foto: ag

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InfoMagazin der Regionalbüros April 2012 Seite 8

Trends vor Ort: Weiterbildungsatlas 2011Nach den Umfragen von 2006, 2007 und 2009 haben die Regionalbüros des Netzwerks Fortbildung nun bereits zum vierten Mal eine umfangreiche Befragung der Netzwerk-Mitglieder durchgeführt. Die Ergebnisse finden sich im „Weiterbildungsatlas 2011“. Das neue Heft bietet gleichermaßen Über-blick und Ausblick auf die aktuelle Situation der Weiterbildung in Baden-Württemberg.

Im Fokus der Befragung für den WB-Atlas 2011 stand das Thema Qualitätsmanagement. Beleuchtet wurde unter anderem der Zusammenhang von Personal-struktur, Angebot und Kundenstruktur. 252 Bildungs-einrichtungen haben den Fragebogen beantwortet. Die Auswertung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) in Bonn. (pdf zum Download auf www.fortbildung-bw.de)

Der Weiterbildungsatlas 2011 zeigt ganz deutlich, was im Netzwerk Fortbildung Baden-Württemberg immer schon als wichtiges Merkmal einer gut funktionie-renden Weiterbildungslandschaft gesehen wird: Wei-terbildung wird zu über 80 Prozent von Kundinnen und Kunden aus dem regionalen Umfeld nachgefragt.

Bei den Veranstaltungsformen liegt der Schwerpunkt mit 83 % nach wie vor bei den Präsenzlehrgängen. 8 % der Netzwerk-Mitglieder haben Fernlehrgänge in ihrem Programm. 14 % machen Blended-Learning-Angebote. 28 % haben Coaching, Beratung und/oder Supervision in ihrem Angebot.

Von den mehr als 1.300 Mitgliedschaften in den regio-nalen Netzwerken für berufliche Fortbildung sind annähernd die Hälfte privaten Bildungsträgern zuzu-ordnen. 20 % machen die Berufsschulen und deren Fördervereine aus. Die übrigen 30 % verteilen sich auf Volkshochschulen, Kammern, Hochschulen und son-stige.

Die befragten Netzwerkmitglieder sind zum überwie-genden Teil in Rechtsformen der Gemeinnützigkeit or-ganisiert, vom gemeinnützigen Verein (23 %) über die gGmbH (13 %) und die Körperschaft (10 %) bis zur An-stalt des öffentlichen Rechts (10 %). Die Rechtsformen GmbH und GbR sind mit jeweils knapp 10 % vertreten.

Beim Umsatz finden sich die größte Gruppe (38 %) im Bereich von 100.000 bis 1 Mio. €. Knapp 25 % der Bil-dungseinrichtungen erreichen einen Umsatz zwischen 1 Mio. und 10 Mio. €. Nur wenige Einrichtungen (4 %) verzeichnen einen Umsatz von mehr als 10 Mio. €. In-teressant ist, dass 44 % der Bildungseinrichtungen ih-ren Umsatz schwerpunktmäßig mit Privatpersonen erwirtschaften. Der Anteil derer, die ihren Umsatz vor

allem mit Förderstellen machen, liegt bei 13 %. Die Personalstruktur ist bei den Festangestellten in etwa gleich geblieben. Eine Zunahme ist bei den Honorarkräften zu ver-zeichnen.

Welche Effekte haben die formalen Anerken-nungen und Zulas-sungen? 71 % der Be-fragten geben an, dass damit die Bedingungen wichtiger Kundengruppen er-füllt werden. Für jeweils 30 % haben sich dadurch neue Marktzugänge eröffnet und neue Finanzierungsquel-len erschlossen. Immerhin 25 % aber sehen sich durch die Pflichten, die die Zertifizierung auferlegt, in ihrer pädagogischen Arbeit beeinträchtigt.

Qualitätsmanagementsysteme wirken sich demnach hauptsächlich auf die Organisationsstruktur aus. Die Verbesserung des Lehrprozesses dagegen scheint nicht besonders stark mit der Zertifizierung verbunden zu sein. Nur die Hälfte der EFQM zertifizierten Unter-nehmen sieht hier einen Zusammenhang. Bei DIN ISO sind es nur 42 %, bei AZWV gar nur 39 % der befragten Weiterbildungseinrichtungen.

Die Herausforderung in den nächsten Jahren sehen die befragten Netzwerk-Mitglieder vor allem darin, ihre Marktposition zu halten bzw. auszubauen (20%), neue Angebote zu entwickeln (16%) und neue Zielgruppen zu erreichen (15 %). Wie soll das geschehen? Vor allem durch Qualifizierung von Dozentinnen / Dozenten, durch Kooperation mit anderen Anbietern, durch Qua-litätsentwicklung der eigenen Einrichtung und durch verstärkte Marketing- und PR-Aktivitäten.

Herausforderung: Neue Zielgruppen, neue Angebote

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InfoMagazin der Regionalbüros April 2012 Seite 9

Mathematisch ist die Sache einfach: Es geht darum, wie man 2 + 2 = 5 hinkriegt, so der Buchtitel von Arthur Zimmermann: „Kooperationen erfolgreich gestalten“.

Das Buch ist 2011 bei Schaeffer-Poeschel erschienen und kommt zur richtigen Zeit. Denn auf dem Weg in die Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts wird regional wie global immer öfter das Loblied vom produktiven Austausch und der fruchtbaren Zu-sammenarbeit in Netzwerken gesungen. Gut also, dass ein erfahrener Netzwerk-Berater einmal zusam-men gestellt hat, worauf der Erfolg von Netzwerken beruht, wie sie funktionieren, was ihren Charme ausmacht, wo aber auch Fallgruben warten.

„Netzwerke“, so Zimmermann, „bilden einen Raum für den Austausch von Informationen, Wissen und Leistungen im Spannungsfeld von Konkurrenz und Kooperation.“ Dabei seien Netzwerke geprägt durch die Gleichzeitigkeit verschiedener, von den Beteiligten selbst gestalteter Beziehungen. Fazit: „Keiner der Beteiligten überblickt die Vielzahl der möglichen Beziehungen.“ Entsprechend werde in Kooperationssystemen „nicht geführt, sondern ver-handelt und koordiniert“.

Wie aber lassen sich solche offenen Kooperations-systeme erfolgreich aufbauen und steuern? Wie unterscheiden sie sich von herkömmlichen Organi-sationen?

Zimmermann zählt die neuen Anforderungen für den kooperativen Erfolg auf:

• Positive Wertschätzung der Vielfalt der Akteure• Anerkennung verschiedener Standpunkte und

Interessen• Offenheit, Verhandlungs- und Kompromiss-

bereitschaft• Überwindung von Konkurrenzverhalten zu

Gunsten von komplementären Kopplungen• Gewährung gleicher Rechte trotz unter-

schiedlicher Macht• Aushalten von Ambivalenzen und undurch-

sichtigen Situationen• Lernbereitschaft in der komplementären

Zusammenarbeit

Netzwerke funktionieren nicht von allein. Sie brau-chen „tragfähige Verhandlungsergebnisse“ in ihrer

thematischen Fokussierung und bei ihrer strate-gischen Orientierung. Sie müssen einen gleichbe-

rechtigten Zugang zu Informationen sicher stellen und dabei auf die gerechte Vertei-lung der „Koopera-tionsrente“ achten. Dazu ist eine inten-sive Kommunikation ebenso unerlässlich wie pragmatische Vereinbarungen über Leistung und Koordi-nation. Hilfreich ist in jedem Fall eine neu-trale Koordinierungs-stelle.

Fallgruben? Zum Beispiel naiver Zukunftsoptimis-mus, der Glaube an die Durchsetzbarkeit von Verän-derungen, fehlender Raum für lokale Anpassungen und das Ausblenden von Widerstand.

Zimmermann beschreibt denn auch anhand von „Grundlagen“ und „Instrumenten“ die fünf Erfolgs-faktoren der Netzwerk-Arbeit:

• Kooperation: Vertrauen und gegenseitige Kompetenzvermutung

• Strategische Orientierung: Aushandeln einer Richtung

• Steuerung: Balance zwischen Selbstorganisa-tion und vereinbarten Koordinationsregeln

• Lernen: Über sich selbst nachdenken können• Parallelwelten: Ethnographischer Blick zum

Erkennen von Verhaltensmustern

Die Beschäftigung mit Parallelwelten mache die ei-genen kulturellen Orientierungen bewusst. „Diese Bekanntschaft mit sich selbst“, schreibt Zimmer-mann, „ist eine gute Voraussetzung, um die Vielfalt als Chance, Ungewissheit als Offenheit und kom-plementäres Verhalten als Befreiung vor der verstö-renden Konkurrenz zu sehen.“

Aber der Netzwerk-Kenner weiß auch um die Mühen der Systemveränderung: „Freundlichkeit, Wohlge-sinntheit und gegenseitige Kompetenzvermutung“, so Zimmermann, „haben in einer Konkurrenzgesell-schaft eine schwierige Gegenwart.“ (akh)

Buchtipp

„Gegenseitige Kompetenzvermutung“

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InfoMagazin der Regionalbüros April 2012 Seite 10

Türen öffnen: Nils Schmid bei der BINEAZur Eröffnung der Aus- und Weiterbildungs-messe BINEA in Reutlingen war der Reutlinger Landtagsabgeordnete und Finanz- und Wirt-schaftsminister Dr. Nils Schmid gekommen. In seiner Ansprache vor über hundert Ausstel-lern betonte er, es gebe in einer Gesellschaft „nichts Wertvolleres als darauf hinzuwirken, dass sich viele Türen auftun“.

Eine Veranstaltung wie die BINEA sei dafür besonders geeignet. Denn „ein starkes Industrieland wie Baden-Württemberg kann es sich gar nicht leisten, dass Men-schen ausgeschlossen sind von Ausbildung und Wei-terbildung und von der Teilhabe am Arbeitsleben.“

Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund des dro-henden Fachkräftemangels. „Wir wissen schon jetzt“, so Minister Schmid, „dass wir in den nächsten Jahren zu wenig gut ausgebildete Fachkräfte haben werden, und zwar sowohl aus dem dualen System als auch im akademischen Bereich.“ Ohne gut ausgebildete Fach-kräfte aber „werden wir im globalen Wettbewerb nicht mithalten können“.

Umgang mit Starkstrom im Auto

Neue Maschinen, neue Aufgaben, neue Prozesse. Schmid nennt als Beispiel die Veränderungen in der Au-tomobilindustrie. Die Elektromobilität erhalte dort Ein-zug. In den Werkstätten stünden künftig auch Autos, in denen Starkstromelektrik eingebaut ist. Es sei aber

bisher nicht das klassische Profil eines KFZ-Technikers, mit Starkstrom umgehen zu können. „Weiterbildung“, betonte Schmid, „ist für den einzelnen, aber auch für die Unternehmen unerlässlich und ein stetiger Prozess, der nicht aufhören darf.“

In seiner Begrüßung zur BINEA Eröffnung hatte der Vorsitzende des Netzwerks Fortbildung Reutlingen / Tübingen Dr. Ulrich Bausch darauf hingewiesen, dass sich auch der Zielkonflikt zwischen Fachkräftemangel

und Langzeitarbeitslosigkeit mit Weiterbildung auf-lösen lasse. Dieses Stichwort nahm Schmid in seiner Ansprache auf und betonte: „Gerade in Zeiten des Auf-schwungs, in denen die Arbeitslosigkeit deutlich rück-läufig ist und wo wir in Teilen Vollbeschäftigung haben, ist es wichtig, dass dieser Aufschwung auch bei den-jenigen ankommt, die über ihre Ausbildung und ihren bisherigen Weg nicht die optimalen Voraussetzungen haben.“ Deshalb engagiere sich das Land besonders

in der Förderung der Langzeitarbeitslosen, damit auch sie den Zugang ins Erwerbsleben finden.

„Es gibt nichts wertvolleres für eine Gesellschaft, als in gleiche Bildungschancen und in persönliche Weiterbil-dung zu investieren“, so der Minister, „und dort zu hel-fen, wo es aus eigener Kraft nicht geht.“ Die Landesre-gierung würde diesen Ansatz unterstützen, indem sie „ein altes Versprechen einlöst, dass es eine fünftägige bezahlte Freistellung gibt für Weiterbildungszwecke“.

Minister Dr. Nils Schmid (r.) beim BINEA Rundgang TV Interview: „Aufzeigen, welche Wege offen stehen!“

„Aus- und Weiterbildung sind der Schlüssel für Beschäftigung“

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Unterstützt durch das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg aus Mittel des Europäischen Sozialfonds..

Weiterbildung in Baden-WürttembergEindrücke – Übersichten – Ausblicke

InfoMagazin der Regionalbüros April 2012 Seite 11

drastisch sinken, immer mehr hoch qualifizierte Frauen werden die Arbeitswelt mitbestimmen. Wachsende Mobilität ist heute schon gefordert und veränderte Le-bensformen werden Einfluss auf das Arbeiten haben.

Was die Menschen angesichts dieser Entwicklungen lernen müssen, ist laut Noack Eigenverantwortung: „Das ist entscheidend, damit Sie sich Ihre Beschäfti-gungsfähigkeit erhalten, Ihren zentralen Vermögens-wert in der Arbeitswelt.“

Fachberatung in der Bäckerei

Noacks Beispiel: Eine Bäckereifachverkäuferin, die heu-te nichts über Allergene weiß, kann nicht kompetent beraten. Ständige Weiterbildung machte Noack als eine Arbeitnehmerpflicht aus, aber auch Disziplinen wie Neugier, Identifikation mit dem jeweiligen Fachge-biet, gute Branchenkenntnisse oder Beobachtung des beruflichen Umfelds.

Eine simple Übung in puncto Veränderungsbereit-schaft: Spontan wählten die Teilnehmer aus einer Sammlung Bilder aus, die sie ansprachen, mussten die-se tauschen mit einem Gesprächspartner, sie in Stücke reißen und einen Teil des so erhaltenen Puzzles neu zusammensetzen. Manche rekonstruierten so weit wie möglich das alte Bild, andere schufen ein völlig neues.

Berufliche Veränderung passiere nicht ohne Emoti-onen, nicht ohne Loslassen, Trennungen und neue An-läufe, machte die Referentin klar. Der ehrliche Blick auf die Kompetenzen, die jeder in fortgeschrittenem Alter erworben hat, aber auch auf Defizite, die es aufzufüllen gilt, sei notwendig, um neue Ziele zu finden. (ag)

Chancen-Ergreifer werdenZum Auftakt der Veranstaltungsreihe „45 Plus“ machte die Beraterin Ute Noack klar: Ohne Eigeninitiative geht nichts. Gute Nachricht: Die 45 Plusser werden dringend gebraucht.

Wer heute 45 ist, hat bis zur Pensionierung nach der-zeitigem Stand noch 22 Frühlinge vor sich. Ob das wie eine Drohung klingt oder verheißungsvoll, ist eine Frage der Sichtweise. „Werden Sie Chancen-Ergreifer“, war Ute Noacks Rat an ihre Zuhörer in der Agentur für Arbeit. Die meisten von ihnen sind arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht.

Die Referentin der Ver-anstaltungsreihe „45 Plus – Mut zu neuen Wegen“ kennt Zweifel wie „ich bin doch nicht mehr ver-mittelbar“, aber noch viel mehr Beispiele von Men-schen, die mit Mut und Beharrlichkeit, Unterstüt-zung und guten Kontak-ten, wieder in Arbeit ge-kommen sind – oder die die Selbstständigkeit für sich entdeckt haben.

Die Botschaft der 46-Jährigen vor 56 Teilnehmern, da-runter 14 Männer: „Wer sich in dem Alter beruflich noch einmal völlig neu orientieren will oder dazu gezwun-gen ist, muss Eigeninitiative zeigen und sich bewegen.“

In der Auftaktveranstal-tung zu der Reihe, die Johanna Reinhart von der Agentur für Arbeit und Nadine König vom Netz-werk für berufliche Fort-bildung gemeinsam kon-zipiert haben, stellte die Pädagogin, Psychologin und Coacherin Ute Noack Herausforderungen und

Bedingungen vor, unter denen es gelingen kann, in fortgeschrittenem Alter noch einmal durchzustarten.

Anteil der Beschäftigten 45 plus steigt

Mit statistischen Zahlen unterlegte sie Trends, die sie am Arbeitsmarkt beobachtet: Der Anteil der Beschäf-tigten ab 45 aufwärts steige nachweislich, ebenso aber der Anteil derer, die ihrer Firma innerlich kündigen. Die Zahl der Beschäftigten im Dienstleistungssektor wird

Ute Noack: „Es kann gelingen!“

An der eigenen Zukunft basteln

Teamarbeit: König (l), Reinhart

Fotos: ag

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InfoMagazin der Regionalbüros April 2012 Seite 12

zum Schluss… Mit ihrem Projekt „Migrantinnen lotsen Migran-tinnen“ hat die Mannheimer Abendakademie in der Kategorie „Nation und Generation“ den diesjährigen Innovationspreis des Deutschen Instituts für Erwach-senenbildung gewonnen. Grundidee des Projekts: Mi-

Impressum

Dieses InfoMagazin wird herausgegeben von den Regionalbüros des Netzwerks Fortbildung Baden-Württemberg. Ausgabe 4/2012

Für die Redaktion ist eine Arbeitsgruppe zuständig, Mitglieder sind derzeit Achim Kühne-Henrichs und Dr. Gerhard Mehrke.

Ansprechpartner und Kontakt: Achim Kühne-Henrichs Regionalbüro des Netzwerks Neckar-Alb c/o Volkshochschule Reutlingen Im Wasen 10, 72770 Reutlingen Tel.: 07121 / 955357 Email: [email protected]

Existenzgründung als einen möglichen Weg sollte nie-mand vorschnell ausschließen. Die Ideenquelle, die No-ack an dieser Stelle sprudeln ließ, zauberte ein Lächeln auf viele Gesichter – so wie bei Susanne Burger aus Ep-pingen. Die 50-Jährige hat ihren Job als Buchhalterin gekündigt. Menschen interessieren sie mehr als Zahlen und sie ist offen: „Auch ganz verrückte Ideen können zu etwas führen“, findet sie.

Für den Start in den nächsten Frühling bekamen die Teilnehmer einen gezeichneten Koffer mit, in den sie sieben Kompetenzen packen sollen. So gerüstet, kann ein neuer Weg beginnen. Vielleicht auch, um umwelt-bewegter Zukunftspilot (www.zukunftspiloten.de) zu werden. Eine der vielen Anregungen, die Noack zum Nachdenken empfahl. (ag)

> Chancen-Ergreifer werden grantinnen mit guten Deutschkenntnissen werden als Multiplikatoren geschult, um die Teilnehmerinnen in Integrationskursen zu unterstützen. Dadurch entsteht eine vertrauensvolle Gesprächsebene, die es den Teil-nehmern ermöglicht, sich bestimmten Themen zu öff-nen und diese zu vertiefen. Um eine gesellschaftliche Anerkennung für ihre Tätigkeit zu erlangen, werden die Multiplikatorinnen für die Moderation in den Integra-tionskursen und die eigenständige Durchführung von niederschwelligen Frauenkursen entlohnt. (Weitere In-formationen unter www.lotsinnen.de)

Der Innovationspreis 2011 stand unter dem Thema „Grenzenlos lernen“. Aus über 60 qualifizierten Bewer-bungen hat die international besetzte Jury des DIE die drei Gewinner ausgewählt. Neben der Mannheimer Abendakademie waren dies in der Kategorie „Arbeits- und Lebenswelt“ das Projekt AlphaKU der bsw GmbH aus Dresden und in der Kategorie „Raum und Zeit“ die innovative „Lernlandschaft“ der GIZ Akademie für internationale Zusammenarbeit in Bad Honnef. (siehe unten: ...demnächst)

... demnächst Was soll denn das sein? Eine „Lernlandschaft“ auf 800 m², um sich selbst zu erkennen, um in einer Blackbox über die eigenen Sicherheitsvorstellungen nachzudenken oder am Sprachen-Ballon interaktiv zu reflektieren, wie internationale Verständigung zustande kommt?

Klingt ungewohnt. Und ist aber in der Tat eine ganz hervorragende neue Form der Weiterbildung. Denn statt endloser Seminare heißt es jetzt für die künftigen Auslandsreisenden der GIZ : Sich selbst erkennen, Fra-gen entwickeln, Lernvorhaben konkretisieren, Antwor-ten finden. Das preisgekrönte Konzept ist so an- und aufregend, dass die Regionalbüros für die Netzwerk-Mitglieder noch in diesem Jahr eine exklusive Weiter-bildungsreise zur Lernlandschaft der GIZ in Bad Honnef anbieten werden.

DIE-Innovationspreis 2011 für die Mannheimer Abendakademie