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Handeln Informationen für Betriebsrte und Beschftigte Nr. 63 ! 27. Januar 2014 Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Bezirk Südhessen Fachbereich 12 Handel Neuer Tarifvertrag zur Warenverrumung im hessischen Einzelhandel ILS-DHV- Kumpanei Es drngt sich der Ver- dacht auf, dass ver.di und andere nicht an tat- schlich mglichen Ver- besserungen für die Be- schftigten interessiert sind, sondern das The- ma unter den Stichwor- ten Lohn-Dumping und Missbrauch von Werk- vertrgen aus politi- schen Gründen bis zur Bundestagswahl im Herbst kochen lassen wollen. Diese starken Worte entlockte der vor gut drei Jahren gegründete Verband Ins- tore und Logistik Services e.V. (ILS) sei- nem Vorsitzenden Michael Jeurgens am 11. Mrz 2013. Und mehr noch: Es ist zynisch, wenn ver.di sich zum Anwalt der Beschftigten aufschwingt, aber genau diese Menschen dadurch im Regen ste- hen lsst, indem sie mit fadenscheini- gen Argumenten Gesprchen und gar Ver- handlungen mit dem ILS-Verband aus dem Weg geht. Die Beschftigten der im ILS verein- ten Unternehmen wissen, wovon der in- direkt selbsternannte Anwalt der Be- schftigten spricht: 6,63 Euro Stunden- lohn im Westen, 6,12 Euro im Osten für das Verrumen von Waren im Einzelhan- del, also beispielsweise das Auffüllen der Regale in Verbrauchermrkten und bei Discountern. Das ergibt eine Vollzeit- beschftigung für 1.080,69 Euro monat- lich oder netto knapp 841 Euro für Un- verheiratete oder 862 Euro für Alleiner- ziehende mit einem Kind. Ob oder wie solche Hungerlhne fürs Leben ohne Hartz-IV-Aufstockung reichen sollen, berichtet der oberste ILS-Mrchener- zhler nicht. Doch ge- steht er selbst ein, sol- che Lhne seien ver- gleichsweise niedrig, allerdings im Verhltnis zur ausgeübten Ttig- keit, der erforderlichen Qualifikation und dem wirtschaftlichen Umfeld sind sie aber angemes- sen. Wer so dümmlich daher schwtzt, wei offenbar nicht wirklich, was Auffüller leisten und buckeln (müssen). Warum sollte sich ver.di auf Verhandlungen mit einem sol- chen Seelenverkufer wie dem ILS ein- lassen? Das ist schon deshalb nicht ntig, weil der ILS be- reits einen passenden Tarifpartner im Deut- schen Handlungsge- hilfenverband (DHV) gefunden hat. Mit die- ser christlichen Ge- werkschaft keine Angst, sie ist aus Sicht vieler Menschen weder christlich noch wirklich eine Gewerk- schaft kann der ILS die genannten Nie- drigstlhne problem- und widerstandslos vereinbaren. Es ist ge- richtlich untersagt, den DHV als eine gel- be, also von Unterneh- men gesponserte und dadurch indirekt gelenkte Organisation zu bezeichnen. Vielleicht ist sie dies tatschlich nicht. Die Erfahrung lehrt doch, dass es auch Betriebsrte gibt, die ohne erkennbare persnliche Vorteile durch passende Be- schlüsse und Vereinbarungen an den In- teressen der Beschftigten vorbei freiwil- lig und gern ihre Geschftsleitung unter- stützen. Warum soll es ˜hnliches nicht auch bei vermeintlichen Gewerkschaf- tern geben? Was der DHV dem ILS neben den Dumpinglhnen sonst noch sichtbar Gu- tes tut: " Er verlngert tarifvertraglich die gesetzlich begrenzte sachgrundlose Be- fristung von zwei auf drei Jahre und die Verlngerungsmglichkeit von drei auf vier Mal. " Darüber hinaus gilt durch ihn in den ersten zwei Wochen der Beschfti- gung eine Kündigungsfrist von nur einem Arbeitstag und in den ersten drei Mona- ten von einer Woche. Das ist für die ILS- Unternehmen natürlich eine echte Keu- le, so dass fast die Hlfte ihrer Arbeits-

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HandelnInformationen

für Betriebsräte und BeschäftigteNr. 63 ! 27. Januar 2014

Vereinte Dienstleistungsgewerkschaftver.di Bezirk Südhessen

Fachbereich 12 Handel

Neuer Tarifvertrag zur Warenverräumungim hessischen Einzelhandel

ILS-DHV-Kumpanei

�Es drängt sich der Ver-dacht auf, dass ver.diund andere nicht an tat-sächlich möglichen Ver-besserungen für die Be-schäftigten interessiertsind, sondern das The-ma unter den Stichwor-ten �Lohn-Dumping� und�Missbrauch von Werk-verträgen� aus politi-schen Gründen bis zurBundestagswahl imHerbst kochen lassenwollen�. Diese �starken�Worte entlockte der vorgut drei Jahren gegründete Verband Ins-tore und Logistik Services e.V. (ILS) sei-nem Vorsitzenden Michael Jeurgens am11. März 2013. Und mehr noch: �Es istzynisch, wenn ver.di sich zum Anwalt derBeschäftigten aufschwingt, aber genaudiese Menschen dadurch im Regen ste-hen lässt, indem sie mit fadenscheini-gen Argumenten Gesprächen und gar Ver-handlungen mit dem ILS-Verband ausdem Weg geht�.

Die Beschäftigten der im ILS verein-ten Unternehmen wissen, wovon der in-direkt selbsternannte �Anwalt der Be-schäftigten� spricht: 6,63 Euro Stunden-lohn im Westen, 6,12 Euro im Osten fürdas Verräumen von Waren im Einzelhan-del, also beispielsweise das Auffüllen derRegale in Verbrauchermärkten und beiDiscountern. Das ergibt eine Vollzeit-beschäftigung für 1.080,69 Euro monat-lich oder netto knapp 841 Euro für Un-verheiratete oder 862 Euro für Alleiner-ziehende mit einem Kind. Ob oder wiesolche Hungerlöhne fürs Leben ohneHartz-IV-Aufstockung reichen sollen,berichtet der oberste ILS-Märchener-

zähler nicht. Doch ge-steht er selbst ein, sol-che Löhne seien �ver-gleichsweise niedrig�,allerdings im �Verhältniszur ausgeübten Tätig-keit, der erforderlichenQualifikation und demwirtschaftlichen Umfeldsind sie aber angemes-sen�. Wer so dümmlichdaher schwätzt, weißoffenbar nicht wirklich,was Auffüller leisten und�buckeln� (müssen).

Warum sollte sichver.di auf Verhandlungen mit einem sol-chen �Seelenverkäufer� wie dem ILS ein-lassen? Das ist schon deshalb nichtnötig, weil der ILS be-reits einen passenden�Tarifpartner� im Deut-schen Handlungsge-hilfenverband (DHV)gefunden hat. Mit die-ser �christlichen Ge-werkschaft� � keineAngst, sie ist ausSicht vieler Menschenweder christlich nochwirklich eine Gewerk-schaft � kann der ILSdie genannten Nie-drigstlöhne problem-und widerstandslosvereinbaren. Es ist ge-richtlich untersagt,den DHV als eine �gel-be�, also von Unterneh-men �gesponserte� und dadurch indirektgelenkte Organisation zu bezeichnen.Vielleicht ist sie dies tatsächlich nicht.Die Erfahrung lehrt doch, dass es auch

Betriebsräte gibt, die ohne erkennbarepersönliche Vorteile durch passende Be-schlüsse und Vereinbarungen an den In-teressen der Beschäftigten vorbei freiwil-lig und gern ihre Geschäftsleitung unter-stützen. Warum soll es Ähnliches nichtauch bei vermeintlichen �Gewerkschaf-tern� geben?

Was der DHV dem ILS neben denDumpinglöhnen sonst noch sichtbar �Gu-tes� tut:

" Er verlängert �tarifvertraglich� diegesetzlich begrenzte sachgrundlose Be-fristung von zwei auf drei Jahre und dieVerlängerungsmöglichkeit von drei aufvier Mal.

" Darüber hinaus gilt durch ihn inden ersten zwei Wochen der Beschäfti-gung eine Kündigungsfrist von nur einem

Arbeitstag und in den ersten drei Mona-ten von einer Woche. Das ist für die ILS-Unternehmen natürlich eine echte �Keu-le�, so dass fast die Hälfte ihrer Arbeits-

Handeln - Informationen von ver.di Südhessen für Betriebsräte und Beschäftigte ! Nr. 63 ! 27. Januar 2014 Seite 2

verhältnisse nicht länger als sechs Mo-nate halten.

" Außerdem gibt�s für die Arbeit zwi-schen 0 und 6 Uhr einen Nachtarbeits-zuschlag von bloß 15 Prozent.

" Schließlich erhalten die Beschäf-tigten im ersten Jahr der Betriebszuge-hörigkeit � das wohl 80 Prozent aller Ein-gestellten nicht �überleben� � einen Ur-laub von lediglich 20 Arbeitstagen.

Jetzt wird auch die Berechtigung desVorwurfs des ILS-Vorsitzenden klar(er),wenn er � sicher unbeabsichtigt � ein-gesteht, ver.di lasse die Beschäftigtenin den von ihm vertretenen Unternehmen�im Regen stehen�, würde sie derart skan-dalöse Arbeitsbedingungen akzeptieren.Denn diese machen deutlicher als alleWorte, wer wirklich �nicht an tatsächlichmöglichen Verbesserungen für die Be-schäftigten interessiert� ist und wer zuRecht des Lohndumpings bezichtigt wird.Aber es sind ja nicht die �Seelenverkäu-fer� des ILS und des DHV allein, die anden miesen Löhne und schlechten Ar-beitsbedingungen profitieren, sondern inerster Linie auch die Auftraggeber der imUnternehmerverband Organisierten: zumBeispiel Fegro/Selgros von Retail InstoreLogistics; Netto von Combera HandelsService; Real von Teamwork-Büttgen undKötter Projektservice; Rewe von Trade-Log Instore-Services; Tegut von ComberaHandels Service und Teamwork-Büttgen;Toom/Rewe durch SIG Instore Logistics.

Insofern darf gespannt abgewartet wer-den, welcher (dieser) Einzelhändler sichvon der ILS-DHV-Kumpanei lösen und sichzur Anwendung des am 11. Dezember2013 � also nach der Bundestagswahl �zwischen dem Handelsverband Hessenund ver.di neu geschaffenen Tarifvertrag zurWarenverräumung im Verkauf bereit erklä-ren wird. Diese Vereinbarung ist aus-schließlich für die Rückführung der bisherzu Dumpinglöhnen vergebenen Auffüll-arbeiten in tarifliche Rege-lungen abgeschlossenworden. Werden solcheStellen von Unternehmen(neu) geschaffen, so erhal-ten die Beschäftigten ei-nen Stundenlohn von 9,54Euro (9,74 Euro ab 1. April2014). Darüber hinaus wer-den Nachtarbeitszuschlä-ge für Einsätze von 20 bis22 Uhr und 4 bis 6 Uhr von20 Prozent und von 22 bis4 Uhr von 55 Prozent fäl-lig. Wer vor dem 1. Januar2014 bereits bei den Ein-zelhändlern als Auffüllerangestellt war, hat auch

weiterhin einen Rechtsanspruch auf einenStundenlohn von 12,04 Euro (12,29 Euroab 1. April 2014) sowie zwischen 20 und6 Uhr auf Nachtarbeitszuschläge von 55Prozent.

Der ILS-Vorsitzende Michael Jeur-gens erblickt in diesem neuen Tarifver-

trag zur Warenverräumung �neue Impul-se für eigene Tarifgespräche mit Verdi�und will mit einem �allgemeinverbindli-chen, tariflichen Mindestlohn� im �Inter-esse aller seriösen Marktteilnehmer undihrer Auftraggeber� insbesondere��schwarze Schafe� ausgegrenzt� sehen.Was dieser oberste �Zauberer� des ILSdadurch vor aller Welt und den Beschäf-tigten in seinem �Zylinder� verschwindenlassen will: Nicht andere, sondern die Un-

Solidarität in der Tarifrunde Einzelhandel

Konkret & vielfältig: Danke!

ternehmen seines Verbandes sind die�schwarzen Schafe�, die sich bei der Wa-renverräumung durch Missbrauch vonWerkverträgen, Hungerlöhne und unsi-chere Arbeitsverhältnisse bei den Einzel-händlern auf Kosten der Beschäftigtengewinnbringend �prostituierten�. ver.di hat

diese Verhältnisse skandalisiert und inder letzten Tarifrunde mit Streiks und öf-fentlichen Aktionen offensiv bekämpft.Dadurch konnten sie (vielleicht) etwasverbessert werden. Aber noch ist ein En-de solcher Schweinereien � auch im Ein-zelhandel � nicht in Sicht. Die betriebli-che und öffentliche Auseinandersetzungmuss unvermindert weitergehen. Dennnur so lässt sich der ILS-DHV-�Sumpf�gründlich und dauerhaft trocken legen.

Solidarität in Worten ist in härteren tarifli-chen Auseinandersetzungen sehr wichtig,weil sie Mut macht und Ängste nimmt,im Kampf allein zu sein und zu bleiben.

Sie hilft nicht selten auch mit, den Kreisder Informierten zu erweitern, Interessier-te auf die Anstrengungen der Streikendenaufmerksam zu machen und das �Schmo-ren im eigenen Saft� zu verhindern.

Solidarität durch Handeln und Taten istnatürlich weit wichtiger, denn sie machtdie Unterstützung ganz konkret und man-chmal auch hautnah erlebbar. Und sie gibtjenen Kraft, die an der eigenen Stärkezweifeln oder sich fragen, ob die tariflichenZiele tatsächlich erreicht werden können.

Wer anderen hilft, kämpft häufig auchfür sich selbst � vielleicht nicht unmittel-bar, aber oft indirekt. So war es auch nachder Kündigung des Manteltarifvertragesfür den hessischen Einzelhandel durchdie Unternehmer zum 30. April 2013. DieFrage stand zugespitzt: Werden die ge-werkschaftlich organisierten Beschäftig-

Fortsetzung auf Seite 3

Handeln - Informationen von ver.di Südhessen für Betriebsräte und Beschäftigte ! Nr. 63 ! 27. Januar 2014 Seite 3

ten in der Lage sein, ihre Arbeitsbedin-gungen zu verteidigen, oder werden siebestimmte tarifliche Rechte und Leistun-gen dauerhaft verlieren?

Wer nicht nur in den �vier Wänden�eines Betriebes oder einer Branche dach-te, der erkannte in dieser Gefahr einenoch größere Herausforderung � für ver.disowie andere Gewerkschaften und fürBeschäftigte in anderen Bereichen:Könnten sich die Unternehmer im Ein-zelhandel mit gut drei Millionen Beschäf-tigten durchsetzen, dann wäre dies einpositives Signal für ähnliche Angriffe inanderen Branchen.

Vor diesem Hintergrund kann die kon-krete und vielfältige Solidarität in diesem

Fortsetzung von Seite 2 Abwehrkampf der Beschäftigten des Ein-zelhandels in Südhessen nur begrüßtund nicht hoch genug einge-schätzt werden. Es wirktendabei beispielsweise mit:Aktive der DGB- sowieder ver.di-Jugend und-Senior/inn/en, der re-gionalen Gremien desDGB, anderer Fach-bereiche der ver.di undderen Bezirksvor-stand, des DarmstädterSolidaritätskomitees ge-gen Tarifflucht und Arbeits-platzvernichtung, der gewerk-schaftichen ErwerbsloseninitiativeGALIDA und nicht zuletzt der Partei DIELINKE aus Region und Landtag.

Mit vereinten Kräften konnte derManteltarifvertrag ohne Abstriche wieder

in Kraft gesetzt und die Tarifrundefür den Einzelhandel in Hes-

sen mit einem akzeptablenErgebnis beendet wer-

den. Dafür kämpftendie Beschäftigten be-trieblich und öffentlichmehr als zehn Mona-te politisch und seit

Mai letzten Jahresdurch Streiks. Deren En-

gagement und die aktive,auch branchenübergrei-

fende Solidarität zeigten, wasgeht, wenn viele gleiches wollen

und gemeinsam kämpfen. Allen Aktivenhierfür ein herzliches Dankeschön.

Niedrige Bezahlung bei Zero und Rewe

Sittenwidrig?!Der Bundesgerichtshof stellte bereits1997 fest, dass eine sittenwidrige Be-zahlung oder Lohnwucher dann vorliegt,

wenn der Lohn nur zwei Drit-tel des Tariflohns beträgt. Die-se Ansicht bestätigte dasBundesarbeitsgericht im Jahr2009, wenn es von einem auf-fälligen Missverhältnis zwi-schen Leistung und Gegen-leistung spricht, falls die Ar-beitsvergütung nicht einmalzwei Drittel eines in der be-treffenden Branche und Wirt-schaftsregion üblicherweisegezahlten Tariflohns erreicht.Im Bereich des Einzelhan-dels mit einem Stundenlohnvon bundesweit 13,79 Eurofür langjährige Verkäufer/in-

nen liegt die �Sittlichkeitsgrenze� also bei9,24 Euro pro Stunde. Hier zwei Beispielevon Beschäftigten aus Südhessen, diemit ver.di deshalb eine bessere Bezah-lung einfordern:

Im Frühjahr 2013 begann Sarah Y.(Name geändert) als Verkäuferin in derDarmstädter Filiale der Zero TextilhandelGmbH & Co. KG. Sie hatte vorher denBeruf erlernt und in ihm schon bald zehnJahre gearbeitet. Laut Arbeitsvertrag wur-de ihr für eine Arbeitszeit von monatlich150 Stunden ein Gehalt von brutto 1.220Euro, also 8,13 Euro je Stunde zugestan-den. Aber Zero hatte noch andere Rege-lungen auf �Lager�, zu der sich die Be-schäftigte verpflichtete: eine Verteilungder Arbeitszeit auf 6 Werktage, eine täg-liche Arbeitszeit von bis zu zehn Stun-

den sowie ein Verzicht auf �die Inan-spruchnahme von Kinderbetreuungs-tagen�.

Brigitte C. (Name geändert) hatte be-reits mehr als zwei Jahrzehnte im Ein-zelhandel gearbeitet, als sie ihr Beschäf-tigungsverhältnis bei der Rewe BesseroHG im baden-württembergischen Wein-heim im November 2012 begann. Für diearbeitsvertraglich vereinbarten 108,67Stunden monatlich erhielt sie ein Brutto-

gehalt von 938,50 Euro,also einen Stundenlohnvon 8,64 Euro. Das Un-ternehmen ist ein so ge-nannter �privatisierter�Rewe-Markt, der von ei-nem selbständigen Kauf-mann geleitet wird. Hiergilt offenbar nicht das vonBezirksmanagern derRewe gern prahlerischvorgetragene Motto: WoRewe draufstehe, müsseauch Rewe drin sein. Die�Privatisierten� haben of-fensichtlich freie Hand füralle möglichen Abwei-

chungen vom Branchentarifvertrag.Solche und auch noch wesentlich

niedrigere Löhne finden sich in vielen Un-ternehmen des Einzelhandels. In allerRegel haben die Beschäftigten größteAngst, ihre Rechte geltend zu machen.Sie befürchten, dass sie dann den auchschlecht bezahlten Arbeitsplatz verlieren,aus diesem Grund von der Arbeitsagenturmit einer zwölfwöchigen Sperrzeit bestraftwerden und die Suche nach einer neuen,

nicht einmal voll tariflich bezahlten Stel-le für sie noch schwieriger wird. Dennauch die Behörde kennt keine Skrupel,erwerbslose Verkäufer/innen zu sitten-widrigen Löhnen in Arbeits- und damitKnechtschaftsverhältnisse zu vermitteln.

TransfergesellschaftPraktiker

Kritik nötigAm 1. November 2013 startete für die Be-schäftigten der Praktiker-Filialen Darm-stadt und Rüsselsheim die Transferge-sellschaft. Vorher hatten deren Betreiberihnen auf Betriebsversammlungen in blu-

migen, ausschweifenden Wortenerklärt, welche tolle und nützli-che Unterstützung die daran Teil-nehmenden erwarten würde. Et-liche Wochen nach dem Beginnsteckte die Transfergesellschaftimmer noch in den �Startlöchern�,und von gezielter Hilfe für dienach Arbeit suchenden Praktiker-Beschäftigten war nur wenig bisgar nichts zu sehen und zu spü-ren. Auf von der Katholischen Be-triebsseelsorge und ver.di veran-stalteten gemeinsamen Treffenäußerten sie berechtigte Kritik.Sie wurde eins zu eins an die Ver-antwortlichen der Transfergesell-

schaft weitergeleitet. Das tat wohl weh undwar nicht gern gesehen. Doch sie verspra-chen Besserung - und bewegten sich.

Herausgeberin:Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Bezirk Südhessen Fachbereich 12 Handel

Rheinstraße 50 ! 64283 Darmstadt ! Telefon 06151/ 39 08 37 ! Telefax 01805 / 837 343 286 38E-Mail: [email protected]

Verantwortlich: Horst Gobrecht ! Telefon 0160 / 901 606 36 ! E-Mail: [email protected]: Katja Deusser, Jörg Jungmann, Matthias Schäfer und andere

Handeln - Informationen von ver.di Südhessen für Betriebsräte und Beschäftigte ! Nr. 63 ! 27. Januar 2014 Seite 4

Toom/Rewe-Center Darmstadt

Betriebsratswahl eingeleitetSeit der Übernahme von Toom durch dieRewe Markt GmbH zum 1. Mai 2013 klagtder Betriebsrat des Toom-Verbraucher-marktes Darmstadt für den Erhalt derbetriebsnahen Interessenvertretung amStandort des Geschäfts. Dies sieht § 1Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) auchso vor: �In Betrieben mit in der Regelmindestens fünf ständigen wahlberechtig-ten Arbeitnehmern, von denen drei wähl-bar sind, werden Betriebsräte gewählt.�Das geschah in der ehemals eigenstän-digen Toom-Gesellschaft auch immer imgesamten Bundesgebiet in allen Märkten.Mit der Übernahme soll dies angeblichnicht mehr gelten, weil bei Rewe für dieFilialen mit wesentlich geringerer Verkaufs-fläche und deutlich kleineren Belegschaf-ten als bei Toom seit Jahrzehnten die Bil-dung regionaler Betriebsräte üblich ist.Diese sollen nach § 3 BetrVG zu �einer

wirksamen und zweckmäßigenInteressenvertretung der Arbeitnehmer�führen.

Was beim Aufgreifen der Wünsche undVertreten der Interessen der Beschäftig-ten gegenüber der Geschäftslei-tung tatsächlich wirksam undzweckmäßig ist � das entschei-det natürlich kein Gesetz und auchkein Gerichtsurteil, sondern nurdas (konsequente) Engagementder demokratisch gewählten Be-triebsräte. Bei der DarmstädterKlage geht es deshalb vorrangigbeispielsweise um die Klärung, obder zwischen ver.di und Rewe ab-geschlossene Tarifvertrag zur Bil-dung von Regionsbetriebsräten automa-tisch und ausnahmslos bei der Übernah-me der großen Toom-Märkte greift. Undselbstverständlich soll erreicht werden,

dass die mehr als 120 Beschäf-tigten der früheren Toom-Filiale,des heutigen Rewe-Centers inDarmstadt auch 2014 für �ihren�Markt wieder einen eigenständi-gen Betriebsrat nach § 1 BetrVGwählen dürfen.

Wie die Darmstädter lassenbundesweit mehr als ein DutzendToom-Betriebsräte ihre Rechtegerichtlich prüfen. Ein erstes po-sitives Ergebnis erstritt der Be-triebsrat des Marktes in Weimarbeim Arbeitsgericht Erfurt (sieheInfo �Handeln� Nr. 62 vom 13. De-zember 2013). Die Klage desDarmstädter Betriebsrates wird

am 17. April 2014 vor dem ArbeitsgerichtKöln verhandelt. Doch so lange kann dashiesige Gremium natürlich nicht warten.Denn die Wahl eines neuen Betriebsra-tes muss jetzt vorbereitet werden, damit

bei möglicherweise gewonnenemVerfahren der Markt Darmstadtnicht plötzlich ohne eigenständi-gen Betriebsrat dasteht, weil ver-säumt wurde, dessen Neuwahleinzuleiten. Deshalb hat der ausSicht von Verantwortlichen derver.di im Fachbereich Handel inSüdhessen immer noch amtie-rende Toom/Rewe-Center-Be-triebsrat in seiner Sitzung am 16.Januar 2014 einen dreiköpfigen

Wahlvorstand bestellt.Dieser leitete die Betriebsratswahl

unverzüglich dadurch ein, dass er von derRewe Markt GmbH ZweigniederlassungMitte im mittelhessischen Rosbach dieWählerliste, das heißt die �vollständigeAufstellung aller volljährigen und nicht voll-jährigen im Betrieb Beschäftigten� anfor-derte. Die Reaktion der Geschäftsleitungwar - erwartungsgemäß � ablehnend. Siewill keine eigenständigen Betriebsräte anjedem ehemaligen Toom-Standort, son-dern unterstützt für die mehr als 18.000Beschäftigten die Bildung eines gemein-samen Regionsbetriebsrates. Wo die ver-trauensvolle Zusammenarbeit versagtwird, ist demokratische Selbsthilfe der Be-troffenen erforderlich � nicht aus Prinzip,sondern für den Erhalt einer wirksamenund zweckmäßigen Interessenvertretungam Standort des Marktes, versteht sich.

Verkaufsoffene Sonntage

Am liebsten hemmungslosWie in Halle an der Saale (siehe Foto links) würden manche Politiker auch inHessen am liebsten schrankenlos verkaufsoffene Sonntage veranstalten. Zudiesen gehört wohl auch der Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch(Bündnis 90/Die Grünen), der nach den gerichtlichen Erfolgen der �Allianz fürden freien Sonntag� auch gegen Darmstadt nicht die Verfahrensweise beiwillkürlichen Sonntagsöffnungen, sondern das hessische Ladenöffnungsgesetzin Richtung auf mehr Hemmungslosigkeit verändert sehen will.