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Politische Berichte Politische Berichte – Zeitschrift für Sozialistische Politik Ausgabe Nr. 26 am 24. Dezember 1998, Jahrgang 18, Preis 2.– DM 26 98 PROLETARIER ALLER LÄNDER VEREINIGT EUCH! PROLETARIER ALLER LÄNDER UND UNTERDRÜCKTE VÖLKER VEREINIGT EUCH !

Politische Berichte Nr.26 / 1998

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Page 1: Politische Berichte Nr.26 / 1998

Politische Berichte

Politische Berichte – Zeitschrift für Sozialistische Politik Ausgabe Nr. 26 am 24. Dezember 1998, Jahrgang 18, Preis 2.– DM

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Page 2: Politische Berichte Nr.26 / 1998

ATOMGESETZ: Dieaus dem Umweltministerium verlau-teten Einzelheiten zu einer Atomge-setznovelle (wir berichteten) habendie Energiekonzerne zu einer hefti-gen Intervention bei Kanzler Schrö-der veranlaßt – mit Erfolg. Nach Vor-

gesprächen des Wirtschaftsministers tra-fen sich die Konzernchefs am 14.12. mitSchröder ohne den zuständigen Umwelt-minister. Danach beschloß das Bundes-kabinett,Trittin und WirtschaftsministerMüller sollten Einvernehmen über „Eck-punkte“ der Atomgesetznovelle verein-baren. Erst dann soll der Gesetzentwurfins Kabinett. Danach verlautete in derPresse, Schröder habe mit den Konzern-chefs einen Ausstieg aus der Kernenergiein 20 Jahren vereinbart. Nur 2 Atom-kraftwerke sollten in den nächsten 4 Jah-ren abgeschaltet werden. Wichtige Fra-gen wären selbst bei dieser Regelungnoch offen. Zum Beispiel, was mit derWiederaufarbeitung der abgebranntenKernelemente geschieht, wie die stillge-legten Kraftwerke entsorgt werden.Wer-den dafür die enormen Rücklagen derEnergiekonzerne, die diese mit der För-derung durch das Atomgesetz bildenkonnten, in Anspruch genommen, oderverbleiben diese in den Kassen der Kon-zerneigner? Aus der Energiewirtschaftkommt schon die Drohung, die BonnerKoalition könne „auseinanderbrechen“.

„KORREKTURGESETZ“: Am 10.12.hat der Bundestag das sog. „Korrektur-gesetz“ beschlossen. Damit soll u.a. die„Scheinselbständigkeit“ gestoppt wer-den.Als „Scheinselbständig“ gelten jetztPersonen, die z.B. in der Regel nur für ei-nen Arbeitgeber arbeiten und außer Fa-milienangehörigen keine Arbeitnehmerbeschäftigen. Das würde z.B. Firmen wieMcDonalds, United Parcels treffen. Sol-che Personen werden wieder versiche-rungspflichtig, der Auftraggeber hat dieHälfte der Beiträge zu zahlen. WeitereNeuregelungen im Gesetz sind die Rück-nahme der letzten Rentensenkungen deralten Regierung, Kündigungsschutz giltwieder ab 5 Arbeitnehmer (statt 10), dieLohnfortzahlung beträgt wieder 100%.Wichtig für den Bau: die Befristung desArbeitnehmer-Entsendegesetzes ist ab-geschafft, Generalunternehmen haftenkünftig unmittelbar, wenn ihr Subunter-nehmer das Gesetz nicht einhält.

GRÜNER LAUSCHANGRIFF: In dergrünen Partei scheint die Ablehnung desLauschangriffs „vorbei“ zu sein. Am10.12. verkündete der grüne Abgeordne-te Özdemir zu einem CDU/CSU-Gesetz-entwurf zur Ausweitung des Lauschan-griffs auf Fälle von Verdacht des Kinder-mißbrauchs, die Koalition wolle erst ein-mal deren Notwendigkeit „prüfen“. Öz-demir wörtlich: „Erst nach Abschluß die-ser Prüfungen sind wir bereit, über mög-liche Veränderungen des Straftatenkata-loges für Telefonüberwachungen – seienes Streichungen, seien es Erweiterungen

– politisch zu entscheiden. Dies gilt auchfür Delikte wie Korruption. Aber geradehier wird der ideologische Charakter desneuerlichen Vorstoßes der CDU/CSUüberdeutlich.Während sie sich jahrelanggeweigert hat, das von der Fachwelt undvon uns immer wieder geforderte bun-desweite Korruptionsregister einzu-führen, dient die Bekämpfung der Kor-ruption nun der Union als Vorwand, ihrLieblingskind, den Lauschangriff, aus-zuweiten. Für uns stellen sich in der Kri-minalpolitik folgende Grundfragen: Wassind die am besten geeigneten Mittel zurBekämpfung bestimmter Kriminalitäts-formen und welche Nebenwirkungen ha-ben bestimmte Instrumente der Krimi-nalpolitik für die Bürgerrechte.“ Die Lo-gik ist eindeutig: Wenn’s der „Krimina-litätsbekämpfung“ dient, wird die „Ne-benfolge“ der Einschränkung von Bür-gerrechten auch von der grünen Frakti-on künftig in Kauf genommen.

KONTRA RÜSTUNGSEXPORT? Diegrüne Verteidigungssprecherin AngelikaBeer hat am 16.12. die Übergabe einerweiteren Fregatte von der HamburgerWerft Blohm+Voss an türkische Militärskritisiert. Gegen die Lieferung könne dieneue Regierung aber angeblich nichtsmehr machen.„Die vertraglichen Grund-lagen sowie die Genehmigung der Her-mes-Bürgschaft für diesen Rüstungsdealwurden von der alten Bundesregierunggetroffen. Die rot-grüne Bundesregie-rung hat sich darauf geeinigt, keine wei-tere militärische Ausstattungshilfe zubewilligen, die Genehmigung für Rü-stungsexporte an Menschenrechtsstan-dards zu binden und sich im Rahmen derEU-Ratspräsidentschaft für eine Verbes-serung des Verhaltenskodex für Rü-stungsexporte einzusetzen. Vor diesemHintergrund setzen wir uns dafür ein,daßkeine weiteren nationalen Rüstungspro-jekte mit der Türkei vereinbart werden.“Ein EU-weites Verbot von Rüstungsex-porten in die Türkei strebt sie nicht an,statt dessen: „Da die nationalen Mög-lichkeiten aufgrund der NATO-Mitglied-schaft relativ gering sind, wird es nichtgelingen alle Exporte zu verhindern.“

WAS KOMMT DEMNÄCHST? Am 13.1.will das Bundeskabinett die Atomgesetz-novelle beraten. Am 16. Januar ist CSU-Parteitag, Stoiber wird Waigels Nachfol-ger als Parteivorsitzender. Am gleichenTag beginnt in Berlin der zweitägigePDS-Parteitag. Am 20. Januar berät derBundestag den Jahresbericht des Sach-verständigenrats für 1998/99, einenFDP-Antrag zur Verankerung des Tier-schutzes im Grundgesetz, einen Unions-antrag zur Ausweitung der „Gen-Datei“des BKA sowie PDS-Anträge zur Unter-brechung des Baus der Autobahn A-17.Am 21. Januar steht u.a. ein Gesetz derGrünen zur Neuordnung der 620-DM-Jobs und ein Antrag der Union auf Rück-holung von Stasi-Akten aus den USA aufder Tagesordnung.

2 AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT • PB 26/98

Politische Berichte Nr. 23 /1998 – Inhalt__________________________________________

Aktuell aus Politik und WirtschaftAktuell in Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . 2Fusionswelle unter europäischenKonzernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3Bomben auf Irak: Vom Völkerrechtzum Faustrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 4Die Haltung einiger arabischerLänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6UN-Ausschuß kritisiert BRD wegen Berufsverbote usw. . . . . . . . 7

AuslandsberichterstattungKurdistan: Hadep überlegt„Regenbogenkoalition“ . . . . . . . . . 8Palästina: Oppositionstreffen inDamaskus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Puerto Rico: Volksabstimmunggegen Anschluß an USA . . . . . . . . . 9

Spanien: Regierung holt ETA-Gefangene aufs Festland . . . . . . . . 9Iran: Tödliche Repression gegenOpposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10Meldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Regionales West und OstLokaler Widerstand . . . . . . . . . . . 12Hannover: Protest gegen Nazi-Aufmarsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Hamburg: SchülerInnen protestieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14Weinheim: „Bedrohungs-empfinden“ schüren? . . . . . . . . . . 15Mecklenburg-Vorpommern: PDS-Fraktion beriet mit Bündnisgegen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 16O-Ton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Kommunale Politik . . . . . . . . . . . 17

Aus Betrieben und GewerkschaftenWas war? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18Hafenarbeiter erfolgreich . . . . . . . 19

ÖTV: Große Tarifkommissionbeschließt Forderung . . . . . . . . . . . 19Fluglotsen streiken gegen Zwei-klassenbezahlung . . . . . . . . . . . . . .20Neues Entlohnungssystem beiDaimlerChrysler . . . . . . . . . . . . . . 20

Diskussion und DokumentationVerfassungsklage gegen Verbrechensbekämpfungsgesetz . 21Linke Winterschule . . . . . . . . . . . . 22Ex-Diplomaten in Berlin . . . . . . . 23

Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

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PB 26/98 • AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT 3

ImVorfeld des Inkrafttretens der Währungs-union – ab 1.1.99 stehen die Paritäten der eu-ropäischen Währungen, die sich an derWährungsunion beteiligen, unverrückbarfest – und sechs Monate vor den nächstenEU-Wahlen haben insbesondere die deut-schen Konzerne, aber auch andere Konzer-ne in der EU ihre Fusionsbestrebungensichtbar beschleunigt.

Schon vor Monaten hatte der VW-Kon-zern mit dem Kauf mehrerer Nobelmar-ken ein Signal für die weitere Verschär-fung des Konkurrenzkampfes auf demAutomobilmarkt gegeben. Ende Novem-ber folgte dann die Nachricht über einRekord-Investitionsprogramm des Kon-zerns: über 50 Milliarden DM sollen inden nächsten fünf Jahren in den Ausbauder Produktion, vor allem aber in weite-re Rationalisierungen investiert werden.Ebenfalls bereits vor Monaten hatten dieDresdner Bank und die Allianz ihre Be-teiligungen an Banken und Versicherun-gen in anderen EU-Staaten ausgebaut,um künftig europaweit schneller und mitgrößeren Kapitalmassen auftreten zukönnen.

Die Fusion Thyssen-Krupp ist inzwi-schen perfekt. Jetzt verlautet, Thyssenwolle auch im Stahlhandel weitere Ein-käufe tätigen. Damit entstünde der EU-weit größte Produktions- und -Handels-konzern im gesamten Stahlbereich.

Auch in anderen Bereichen läuft dieFusionswelle.Nach mehreren Pharmafu-sionen verkündete der Hoechst-KonzernAnfang Dezember die Fusion mit derfranzösischen Rhone-Poulenc-Gruppezu einer neuen Gruppe namens „Aven-tis“. Der Pharma- und Landwirtschafts-bereich beider Konzerne wird zu einerneuen Gruppe mit Sitz in Straßburg zu-sammengeschlossen. Die alten Hoechst-Eigner werden die Mehrheit am neuenKonzern haben. Die Pharma-Aktivitätensollen von Aventis Pharma in Frankfurtgesteuert werden,die Agrargeschäfte vonAventis Agro in Lyon.Mit der Fusion ent-steht der (dem Umsatz nach) drittgrößtePharmakonzern der Welt, knapp hinterder US-Gruppe Merck und der britischenGlaxo-Gruppe, und einer der größtenAgro-Konzerne in der EU,der sicher auchbei der Formulierung der EU-Agrarpoli-tik ein gewichtiges Wort mitreden wird.

Ebenfalls im Chemiebereich, aberauch in den Geschäftsfeldern Alumini-um-Verpackung-Energie-Telekommuni-kation hatte kurz vor der Nachricht überdie Bildung der „Aventis“-Gruppe be-reits der bayerische VIAG-Konzern dieFusion mit der Schweizer Alusuisse-Gruppe bekanntgegeben.

Ein ähnlich „kontinentales“ Geschäftmeldete dann kurz vor Weihnachten dieEssener Ruhrgas-Gruppe. Für knapp 1,1

Milliarden DM kaufte sich der Konzerneinen Anteil von 2,5% am russischenGazprom-Konzern, ohnehin sein größterZulieferer, und baute damit seine Vor-machtstellung im zentraleuropäischenGasgeschäft weiter aus. Der Anteil anGazprom soll schon bald auf 4 Prozentsteigen. Die deutsch-russische Konzer-nallianz im Energiegeschäft strahlt of-fenbar auch kräftig auf die Politik aus.Wie man aus dem Bundeskabinett hört,soll dort der Ausbau der Beziehungen mitRussland ein Schwerpunkt der nächstenEU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr1999 sein.

Auch im Post- und Logistikbereichsteigt der Fusionsdruck. Die noch immerzu 100% in Bundesbesitz befindliche,aber schon lange privatwirtschaftlichagierende Post AG erwarb die Danzas-Gruppe, um ihre Marktmacht im Logi-stik- und Transportposition auszubauen.Kurz darauf verlautete, die niederländi-sche TNT Postdienst-Gruppe (13,6 Mrd.DM Umsatz) dränge ins deutsche Postge-schäft.

Auch im Rüstungsbereich und in derLuftfahrtindustrie stehen weitere Fusio-nen bevor. In der Presse ist – nachdem dieUmstellung der Airbus-Gruppe zu einemEU-weit agierenden Luft- und Rü-stungskonzern offenbar nicht voran-kommt – sowohl von einer Fusion der bri-tischen General Electric-Rüstungsberei-che mit British Aerospace wie auch voneiner Fusion der DASA mit British Aero-space die Rede. In beiden Fällen entstün-de der größte Luft- und Weltraumrü-stungskonzern in der EU.

Fusionsberichte kommen schließlichaus der Luftfahrt und aus der Tourismus-Branche. Kurz nach dem Erwerb derLTU-Tourismusgruppe durch die Swis-sair meldete die Preussag AG den Erwerbder Mehrheit an der britischen First undder Thomas-Cook-Gruppe. Zusammenmit der Westdeutschen Landesbank, dieals Großaktionär bei Preussag die Fädenzieht, entsteht so der größte Tourismus-Konzern in Europa mit einem Umsatzvon 18 Milliarden DM.

Im Telekommunikationsbereichschließlich wird das Jahr 1999 schon jetztals das „Jahr der Fusionen“ angekündigt.

Nicht Ausdehnung der Beschäftigung,sondern Marktmacht

Allen diesen Fusionen gemeinsam ist dieAbsicht der Konzerne, bei im wesentli-chen stagnierenden Produktionszahlen –auch das Exportgeschäft nach Asien läs-st in letzter Zeit deutlich nach – einegrößere Marktmacht zu erreichen, mög-lichst sogar eine Monopolstellung. Dem-entsprechend ist auch überall nicht voneiner Ausweitung der Beschäftigung dieRede, sondern von weiterem Personalab-

bau, weiterer Rationalisierung, weitererVerdichtung der Arbeitsprozesse.

Renditensteigerung durch Monopol-profite auf dem EU-Markt ist die Devi-se. Niederwerfung von Konkurrenten,Kontrolle der Absatz- und Vermark-tungswege und schnelle Mobilisierunggroßer Kapitalmassen, um in evtl. neuenGeschäftsfeldern Extraprofite zu ma-chen, ist die Devise.

Entsprechend groß war der Protest derKonzernvertreter, als es nach den Bun-destagswahlen eine Zeitlang schien, alswolle Finanzminister Lafontaine ihreriesigen konzerninternen „Kriegskas-sen“ der Steuer unterwerfen. Inzwischensteht fest, daß diese Milliarden-Reservenunangetastet bleiben, Verlustvor- undrückträge weitgehend unverändert blei-ben usw.Also hat sich auch die Aufregungwieder gelegt.

Auch die Aktien- und Finanzmärktebereiten sich auf eine solche industrielleEntwicklung im Gefolge der EURO-Ein-führung vor. Die Präsidenten von neuneuropäischen Börsen trafen sich schonEnde November, um einen „paneuropäi-schen Markt“ auch an den Börsen vorzu-bereiten, damit die für die industrielleGeschäftsentwicklung erforderlichenKapitalflüsse und die Vergleichbarkeitder Konzernrenditen für die Anlegerebenfalls kontinentalweit erleichtertwerden. Statt der abendlichen Nachrich-ten über die Kursentwicklung des„DAX“ (Deutscher Aktienindex) werdenschon bald Nachrichten über die Kurs-entwicklung beim europäischen Aktien-index „STOXX“ über die Bildschirmeflimmern. Der Stoxx-Index wird gebil-det aus den gewichteten Kursen von 50großen Aktienkonzernen in Europa, dar-unter auch zehn der größten bundes-deutschen Konzerne.

„Euroland“ als Heimatmarkt, um denWeltmarkt zu erobern

Größter Konzern der EU wird deshalb inZukunft die DaimlerChrysler-Gruppesein. Die EU als „Heimatmarkt“, um denUS-Markt zu erobern – dieser Devise fol-gen auch andere Konzerne. Bayer,Hoechst, Telekom und andere Konzernedrängen deshalb auch auf den US-Akti-enmarkt, um sich dort billiges Geld undInformationen über neue Geschäftsfel-der zu beschaffen. Kurz nach Abschlußder Fusion DaimlerChrysler erwarb dieDeutsche Bank den US-Konzern BankersTrust und stieg damit zur weltgrößtenBank auf. Man folge damit der Indu-striekundschaft und werde auch auf demUS-Markt künftig für alle industriellenund Vermögenstransaktionen zur Verfü-gung stehen, hieß es lapidar aus dem Vor-stand der Deutschen Bank.

Der neue Konzern betreut auf seinen

Die Fusionswelle unter den europäischen Konzernen zieht immer weitere Kreise

Vorbereitungen der Konzerne auf „Euroland“

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Konten Kundenvermögen von 1 BillionDM bzw. 1.000 Milliarden DM, das Volu-men an verwahrten Wertpapieren beträgtsogar 7 Billionen DM.Zum Vergleich: DasBruttoinlandprodukt der BRD dürftedieses Jahr etwa 3.700 Milliarden DM er-reichen, also etwa die Häfte des Betrags,den die Deutsche Bank-Gruppe an Wert-papieren verwaltet, die gesamten Staats-schulden von Bund, Ländern und Kom-munen erreichen zum Jahresende etwa2.300 Milliarden DM – ein Drittel der vonder Deutschen Bank verwalteten Vermö-gen.

In der EU zeichnet sich durch die an-haltende Fusionswelle schon das nächstepolitische Thema ab: Zur Angleichungder Konkurrenzbedingungen müssen dieSteuersysteme „harmonisiert“ werden.Lafontaine hat dafür schon erste Er-klärungen abgegeben, vor allem die„Steueroasen“ müssten abgeschafft wer-den, fordert er. Eine aus hochrangigenKonzernvertretern bestückte Arbeits-gruppe hat im Finanzministerium dieserTage ihre Arbeit zur Vorbereitung der„Reform der Unternehmensbesteue-rung“ aufgenommen.

Auch die ab 1. Januar den Euro-Marktleitende Europäische Zentralbank hatschon eine Richtung ihrer Arbeit erken-nen lassen. Nach ihrer kürzlichen Sen-kung der Zentralbankzinsen, die die Ka-pitalaufnahme für die Konzerne weiterverbilligte, verkündete nun ein Sprecherder Bank, man werde den „europäischenLeistungsbilanzüberschuss“ gegen alleAngriffe von innen und außen verteidi-gen. „Leistungsbilanzüberschuss“ be-deutet: Aus dem künftigen „Euroland“sollen auch in Zukunft mehr Waren undDienstleistungen ins Ausland verkauftwerden, als im Ausland eingekauft wer-den. Die Position der EURO-Länder alsweltweite Gläubiger soll also weiter ge-festigt werden,weiteres Kapital nach Eu-ropa gelockt werden. Diese weltweiteGläubigerposition der EU soll vermut-lich auch dazu dienen, um die Stellungder EU-Konzerne im Rohstoffgeschäftweiter auszubauen. Der Ruhrgas-Gaz-prom-Deal wird nicht das letzte großeRohstoffgeschäft europäischer Konzernein Osteuropa und im Mittleren Osten ge-wesen sein. Auch der Kaukasus, der fer-ne Osten und Afrika „locken“.

EU-weite Konzerne entstehen – und wasmachen die Gewerkschaften?

Sechs Monate vor den nächsten EU-Wah-len steht auf jeden Fall schon fest: DerAufbau riesiger Konzerne und Kapital-gruppen, die in dem künftigen „Euro-land“ kontinentalweit agieren könnenund wollen, wird durch die Einführungdes Euro enorm beschleunigt. Die Ge-werkschaften werden sich erheblich an-strengen müssen und ihre Zusammenar-beit rasch ausbauen müssen, wenn sienicht wieder einmal hoffnungslos insHintertreffen geraten wollen. rülQuellen: Handelsblatt-Ausgaben seitMitte November 1998

US-Bomben und britische Bomben auf den Irak

Vom Völkerrecht zum FaustrechtDie US- und britischen Bombenangriffeauf den Irak haben zwar zu Protesten ge-führt. Aber die Beteiligung an den Ak-tionen war deutlich geringer als zu Zei-ten des Golfkriegs. Das deutet auf einebeunruhigende Entwicklung in der öf-fentlichen Meinung hin. Militärische In-terventionen und Gewalt des angeblich„zivilisierten“ Westens gegen angeblich„unbotmäßige“ Staaten oder Völker (Ser-ben, Kurden, Milosevic, Gaddafi, Sad-dam u.a.) scheinen zur geduldeten „Nor-malität“ in den imperialistischen Metro-polen zu werden.

Ob dies der Propaganda der USA undanderer Beteiligter, der Krieg werde nurwenige Tage dauern,geschuldet war,oderder jahrelangen Beeinflussung der Öf-fentlichkeit, die die Welt immer mehr in„gute, zivilisierte“ Staaten des Nordensund „Schurkenstaaten“ des Ostens unddes Südens dieser Welt einteilt, ist dabeiunerheblich. Beides läuft auf die Duld-dung militärischer Gewalt der „starken“Staaten dieser Welt gegen die Schwachenhinaus.

Dabei ist der beispiellose Affront derUSA und der britischen Regierung gegendie Grundsätze der UNO äußerst beun-ruhigend. Zumal er nicht der einzigeBruch von klaren Grundsätzen des Völ-

kerrechts in letzter Zeit ist. Der immernoch anhaltende Völkermord an den Kur-den ist seit Jahren ein solcher Bruch, dendie gesamte NATO billigt und bei dem siemit Waffen und Geld Beihilfe leistet. Dietürkischen Überfälle auf die südkurdi-sche „UN-Schutzzone“, die noch nichteinmal den UN-Sicherheitsrat,dessen ei-gene Beschlüsse damit zur Farce gemachtwurden, zu Protesten veranlassten, wa-ren ein weiteres Beispiel der jüngerenZeit.

Die Intervention der NATO im Kosovogeschah ebenfalls unter Bruch des Völ-kerrechts und wurde im Bundestag nichtnur von den alten RegierungsparteienCDU/CSU und FDP, sondern auch vonSPD und Grünen gebilligt.

Diese von starken Kräften in den im-perialistischen Metropolen betriebeneEntwicklung ist sehr beunruhigend. Manmag vom Völkerrecht halten, was manwill – besser als das Faustrecht ist es al-lemal. Auf die Auflösung des Völkerbun-des folgte der zweite imperialistischeWeltkrieg. Es bedurfte ungeheurer Opferund Anstrengungen der Anti-Hitler-Ko-alition, um die faschistische Politik desFaustrechts und des Völkermords zuschlagen und die UN-Konventionen unddie Satzung der UNO zu errichten, die

Bomben und Raketen als „Weihnachsgrüße“. Ältere kennen diesen mörderischen Zy-nismus noch aus der Zeit des Vietnamkriegs. Foto aus: „Tagesspiegel“, 19.12.98.

Karikatur aus: „Tagesspiegel“, Berlin, 19.12.98

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nun von seiten der USA, von britischerSeite und auch von deutscher (siehe Ko-sovo, siehe auch die deutsche Kurdenpo-litik) wieder mit Füßen getreten werden.

Um so wichtiger war deshalb in denletzten Tagen, daß in zahlreichen Städtenzwar kleine, aber doch sichtbare Pro-testaktionen gegen die Bombenangriffeauf den Irak stattfanden.

Nach Berichten fanden gleich am er-sten Tag nach den Angriffen, am Don-nerstag, den 17. Dezember, in Hamburg,Bochum, Duisburg, Düsseldorf, Münster,Tübingen, Bonn, Frankfurt/Main, Hei-delberg, Freiburg, Mülheim und anderenStädten öffentliche Kundgebungen undProteste gegen die Angriffe statt.In Ham-burg beteiligten sich dabei zwischen 200und 400 Personen, in Berlin ca. 200.

Am Samstag, den 19. Dezember, fan-den dann weitere Aktionen statt. In Ber-lin schwanken die Teilnehmerzahlen zwi-schen „mehreren hundert“ und 2.000Menschen, die sich auf dem Alexander-platz versammelten.In München nahmennach Presseberichten 150 Menschen aneiner Kundgebung vor dem US-Konsulatteil, in Tübingen ca. 200, in Erfurt etwa100. In Potsdam fand am 20. Dezember,nach Abschluß der Angriffe, noch eineKundgebung vor dem Deserteursdenk-mal statt, an der sich ebenfalls ca. 100Menschen beteiligten.

Hier Fotos und ein paar Protester-klärungen gegen die Bombenangriffe aufden Irak aus der Friedensbewegung. (rül)

IPPNW verurteilt den Anschlag auf Irak

Berlin, 17.12.98. Die deutsche Sektionder internationalen Ärzte für die Verhü-tung des Atomkrieges (IPPNW) istempört über die Bombardierung Bag-dads durch US Cruise Raketen in der ver-gangenen Nacht. Berichte aus dem Iraksprechen von „Dutzenden von Verletz-ten“. Der Tod von zwei Menschen wurdebestätigt; nach Ansicht irakischer Ärztemuss mit mehr Todesopfern gerechnetwerden. (…) Die Ärztevereinigung kriti-siert den Anschlag auf Zivilisten, die ander angeblichen Herstellung von Mas-senvernichtungswaffen durch SaddamHusseins Regime offensichtlich unschul-

dig sind. Meldungen aus dem Irak be-richten von Explosionen in Wohngebie-ten. Dies, so die IPPNW, steht im Wider-spruch zu Behauptungen der USA, dieMission diene ausschließlich der Zer-störung von chemischen Waffen und mi-litärischen Anlagen des Irak.

Berichte aus London deuten darauf-hin, dass die Bombardierung fortgesetztwird und dass die Briten ihre Tornadoseinsetzen wollen. „Wir können damitrechnen, dass Präsident Clinton erst mitder Strafaktion aufhört,wenn er seine in-nenpolitischen Ziele erreicht hat“, sagteXanthe Hall, Kampagnenleiterin derIPPNW.

Die IPPNW teilt das tiefe BedauernKofi Annans über den Anschlag und un-terstreicht die Aussage Frankreichs, dasser für die Bevölkerung des Irak gravie-rende menschliche Folgen habe. Zudemmahnt die IPPNW, dass der Alleingangder USA und Großbritanniens ohne UN-Mandat und gegen den Willen Russlandsund Chinas die Autorität der UNO er-heblich verletzt. Die IPPNW unterstütztKofi Annans Aufruf zu „humanitärerHilfe und heilender Diplomatie“ als Re-aktion auf die Krise.

Bundesausschuß Friedensratschlag Kas-sel: „Faustrecht mit Hightech-Waffen“

Die jüngsten Militärschläge der USA undGroßbritanniens gegen den Irak werdenvon der Friedensbewegung scharf verur-

teilt. Wie der Sprecher des Bundesaus-schusses Friedensratschlag, Dr. PeterStrutynski, erklärte, könne die irakischeBehinderung der UN-Waffeninspektoreneine militärische Intervention nichtrechtfertigen. Dazu gebe es kein Mandatdes UN-Sicherheitsrats. Die Luftangrif-fe sind ein völkerrechtswidriger und bar-barischer Willkürakt.

Die Behauptungen des US-Verteidi-gungsministers Cohen und des britischenPremierministers Blair, Bagdad habe im-mer noch so viele chemische Kampfstof-fe, um die Weltbevölkerung mehrfachauszulöschen, entbehrt jeglicher Grund-lage. Selbst wenn der Irak noch über ei-nen Rest seines B- und C-Waffenarsenalsverfüge, könne er davon militärisch kei-nen Gebrauch machen, weil ihm die not-wendigen Trägersysteme und Startram-pen nicht zur Verfügung stehen.Nach An-gaben des NATO-nahen wissenschaftli-chen Internationalen Instituts für Stra-tegische Studien (IISS) habe der Irak nurnoch sechs Startrampen und eine kleineAnzahl irgendwo versteckter (also garnicht aktivierbarer) Raketen. Nachweis-lich sind von den ursprünglich 819 ScudRaketen sowjetischen Ursprungs 817 un-ter Aufsicht von UN-Inspektoren zerstörtworden. Internationale Militärexpertengehen schon lange davon aus, dass denStaaten der Golfregion keine militäri-sche Gefahr von Seiten des Irak mehrdrohe.

Bild oben links: Hamburg, 17.12. / Rechts oben: Berlin, am gleichen Tag, vor der US-Botschaft / Unten: Protest in Washington

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6 AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT • PB 26/98

Es ist abwegig, mit den Angriffen aufIrak dessen Diktator Saddam Husseintreffen zu können. Sollten die USA wirk-lich ein Interesse daran haben, dass sichim Irak etwas ändert, müsste

• das seit acht Jahren wirksame Em-bargo gegen den Irak gelockert werden,und müssten

• die USA ihr ständiges militärischesBedrohungspotential in der Golfregionreduzieren.

Denn unter dem Embargo leidet zual-lererst die Zivilbevölkerung (fehlendeNahrungsmittel, zusammengebrocheneGesundheitsversorgung usw.). Und diemilitärische Drohkulisse gibt Saddamimmer wieder Anlässe, sein eigenes Mi-litärregime im Inneren zu festigen. (…)

Zu befürchten ist, dass die Anmaßungder US-Administration, ohne Rücksichtauf UN-Beschlüsse und das Völkerrechtjederzeit nach eigenem Gutdünken in al-len Krisengebieten der Welt militärischeinzugreifen,Schule machen wird.Die imApril vorgesehene Neufassung der Stra-tegischen Grundlinien der NATO siehtgenau dies vor. Der Welt droht die Rück-kehr zum Faustrecht, das allerdings heu-te mit High-Tech-Waffen ausgestattet ist.Gegen eine solche neue „Weltordnung“ist breiter Widerstand angesagt.(Kassel, den 17. Dezember 1998)

Komitee f. Grundrechte und Demokratie:Bomben treffen Menschenrechte und UNO

10.000 Menschen würden sterben, so dieVorabkalkulation der US-Militärs für

den Fall eines Militärangriffs auf denIrak. Am 16. Dezember hat der US-ame-rikanische Präsident das Vollstreckungs-urteil ausgesprochen und den Angriff sei-ner Streitkräfte befohlen. Bei dieser Di-mension spricht man bei anderen Kon-flikten von Genocid, also von Völker-mord. Die nicht zuletzt geopolitisch be-stimmte Auseinandersetzung zwischenden USA und dem terroristischen Mi-litärregime in Bagdad wird damit einmalmehr auf dem Rücken der Bevölkerungund deren Menschenrechten ausgetra-gen. Der Angriff wurde befohlen, obwohlaktuell keine militärische Bedrohungvom Irak ausgeht.

Verteidigungsminister Scharping hatdem Angriff auf den Irak sogleich im Sin-ne von globaler militärischer Interventi-onsbereitschaft der reichen Industrielän-der zugestimmt. Sinngemäß sagte er,Bagdad sei selbst verantwortlich, wenndas Land jetzt bombardiert werde. Dernächste Schritt ist, so steht zu befürch-ten, daß sich die neue Bundesregierung,wie weiland die Kohl-Regierung, maß-geblich an den Milliardenkosten der In-tervention beteiligt.

Frankreich, das den Angriff ablehnt,sieht sich von seinem wichtigsten eu-ropäischen Bündnispartner allein gelas-sen. Ein Ansatz für eine gemeinsame eu-ropäische Friedenspolitik ist blockiert.Muß man das rot-grüne Bündnis, das un-ter dem Motte, „Außenpolitik ist Frie-denspolitik“ antreten wollte, bereits beider ersten großen Herausforderung frie-

denspolitisch abschreiben? Der Angriff wurde befohlen, während

der Sicherheitsrat der Vereinten Natio-nen über ein weiteres Vorgehen im FallIrak beriet. Auf diese Weise werden dieVereinten Nationen – und damit auch in-ternationales Recht -sabotiert. Die „Ar-roganz der Macht“, so beschuldigte einstSenator Fulbright während des US-Krieges gegen Vietnam das Weiße Haus,tritt wieder rücksichtslos auf den globa-len Plan. Die durch den Bombenangriffauf den Irak gezeigte Selbstherrlichkeitder USA und Großbritanniens sind dieVorwegnahme dessen, was gegenwärtigals neue NATO-Strategie beschlossenwerden soll: die eigenen Interessen ohneRücksicht auf internationales Recht unddie Vereinten Nationen durchzusetzen.Die rot-grüne Regierung will auch hiermit von der Partie sein. (…)

Das Komitee für Grundrechte und De-mokratie ruft die Friedensbewegung auf,gegen den neuen Golf-Krieg öffentlichaufzutreten. Es fordert die Bundesregie-rung auf, sich für die sofortige Beendi-gung der Angriffe, die Einhaltung derEntscheidungsprozeduren des Weltsi-cherheitsrates und die strikte Anwen-dung ziviler politischer Instrumente zurBewältigung der Irak-Krise einzusetzen,sowie den Ausbau der NATO zur lnter-ventionsmacht für Industriestaaten-In-teressen abzulehnen.Roland Roth (Vorstand des Komitees)Andreas Buro (Friedenspolitischer Spre-cher des Komitees), Köln, 17.12.98

Die Haltung einiger arabischer LänderAm 18.12. werden in Ramallah, im West-jordanland, drei Radio- und TV-Statio-nen durch die palästinensische Autono-miebehörde geschlossen. Die Pro-grammleiter wurden zur Polizei gebe-ten. Der Informationsminister Rabbogibt sich ahnungslos. Jedoch wird indi-rekt darauf verwiesen, daß öffentlicheInteressen tangiert seien. Diese Radio-bzw.TV-Stationen hatten in den letztenStunden ihrer legalen Ausstrahlungenüber die Luftangriffe der USA auf Bag-dad berichtet.

In den palästinensischen Gebietenwar es nach dem Beginn der Angriffe zuspontanen Solidaritätsbekundungenfür die irakische Bevölkerung gekom-men – dies erscheint Arafat unangenehmin seiner gegenwärtigen prekären Si-tuation, in der er sich mehr und mehr aufdie Spielchen der israelischen Regie-rung eingelassen hat.

In fast allen anderen arabischen Län-dern wurden die Angriffe ebenfalls ein-hellig verurteilt. Sowohl der Zeitpunktwie auch die Motivation werden kritischhinterfragt. Im Hauptquartier der Isla-mischen Konferenz – in Saudi-Arabien-erklärten die 52 Länder, erneut sei derIrak Opfer eines verdächtigen An-

schlags geworden. Andererseits hattenu.a. Ägypten, Syrien und Saudi-Arabi-en bereits im November den Irak ge-warnt, daß es „verantwortlich gehaltenwerden könnte für mögliche Konse-quenzen“.

In einigen arabischen Länder werdenlediglich vordergründig Zusammen-hänge hergestellt: zwischen Clinton’sprivaten Affären und der Weltpolizi-stenrolle der USA. Sie können kein voll-ständiges und auch nur annähernd fun-diertes Bild der Hintergründe liefern.Aber sie geben ein Bild, aus dem „anti-westliche“ Massenbewegungen entste-hen. Diese angenommene Schwäche derRolle der USA infolge der Lewinsky-Af-färe – so wird dort spekuliert – könnteSaddam Hussein jedoch Anlaß gewesensein, diese auszunutzen. Jedenfalls liesser verschiedene arabische Länder kurznach den Angriffen informieren, seinePosition in dieser neuerlichen Eskalati-on zu unterstützen. Immer wieder wirddabei auf die unterschiedliche Haltunghingewiesen, die im Gegensatz zur Kon-frontation der israelischen Seite an Un-terstützung gewährt wird.

Die nach außen deutliche Isolierungder USA und Englands bleibt jedoch ei-ne vorübergehende Erscheinung. Einederartige Unterstützung arabischer Re-gierungen für den Irak müßte sich je-

doch auch materiell äußern. Bislangsteht jedoch – eingehalten auch von ara-bischer Seite – das Embargo gegen denIrak. Unterschiedliche Ölinteressen undExport- wie Technologieabhängigkei-ten sind hierfür ausschlaggebend.

Die Ausnahme bildet Kuwait: Vonhier starteten u.a. Einsatzflugzeuge. DieRegierung forderte die USA zu weiterenZerstörungen im Irak auf. Truppen undsonstiges Gerät der USA sind nach wievor in Kuwait stationiert.

Auf der Strasse einiger arabischerLänder ergeben sich andere Bilder. InKairo wurden mehr als 3.000 Studentenvon der Polizei daran gehindert, ihrenProtest auszudrücken. In Beirut und inKhartum fanden Proteste auf dem Cam-pus statt. In Amman, im Gazastreifenwurden ebenfalls größere Demonstra-tionen abgehalten. Selbst vor und in deramerikanischen Botschaft in Damaskuslieferten sich Studenten Auseinander-setzungen mit der Polizei, bei der auchdie US-Seite eingriff. Auch in New Yorkgab es – u.a. von der Katholischen Ar-beiterbewegung organisiert – Proteste.

Dennoch fällt auf, daß diese im Un-terschied zu der Situation 1991 im Um-gang keinen Vergleich zulassen – obwohldie gegenwärtige Situation eindeutigerinternationale Prinzipien verletzt alszur Zeit des Angriffs auf Kuwait. (mc)

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PB 26/98 • AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT 7

Gegen Berufsverbote, Diskriminierung derFlüchtlinge, Armut, Wohnungslosigkeit

UN-Ausschuß kritisiertdie BundesrepublikDer UN-Ausschuß für wirtschaftliche, sozia-le und kulturelle Rechte fordert von allen Un-terzeichnerstaaten des „InternationalenPaktes über wirtschaftliche, soziale und kul-turelle Rechte“ regelmäßig Berichte an überdie Verwirklichung der in diesem Pakt fest-gehaltenen Grund- und Menschenrechte. ImNovember stand der 3. Bericht der Bundes-regierung auf der Tagesordnung des Aus-schusses, eingereicht noch von der altenBundesregierung. Das Ergebnis der Bera-tung: Herbe Kritik an Berufsverboten, an derDiskriminierung von Flüchtlingen, der Situa-tion der Roma und Sinti, an Studienge-bühren, an Armut und Wohnungslosigkeit.

Der in der UNO auch „Sozialpakt“ ge-nannte internationale Pakt ist seit An-fang 1976 in Kraft und bis heute von 129Staaten unterzeichnet,darunter auch derBundesrepublik. Die Berichte, die derAusschuß regelmäßig von den Unter-zeichnerstaaten anfordert, sollen die Ver-wirklichung grundlegender sozialer undMenschenrechte fördern. So müssen dieStaaten Auskunft geben über das Aus-maß von Armut und Arbeitslosigkeit,Wohnungsnot, Rechte von Frauen, vonFlüchtlingen, von Minderheiten, über dieVerwirklichung gewerkschaftlicherRechte wie Tarifrechten,Streikrecht usw.

Die Bundesregierung, vertreten durchdas Bundesministerium für Arbeit, hattezwar einen 127-seitigen Bericht vorge-legt, erntete aber in dem Ausschuß, be-stehend aus 18 Sachverständigen aus al-ler Welt, zu verschiedenen Fragen herbeKritik. Über die Kritik von Flüchtlings-organisationen an diesem Bericht hattenwir in der letzten Ausgabe bereits be-richtet (PB 25/98, S. 7). Inzwischen liegtdas Ergebnis der Ausschußsitzung inenglischer Sprache vor. Es enthält unterden Ziffern 13 bis 24 herbe Kritiken aneiner Vielzahl von Politikbereichen. HierAuszüge aus diesen „grundlegenden Be-denken“ des Ausschusses:

„14. Das Komitee stellt fest, daß dieArbeitslosigkeit in Deutschland beson-ders hoch ist und dabei im Osten zwei-mal so hoch wie im Westen. Es stellt indiesem Zusammenhang mit Bedauernfest, daß Frauen und Ausländer beson-ders davon betroffen sind.

15. Das Komitee stellt fest, daß bisherkeine Armutsgrenze festgelegt worden istund die (deutsche) staatliche Seite auchkeine Informationen über die davon be-troffenen Personen vorgelegt hat.

16. Das Komitee stellt alarmiert fest,daß nur 12 Prozent der öffentlichen Be-schäftigten im Wissenschafts- und Tech-nologiebereich der früheren DDR, inkl.Lehrer, Wissenschaftler und Fachkräfte,wieder beschäftigt wurden und daß derRest ohne Beschäftigung oder angemes-

sene Kompensation oder einen zufrie-denstellende Pension geblieben ist. DasKomitee befürchtet,daß die Mehrheit derBetroffenen nicht aus fachlichen oderwirtschaftlichen Gründen, sondern auspolitischen Gründen entlassen wurde,was ein Verstoß gegen Artikel 2(2) des Ab-kommens darstellt. Es stellt in diesemZusammenhang fest, daß das Problemder Diskriminierung im Fall der Be-schäftigung von Lehrern 1993 durch dasILO-Expertenkomitee bereits festge-stellt wurde. Ähnliche Bedenken wurdenvon deutschen Nicht-Regierungsorgani-sationen erhoben.

17. Das Komitee ist des weiteren be-sorgt über die Situation von Asylsuchen-den in Deutschland, insbesondere überdie lange Dauer ihrer Asylverfahren wieüber ihre wirtschaftliche Situation undihre medizinischen Ansprüche währendder Dauer ihres Verfahrens.

18. Das Komitee ist ebenfalls besorgtüber das Los der Sinti und Roma inDeutschland und über deren Anspruchauf ein Recht auf Wohnung, Erziehungund Beschäftigung. Die anhaltende Dis-kriminierung der Sinti und Roma ver-langt nach sofortigen politischen Schrit-ten zur Abhilfe.

19. Das Komitee stellt fest, daß öffent-liche Beschäftigte in Deutschland imgroßen und ganzen kein Streikrecht ha-ben,daß nur eine begrenze Anzahl von ih-nen dieses Recht ausüben kann, was einVerstoß gegen Artikel 8(2) des Vertragesdarstellt.

20. Das Komitee ist besonders besorgtüber Gewalt gegen Frauen, insbesonderegegenüber den Opfern von Frauenhandelzwecks Heirat oder Prostitution und Aus-beutung. Auch fehlen Statistiken überdie Zahl der davon Betroffenen.

21. Das Komitee ist alarmiert über denanhaltenden Mißbrauch von Kindernund ihre sexuelle Ausbeutung. Weitver-breitete Pornografie ist ein Anlaß zu be-sonderer Sorge, weil dies mit der Aus-beutung von Kindern und Frauen ver-bunden zu sein scheint.

22. Das Komitee stellt mit Sorge fest,daß Studiengebühren für Universitätensteigen, obwohl Artikel 13 des Paktes dieschrittweise Einführung von freier Hoch-schulausbildung verlangt.

23. Die alarmierende Zahl der Opfervon HIV/AIDS im Gebiet des berichten-den Staates ist ebenfalls Grund zur Sor-ge …

24. Das Komitees äußert auch seineSorge über das Los der Wohnungslosen,deren Zahl weiterhin unbekannt ist, wieauch über das Los der Hausbesetzer ins-besondere in den neuen Ländern.“

Soweit die Kritik des UN-Ausschus-ses. Für eine an Bürger- und Menschen-rechten orientierte Politik ist offenbarauch nach UN-Meinung viel zu tun. (rül)

Quelle: United Nations, Economic andSocial Council, Comittee on economic,social and cultural rights, unedited ver-sion, E/C.12/1/Add.29, 4.12.98 (eigeneÜbersetzung)

Zwischen 50.000 und 100.000 Kurdinnen und Kurden demonstrierten am 19.Dezember in Bonn erneut für das Aufenthaltsrecht des PKK-VorsitzendenÖcalan in Italien, für die Einberufung einer internationalen Kurdistan-Kon-ferenz und eine politische Lösung der kurdischen Frage. Die türkische undpro-türkische Presse heizt derweil die Gerüchten die Stimmung an: Zielstre-big wird trotz italienischer Dementis immer wieder verbreitet, Öcalan sollenach Albanien, Pakistan, Südafrika, Libyen usw. abgeschoben werden. Auchsoll sich der PKK-Vorsitzende angeblich von seiner eigenen Guerilla distan-ziert haben. Dabei hat er nur z.T. seit Jahren bekannte innerparteiliche Kritikan Fehlern der Guerilla wiederholt. Die EU-Staaten zögern weiter … (rül)

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8 AUSLANDSBERICHTERSTATTUNG • PB 26/98

Die vom türkischen Regime in den letztenWochen mit einer selbst für türkische Ver-hältnisse extremen Brutalität verfolgte pro-kurdische Partei HADEP stößt auf immergrößere Schwierigkeiten bei ihrer Arbeit undbei den Vorbereitungen für eine Kandidaturzu den türkischen Parlamentswahlen imkommenden April.

Am 7. Dezember führten türkische Poli-zeikräfte erneut landesweite Verhaftun-gen gegen HADEP-Mitglieder durch.Schon bei der Ankunft Öcalans in Romvor nun fast einem Monat waren landes-weit mehrere tausend Mitglieder festge-nommen worden, von denen hundertenoch immer in Haft sitzen.Dagegen woll-te die Partei mit öffentlichen Hunger-streiks protestieren.

Diese Hungerstreiks führten zu erneu-ten Verhaftungen. Landesweit wurdenwieder etwa 200 HADEP-Mitgliederfestgenommen.

Nach Angaben von HADEP-Vertre-tern wurden in den kurdischen Provinzenmindestens 86 HADEP-Mitglieder er-neut festgenommen, weitere 23 Mitglie-döer wurden in der nordwestlichen Pro-vinz Tekirdag und etwa 105 in Istanbulfestgenommen.

Der HADEP-Vorsitzende MuratBozlaksowie weitere Vorstandsmitglie-der sitzen ebenfalls weiter unter dem Vor-wurf, sie hätten Verbindungen zur PKKund zur kurdischen Guerilla, im Gefäng-nis. Ihnen drohen bei einer Verurteilungebenso wie den noch immer in Haft sit-

zenden DEP-Abgeordneten Leyla Zana,Orhan Dogan und Hatip Dicle jahrelan-ge Haftstrafen

„Regenbogenkoalition“?

In einem Bericht für die türkische Wo-chenzeitung „Turkish Probe“ berichtetMustafa Erdogan am 6. Dezember überdie Wahlvorbereitungen der HADEP. Da-bei gibt es u.a. die Überlegung, eine Art„Regenbogenkoalition“ mit zahlreichenweiteren linken Parteien,Organisationenund Verbänden aufzubauen, die dann ge-meinsam zu den kommenden Wahlen an-treten würde.

Bereits im September habe ein Treffenstattgefunden, bei dem u.a.Vertreter derGewerkschaftsverbände DISK undKESK, von Einzelgewerkschaften ausden Gewerkschaftsverbänden Türk-Isund HAK-IS, der türkischen Architek-ten- und Ingenieurs-Gewerkschaft TM-MOB, der Menschenrechtsvereine IHD,der Vereinigung fortschrittlicher JuristenCHD, der Vereinigung fortschrittlicherJournalisten CGD sowie der ParteienÖDP, SIP, BSP u.a., zusammen 37 Orga-nisationen, anwesend waren.

Im Unterschied zu dem reinen Partei-enbündnis „Arbeit, Frieden und Frei-heit“, mit dem die HADEP 1995 mit derÖDP, SIP usw. angetreten war, soll die„Regenbogenkoalition“ auch andere ge-sellschaftliche Kräfte einschließen.

11 Direktkandidaten sicher?

Eine andere Option ist, mit „unabhängi-

gen“ Kandidaten, also ohne Liste anzu-treten.Auf diese Weise würde die HADEPdie landesweite 10-%-Klausel für Par-teien umgehen.Bei einer solchen Kandi-datur geben Prognosen der HADEP guteAussichten, am Ende mit 11 direkt ge-wählten Abgeordneten im Parlamentvertreten zu sein.

Hochrechnungen von 8 bis 11 Prozent

Als dritte Variante wird weiter die Mög-lichkeit eines Parteienbündnisses disku-tiert und überlegt.Nach amtlichen Hoch-rechnungen soll die HADEP derzeit guteAussichten haben, auf ca. 8 Prozent derStimmen zu kommen.Die ÖDP wird nachdiesen Prognosen mit 3% eingestuft. Zu-sammen könnten beide Parteien bei ei-nem Wahlbündnis damit rein rechnerisch11 Prozent erhalten und würden damitdie 10%-Klausel überspringen. Bei 450Mitgliedern im Parlament insgesamtkönnte das zu einer gemeinsamen Frak-tion von fast 50 Mitgliedern führen.

All diese Überlegungen beruhen frei-lich darauf, daß die HADEP bis zu denWahlen im kommenden April überhauptnoch in der Lage ist zu arbeiten und daßdiese Wahlen auch nur ansatzweise „frei“sind.

Vielleicht raffen sich deshalb in dernächsten Zeit europäische Institutionenendlich auf und schicken die von der HA-DEP immer wieder dringend erbetenenMenschenrechtsbeobachter, um der Ver-folgungswelle in den Arm zu fallen.rülQuelle: Reuters, 7.12., Turkish Probe, 6.12.

Massive Kurdenverfolgungen im Vorfeld der Wahlen in der Türkei im April 1999

HADEP überlegt eine „Regenbogenkoalition“

KKP-Erklärung: Kurdenund Türken Seite an SeiteVor dem Hintergrund der Reise des Gene-ralsekretärs der Kurdischen Arbeiterpartei(PKK), Abdullah Öcalan, nach Italien habenreaktionäre und nationalistische Kreise diechauvinistische Stimmung in der Türkei an-geheizt. In der Verantwortung für ein fried-liches Zusammenleben der Völker wendetsich die Kommunistische Partei Kurdistans(KKP) mit folgendem Aufruf an alle fort-schrittlichen und revolutionären Kräfte derWelt sowie an das kurdische und türkischeVolk:

In den türkischen Städten ist eine Wel-le des Hasses entbrannt. Die Faschistenhaben einen blutigen offenen Krieg ge-gen die Linken und die Revolutionäresowie gegen die kurdischen Vereine be-gonnen. (…) Damit offenbarten die fa-schistischen „Grauen Wölfe“ der Natio-nalistischen Volkspartei (MHP) und dieRegierung der Türkei einmal mehr ihrerassistische Politik. Gleichzeitig wurdedeutlich, daß das Handeln der türki-

schen Regierung eigentlich von derMHP bestimmt wird.In den Städten undKreisen ließ sie die Büros der HADEPohne juristische Grundlage überfallen,ihre Parteifunktionäre verhaften, aufdie Straße treiben und mißhandeln. Dieanderen Parteien – ANAP, FP, DYP, CHPund DSP – verhielten sich gegenüberdiesen offenen staatlichen Terroraktio-nen nicht anders als die MHP. Sie zeig-ten damit hinter einer angeblich demo-kratischen Maske ihr wahres chauvini-stisches, rassistisches Gesicht.

Sie tragen zusammen mit der Regie-rung der Türkei die Verantwortung füralle Menschenrechtsverletzungen ge-genüber Kurden und Zerstörungen inNordwest-Kurdistan, wo bisher über 3.000.000 Kurden gewaltsam aus

ihren Dörfern vertrieben, 4.000 Dörfer und kleine Städte ver-

brannt und zerstört sowie unzählige Wälder und Naturparks zer-

stört sowie sauberes Wasser unge-nießbar verschmutzt wurden.Gleichzeitig sind Sprache, Kultur

und Geschichte des kurdischen Volkes

durch die Politik der türkischen Regie-rung offiziell verboten. Eine Regierung,die solche Verbrechen gegen andereMenschen und Völker organisiert, inAuftrag gibt oder duldet,darf sich selbstnicht zum Ankläger gegen mißliebigePersonen aufschwingen, sondern gehörtselbst vor Gericht.

Die KKP wendet sich vehement ge-gen den aufkeimenden Chauvinismus.Sie fordert das türkische und kurdischeVolk gleichermaßen auf, diese Entwick-lung Seite an Seite zu bekämpfen undkeine Feindseligkeiten gegeneinanderaufkommen zu lassen. Die Bevölkerungsoll gegen die rassistischen und faschi-stischen Angriffe mutig eine Barrikadeerrichten. Deshalb ruft die KKP auf: Solidarisiert Euch mit der verfolgten

HADEP! Türken und Kurden, kämpft Seite anSeite gegen die Regierung!

Klagt gemeinsam die türkische Regie-rung vor Gericht an!

Kommunistische Partei Kurdistans(KKP), Politbüro des Zentralkomitees(aus Platzgründen geringfügig gekürzt)

Page 9: Politische Berichte Nr.26 / 1998

Palästina

Oppositions-treffen in DamaskusWenig beachtet von der westlichen Öffent-lichkeit hatten sich vor 10 Tagen in Damas-kus/Syrien diverse palästinensische Grup-pen getroffen, die sich einig sind, dem Araf-at-Kurs nicht zuzustimmen. Parallel dazufanden ähnliche Treffen in Gaza und in Ra-mallah statt. Bereits die verschiedenen Ört-lichkeiten drückt eine grundsätzliches Pro-blem aus: die außerhalb Palästinas leben-den PalästinenserInnen haben kein Rechtauf Rückkehr, die innerhalb der Grenzen von1948 lebenden PalästinenserInnen bleibenunter Kontrolle israelischer Militärs.

Allen Treffen gemeinsam war die Ableh-nung der gegenwärtigen Abkommenspo-litik,die Arafat mit den Israelis unter US-Regie durchsetzt (zuletzt Wye River). Un-terschiede entstehen zwischen den 10 be-teiligten Gruppierungen – nicht erst seitheute – in der Entwicklung einer Alter-native dazu.

Leila Khaled von der PFLP bestand ineinem Interview vor dem Treffen auf derAblehnung der amerikanischen Forde-rungen, auf der Legitimität des Wider-stands mit allen zur Verfügung stehendenMitteln, einschließlich bewaffneter Mit-tel.

Für sie steht die palästinensische Ein-heit im Mittelpunkt.Allseits wird der so-genannten Autonomiebehörde die reprä-sentative Vertretung aller palästinensi-schen Interessen abgesprochen.

Vielmehr stelle heute gerade die Op-position einen Ausdruck von Hoffnungund Aussicht auf Änderungen dar, umendlich die Würde und Geschichte desVolkes zu realisieren.

Auch sollte im Vorfeld der inoffiziellenStaatsvisite des USA am neuen Flugha-fen in Gaza zum Boykott dieser Veran-staltung aufgerufen werden.

Das Treffen in Damaskus war darüberhinaus von Unstimmigkeiten geprägt.Die DFLP von Hawatmeh verließ denKonferenztisch, indem sie anderen un-terstellte, sich nicht an der langen Ge-schichte der Kämpfe gegen die Besatzungbeteiligt zu haben.

Die PFLP-GC widersprach, Hawat-meh wolle lediglich verhindern, daß hiereine starke Fraktion gegen Arafat gebil-det werde.

Er wolle kein Exilparlament zulassen,das eine breite Anti-Arafat-Bewegungwiderspiegeln und gleichzeitig die bishe-rige Struktur einer von Fatah kontrol-lierten Organisation ersetzen soll.

Die PFLP setzt hier nach wie vor aufdie Einheit der PLO.

In Gaza trafen sich mehr als 500 Mit-glieder, unter ihnen jene der Hamas unddes Islamischen Jihad, zur NationalenKonferenz.Insbesondere wurde hier fest-gehalten, daß für die Entscheidung überden von Israel geforderten „Verzicht“ auffundamentale Punkte der PLO-Chartanicht die Arafat-Administration zustän-dig sei, sondern der Palästinensische Na-tionale Rat.

In einem Offenen Brief wird Arafataufgefordert, „alle Verhandlungen undKooperationen mit den israelischen Be-satzungskräften zu stoppen“.

Eine durch den Zentralrat (PCC) derPLO abgestimmte Entschließung, diePLO-Charta zu ändern, wird von der Op-position als schwerwiegender Fehler in-terpretiert, da die israelische Regierungbis heute das Recht der PalästinenserIn-nen auf Selbstbestimmung abstreitet.

Eine Abstimmung im Nationalrat(PNC), dem höchsten Gremium, wurdebislang jedoch nicht durchgeführt.

Angehörige palästinensischer Gefan-gener hatten parallel in Nablus einenHungerstreik begonnen, um für die Frei-lassung ihrer Angehörigen einzutreten.Täglich finden erneut Straßenkämpfe ge-gen die israelischen Besatzung mit un-gleichen Mitteln statt. Die hier zum Aus-druck kommende Wut und Ohnmacht er-hält bislang noch keine weiterführendeDimension.

Die Entwicklungen strategischer Li-nien gegen den Kurs der Autonomie-behörde wie auch gegen Israel stehen –unter dem Eindruck einer geschwächten,weil uneinigen Opposition – immer nocham Anfang. mc

Spanien: Rüge für einen Bischof

Regierung holtETA-Gefangeneaufs FestlandVon Ralf Streck, San Sebastian

„Ich habe kein Problem zu helfen, daß dieRechte der politischen Gefangenen respek-tiert werden und wir damit zu einem wirkli-chen Frieden im Baskenland kommen“,schrieb der Bischof von San Sebastian, Jo-se Maria Sentien, an ein gefangenes ETA-Mitglied. Daß der Bischof wagte, von politi-schen Gefangenen zu sprechen, versetztedie Regierung in helle Aufregung. „Es gibtPersonen, die noch nicht begriffen haben, inwelchem Land sie leben“, schmetterte Re-gierungschef Jose Maria Aznar. In Spaniengebe es seit Verabschiedung der Verfassungvon 1978 keine politischen Gefangenen. DieJustizministerin meinte, der Bischof müssebegreifen, daß es sich um gewöhnliche Ver-brecher und Terroristen handle.

Sentien hatte sein Schreiben an JonGaztelumendi gerichtet.Der wegen Mor-des zu über 500 Jahren Haft verurteilteBaske ist einer der sechs gefangenenETA-Angehörigen, die von ihren knapp600 Gefährten als Vertreter für eventuel-le Gespräche mit der Regierung gewählt

PB 26/98 • AUSLANDSBERICHTERSTATTUNG 9

Gegner eines Anschlusses von Puerto Rico an die USA feiern den Ausgang einerVolksabstimmung über die Zukunft des Landes. Die Bürger Puerto Ricos haben sichmehrheitlich gegen die Umwandlung der Karibikinsel in den 51. Bundesstaat derUSA ausgesprochen. (Bild: ND) (hav)

Puerto Rico: Volksabstimmungvotierte gegen Anschluß an USA

Page 10: Politische Berichte Nr.26 / 1998

10 AUSLANDSBERICHTERSTATTUNG • PB 26/98

wurden. Der Bischof bot sich als Vermitt-ler an, stieß jedoch in Madrid auf schrof-fe Ablehnung.

Ungeachtet dessen wird die Regierungvon allen Seiten bedrängt, in der Frageder Gefangenen etwas zu unternehmen,damit der Friedensprozeß, der durch dieETA-Waffenruhe im September eingelei-tet wurde,nicht stirbt.Die Kampagne fürdie Verlegung der Häftlinge ins Basken-land läuft auf Hochtouren. Die Gefange-nen selbst kämpfen wieder mit Hunger-streiks und Selbsteinschließungen dafür.

Die spanische Regierung kündigte an,21 Betroffene, die in den spanischen En-klaven in Afrika, Ceuta und Melilla so-wie auf Mallorca und den Kanaren in-haftiert sind, aufs Festland zu bringen.Nicht ins Baskenland, sondern immernoch viele hundert Kilometer entfernt.Der Sprecher der Baskisch Nationalisti-schen Partei (PNV), Joseba Egibar, kriti-sierte die Entscheidung als „unzurei-chend“ und „maximalen politischenStumpfsinn“, wenn man einen Frieden-sprozeß anführen wolle. Am Vortag ersthatte sich das Europaparlament in Stras-sbourg für die Verbesserung der Situati-on der Gefangenen in Europa ausgespro-chen.Auf Antrag Pierre Pradiers aus demfranzösischen Teil des Baskenlandes be-schloß es, daß die Bedingungen für dieWiedereingliederung der Gefangenenverbessert werden müßten. Eine Voraus-setzung sei „die Inhaftierung in der Nähedes Wohnortes der Familie“.Nicht einmaldie spanische Regierungspartei PPwandte sich dagegen. „Wenn das Bas-kenland nicht erwähnt wird, sind siegroßzügig“, sagte Pradier.

Der Tod in Teheran

Tödliche Re-pression gegendie OppositionVon Kambiz Behbahani und Thomas Ruttig

Fünf Tote, ein „Verschwundener“ undGerüchte über geheime Folterhäuser und ei-ne Mordliste lassen Iran brodeln. Ist Präsi-dent Khattami Mittäter oder ohnmächtigesOpfer?

Mohammad Pujande wurde am Don-nerstag erwürgt unter einer TeheranerBrücke gefunden, meldete am 13. De-zember die Zeitung „Iran“.Er war am vo-rigen Mittwoch „verschwunden“.

Mohammad Mokhtari wollte am 3.De-zember nur schnell etwas einkaufen ge-hen. Am Mittwoch, am Vorabend des 50.Jahrestages der UN-Menschenrechtsde-klaration, teilten die Behörden seiner Fa-

milie mit, sie hätten seinen Leichnamentdeckt.

Sein Sohn fand im LeichenschauhausWürgespuren am Hals.

Dariusch Foruhar war nach Nordiranverreist. Am 22. November fanden Ver-wandte ihn und seine Frau Parwaneh Es-kanderi erstochen in ihrem TeheranerHaus.

Auch Majid Sharif wollte Anfang No-vember nach Nordiran,kam dort aber niean.Man fand ihn am 26.November tot amStraßenrand.

Fünf Morde innerhalb eines Monats aniranischen Oppositionellen, das ist keinZufall. Pujande hatte mit Mokhtari undweiteren vier Kollegen kürzlich offiziellverkündet, den im Mai 1997 als demo-kratischen Hoffnungsträger gewähltenStaatspräsidenten Seyyed MohammadKhattami beim Wort nehmen und die of-fiziell nie verbotene Iranische Schrift-stellervereinigung wieder ins Leben ru-

fen zu wollen.Indizien weisen darauf hin,daß sie Opfer des Geheimdienstes wur-den, der als „Ministerium für Informati-on und Landessicherheit“ (VEVAK) fir-miert.

Der Essayist Pujande trug nochGoldring und Armbanduhr, als man ihnfand, der Soziologe und Publizist Sharifandere Kleidung als die, mit der er dasHaus verlassen hatte. Der Leichnam desLyrikers Mokhtari soll sich schon fast ei-ne Woche lang in den Händen der Behör-den befunden haben.

Auch Pirus Davani, ein mutiger Jour-nalist, ist verschwunden. Der Gründerder „Vereinigung für Demokratie inIran“ gab Bulletins mit regimekritischenNachrichten heraus.Weil er sich bedrohtfühlte, vereinbarte er mit seiner Mutter,alle zwei Stunden bei ihr anzurufen. Am25.August meldete er sich nicht mehr.Ei-ne Suchaktion seiner Freunde blieb er-folglos. Dann teilte vor einer Woche einUnbekannter seine Mutter telefonischmit, ihr Sohn sei tot.Sie erlitt einen Herz-infarkt und starb.

Darauf schrieben 80 Schriftsteller undPolitiker einen Brief an Khattami undbaten ihn, den Fall aufzuklären und Da-vani zu finden. Seit drei Monaten wird inIran heftig über angebliche geheime Fol-terhäuser diskutiert.Darin würden Regi-mekritiker mißhandelt und zu „Geständ-

nissen“ gezwungen. Wird Davani dortfestgehalten?

Mohammad Jazdi, Chef der iranischenJustiz,sagte zu,die Vorwürfe untersuchenzu lassen. Aber der Ayatollah gehörtselbst zu den Hardlinern mit guten Be-ziehungen zum Geheimdienst und zu denSchlägertrupps des Regimes, den AnsareHezbollah und den Fedaijan-e Islam.Auch diese Gruppen könnten hinter denEntführungen und Morden stecken. Zu-dem soll eine Mordliste mit 60 Namenprominenter Politiker und Intellektuel-ler existieren, unter ihnen Ebrahim Jas-di, Vorsitzender der halblegalen Frei-heitsbewegung, sowie der „islamischeSozialist“ Habibollah Paiman.

Schon vor einem Jahr waren mehrereTeheraner Bezirksbürgermeister gefol-tert worden, um Geständnisse über an-gebliche finanzielle Unregelmäßigkeitendes Oberbürgermeister Gholam HosseinKarbastschi von ihnen zu erpressen,Khattamis Vordenker. Auch der PublizistFaradsch Sarkuhi, der nur durch eine in-ternationale Kampagne befreit werdenkonnte, hatte ausgesagt, eine Zeitlang ineinem geheimen VEVAK-Gefängnis fest-gehalten worden zu sein.

Für viele westliche Beobachter ist dieMordserie ein Anzeichen für einen ver-schärften Machtkampf zwischen „Kon-servativen“ und „Liberalen“ im innerenKreis des iranischen Regimes.Aber nam-hafte Oppositionelle sind der Überzeu-gung, daß der schon längst entschiedenist – zu Ungunsten des „Liberalen“ Khat-tami. Sarkuhi zufolge habe der Präsidentangesichts der weitreichenden Forderun-gen nach Demokratie und Freiheit, die ermit seinem Aufruf zu mehr Offenheit er-zeugt habe, „Angst“ bekommen. AuchAbolhassan Banisadr, früherer Staats-präsident, macht Khattami für die Mor-de mitverantwortlich.

Zudem sorgt die schwere wirtschaftli-che Krise für Spannungen. Wegen desPreisverfalls schrumpfen die Erdölein-nahmen, von denen Irans Etat zu 80 Pro-zent abhängt. Der Rial mußte abgewer-tet werden, die Arbeitslosenquote stiegauf (offiziell) 13 Prozent. Da Khattamidie eigentlichen Machtzentralen wie dasVEVAK nicht unterstehen, waren seinerÖffnungspolitik von Anfang an wenigChancen eingeräumt worden. Er strebteauch nie mehr an als eine „islamische“Demokratie, wenn auch pluraler als bis-her. Erstmals stellte Khattami sich in dervorigen Woche vor Studenten einer di-rekten Diskussion über die Mordserie. Ergeißelte den Fall Foruhar als „widerwär-tigen Akt“ und warnte vor „Faschismusauf der Grundlage von Religion“. Lip-penbekenntnisse,wie viele Oppositionel-le meinen, oder ein ohnmächtiger Hilfe-ruf?

Kambiz Behbahani lebt in Berlin und ar-beitet im Migrationsbereich. ThomasRuttig ist freier Journalist und Heraus-geber der Zeitschrift „MAHFEL“, Nach-richten aus West- und Mittelasien.

1997: Feiern zum 18. Jahrestag des Stur-zes von Schah Rezah Pahlewi. Vorne: derdamalige Staatspräsident Rafsandschani

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PB 26/98 • AUSLANDSBERICHTERSTATTUNG 11

Frankreich: Kein Vertrauen der Migranten in die JustizNach dem Tod eines l7jährigen jugendli-chen Einwanderers bei einem Polizeiein-satz ist es in der südfranzösischen StadtToulouse am Mittwoch erneut zu Prote-sten gekommen. Die dritte Nacht in Fol-ge lieferten sich etwa hundert Jugendli-che Auseinandersetzungen mit der Poli-zei, die mit einem Großaufgebot von tau-send Mann im Einsatz war.

Der Beamte, der am Wochenende dentödlichen Schuß abgegeben hatte, kamunterdessen nach 48 Stunden in Polizei-gewahrsam wieder frei. Die Staatsan-waltschaft leitete gegen den 4ljährigenErmittlungen wegen fahrlässiger Tötungein.

Die Appelle von Premierminister Lio-nel Jospin und anderen Politikern, Ver-trauen in die Justiz zu haben, hatten kei-nen Erfolg.

Ein Schweigemarsch mit 2.500 Teil-nehmern durch die Innenstadt vonToulouse war kurz zuvor friedlich ver-laufen.

Den Forderungen von Familie undFreunden des l7jährigen Habib, gegenden Polizisten wegen vorsätzlicher Tö-tung oder gar wegen Morde zu ermitteln,folgte die Staatsanwaltschaft jedochnicht.

Der Jugendliche, Sohn von Einwande-rern aus Algerien, war in der Nacht zumSonntag unter noch ungeklärten Um-ständen erschossen worden. Auf Wunschseiner Eltern soll sein Leichnam in Alge-rien beigesetzt werden.

KPF fordert soziale Dringlichkeits-maßnahmenMit der Forderung nach drei sofortdurchführbaren sozialen Dringlichkeits-maßnahmen hat der Nationalsekretärder Französischen KommunistischenPartei (KPF), Robert Hue, die öffentlicheDebatte in Frankreich über die Politikder Linksregierung mit neuem Stoff ver-sorgt.

Hue erklärte, daß die „pluralistischeLinkskoalition“ gegenwärtig an einem„Dreh- und Angelpunkt für ihren Erfolg“stehe.

Da sich Gelingen oder Scheitern derRegierung vor allem auf dem sozialen Ge-biet entschieden, wolle er mit drei kon-kreten Vorschlägen an die Adresse des so-zialistischen Premierministers Jospindazu beitragen, daß dieser das „sozialeTerrain wieder in den Griff nimmt“.

Die drei Sofortmaßnahmen sind: Verwendung der bereits eingenomme-nen zusätzlichen Haushaltseinnahmenvon 17 Milliarden Francs (infolge einerKonjunktur, die besser als berechnetwar, und dadurch höherer Steuerein-nahmen) für die Befriedigung der For-derung der Arbeitslosen nach einerJahresendprämie.Und darüber hinaus schnelle Er-höhung der Gesamtheit der Sozialhil-fesätze um 1500 Francs.

Beschluß über ein Maßnahmebündelzum Stopp von Entlassungen bei Be-triebsschließungen bzw. Umstruktu-rierung von Unternehmen. Die Präfek-ten der Departements sollen beauf-

tragt werden,überall,wo der-artige Entlassungen vorgese-hen sind, Rundtischgesprächeunter Beteiligung der staatlichenDienststellen, der Unternehmer, derbetroffenen Belegschaften, der Ge-werkschaften und der lokalen Abge-ordneten sowie der Wirtschafts- undFinanzinstitutionen durchzuführen,um Wege zur Verhinderung der Entlas-sungen zu suchen.

Durch ein Gesetz sollen Entlassun-gen ohne die Anrufung dieser Gremienfür illegal erklärt werden.

Erhöhung des gesetzlich festgelegtenLohnminimums (SMIC) um 4 Prozentab Anfang Januar.(aus: UZ 51/98)

Mexiko: Die Zapatisten kündigenfür den 21. März ein Referendum anDie Rebellen im südmexikanischen Chia-pas haben für den 21. März ein Referen-dum über die Rechte der indianischenUreinwohner und den Rückzug der me-xikanischen Truppen aus dem Bundes-staat angekündigt.

Laut einer von Zapatistenführer Sub-comandante Marcos unterzeichneten Er-klärung wurde das Referendum bei ei-nem Treffen zwischen Rebellen des Za-patistischen Nationalen Befreiungshee-res (EZLN) und regierungsunabhängigenOrganisationen vereinbart.

Friede, Demokratie, Freiheit, Gerech-tigkeit und Würde stünden allen Mexi-kanern zu,heißt es in der Erklärung.Die-ser Friede sei aber „nur möglich,wenn dieRechte der indigenen Bevölkerungsgrup-pen anerkannt werden und der Auslö-schungskrieg beendet wird, den die Re-gierung gegen sie führt“.

Ende November hatten die Zapatistenein Angebot der Regierung zur Wieder-aufnahme der Friedensgespräche abge-lehnt. Sie werfen ihr Kriegstreiberei vor.

Wolgograd: Wahlerfolg der Kommu-nistenEinen eindrucksvollen Erfolg bei denzweiten Rotationswahlen zur Gebietsdu-ma verbuchten die Wolgograder Kommu-nisten am vergangenen Sonntag. Von 16neu zu vergebenden Mandaten konnte dieKPRF elf erringen.

Die anderen vier Plätze im regionalenParlament übernahmen parteilose Be-triebsdirektoren. Jabloko und Schirino-wskis LDPR konnten sich in dem bevöl-kerungsreichen Gebiet nicht durchset-zen.

Die Linke stellt hier außerdem den Ge-bietsgouverneur und weist starke Posi-tionen in der Stadtversammlung auf.

Unter Berücksichtigung der Ergebnis-se der ersten Rotation vom Vorjahr ver-fügen die Kommunisten nun auch in derGebietsduma über eine deutliche Mehr-heit: 23 von insgesamt 32 Abgeordnetenvertreten die Linke.

(Zusammenstellung: hav)

MMAASSSSEENNSSTTRREEIIKK GGEEGGEENN MMAASSSSEENNEENNTTLLAASSSSUUNNGGEENN.. Millionen Arbeitersind in der vergangenen Woche in Indien in den Streik getreten, um gegen dievon der Regierung in Neu Delhi geplanten Massenentlassungen zu protestieren.Zwischen 30 und 40 Millionen Arbeiter, Bauern und Studenten beteiligten sichan den Streiks, sagte ein Gewerkschaftssprecher. Die Gewerkschaften kritisie-ren, daß die Regierung über fünf Millionen Menschen durch Entlassungen undRationalisierungsprogramme in indischen staatlichen Betrieben auf die Straßesetzen will. (Bild: JW)

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Polizeiaktion gegenWanderkirchenasylKÖLN. Ausgerechnet am 50. Jahrestag derAllgemeinen Erklärung der Menschen-rechte wurden drei illegalisierte Kurden– Hassan Ay, Abbas Tanriverdi undMustafa Taifun – am 10.12. abends aufdem Rückweg von einer Versammlung desWanderkirchenasyls in Köln festgenom-men. Kurz vor Erreichen der evangeli-schen Kirchengemeinde Dortmund-Brackel gerieten sie auf der Autobahn ineine Polizeikontrolle. Freitag nachmittagverhängte ein Hagener Amtsrichter Ab-schiebehaft, Seitdem sitzen die drei Kur-den, die sich mit ihren Familien seit Mo-naten an der Protestaktion gegen Ab-schiebung und Illegalisierung beteiligen,in der Abschiebehaftanstalt Büren. Un-terstützerInnen der Kampagne „KeinMensch ist illegal“ und Angehörige derKirchengemeinden haben am Samstag,12.12., zusammen mit über zweihundertFlüchtlingen aus Aachen, Düren, Brühl,Köln, Bergisch Gladbach,Wuppertal undDortmund vor dem türkischen General-konsulat in Düsseldorf gegen Menschen-rechtsverletzungen und Abschiebungenin die Türkei protestiert. Außerdem fan-den in den letzten Tagen in vielen Städ-ten Solidaritätsaktionen mit dem Wan-derkirchenasyl statt. In Bremen,Dresden,Jena, Regensburg, Konstanz, Hanau, Lü-beck und München beteiligten sich afri-kanische, tamilische, türkische und kur-dische Flüchtlinge und MigrantInnen so-wie antirassistische Gruppen an den Ak-tionen. So wurden in Regensburg undBremen die Büros von SPD und Grünenbesetzt. Auf dem Münchner Marienplatzerklommen Menschenrechtsaktivistenden Weihnachtsbaum und entrollten ein10 m langes Transparent mit der Auf-schrift: „Köln: 260 im Kirchenasyl – KeinMensch ist illegal“.Auch in Hanau prang-ten Transparente über dem Weihnachts-markt und forderten Solidarität mit denFlüchtlingen im Wanderkirchenasyl.

Kölner Netzwerk „Kein Mensch ist illegal“

Erste Neugrün-dung einer Wohnungsgenossen-schaft seit 1951Köln. Nach zehn Monaten Auseinander-setzung mit der Stadt Köln wegen desHauses Krefelder Wall 20 und mit demAmtsgericht wegen der Eintragung insGenossenschaftsregister konnte die WO-GE e.G. jetzt ihre Gründung als Genos-senschaft für selbstverwaltetes, sozialesund ökologisches Wohnen feiern. Aller-dings: Obwohl die WOGE satzungsgemäßsozialen und ökologischen Zielen ver-pflichtet ist, schon fast alle MietparteienMitglied geworden sind, die Mieten lautBeschluß der Hauptversammlung unterden Vergleichsmieten bleiben usw., mußsie jetzt mit 1,1 Mio DM einen Preis be-zahlen, der mindestens 25% über demgutachtlich festgestellten Verkehrswertliegt. Das Haus wurde von der Stadt nacheiner zum Teil unfachgemäßen Moderni-sierung 1988 so vernachlässigt, daß rund100.000 DM Instandsetzungskosten an-fallen.Zusätzlich zu den MieterInnen,diebis zu 100.000 DM gezeichnet haben,wur-den inzwischen weitere 72 Personen mitAnteilen von 1.000 bis 50.000 DM Mit-glied der WOGE. So wird eine Finanzie-rung der Gesamtinvestition von 1,7 MioDM mit rund 50% Eigenkapital möglich.Bei dem einen Haus soll es natürlich nichtbleiben. Als weitere Projekte stehen zurZeit Wohnungen in autofreien Stadtquar-tieren und Baulücken an. WOGE e.G.

Bundesweiter Aktionstag gegenI.G.FarbenFRANKFURT. Unter dem Motto „Die Pro-fiteure der Zwangsarbeit müssen zah-len!“ haben am 18.12. bundesweit Be-troffenenorganisationen des Naziterrorsund antifaschistische Gruppen prote-stiert. Sie forderten die sofortige Auflö-sung des Frankfurter Firmenfossils IGFarben i.A. und Entschädigungen für al-le überlebenden Zwangsarbeiter des NS-Regimes.

AUGSBURG. Miteinem Hürden-lauf über Uni-Etat,Verwal-tungsdschungel,Studienfinan-zierung und De-mokratie-Be-schneidung pro-testierten Stu-dierende am 9.Dezember aufdem AugsburgerUnigelände ge-gen das bayeri-sche Hochschul-gesetz. aus Be-richte aus Augs-burg undSchwaben

Spektakulärste Aktion war die Beset-zung des Büros der IG Farben i.A. in derFrankfurter Silberbornstraße. ZwölfMitglieder von Betroffenenorganisatio-nen des Naziterros imd antifaschisti-scher Gruppen hielten die Räume von 9Uhr bis 11.15 Uhr besetzt, bis sie durchein Sondereinsatzkommando der Polizeigeräumt wurden. Sie verlangten gegen-über der Presse die sofortige Auflösungder „Mordgesellschaft“ IG Farben undEntschädigung für die überlebendenZwangsarbeiter des früheren Chemie-kartells und für deren Angehörige. Zuden Besetzern gehörten der Bundestags-abgeordnete Carsten Hübner (PDS), derkatholische Pater Gregor Böckermannvon den ‘Ordensleuten für den Frieden’und das Vorstandsmitglied der ‘Coordi-nation gegen BAYER-Gefahren’ AxelKöhler-Schura. Alle zwölf Besetzer wur-den vorläufig festgenommen und inHandschellen abgeführt, gegen 18 Uhraber wieder auf freien Fuß gesetzt. Zahl-reichen Journalisten wurde der Zugangzur improvisierten Pressekonferenz derBesetzer verwehrt. Es wurde Anzeige ge-gen sie wegen Hausfriedensbruch, Land-friedensbruch und auch wegen Körper-verletzung und Sachbeschädigung er-stattet. Ein Mitarbeiter der Firma sei„blutig geschlagen“ worden – die Beset-zer nannten diesen Vorwurf „absurd“.

AKW-Mahnmal vorKieler MinisteriumKIEL. Greenpeace stellte am 11. Dezem-ber vor dem Energieministerium in Kielein Anti-AKW-Denkmal auf. Eine großeSicherungsmutter auf einem quadratme-tergroßen Betonsockel symbolisiert dieRisiken des Atommeilers Krümmel, beidessen Betrieb zwei Muttern im Reak-tordruckbehälter zerstört worden sind.

Am 19. Juni diesen Jahres wurde derReaktor nahe Geesthacht für turnus-mäßige Wartungsarbeiten abgeschaltet.Dabei entdeckte man die defekten Si-cherungsmuttern. Die Atomkraftwerks-betreiber wollen den umstrittenen Reak-tor in Kürze ohne die Sicherungsmutternwieder ans Netz schalten.

Vor dem Kieler Ministeriumsgebäudeentrollten die Greenpeace-Demonstran-ten ein Transparent mit der Aufschrift:„Herr Minister Möller: Wieviele Mutterndürfen in Krümmel noch fehlen? DenSchrottreaktor nie wieder ans Netz!“

Joerg Feddern, Energieexperte beiGreenpeace:

„Der Pannenreaktor Krümmel darfnicht angefahren werden. Das wäre so,als würde man im Auto mit Tempo zwei-hundert über die Autobahn rasen und ge-nau wissen, daß an der Radaufhängungzwei Schrauben fehlen. Wir fordern Mi-nister Möller auf, keine Genehmigungfür das Anfahren des Atommeilers inKrümmel zu erteilen.“

Pressemitteilung

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Im Demonstrationsaufruf des Bündnis-ses heißt es: „Aus der Geschichte lernen,heißt Konsequenzen aus Rassenwahn,nationaler Überheblichkeit, Krieg undVölkermord zu ziehen.Die Ausstellung …leistet einen erheblichen Aufklärungs-beitrag, bringt zusätzliches Licht in ei-nen weitgehend tabuisiertcn Bereich desverbrecherischsten Abschnitts deutscherGeschichte. Um den Charakter desNS-Systems zu verleugnen und zu ver-harmlosen, wollen Alt- und Noonazis al-ler Gruppierungen Wie auch an anderenAusstellungsorten – gegen die weitereAufarbeitung der Geschichte demon-strieren. In Hannover hat die neofaschi-stische NPD für Samstag,den 19.12.98 zueinem Aufmarsch aller sog, „nationalenKräfte aufgerufen und

mobilisiert … Unter dem Motto„Schützt unsere Vater – stoppt die Verrä-ter“ soll nach … Eigenangaben mit rund3000 Teilnehmern die größte neofaschi-stische Kundgebung der letzten Jahr-zehnte inHannover … stattfinden. Wirwerden nicht hinnehmen, daß 60 Jahrenach der Reichspogromnacht Naziparo-len vor der Gedenkstätte der ehemaligenSynagoge gebrüllt werden; daß rechtsra-dikale Skinheads in SA-Manier das han-noversche Straßenbild prägen; daß Nazis

mit völkischen Parolen und sozialerDemagogie, von der hohen Arbeitslosig-keit und anderen gesellschaftlichen Pro-blemen profitieren und gleichzeitig vonden tatsächlichen Verursachern ablenkenkönnen; daß Brandstifter in Wort und Tatwie der rechtskräftig verurteilte Naziter-rorist und NPD-Spitzenkandidat inMecklenburg-Vorpommern, ManfredRoeder, unwidersprochen vor der als An-tikriegsmahnmal gewürdigten Ruine derAegidienkirche Verbrechen der Wehr-macht leugnen kann“.

Am 16.12.98 vermeldet die Hannno-versche Zeitung, daß PolizeipräsidentKlosa eine Kundgebung der NPD amKröpcke verboten habe. Begründung:„Er könne in der Innenstadt die Sicher-heit und Ordnung nicht mehr gewähre-leisten, wenn die Demonstration statt-findet. „Warum?“ „Es gebe Erkenntnissedarüber, daß 2000 bis 3000 Gegende-monstranten aus der linken autonomenSzene kommen wollten.“ „Wenn dieplötzlich aus der Menge Steine heraus-werfen,könnte es am Kröpcke eine Panikgeben.“ Ansonsten äußerte er zur NPD:„auch die NPD kann als legale Parteigrundsätzlich die verfassungsrechtlichgarantierte Versammlungsfreiheit in An-spruch nehmen,“ „In dieser besonderen

Situation sei aber die öffentliche Sicher-heit höher einzustufen.“ Außerdemäußerte er: „Wir werden am Wochenendegar keine Demonstration genehmigen.“(HAZvom16.12.98) Das Verwaltungsge-richt Hannover und Oberverwaltungsge-richt in Lüneburg genehmigten aber denMarsch der Faschisten. (HAZ vom19.12,98).

Am 19.12.98 demonstrierten 3000 An-tifaschisten zur Gedenkstätte der ehe-maligen Synagoge und von dort zur Rui-ne der Aegiedienkirche. Die noch am Tagzuvor genehmigte Route – Friedrichswallam Rathaus vorbei – war kurzfristig ver-boten worden und war bei Ankunft derantifaschistischen Demonstration vonPolizei, Reiterstaffeln, SEK usw. herme-tisch abgeriegelt. An der Ruine der Aegi-dienkirche betonte die DGB-Vorsitzendein ihrem Redebeitrag, daß die Antifa-schisten mit ihrer Demonstration ver-hindern konnten, daß die Faschisten ander Gedenkstätte der ehemaligen Syna-goge aufmarschierten. Sie forderte er-neut das Verbot der NPD.

Ca. 150 Neonazis, weniger als ange-kündigt – konnten unter dem Schutz derPolizei durch Stadt marschieren. Polizei-präsident Klosa hatte angesichts derEntscheidung des Oberverwaltungsge-richts verkündet: „Er stelle sich auf ei-nen Großeinsatz ein und werde 1500 Be-amten aufbieten, um die Sicherheit derBevölkerung zu gewährleisten. „ (HAZvom 19.12.98). Das ist Zynismus ange-sichts der Tatsache, daß die Polizei den150 Nazis den Rücken freihielt, so daß siemit NPD-Fahnen und der Reichskriegs-flagge aus der Südstadt über den Aegiund ein Stück den Friedrichswall nahedem Rathaus entlangmarschieren undfaschistische Parolen brüllen konnten.Hingegen war den Antifaschisten die vor-her festgelegte Route versperrt (sieheoben).

Am Opernplatz fand die Abschluß-kundgebung der Demonstration des an-tifaschistischen Bündnisses statt.WernerPfennig von der VVN-BdA forderte in sei-nem Beitrag das Verbot faschistischer Pu-blikationen, die Auflösung aller faschi-stischen Gruppen und das Verbot derNPD. anr

Kampf gegen Rechts

Protest gegen Naziauf-marsch in Hannover!HANNOVER. Auf Initiative von Gerd Bornernann, VVN/BdA, hatte einBündnis von DGB, HBV, ÖTV, DPG, Bündnis 90/Die Grünen, DKP,PDS, Jusos, Sozialistische Jugend, die Falken, VVN/BdA Nieder-sachsen, AStA. der evangelischen Hochschule Hannover, DFG-VKHannover, Internationale Liste Uni, Flüchtlingsrat Niedersachsen,u.a. zur Demonstration gegen den von der faschistischen NPD ge-gen die im Rathaus stattfindende Ausstellung „Vernichtungskrieg –Verbrechen der Wehrmacht 1941 – 1944“ für den 19.12.98 angekün-dig en Aufmarsch aufgerufen.

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HAMBURG. Montagmorgen, 14.12.: An derMoorweide starten, so richtig mit Durch-schneiden eines rot-weißen Bandes, 40Hamburger Schüler zur längsten Demon-stration, die es je in Hamburg gegeben hat.Einige meinen sogar, es sei die längste De-monstration der Welt. Verdächtig, ins Guin-ess-Buch der Rekorde aufgenommen zuwerden.

Eine Woche lang, 168 Stunden Tag undNacht, wollen 2000 SchülerInnen aus 70Schulen gegen die Verschlechterungen imHamburger Bildungswesen demonstrie-ren. Mindestens immer fünf von ihnenmarschieren mit einem Transparent,nachts auch mit Fackeln, von der Moor-weide zum Rathaus und von dort zurSchulbehörde. Dort versuchen sie überHandy, die Schulsenatorin zu erreichen –doch sie redet auch nicht mit den Schü-lerInnen. Nach zwei Stunden sind dieSchülerInnen zurück und übergeben dasTransparent wie eine Stafette an dienächsten. „Schule in Not“, nennen sie ih-re Aktion. „Wenn den Senat die großeZahl von 80.000 Demonstranten am 28.5.nicht beeindruckt hat, dann vielleichtunsere Ausdauer“, meint Steven Galling,Geschäftsführer der Hamburger Schüle-rInnenkammer, dazu.

Beim ersten Wechsel treffe ich trotz desheftigen Nieselregens nicht die eingetra-genen fünf SchülerInnen, sondern 30, diemitmachen wollen. Und es kommen alleAugenblicke mehr. „Neben der ständigakuten Lage an den Schulen ist es unswichtig, gegen einen Kritikpunkt anzu-gehen, der den SchülerInnen bei re-gulären Demonstrationen häufig vorge-halten wird: ,Ihr protestiert doch nur,weil dafür Schule ausfällt’, heißt es oft“,schreiben sie in ihrem Flugblatt, das dieganze Zeit neben der Demo an die Pas-santen verteilt wird. Und: „Wir fordern:Keine Einsparungen, sondern Schaffungneuer LehrerInnenstellen, keine Strei-

chung von Förder- und Teilungsstunden,Wiederbesetzung von freiwerdendenStellen, z.B. bei Pensionierung, keine Ar-beitsverlängerung für Lehrer, das Beibe-halten der Altersermäßigung, vernünfti-ge, moderne Ausstattung der Computerund ähnliches, Erneuerung und Überar-beitung der Materialbestände an denSchulen, Klassenfrequenzen von höch-stens 20 SchülerInnen.“ Darum prote-stieren sie gegen den Hamburger Eins-par-Haushalt.„Auf den ersten Blick tref-fen diese Maßnahmen hauptsächlich un-sere Lehrerinnen und Lehrer. Doch wirSchülerinnen und Schüler sind das letztGlied in der Kette.Wenn Lehrer mehr ar-beiten müssen und ältere Pädagogen zu-sätzlich keine Altersermäßigung mehrerhalten, dann können sie sich wenigerum uns kümmern.Sie haben weniger Zeitfür nachmittägliche Projektangebote,fürWandertage oder Klassenreisen. UnserSchulalltag wird farbloser. Unsere Zu-kunft auch“, schreiben sie.

Ich muß aus dem kleinen Bauwagen,den eine Firma aus Solidarität kostenloshingestellt hat und der als Demo-Zen-trale fungiert, in den Nieselregen hinaus,denn Enjoy-Radio und 3Sat-TV machenInterviews.Überhaupt ist das Presseechoenorm. Abends sammelt sich ein Fackel-zug von Eltern, zu dem die ARGE (Ar-beitsgemeinschaft von Elternräten anGesamtschulen) aufgerufen hat. „Wirwollen mit einem Fackelzug die Schüle-rInnen begleiten und unterstützen. DenAbgeordneten der Bürgerschaft rufenwir zu: Hände weg von den Schulen!Hände weg von der Bildung! … Gemein-sam sind wir stark. Lassen Sie uns ge-meinsam deutlich machen: Wir werden esnicht zulassen, daß an der Bildung unse-rer Kinder gespart wird! Keine Kürzun-gen im Bildungsbereich! Wir werden kei-ne Ruhe geben, bis Kürzungspläne imBildungsbereich vom Tisch sind!“, heißtes im Aufruf der ARGE. Auch die GEW

SchülerInnen protestieren

168 Stunden und 175 Kilometer lang

unterstützt die Schüleraktion.Über-haupt sind in diesem Jahr die Proteste ge-gen die Haushaltskürzungen besonderszahlreich: Im Gesundheitswesen (Hafen-krankenhaus), bei der Feuerwehr, gegendie Schließung von öffentlichen Bücher-hallen. 5000 Eltern haben, organisiertvon ÖTV und GEW, per Unterschrift ge-gen die Kürzungen bei den Kitas prote-stiert. Diese Protestunterschriften wur-den der zuständigen Senatorin Raab inder letzten Woche übergeben. 3000 Pro-testunterschriften von LehrerInnen sam-melte das Gymnasium Tonndorf.

Am Donnerstag letzter Woche überga-ben als Weihnachtsmänner verkleideteLehrerInnen Frau Raab Ruten auf derDeputationssitzung, die mit den Stim-men von CDU, SPD und GAL die um-strittene Überstundenregelung für Leh-rerInnen beschloß. „Weil nicht genugGeld in der Kasse ist, müßten die Lehre-rInnen eben bei Bedarf Überstunden lei-sten“, so der stellvertretende Landes-schulrat Schmitz zu den Demonstrantenvor der Schulbehörde. Vor wenigen Wo-chen protestierten die Gesamtschulel-tern, -lehrerInnen und -schülerInnen vorder SPD-Parteizentrale,dem Kurt-Schu-macher-Haus, weil die SPD ihr Reform-kind Gesamtschule sichtbar erdrosselt.Eine Woche zuvor demonstrierten Volks-hochschuldozenten gegen den Verkauf ei-nes VHS-Gebäudes und gegen Kürzun-gen.

Ungerührt und mit der Arroganz derRegierenden beschlossen die 120 Bürger-schaftsabgeordneten den Landeshaus-halt 1999 in Höhe von 18,51 Mrd. DM. Esist ein rigider Kürzungshaushalt: 1200Planstellen fallen weg. Zuschüsse zumöffentlichen Nahverkehr sinken, bei denKindergärten werden 27 Mio. DMgekürzt. Auch bei der Feuerwehr, denBücherhallen, der Kultur – Kürzungenüber Kürzungen. Für 1,4 Mrd. DM wer-den städtische Gebäude verkauft und an-schließend zurückgeleast. Obwohl dieAnzahl der SozialhilfeempfängerInnenin Hamburg als Folge der Arbeitslosig-keit ansteigt, soll der Sozialhilfeetatgleichbleiben. Obwohl bis zum Jahr 2001die Schülerzahlen in Hamburg ansteigen,sollen die PädagogInnenplanstellennicht vermehrt werden. Den protestie-renden Eltern, SchülerInnen,Volkshoch-schülern und Bücherhallenbenutzernklingt der Kernsatz der Haushalts-Ein-bringungsrede von Bürgermeister Rundewie Hohn in den Ohren: „Hamburg ist fitfür das nächste Jahr und für das nächsteJahrhundert.“ Realistischer, aber längstnicht ausreichend und schon gar nicht al-ternativ, sind die mahnenden Randbe-merkungen der Grünen FraktionschefinAntje Möller in der Debatte, Bonn mögenun endlich mehr Geld für die Kommu-nen und Länder herausrücken.

Erfreulich also, daß die Betroffenenfür ihre Interessen selber eintreten undlauthals öffentlich protestieren.

Horst Bethge, BildungspolitischerSprecher der PDS

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Seit über 30 Jahren leben und arbeitensie in Weinheim, zahlen Steuern und Ab-gaben. Am Morgen des 5.November fan-den sie sich auf einem Fragebogen wie-der zur „Sicherheitslage in Weinheim“,als Bedrohungsfaktor für die Bürger undBürgerinnen Weinheims und als ein „Pro-blem zum Ankreuzen“, aufgezählt mit„Schmutz und Müll“. Empört und ge-kränkt versuchten die ausländischenMitglieder des „Koordinierungskreiseszur Integration von Ausländern“ stell-vertretend für ihre Landsleute beimOberbürgermeister dagegen zu protestie-ren, gelangten aber nur bis zum Vorzim-mer. Während indessen der Oberbürger-meister in Cavaillon mit einer Weinhei-mer Delegation die 40jährige Städte-partnerschaft als Ausdruck der Freund-schaft mit unseren französischen Nach-barn feiern konnte, formierte sich zuHause der Widerspruch.

Widerspruch formiert sich

Die SchülerInnen eines Gymnasiums be-schlossen auf einer Vollversammlung, diefür sie vorgesehene Verteilung der Frage-bögen auszusetzen, empört über die Fra-ge, ob es in den Weinheimer Stadtteilen„zu viele Ausländer/Asylbewerber“ gä-be. Sie forderten eine öffentliche Stel-

lungnahme von den Verantwortlichen derUmfrage, einstimmig unterstützt vomSchulelternbeirat ihres Gymnasiums.

Der Arbeitskreis christlicher Kirchenin Weinheim äußerte sich in einem offe-nen Brief an den Oberbürgermeister be-sorgt über die suggestive Diffamierungund Stigmatisierung der durch den Fra-gebogen betroffenen Personengruppen.

Leserbriefe und Pressemitteilungenwurden geschrieben. Dies alles sowie dieEinwände des Koordinierungskreisesund des Arbeitskreises Asyl, aber auchdie von Parteien (SPD und Grüne) undEinzelpersonen mit deutschem Pass, be-wogen den Oberbürgermeister für denAbend des 12.November Kritiker zur öf-fentlichen Aussprache einzuladen.

Aussprache mit dem OB

Zu Beginn der dreistündigen Ausspracheerläuterten der OB und vier Vertreter derPolizei, darunter der verantwortlicheWissenschaftler des KriminologischenInstituts der Universität Heidelberg, Ge-schichte und Absicht des Fragebogens.Dieser ist eine mehrmals reduzierte Ver-sion einer vom baden-württembergi-schen Innenminister 1994 initiierten Be-fragung zur Kriminalprävention. Die inder Diskussion von den auf vielfache Wei-

se betroffenen Personen geäußerte poli-tische und methodische Kritik hatte amEnde die Rücknahme des Fragebogenszum Ergebnis – nicht aus Einsicht in dieEinwände, sondern weil dessen Effekti-vität für die Verantwortlichen nach derKritik nicht mehr gewährleistet war.

Sie haben nicht begriffen,dass die Me-thodenfrage und -wahl auch einen zu-tiefst menschlich-politischen Aspektberührt, weil sie nicht erkennen konnten,dass ihre Adressaten, die BevölkerungWeinheims, Bürger mit deutschem undnicht-deutschem Pass umfaßt; dass sieden „ausländischen“ Anteil der Bewoh-ner unserer Stadt suggestiv ausgrenzenund die Menschen beleidigen, wenn siemit Sachbeschädigungen in einer Befra-gungsreihe aufgezählt werden.

Die Wissenschaftler waren offensicht-lich nicht in der Lage, ihre vormethodi-sche Position in Ausländerfragen zu re-flektieren, weil ihnen auch in der bewegtgeführten Aussprache nicht zu vermit-teln war, dass sie mit ihren Fragen genaudas irrationale ausländerfeindliche Be-drohungspotential aufbauen, das zubekämpfen sie vorgeben.

Thema in der Kommune!

Mit dem Hinweis auf das Jugendhilfege-setz wurde der Lenkungsausschuss fürKommunale Kriminalprävention vonden anwesenden GemeinderätInnen auf-gefordert, Prävention nicht allein der Po-lizei zu überlassen, weil Prävention ge-nuine Aufgabe und Verantwortung derOrgane der Kommune, besonders des Ju-gendhilfeausschusses ist

Am Ende entschuldigte sich Oberbür-germeister Kleefoot sichtlich emotionalberührt von den Irritationen,die er selbstwie die Betroffenen in der Auseinander-setzung ertragen haben, bei den auslän-dischen Mitbürgern.

HE

Offener Brief der AG christlicherKirchen Weinheim

„Wir sind besorgt über die Umfrage zurSicherheitslage in Weinheim… Da wer-den z.B. Personengruppen als Problemdargestellt.Wir empfinden es empörend,daß dabei AusländerInnen und Asylbe-werberInnen als Gesamtgruppe in einerReihe stehen mit Sachverhalten wieSchmutz und Müll oder Zerstörungen.Wir sehen in einem solchen Fragebogeneine pauschale Stigmatisierung,der sich

die Betroffenen nicht entziehen können.Wir sind zutiefst besorgt über die Art derFragestellung, weil sie Vorurteile unterdem Mantel wissenschaftlicher Erhe-bung und Analyse eher mobilisiert unddamit den inneren Frieden gefährdet… Diese Aktion trifft uns in Tagen des Ge-denkens an die unheilvollen Vorgänge imDritten Reich. Auf diesem historischenHintergrund bitten wir, den Fragebogengründlich zu überarbeiten, um damit ei-ner möglichen Ausgrenzung frühzeitigund entschlossen entgegenzutreten.H.Blöchle, Dr.A.Schäfer“

Fragebogenaktion

„Bedrohungsempfinden“ schürenoder abbauen?

WEINHEIM. In Weinheim an der Bergstraße wurde durch Polizeiund Stadtverwaltung eine Fragebogen-Aktion vorbereitet undöffentlich vorgestellt. Damit sollten Befindlichkeiten über die„Sicherheitslage in Weinheim“ abgefragt werden. Die danachsofort einsetzende öffentliche Diskussion hat dazu geführt, daßder Bogen erst mal eingestampft wird. Die Schülerschaft einesGymnasiums hatte diese Diskussion rasch begonnen, diechristlichen Kirchen, Pfadfinder, Koordinierungsbeirat der aus-ländischen Menschen in Weinheim, Arbeitskreis Asyl, DGB, Ein-zelpersonen und auch GemeinderätInnen von SPD und GAL ha-ben sie engagiert geführt. Dazu ein Bericht aus dem Lokalblatt„Gegenwind“.

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Erwerbslosenparlamentfordert „öffentlichen Beschäftigungssektor“Bereits am 30. Oktober trafen sich inMecklenburg-Vorpommern Vertreter/innenvon Arbeitslosengruppen, Gewrkschaftenund andere zu einem „Erwerbslosenpar-lament“. Die PDS-Zeitung „Offenes Blatt“veröffentlichte jetzt die „Willenserklärung“dieses Erwerbslosenparlaments. Darinheißt es u.a.:

„Wir haben heute unsere Vorstellungenzur spürbaren Senkung der Arbeitslo-sigkeit, insbesondere durch die Schaf-fung eines öffentlich geförderten Be-schäftigungssektors (ÖBS) dargelegt.

Wir verstehen den ÖBS als eine Zu-kunftsinvestition, der neben der Pri-vatwirtschaft und dem öffentlichenDienst ein neues Element auf dem er-sten Arbeitsmarkt ist.

Er soll sich ausschließlich an ge-meinnützigen Zielen und am Gemein-wohl orientieren. Hier soll die Arbeits-kraft, die Kreativität des Menschen imsozialen, ökologischen und kulturellenBereich durch sinnvolle Arbeit einge-bunden werden.

Wir fordern, daß soziale, kulturelleund ökologische Projekte nicht durchbefristete personelle Einzelmaßnah-men, sondern durch aufgabengbezoge-ne Fördermittel finanziert werden.

Der ÖBS kann und soll die dauer-hafte Erfüllung der gesellschaftsnot-wendigen Aufgaben sichern und zu-gleich feste Arbeitsverhältnisse schaf-fen. Wir fordern die Finanzierung vonArbeit statt Arbeitslosigkeit.

Wir geben dem neugewählten Parla-ment 100 Tage Zeit … Zugleich erklärenwir unsere Bereitschaft, aktiv an derAusarbeitung der entsprechenden Ge-setzesvorlagen mitzuarbeiten. Dafürgründen wir einen Erwerbslosenbeirat…“ (Offenes Blatt, Dez. 98)

„Polizeiskandal in Mecklenburg-Vorpom-mern. Auftritte rechtsextremer Bands undLiedermacher nicht verhindert“, meldetenam 11.12. der Berliner „Tagesspiegel“ undandere Zeitungen. Mehrere neofaschisti-sche Bands hatten bei Skinhead-Konzertenunbehelligt von der Polizei ihre Hetze ver-breiten können, die bis zu 600 Skinheadsdie Bevölkerung eingeschüchtert, ohne daßdie Polizei einschritt. Nach Protesten schrittdie Polizei dann beim nächsten Konzert einund löste es auf. Hier ein Beitrag des Spre-chers für Antifaschismus der PDS-Fraktionim Landtag zur Diskussion in Mecklenburg-Vorpommern um diese Fragen.

„Bekämpfung des Rechtsextremismus“.Unter dieser Überschrift finden sich imKoalitionsvertrag zwischen SPD undPDS in Mecklenburg-Vorpommern dreiPunkte, die den Willen der Koalitions-partner ausdrücken, die Zurückdrän-gung von rechtsextremem, neofaschisti-schem und ausländerfeindlichem Gedan-kengut als politische Querschnittsaufga-be zu verstehen und ihr hohe Prioritätbeizumessen.

Vor dem Hintergrund, daß im Land am13. Juni 1999 nicht nur die Europawah-len, sondern auch die Kommunalwahlenstattfinden und rechtsextreme Parteienund Gruppierungen somit nahtlos vomLandtagswahlkampf zum Kommunal-wahlkampf übergehen können,gibt es al-so keinen Grund, mit der Umsetzung derFestlegungen des Koalitionsvertragesnicht sofort zu beginnen. Diese politischeAbsichtserklärung bleibt aber eine Ab-sichtserklärung, wenn es nicht gelingt,Menschen „vor Ort“ zu sensibilisierenund zu mobilisieren.

Aus diesem Grund trafen sich Vertre-ter der PDS-Landtagsfraktion und Ver-treter des „Ratschlages gegen Rechts“,um über weitere gemeinsame Schrittenachzudenken. Die in der Koalitionsver-handlung (noch) gescheiterte Einrich-tung eines „Zentrums für DemokratischeKultur“ spielt dabei genauso eine Rolle,wie die notwendige Aufklärungsarbeitunter Jung- und ErstwählerInnen imHinblick auf die in Gang gebrachte Her-absetzung des Kommunalwahlalters auf16 Jahre.

Auch wenn die zur Zeit nicht stattfin-denden Aufmärsche der Rechten das Bildeiner „gewissen Ruhe“ vermitteln, lebtdie rechtsextreme Szene. MehrereSkinhead-Konzerte „lockten“ hunderteBesucher in zumeist kleine Gemeinden.Nach „Deutschland den Deutschen“ undähnlichen Parolen wurde das mir zuletztbekannt gewordene „Konzert“ am 12.12.von der Polizei aufgelöst. Ich vermute,daß das nächste „Konzert“ nicht langeauf sich warten läßt.

Was bleibt, ist ein wiederholter Appellan Wirte und Pächter, bei „privaten Ge-burtstagsfeiern“ mit hundert Leuten undmehreren Bands nicht nach „wirtschaft-lichen Gründen“ zu entscheiden,sondernvorher zu prüfen, anstatt nachher zu be-dauern.

Auch im Landtag schien ein Überle-gungsprozeß eingesetzt zu haben. „DieGedenkstättenarbeit im Land Mecklen-burg-Vorpommern ist weiterhin auf ho-hem Niveau zu unterstützen. Dabei ist zuprüfen, inwieweit der Besuch von Ge-denkstätten durch alle Schulklassen desLandes Mecklenburg-Vorpommern obli-gatorisch werden kann.“ Dieser Satz

Mecklenburg-Vorpommern

PDS-Fraktion beriet mit dem„Ratschlag gegen Rechts“

Protest gegen neue REP-Zentrale in BerlinMehrere hundert Menschen protestiertenam 15. Dezember mit einer Kundgebung imBerliner Stadtteil Pankow gegen die neueBundeszentrale der neofaschistischen „Re-publikaner“. Die Partei hat sich einen Miet-vertrag für das gesamte ehemalige Garten-haus des jüdischen Fabrikanten Garbátyverschafft und will dort ihre Bundesge-schäftsstelle und den Landesverband Ber-lin unterbringen. Die Nachkommen des beider „Arisierung“ um seinen Besitz ge-brachten Fabrikanten hatten vor einiger Zeitsich mit einer geringen Entschädigung ab-gefunden. Das Haus war vor kurzem an ei-nen Berliner Zeitarbeitsfirmen-Besitzer ver-kauft worden. Dessen Frau sitzt anschei-nend im Bundesvorstand der Republikaner.Als „unerträglichen Zynismus und eine Ver-

höhnung aller von den Nazis verjagten undermordeten Juden“ bezeichneten auf derKundgebung Vertreter der SPD, der PDS,der jüdischen Gemeinde und andere, daßnun diese Villa zum „Sammelpunkt rechts-extremistischer Aktivitäten“ werde. DieMehrheit der Abgeordneten im Berliner Ab-geordnetenhaus, Bezirksvertreter, Schüle-

rinnen und Schüler und viele andere habengegen die Nutzung der Villa durch die „Re-publikaner“ protestiert. Die Reps wollen denPDS-Baustadtrat in Pankow wegen „Nöti-gung, Bedrohung und Verletzung daten-schutzrechtlicher Bestimmungen“ verkla-gen, ebenso den Vorsitzenden der Jüdi-schen Gemeinde Berlin, Nachama. (rül)

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PB 2698 • REGIONALES AUS WEST UND OST 17

NOCH MEHR VERKEHR?Elmshorn. Die Stadt ver-

zeichnet bei den Parkge-bühren sinkende Einnahmen.

Waren es 19967 noch 849 000 DM, so sol-len es 1998 nur noch 700 000 DM wer-den. Um die Verwaltungskosten zu sen-ken, und die Innenstadt für die Käufernoch attraktiver zu machen, verhandeltdie Stadtverwaltung mit den Geschäfts-leuten über eine Parkgebührenerstat-tung bzw. eine Pauschale für kostenlo-ses Parken von 500 000 DM an die Stadt.Damit sollen dann alle Probleme gelöstwerden.Die Stadt kassiert und kann sichzurücklehnen. Aber denkste! Die Be-lastbarkeit im Starßenverkehr über-schreitet in Stoßzeiten schon jetzt dieGrenzen. Ein Mehr an Autoverkehr istkaum noch möglich. Die Folge: nochmehr verstopfte Straßen, blockierteKreuzungen und ein vorprogrammiertesVerkehrschaos. Als Alternative bietendie WEG/Die Grünen in ihrem Leitbild„Stadt der kurzen Wege“ eine Grundla-ge für eine Diskussion über eine bessereInnenstadtgestaltung.

„SAUBERE INNENSTADT“: Frankfurta.M.OB Roth und Polizeipräsident Hoff-mann heizen die Stimmung gegen sog.Randgruppen und für verschärftes Vor-gehen gegen diese weiter an. In ihrem öf-fentlich geäußerten Bedauern darüber,daß die Gefahrenabwehrverordnungnicht durchgesetzt werden konnte, ge-ben sie gleichzeitig zu, daß es nicht ge-gen konkrete Straftaten gehe, sonderngegen das „Schmuddelbild“, das die In-nenstadt biete. In diesem Zusammen-hang soll z. B. die Polizei gegen Alko-holkonsumenten auf der Straße einge-setzt werden. Nach einem Urteil des Ba-den-Württembergischen Verwaltungs-gerichtshofes ist ein Alkoholverbot imöffentlichen Raum jedoch rechtswidrig.Alkoholkonsum verstoße weder gegendie öffentliche Sicherheit, noch gegendie öffentliche Ordnung. LOBBY fordertdementsprechend die sofortige Einstel-lung der bereits jetzt gängigen Maßnah-men des Ordnungsamtes gegen Woh-nungslose oder andere Personen, die Al-kohol außerhalb der ausgewiesenenSchankflächen konsumieren.

GEWERBESTEUER: Bonn. NRW-Mi-nisterpräsident Clement und Bundes-kanzler Schröder haben sich darauf ver-ständigt, bei der GewerbeertragssteuerEntlastungen für kleine und mittlereUnternehmen einzuführen. Dazu sollder Freibetrag auf dann 96 000 DM ver-doppelt werden. Die entstehenden Steu-erausfälle von 2 Mrd. DM jährlich sollenden Kommunen von Bund und Ländernerstattet werden.

STEUERREFORM: Bonn. Die Bundes-vereinigung der kommunalen Spitzen-verbände befürchtet durch die Steuerre-

form Mindereinnahmen von 1,5 bis 2Mrd. DM im Jahr. Bereits durch die Kin-dergeldanhebung ab 1999 entstehen denKommunen Steuerverluste von minde-stens 700 Mio. DM, da Bund und Ländereinen Ausgleich durch die Anhebung desGemeindeanteils an der Einkommen-steuer von derzeit 15 % verweigerten.Aufebenfalls 700 Mio. DM werden die Ein-bußen durch den Wegfall der Pauschal-besteuerung von 620-DM-Jobs ge-schätzt. Auch dieser Betrag müsse aus-geglichen werden.Die Vereinigung warn-te zugleich vor einer weiteren „Demon-tage der Gewerbesteuer“ im Rahmen dergeplanten Unternehmenssteuerreform.Die Kommunen müßten an der vorberei-tenden Kommission beteiligt werden.

INFRASTRUKTUR: Berlin.Das Institutfür Wirtschaftsforschung Halle (IWH)befürchtet angesichts rückläufiger kom-munaler Investitionen in die ostdeutscheInftrastruktur nachhaltige Verwerfun-gen im ostdeutschen Aufbauprozeß.Von1992 bis 1997 seien die jährlichen Infra-strukturausgaben der Kommunen von18,7 auf 13,3 Mrd. DM zurückgegangen.Dabei lasse sowohl die Quantität alsauch die Qualität der ostdeutschen In-frastrukturausstattung zu wünschenübrig. Der Rückgang sei vor allem durchdie Bedrohung der kommunalen Schul-dendienstfähigkeit ausgelöst worden.Abhilfe könnte nach Auffassung desIWH eine Änderung in der Struktur derFörderpolitik. Zum einen solle die För-derung mittels zweckgebundener Inve-stitiionszuweisungen an die BereicheStraßeninstandsetzung und Straßenbaukonzentriert werden. Alle übrigen Zu-weisungen und Zuschüsse sollten dage-gen zur freien investiven Verwendung andie Kommunen gegeben werden.

BÜNDNIS FÜR ARBEIT: Wuppertal.Der Kommunale ArbeitgeberverbandNRW (KAV NW) und die Vereinigung derkommunalen Arbeitgeberverbände(VKA) haben das zwischen der StadtWuppertal und der ÖTV geschlossenekommunale Bündnis für Arbeit ange-griffen.Sie warfen der Stadt „eklatantenBruch der Arbeitgebersolidarität“ vorund leiteten ein Ausschlußverfahren ausdem Verband ein. Grund ist die enthalte-ne Vereinbarung, daß öffentlich geför-derte Beschäftigung auf der Grundlageder Bundesmanteltarifverträge erfolgensoll, m. a. W.: Tariflohn für ABM-Kräfte.Dies will die Stadt auch garantieren,wenn die Refinanzierung nur unter Ta-rifniveau geschehe.ABM-Kräfte könnenansonsten bis zu 20 % unter Tarif bezahltwerden. Eine tarifliche Entlohnung derABM-Kräfte auf dem Niveau des öffent-lichen Dienstes vernichte nach Ansichtder KVA Chancen für Arbeitslose. Ober-bürgermeister Kremendahl und die ÖTVwiesen diese Vorwürfe zurück.

Zusammenstellung: ulj

KKOOMMMM

UUNNAALLEE

KKOOMMMM

UUNNAALLEE

PPOOLLIITTIIKK

PPOOLLIITTIIKK

stammt aus einem Antrag der letztenLandtagssitzung. Einreicher: CDU.

Ja, ich mußte, nachdem ich diesenPunkt gelesen hatte, noch einmal nach-sehen, wer der Einreicher ist. Sind es dieharten Oppositionsbänke,die die CDU zudiesen Erkenntnissen unter der Über-schrift „Bekämpfung des politischen Ex-tremismus“ gebracht haben? Einen Au-genblick habe ich mir vorgestellt, wirhätten in der letzten Legislaturperiodeeinen Antrag zum obligatorischen „Be-such von Gedenkstätten“ gestellt. DieWorthülse vom „verordneten Antifa-schismus“ wäre noch das geringste ge-wesen, was uns die CDU entgegenge-schleudert hätte!

Nun gut. Schaut man sich den Antragdann genau an, wird die Zielrichtungschnell klar: „Der Einsatz für die Akzep-tanz des parlamentarischen Regierungs-systems schließt den Kampf gegen poli-tischen Extremismus von links undrechts (man beachte die Reihenfolge –P.R.) ein.“

Diese Feststellung reiht sich ein in dieBemerkungen der Herren Hintze undHauser, die noch im Sommer meinten,nicht der Rechtsextremismus ist die ei-gentliche Gefahr, sondern der Linksex-tremismus, sprich: die PDS.

Auch in ihrer eigenen Wahlanalysekommt die CDU noch nicht zu den Er-kenntnissen, die sich hinter dem Antragvermuten lassen.

Herr Rehberg stellt fest, daß die CSUin Bayern vorgemacht habe, „daß manmit einer stringenten Politik in den Be-reichen Innere Sicherheit, Rechtspolitik,Ausländer- und Asylrecht gute Wahler-gebnisse erreichen und auch Wähler desrechten Randes binden“ könne.

Will man so „politischen Extremis-mus“ bekämpfen? Kurz vor der Behand-lung des Antrages stellte der abgewählteHerr Seite fest, daß man etwas bei der„Revolution 1989“ versäumt habe (denEinsatz des Flammenwerfers?) und daßdie neue Regierung eine „nationaleSchande“ sei.

Ist das kein politischer Extremismus?Aus Sicht der CDU sicher nicht, denn ge-gen die Äußerungen Seites hat sich nochkeiner seiner Parteifreunde ausgespro-chen.

Alles in allem bleibt so ein fader Nach-geschmack bei diesem CDU-Antrag, derdie wahren Gefahrenpotentiale und de-ren Ursachen nicht benennt. So gingdann auch ein Änderungsantrag von PDSund SPD der CDU schon zu weit (– wasdie Rolle des „Verfassungsschutzes“ an-geht, allerdings nicht weit genug), so daßdie CDU ihren Antrag zurückzog.

Es bleibt aber die Hoffnung, daß auchdie CDU im bevorstehenden Kommunal-und Europawahlkampf Farbe bekenntund sich in die „Bündnisse gegen rechts“einreiht. Nur so werden aus „neuen Er-kenntnissen“ auch konkrete Taten.

Peter Ritter ist Sprecher für Antifaschis-mus der PDS-Landtagsfraktion.

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18 AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN • PB 26/98

DIENST NACH VORSCHRIFTbeim Orchester der Deutschen

Oper: Erstmals mußte das Ballett derDeutschen Oper zu Musik vom Band tan-zen. Die Oper „Salome“ konnte dagegengar nicht aufgeführt werden. Der Grund:Senator Radunski hat einseitig beschlos-sen, die Medienpauschale für das Orche-ster ab 1.1.99 zu kündigen. Pro Monatverlieren die Musiker damit 800 Mark.Verärgert sind sie darüber hinaus, daßparallel die Musiker der Staatsoper Un-ter den Linden eine monatliche Gehalt-serhöhung von 400 Mark erhalten.

Die Musiker machen deshalb Dienstnach Vorschrift. Hinzu kommt ein hoherKrankenstand. Normalerweise springendann Musiker aus anderen Orchesternein. Aus Solidarität ist jedoch keiner dergewerkschaftlich gut organisierten Mu-siker derzeit hierzu bereit. Ein einmali-ger Vorgang, so die Presse.

Während die Kultursenatsverwaltungmit Konsequenzen droht, verweist derVorsitzende der DOV-Gewerkschaft(Deutsche Orchester-Vereinigung) dar-auf, daß die Musiker im Sommer bereitsangeboten hatten, auf 2/3 ihres Weih-nachtsgeldes zu verzichten, wenn im Ge-genzug die Medienpauschale nicht ganz,sondern nur um 50% gekürzt wird. Au-ßerdem liegt der Entwurf für einen Ta-rifvertrag für sämtliche Orchester Ber-lins seit Juni vor, in welchem Aushilfs-dienste der Musiker im Rahmen ihrer Ar-beitszeit sogar unentgeldlich erbrachtwerden sollen. Senator Radunski gehendie Zugeständnisse der DOV jedoch nichtweit genug. har

STREIK IN CITIBANK-CALL-CEN-TERN. Mehrere hundert Beschäftigtevon Call-Centern der Citibank im Ruhr-gebiet legten am 8.12.1998 die Arbeit nie-der. Aus dem Versuch von 200 protestie-renden Gewerkschaftern aus Bochumund Duisburg, in der Citibank-Zentralein Düsseldorf eine Resolution abzugeben,wurde allerdings nichts: Die Bank schloßdie Türen und empfing niemanden. Hin-tergrund der Proteste sind Umstruktu-rierungen bei der Citibank. Allein in Bo-chum erhielten 450 Beschäftigte ihreKündigung, mit der Maßgabe, sich dochin Duisburg zu bewerben. Unter demStrich rechnet die Gewerkschaft HBVmit mehreren hundert Arbeitsplätzenweniger – zumeist 620 DM-Jobs.Die HBVfordert darüber hinaus tarifliche Rege-lungen. Bisher gibt es für kein einzigesder ausgegründeten Call-Center einenTarifvertrag, obwohl dieser Sektor vonder rot-grünen Landesregierung dochmassiv gefördert wird. wof

HANDELS-BESCHÄFTIGTE GEGENLANGEN SAMSTAG. Mit den Stimmenvon SPD und CDU, gegen die der Grünenhat der Stadtrat von Essen Ende Novem-ber einen weiteren langen Samstag ge-nehmigt. Am 2.1.1999 dürfen die Ge-schäfte in der Innenstadt bis 18 Uhr auf-bleiben, um das Nach-Weihnachtsge-

schäft zu fördern. Da eine solche Son-dergenehmigung mit einer Veranstaltungverknüpft sein muß, erfand die Verwal-tungsspitze eine: Den Abschluß der dies-jährigen „Essener Lichterwochen“. Be-triebsräte und die Gewerkschaften HBVund DAG hatten schon vorher unter Ver-weis auf die ohnehin hohe Belastung derBeschäftigten protestiert. Auch derHauptverband des Deutschen Einzel-handels hielt eine Genehmigung für aus-geschlossen. Die DAG bekräftigte ihreKritik jetzt erneut. Der Kaufhof-Be-triebsrat hält den Beschluß des Ratesschlicht für rechtswidrig: „Wir verstehennicht, welches öffentliche Interesse ander Beendigung der Lichtwochen be-steht.“ wof

GEGEN NEUREGELUNG 620-DM-JOBS. Folgendes Protestschreiben ver-anlaßt die Frauensekretärin der IG Me-dien an Kanzler, Finanzminister, Ar-beitsminister und Frauenministerin: Wirprotestieren gegen die Neuregelung zurGeringfügigkeitsgrenze und fordern dieAbschaffung sozial ungeschützter Teil-zeitarbeitsverhältnisse

Sehr geehrte(r),schon seit vielen Jahren fordern wir die

Einbeziehung der geringfügig Beschäf-tigten in die Systeme der sozialen Siche-rung mit allen Rechten und Pflichten.Mitder von der Bundesregierung vorgestell-ten Neuregelung rückt dieses Ziel in wei-te Ferne. Denn durch die geplante Neu-regelung besteht für die Arbeitgeberauch weiterhin der gesetzliche Anreiz,sich Wettbewerbsvorteile auf Kosten derBetroffenen zu verschaffen. Mit der Fol-

ge, daß auch weiterhin Hunderttausendeexistenzsichernde Voll- und Teilzeitar-beitsverhältnisse in geringfügige Be-schäftigungsverhältnisse umgewandeltwerden.

Unsere Kolleginnen und Kollegen hat-ten mit der Wahl der rot/grünen Bundes-regierung auch erwartet, daß diese eindeutliches Signal gegen jeglichenMißbrauch ungeschützter Arbeitsver-hältnisse gesetzt hätte. Statt dessen sol-len die Arbeitgeber die bisherige Pau-schalsteuer nun in den Topf der Sozial-kassen zahlen, ohne daß den Beschäftig-ten ein eigenständiger Anspruch auf Ren-ten- und Arbeitslosenversicherung ga-rantiert wird.

Insbesondere Frauen sind geringfügigbeschõftigt. Mit der präsentierten Neu-regelung rückt eine eigenständige Exi-stenzsicherung der Frauen in weite Fer-ne.Sie befördert auf lange Sicht das Leit-bild der dazu verdienenden (Ehe-)Frau.Das erste Machtwort des BundeskanzlersSchröder ist gerade für die Frauen einSchlag ins Gesicht. Denn vor allem Frau-en waren es, die die neue Bundesregie-rung gewählt haben, in der Hoffnung aufmehr Chancengleichheit und Gerechtig-keit.

Wir fordern die Bundesregierung auf,die Geringfügigkeitsgrenze abzuschaf-fen. Statt Billiglöhne staatlich zu sank-tionieren oder zu subventionieren for-dern wir eine Beschäftigungspolitik, diees allen Menschen ermöglicht, einer exi-stenzsichernden Erwerbsarbeit nachge-hen zu können.

Zusammenstellung: alk, har

Rund 14000 Schüler, Studierende und Lehrer haben am 16.12.98 vor dem Pots-damer Landtag gegen die von der Landesregierung geplante Kürzung des Bil-dungsetats und Erhöhung der Pflichtstundenzahl für Grundschullehrer de-monstriert. Neben den Gewerkschaften im öffentlichen Dienst und dem DGBriefen auch Landesschülerrat, Studentenrat und der Senat der Universität Pots-dam zu dieser Kundgebung auf. Die GEW fordert den Rücktritt der Bildungs-ministerin Angelika Peter (SPD) und wird in dieser Forderung auch von derPDS Brandenburg unterstützt. Peter wird u.a. Wortbruch vorgeworfen. Lehrerin Brandenburg sind i.d.R. nur mit Teilzeitverträgen (60% der regelmäßigen Ar-beitszeit) und erhalten darüber hinaus 86,5% des Westtarifs. Brandenburg istbei den Bildungsausgaben absolutes Schlußlicht in der BRD. – (har)

Page 19: Politische Berichte Nr.26 / 1998

Aktionstag am 4. 12.

Hafenarbeiter und See-leute erfolgreich!Die ÖTV sowie die ITF haben am 4. Dezem-ber zu einem weltweiten Aktionstag gegenBilligflaggenschiffe aufgerufen. Motto war:„Billigflagge? Deregulierung? Nein, danke!“

Dieser Tag sollte an den ersten welt-weiten ITF-Boykott erinnern, der in dieGeschichte als „PANHONLIBCO-Boy-kott“ eingegangen ist und auf den Tag vorgenau 40 Jahren lief. Er dauerte 4 Tage,und es wurden weltweit über 200 Schif-fe bestreikt.

In einem Flugblatt forderte die ITF:• Politische Maßnahmen zur Abschaf-

fung des Billigflaggensystems• Die Durchsetzung internationaler

Sozial-,Sicherheits- und Umweltnormenauf allen Schiffen, unabhängig von derjeweiligen Flagge

• Die Achtung von Menschen und Ge-werkschaftsrechten, wie z.B. das Recht,einer Gewerkschaft beizutreten, sowiedas Recht auf Kollektivverhandlungenzur Verbesserung der Arbeitsbedingun-gen

• Die Beendigung antigewerkschaftli-cher Praktiken

In Hamburg hatten sich für den Akti-onstag ca. 40 Aktivisten der ÖTV (Hafen-arbeiter, Seeleute und Senioren) bereiterklärt, in Trupps Schiffe ohne ITF-Ta-rifverträge aufzusuchen und sie aufzu-fordern, einen solchen mit der ITF abzu-schließen.

Am Schuppen 80 trafen sie bei derHansa-Umschlagsgesellschaft auf dieunter Zypern-Flagge fahrende „Rick-mers Dalian“. Die Rickmers Linie ist ei-ne Tochter der Hapag-Lloyd Reederei,dieihren Aktionären in diesem Jahr geradeerst wieder eine Erhöhung der Dividen-de von 15% auf 20% zugesagt hatte. Derüberwiegende Teil der Besatzung warenphilippinische Seeleute mit einer durch-schnittlichen monatlichen Heuer von 300US $. Das Schiff befand sich technisch ineinem sehr schlechten Zustand. Nach-dem der britische Kapitän es abgelehnthatte, mit der ITF einen Vertrag zu zeich-nen, forderte Klaus Meyer von der ÖTV

gegen 11.00 Uhr die an diesem Schiff zurArbeit eingeteilten Hafenarbeiter auf,das Beladen des Schiffes zu boykottieren.Dies wurde unter großem Medieninteres-se (mehrere Fernsehteams waren vor Ort)dann auch in die Tat umgesetzt.Um 15.45Uhr konnte dann das von großem Jubelbegleitete Ergebnis bekanntgegebenwerden. Der zypriotische Makler hattesich verpflichtet, für dieses Schiff mit derITF einen Vertrag zu zeichnen, der denMannschaftsdienstgraden jetzt einendurchschnittlichen Verdienst von 1700US $ monatlich zusichert. Bei der Unter-richtung der Besatzung durch den ITF In-spektor über diesen Erfolg bedankte siesich mit Tränen in den Augen bei allenUnterstützern der Aktion für dieses schö-ne Weihnachtsgeschenk. Während dieserAktion konnten in den deutschen Seehä-fen für 12 Schiffe ITF-Verträge gezeich-net oder verlängert werden.

WN, Lokalberichte Hamburg

PB 26/98 • AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN 19

5,5 % mehr Einkommen, volles Weihnachts-geld, mehr Ausbildungsplätze, Berücksich-tigung der unteren und mittleren Einkom-men, so lauten zusammengefaßt die Tarif-forderungen der ÖTV für die kommende Ta-rifrunde, die am 29. Januar in Stuttgart be-ginnt.

So einheitlich wie das Abstimmungser-gebnis von 115 Ja- zu 12-Neinstimmenfür dieses Tarifpaket auch aussieht, umdie einzelnen Bestandteile wurde teil-weise heftig gestritten: Ein Antrag fürErhöhung der Forderung auf 6 % wurde„mehrheitlich“ abgelehnt, ein weitererAntrag auf Konkretisierung eines Min-destbetrages wurde „mit großer Mehr-heit“ abgelehnt.Die Forderung nach voll-em Weihnachtsgeld (Zuwendung),das in-folge des Einfrierens auf dem Stand von1993 inzwischen 92,39 % im TarifgebietWest und 69,30 % im Tarifgebiet Ost be-trägt, wurde – gegen den Wunsch des ge-schäftsführenden Hauptvorstandes(gHV) – mit 64 zu 42 Stimmen aufge-nommen.

Auch die Forderung zu den Auszubil-denden geht über den ursprünglichenVorschlag des gHV hinaus und spiegeltdie Diskussion in den Bezirken wider, diefast einhellig die Bedeutung dieses The-mas durch Aufnahme in ihre Forde-rungsempfehlungen betonten.

Ein trauriges Kapital ist wie immer dieAuseinandersetzung um die Struktur der

Forderung. 9 von 16 Bezirken fordertendie Stärkung der unteren und mittlerenEinkommensgruppen durch Forderun-gen nach Mindest- oder Festbeträgen.Darunter waren große Bezirke wie Bay-ern, Baden-Württember, Niedersachsenund Nordrhein-Westfalen II. Trotzdem

gelingt es dem geschäftsführen Haupt-vorstand hier immer wieder, dieses An-liegen abzubügeln. Mit Argumenten wiedem, daß die Tabellenstruktur und damitdas Lohngefüge gefährdet würde und„verhandlungsstrategisch äußerst pro-blematisch“ sei,wird die bestehende Ein-

Öffentlicher Dienst

Große Tarifkommission beschließt Forderung

Dokumentiert: Der Beschluß der großen Tarifkommission

Forderungen zur Tarifrunde 1999 öffentli-cher Dienst für die Tarifgebiete West undOstIn den Tarifgebieten West und Ost wer-den die Löhne und Vergütungen der Ar-beiterinnen, Arbeiter und Angestelltensowie die Orts- und Sozialzuschläge undZulagen, die Ausbildungsvergütungender Auszubildenden nach den Mantelta-rifverträgen für Auszubildende,die Aus-bildungsvergütungen der Schülerinnenund Schüler in der Krankenpflege,Krankenpflegehilfe und Geburtshilfe,die Entgelte für Praktikantinnen undPraktikanten sowie der Ärztinnen undÄrzte im Praktikum ab 1. Januar 1999um 5,5 % erhöht. Die Zuwendung istwieder auf ein volles Monatsgehalt zuerhöhen. Bei der Erhöhung der Einkom-men sind die unteren und mittleren Ein-

kommensgruppen besonders zu berück-sichtigen.

Die Laufzeit der Tarifverträge beträgt12 Monate.Für mehr Ausbildungsplätze und Übernah-me: Auszubildende, die in Ausbildungs-berufen ausschließlich für den öffentli-chen Dienst ausgebildet werden,werdenin unbefristete Arbeitsverhältnisseübernommen.Auszubildende in anderenAusbildungsberufen sowie Schülerin-nen und Schüler in der Krankenpflegeund Geburtshilfe sind befristet für 12Monate in ein Arbeitsverhältnis zu über-nehmen, sofern eine unbefristete Über-nahme nicht möglich ist.

Die Arbeitgeber des öffentlichenDienstes sind ebenso wie die der Privat-wirtschaft aufgefordert, jungen Men-schen durch die Schaffung zusätzlicherAusbildungsplätze eine berufliche Per-spektive zu eröffnen. Die schließt dieÜbernahme nach erfolgreich abge-schlossener Ausbildung ein.

(Abstimmungsergebnis 115:12:2)

Page 20: Politische Berichte Nr.26 / 1998

20 AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN • PB 26/98

kommensspreizung im öffentlichenDienst nicht nur aufrechterhalten, son-dern weiter vergrößert. Daß dies nichtdem Willen der Mehrheit der ÖTV-Mit-glieder, wohl aber dem der der Tarifkom-mission entspricht, gehört zu diesemtraurigen Kapitel.

Forderungen zur Arbeitszeit oder zurweiteren Anpassung des TarifgebietesOst an West standen aufgrund der Lauf-zeit der Tarifverträge nicht zur Diskussi-on. har

Augsburg

Fluglotsen streiken gegen Zweiklassen-bezahlungAm 14. Dezember haben die Fluglotsen derRegionalflughäfen erstmals einen Warn-streik durchgeführt, um ihre Forderung nachGleichbehandlung mit den Kollegen aus derDeutschen Flugsicherung (DFS) durchzu-setzen.

Da gesetzlich vorgeschrieben ist, daßFluglotsen nur bis zum 57. Lebensjahrarbeiten dürfen, bekommen die DFS-Lotsen ihr Gehalt nach dem Ausscheidenbis zum Rentenbeginn in Höhe von bis zu75 Prozent weiterbezahlt. Die Lotsen derRegionalflughäfen werden dagegen aufdie Arbeitslosenunterstützung verwie-sen. Seit vier Jahren nun kämpfen sie ge-gen diese Ungleichbehandlung (u.a. auchfür eine gleiche – bezahlte – Pausenrege-lung wie im Tarifwerk für die DFS). InAugsburg konnte sich nur einer von achtLotsen an dem eineinhalbstündigen Aus-stand beteiligen, da er der einzige ist, dernach Bund/Länder Besoldungstarif be-zahlt wird. Die anderen sieben Lotsenkonnten ihn nur unterstützen, da sie vonder Augsburger Flughafen AG bezahltwerden,die nicht im Arbeitgeberverbandist. Sie haben auch noch einen weiterenGrund, diesen Kampf zu verstärken, daihre Gehälter um ca. 1000 Mark monat-lich unter denen nach Bund/LändertarifBezahlten liegen. Der Chef der Augsbur-ger Flughafen AG – der ehemalige ersteBevollmächtigte der IG Metall Augsburg,Arthur Fergg – erklärte gegenüber derAZ, dieser Streik habe im Flugverkehrdes Augsburger Flughafens keine negati-ven Folgen gehabt. Laut Mitteilung desSprechers der DAG Augsburg, LudwigRiedel, stimmt das so nicht. Immerhin seidurch den kurzen Streik dieses einen Lot-sen bei einem Flug eine 17minütige Ab-fertigungsverzögerung eingetreten, wasfür den Augsburger Flugplatz eine er-hebliche Verspätung sei. Wenn es zwi-schen der DAG und den Kommunal- bzw.Landes/Bundes-Arbeitgebervertreternwieder zu keiner Einigung kommt, dannwird laut Riedel als nächstes eine Urab-stimmung über einen Streik durchge-führt. jol

Aus der oppositionellen Betriebszeitung „Klärwerk“

Neues Entlohnungssystem im Daimler-Werk Untertürkheim – gut für wen?Seit mehr als zwei Jahren will die Firmaein neues Lohnsystem für alle Leistungs-löhner im Werk Untertürkheim ein-führen.Vorrangiges Ziel der Werkleitungdabei ist es, den festen Verdienstgrad (inden meisten Abteilungen 105%) abzu-schaffen und innerhalb der Gruppe eineunterschiedliche Entlohnung von 102%bis 108% durchzusetzen. Der Durch-schnitt soll zwar bei 105% liegen, dasheißt aber: für jeden, der 108% kriegt,muß es auch einen geben, der auf 102%gedrückt wird.

Nasenprämie

Die Entscheidung, wer wie eingestuftwird, soll der Meister treffen. Schon imZeitlohn wird diese Methode als „Nasen-prämie“, willkürlich und somit alsäußerst ungerecht empfunden.Als Köderfür dieses Lohnmodell stellt die Firma ei-ne Sonderzahlung für Produktivitäts-steigerungen in Aussicht – einen Center-bonus.Von dem weiß allerdings keiner si-cher, wie hoch er denn sein wird.

Endlich die Betroffenen fragen

Der Gesamtbetriebsrat hat als Gegenlei-stung für die einmalige Sonderzahlungvon 200 Mark bereits die Zusage ge-macht, bis Anfang ’99 auf Basis der bis-herigen Verhandlungen im Werk Unter-türkheim ein Pilotprojekt zu starten.Wirhaben mehrfach in der IGM-Betriebs-ratsfraktion dazu aufgefordert, endlicheine breite Diskussion mit der Beleg-schaft zu beginnen. Es darf einfach nichtmehr sein, daß die Betroffenen als letzteerfahren, was auf sie zukommt.

Umstritten bei den IG-Metall-Betriebsräten

Einige BR-Kollegen würden die indivi-duelle Differenzierung des Monatslohnszwischen 103% und 107% akzeptieren,weil die Firma bisher sagt: „Ohne indivi-duelle Differenzierung – kein Centerbo-nus!“

Wir dagegen sagen: Eine Extrazahlungfür erbrachte Hochleistung steht uns so-wieso zu! Betriebsrat und Belegschaftgemeinsam haben Mittel genug,um dafürDruck aufzubauen.

Lohnkarotte kontra Gruppenarbeit

Eine Differenzierung im Monatslohn leh-nen wir aus folgenden Gründen ent-schieden ab: Ein wesentlicher gewerk-schaftlicher Grundgedanke bei Grup-penarbeit, nämlich der Schutz derSchwächeren durch die Stärkeren, drohtsonst einem egoistischen Vorteilsdenkenzu weichen.Die Konkurrenz in der Grup-pe wird verschärft, solidarisches gemein-sames Handeln massiv gefährdet.

Ein sehr wesentlicher Punkt beim Ab-

schluß der REZEI-Vereinbarung war dieAbsicherung des Standardlohns für alleGruppenmitglieder in seiner heutigenHöhe.

Auch bei zukünftigen Vereinbarungenmuß Leistungsbegrenzung und Schutzvor (Selbst)ausbeutung unser Ziel sein.Ein Herabsetzen des Verdienstgrads auf103% bei gleichzeitiger „Chance“ für ei-nige auf 107% würde genau das Gegen-teil bewirken!

Deshalb fordern wir:

Für die heute erbrachte Mengenleistungmuß auch zukünftig der heute bezahlteVerdienstgrad abgesichert bleiben. EineÖffnung nach unten muß dauerhaft aus-geschlossen werden.

Für die von der Belegschaft ständig er-brachte Hochleistung wollen wir einenzusätzlichen Bonus.Ziel: ein für alle glei-cher DM-Betrag!

Eine ungleichmäßige Verteilung deszusätzlichen Bonus darf nur mit Zustim-mung der Kollegen/innen vereinbartwerden. In diesem Fall müßte aber dergrößere Teil des Bonus für alle gleich be-zahlt werden. Schließlich trägt jeder et-was zum Erfolg bei.

Als Ergebnis von Verhandlungen darfnur ein neues Lohneystem stehen. Ver-schiedene Pilotprojekte im Werk mit un-terschiedlichen Lohnregelungen sind ge-nerell abzulehnen. Dies schwächt nur dieMöglichkeit für gemeinsames Handeln.

Sollte auf dieser Grundlage auf demVerhandlungsweg keine Einigung mit derWerkleitung möglich sein,sollten die Ver-handlungen beendet werden.

Für diesen Fall sollten wir uns daraufrückbesinnen, daß die Mobilisierung derBelegschaft immer noch am ehesten zumZiel führt!

Den obigen Artikel entnahmen wir dem„Klärwerk“, herausgegeben von IG-Me-tall-Betriebsräten bei DaimlerChryslerUntertürkheim. In Abgrenzung zur „Er-folgskurszeitung“ der Werksleitung so-wieso, aber auch zum „Scheibenwi-scher“, der „nur noch Sprachrohr vonHelmut Lenses Mehrheit im Untertürkhei-mer Betriebsrat“ sei und der keine kriti-schen Gegenstimmen von IG Metallernmehr zu Wort kommen läßt, will das„Klärwerk“ schnelle und unzensierte In-formationen bringen, „in trüber, un-durchsichtiger Brühe wieder den Durch-blick“ herstellen.

Page 21: Politische Berichte Nr.26 / 1998

PB 26/98 • DISKUSSION UND DOKUMENTATION 21

Von Hans-Peter Bordien

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruheverhandelte dieser Tage mehrere Verfas-sungsbeschwerden gegen den § 13 des Ver-brechensbekämpfungsgesetzes, einge-reicht von einigen Juristen, der taz und demHamburger Strafrechtsprofessor Köhler.

Darin hat der Gesetzgeber 1994 demBundesnachrichtendienst (BND) dieAufgabe übertragen, die nach § 3 G10-G(Fernmeldegesetz) einzig diesem Aus-landsnachrichtendienst zustehendeFernmeldeüberwachung zwischenDeutschland und dritten Staaten, so weitdie Bundeswehrplanung reicht,nicht nurmehr zur Abwehr eines Angriffskrieges,sondern auch zur Bekämpfung „neuerGefahren“ einzusetzen, sprich: die Über-wachung auf bestimmte Gebiete schwe-rer Straftaten auszudehnen, um ihre Er-gebnisse weiterzugeben an die Strafver-folgungsbehörden.

Die Beschwerdeführer sehen damit inbesonderer Weise die Pressefreiheit unddas Recht auf informationelle Selbstbe-stimmung verletzt. Die Sachverständi-gen sehen darin eine Verletzung des Tren-nungsgebotes zwischen Polizei und Ge-heimdiensten, weil der BND damit zumverlängerten Arm der Strafverfolgungs-behörden werde, die mit der Verfügungüber Kompetenzen des BND die Fähig-keit zur verdachtsunabhängigen Über-wachung der Kommunkationswege er-langten.

Das BVerfG hatte schon 1995 in einereinstweiligen Anordnung die Hürde fürdie Weitergabe der Daten durch den BNDan die Strafverfolgungsbehörden vomKriterium der „tatsächlichen Anhalts-punkte“ auf das Kriterium der „be-stimmten Tatsachen“ erhöht. Jetzt gehtes um die Entscheidung in der Hauptsa-che.

Aber was ist die Hauptsache? Jeden-falls nicht die Intention des Gesetzeszum Schutz vor Mißbrauch personenbe-zogener Daten bei der Datenverarbei-tung von 1974 oder des BVerfGE von1983, des „Volkszählungsurteils“, wor-auf sich die Beschwerdeführer berufen.Zwar zog dieser BVerfGE eine Reihe von„Volkszählungsberufungsgesetzen“nach sich, sie hatten aber nirgendwo ei-ne Beschränkung der geheimpolizeili-chen Tätigkeit zur Folge, sondern erwie-sen sich sämtlich als „normreiche Bil-dung einer Schutzmauer, hinter der sichin unveränderter, ja rechtlich besser ab-

gesicherter Freiheit Informationen erhe-ben, speichern und weitergeben lassen“(W.-D. Narr), als legitimatorischer Vor-hang.

Die Hauptsache

Die Hauptsache betonte BundeskanzlerSchröder, als er am 17. Dezember, demTag nach den zwei Verhandlungstagen inKarlsruhe, den neuen Präsidenten desBND (PrBND), Dr. August Hanning, insein Amt einführte.

Daß Hanning zu jener jungen Mann-schaft von Volljuristen,Vollphysikern undVollagrarökonomen aus der informellenQuerschnittstruppe der Verwaltung vonBund und Ländern gehört, deren Karrie-re durch die erfolgreich bestandene Plu-tonium-Kabale von München im Jahr1994 so richtig in Schwung gekommen zusein scheint, ist in diesem Zusammen-hang keine Nebensache. Hanning avan-cierte vom Referatsleiter (RefL) in derGeheimdienstabteilung 6 des Bundes-kanzleramtes während der Plutoniumaf-färe unter Kohl zum Leiter (AL) dieserAbteilung in der Nachfolge des Prof.Dr.Dr. Dolzer, der wie der vormalige so-zialdemokratische PrBND Konrad Porz-ner als ebenfalls nicht Eingeweihter sei-nen Sessel zur Verfügung gestellt hat undwieder lehrt, jetzt zum PrBND.

Der neue Kanzler erwartet vom neu-en Präsidenten und dem BND ausdrück-lich „höhere Schnelligkeit bei der Kri-senberichterstattung, größere Offenheit,höhere Effizienz und mehr Flexibilität“,was als Gegenteil zu Verantwortlichkeit,Prägnanz, Rechtsstaatlichkeit und Ak-tentreue wohl nicht falsch verstandenist. Damit auch keine Zweifel bleiben,hat Schröder ausdrücklich betont: Allei-niger Maßstab für die Qualität der In-formation sei ausschließlich der Bedarfder Bundesregierung, etwa bei der Ent-sendung deutscher Soldaten in Krisen-gebiete.

Der Bundeskanzler als zuständigerRessortminister für den BND und wich-tigster Bedarfsträger seiner Ergebnissenutzte gleich die Gelegenheit, seinemneuen PrBND auch das Auftragsprofilder Behörde, das noch offener, noch effi-zienter, noch flexibler und ausschließlicham Bedarf der Bundesregierung ausge-richtet sein soll, noch einmal ins Ge-dächtnis zu rufen. Der Hauptaufgabenseien vier:

• Beobachtung der Proliferation vonMassenvernichtungswaffen (Hanningweiß, wovon Schröder spricht, s.o. zum„Plutonium“-Schmuggel);

• Beobachtung des internationalenTerrorismus, der sektiererisch, manch-mal religiös, aber nicht mehr ideologischausgerichtet sei;

• Beobachtung der weltweiten Wande-rungsbewegungen,die von Geschäftema-chern ausgenützt (nicht etwa verursacht)würden, also die Aktivität von Schleu-serbanden im Ausland;

• Beobachtung anderer Formen grenz-überschreitender organisierter Krimina-

lität wie Drogenhandel und Geldwäsche,deren Ergebnisse der BND durchaus denStrafverfolgungsbehörden zugänglichmachen solle;

• wozu Hanning dann einmal die War-nung vor Gefahren der Trägertechnologiefür Massenvernichtungswaffen in außer-europäischen Ländern und andermal dieBeobachtung staatlich gelenkter Aktio-nen in der modernen Computertechnik(und damit meint er nicht zuletzt die NSAund darin den amerikanischen Stachelim bundesdeutschen Geheimdienst-fleisch, die NSA-Anlage in Bad Aibling)als wichtige Aufgabe für den BND er-gänzte,

alles, so wieder Schröder, in engererZusammenarbeit mit den anderen eu-ropäischen Nachrichtendiensten. Imübrigen solle Hanning seine Ergebnissegetrost an die Strafverfolgungsbehördenweitergeben.Haben sie gezwinkert? Oderwar das nur die Rührung, die jedem Fest-akt eignet. Sie haben gezwinkert.

Konflikte

Wenn es ernstzunehmende Interessen-kollisionen gibt, dann im Kompetenzge-rangel zwischen den einzelnen Appara-ten im System der inneren und äußerenSicherheit.

Denn der BND-Katalog ist kompati-bel mit dem Arbeitsprogramm von Euro-pol:

• Drogenhandel und Geldwäscheer-mittlungen

• Bekämpfung der Verschiebung vonKraftfahrzeugen und LKW-Ladungen

• Bekämpfung des Schmuggels von ra-dioaktiven Substanzen

• Bekämpfung der Schleuserkrimina-lität und des Menschenhandels,

wobei es gerade auch um den Aufbaueiner Datei mit weichen Daten geht, alsovon Daten ohne unmittelbaren Bezug zurStraftat, die jedoch geeignet sind, Per-sönlichkeitsprofile, Bewegungsbilder,Verbindungen u.ä. zu erstellen.

Niemand macht dem BND die Aufga-ben der Durchsetzung deutscher I&T-Si-cherheitsstandards in Europa streitig,ebenso wenig seine Rolle in der weltwei-ten Konkurrenz mit der NSA. Das BKAreagiert aber sicher eifersüchtig, wennder Auslandsnachrichtendienst im Be-reich der internationalen Verbrechens-bekämpfung expandiert. Im Spiel für dieÖffentlichkeit spielt das aber keine Rol-le.

„Rabta“ als Rechtfertigung

Im Spiel für die Öffentlichkeit wird dieAusweitung der Kompetenzen mit dermißlichen Lage gerechtfertigt, in die dieBundesregierung geraten sei, als derBND wegen der Gesetzeslage tatsächlichdaran gehindert gewesen sei, z.B. die Be-teiligung deutscher Firmen am Aufbauder Kampfstofffabrik im libyschen Rab-ta erstens zu ermitteln, und wenn zufäl-lig ermittelt, zweitens dann auch an dieStrafverfolgungsbehörden weiterzuge-ben. Daraus sei dann der Vorwurf des ge-

Verfassungsklage gegen dasVerbrechensbekämpfungsgesetz

Mit Spatzenauf Kanonen

Page 22: Politische Berichte Nr.26 / 1998

22 DISKUSSION UND DOKUMENTATION • PB 26/98

zielten Wegsehens zur Wahrung der In-teressen deutscher Firmen entstanden, soStaatssekretär Schapper vom BMI vordem Bundesverfassungsgericht. So liestman es seit Jahren in der Standardlitera-tur.

Zahlenspiele zum Abwiegeln

PrBND Hanning und sein Direktor Fech-ner, ein Pärchen aus der Plutonium-Af-färe, spielten selber mit Zahlen, um die„völlig realitätsfernen“ Zahlenspiele derÖffentlichkeit (in Gestalt des Bundesda-tenschutzbeauftragten (BDS) Jacob)richtigzustellen, die von 100 000 erfaßtenFernmeldeverbindungen und 4 000 Tele-fonaten spräche.Dagegen werte der BNDvon acht Millionen Fernmeldeverbindun-gen täglich am Ende 20 aus, erzählteFechner. Hanning wußte es noch präziserdarzustellen: Man fange 15 000 Fernmel-deverbindungen pro Tag auf, davon wür-den etwa 700 an das Suchwortsystemweitergeleitet, bei lediglich 70 von ihnenwerde ein Suchwort getroffen, bei derenÜberprüfung dann 20 als strafrechtlichbedeutsam eingestuft und an die Straf-verfolgungsbehörden weitergegebenwürden.

So kann der Ablauf beiläufig nichtsein,es sei denn,Hanning kann erläutern,nach welchen Kriterien die 15 000 ausge-wählt, nach welchen Kriterien dann die700 an das Suchwortsystem weitergelei-tet werden und was das Suchwortsystemdann noch soll und kann. Schlüssiger istes allemal, das Suchwortsystem, denScanner im Äther, am Anfang der Samm-lung und Auswertung zu verorten, als„Staubsauger“ eben oder besser als Ra-ster.

Die geringe Zahl derer,die am Ende imRaster bleiben, beklagte Hermann vomBND, der im übrigen von 22 Weiterlei-tungen an das Zollkriminalamt (ZKA)sprach,aber als Ergebnis der restriktivenAuflagen des BVerfSchg.

Eine Überwachung von Telefonatenfinde z.Z. überhaupt nicht statt, so Han-ning. Sie beschränke sich auf Telex undTelefax, stehe aber vor der Ausweitungauf das E-mail-System

Die Argumente der Kritiker

Der BDS Jacobs rügte die tendenzielleDurchbrechung des Trennungsgebotesvon Polizei und Geheimdiensten undwandte sich gegen das Recht des BND,al-leine darüber zu entscheiden, welche derso gewonnenen Informationen an dieBehörden der Strafverfolgung weiterzu-geben sei, und forderte eine unabhängi-ge Einrichtung zur Entscheidung überdie Weitergabe der Informationen, min-destens aber zu ihrer Kontrolle. Weiterhält er es für nötig, die Weitergabe anstrengere Voraussetzungen zu binden,und begrüßte zunächst die o.a. Anord-nung des BVerfSchG. Der HamburgischeDatenschutzbeauftragte forderte darü-ber hinaus die Trennung der sachbezoge-nen Informationen von den personenbe-zogenen Informationen, also die Anony-

misierung der Daten.Klägervertreter Eisenberg möchte die

Ausweitung der Überwachungsbefug-nisse des BND ersetzt sehen durch eineVerschärfung der Exportkontrollen.

Die Datenschützer kritisierten außer-dem die Ausgestaltung der Mitteilungs-pflicht der Behörde und die unzurei-chenden Auflagen zur Datenvernichtung(Überschreiben statt chemischer Verfah-ren, was Reaktivierung ermöglicht).

Jacob war es, der auf die durch dieKompetenzzuweisung an den BND gege-bene polizeiliche Möglichkeit der ver-dachtsunabhängigen Ausforschung derKommunikationswege aufmerksammachte. Daß dies nicht unbedingt einHirngespinst sein muß, zeigt die Polizei-taktik des „Sicherheitsschleiers“ ebensowie die gerade gesetzlich gewordene ver-dachtsunabhängige Personenkontrolledurch den BGS.

Die Vertreter des BND und der Bevoll-mächtigte der Bundesregierung hatten esleicht, die Untauglichkeit und mangeln-de Schlüssigkeit der Gegenvorschläge imgemeinten Sinne aufzuzeigen, wenn sieetwa darlegten, daß die Anonymisierungder Daten z.B. im Bereich der Dual-use-Güter jeden Informationswert zunichtemache oder daß die Zwischenschaltungeines unabhängigen Gremiums zwischenBND und Strafverfolgungsbehörden diekritisierte Grundrechtsverletzung nocheinmal vertiefe durch Erweiterung desbeteiligten Personenkreises.

Spektakel

Natürlich gab es einen Geheimnisverrat.Der Bevollmächtigte des G-10-Kontroll-gremiums outete im Auftrag seiner Mini-sterin der Justiz den Anteil der definier-ten Gefahrenzone an der Staatengemein-schaft: Zwei Drittel aller Staaten der Er-de seien vom BND als überwachungsbe-dürftig eingestuft. Raunen im Saal. Dernüchterne Beobachter der Interessenar-tikulation deutscher Eliten fragt aller-dings: Das ist Sache des BMVg. KannHerta nicht mit Rudolf reden? Und – wel-che Staaten bilden das letzte Drittel, undwarum werden die nicht überwacht?

Schluß

Wer dem BND unter Berufung auf denZusammenbruch der Staaten des realenSozialismus die Existenzberechtigungabspricht, ist der Legende von der Be-drohung einer friedfertigen Gesellschaftdurch den aggressiven Sozialismus auf-gesessen.Wer die weltweite Zunahme derKonflikte, den Anspruch der Bundesre-publik auf weltweite Interventionen unddie Rückkehr der Kriege und Bürger-kriege sogar nach Europa wahrnimmt,kann in dem Angriff auf die Ausweitungder strategischen Kontrollkompetenzendes BND mit Argumenten der informa-tionellen Selbstbestimmung vor demBundesverfassungsgericht nur einen An-griff mit Spatzen auf Kanonen sehen.Hans-Peter Bordien ist Redaktionsmit-glied der Zeitschrift Geheim.

3.–5.1999 in Friedrichroda

Linke Winterschuleder ArGe Konkrete Demokratie – SozialeBefreiung, Arbeitsgemeinschaft in undbei der PDS

AG Geschichte

Soziale Rechte und Menschenrechte indeutschen Verfassungen von 1848 biszur Gegenwart

(Änderung gegenüber der Ankündigungim ArGe-Rundbrief!) • Sonntag: Die 48iger und die Grund-rechte. Prof. Dr. Detlef Joseph, der einenArtikel unter diesem Titel in den „Pan-kower Heften“ Nr. 12 veröffentlichte,wird bei der Diskussion anwesend sein.• Montag: Dr. Roland Hahnemann, Ab-geordneter der PDS im Thüringer Land-tag und Vizepräsident des Landtags, dis-kutiert mit uns über die Entstehung derThüringer Landesverfassung und denEntwurf der PDS-Fraktion. Dazu liegteine umfangreiche Synopse vor.• Dienstag: Die Entstehungsgeschichtedes Grundgesetzes der BRD unterBerücksichtigung der Länderverfassun-gen.Mit einem Referat von Sandra Steck.Literaturvorschläge:

Prof. Dr. Engel, Vom Zweiten Demo-kratenkongreß 1848 zum „Dritten De-mokratenkongreß“ im Oktober 1998, inUtopie – kreativ Heft 93/1998, S. 5-15

Gerhard Becker, Die soziale Frage aufdem 2.Demokratischen Kongreß 1848, in:Zeitschrift für Geschichtswissenschaft1967, H2, S. 200ff.

ders., Die Beschlüsse des 2. Demokra-tenkongresses 1848, in: ebd. 1973, S. 328(Die Artikel aus den Pankower Heftenund aus Utopie-kreativ werden bei An-meldung verschickt.)

AG Wirtschaft

• Sonntag: Zum System Lafontaine.Wachstum durch Geldpolitik? Umvertei-lung nach Wachstum? Einleitungsvortragund Erörterung aktueller Texte aus derRegierungspolitik.• Montag: Können alternative Wirt-schaftsformen in der vorgefundenen ka-pitalistischen Struktur bestehen? Bil-dung der Durchschnittsprofitrate,Beein-flussung durch die Politik. Hinweise beiMarx, das Kapital. Einleitungsvortragund Textauszüge, aktuelle Texte v.a.„Aufbau Ost“.• Dienstag: Sichtung und Auswahl vonQuellentexten zu den gängigen Theoriender Preisbildung. Konzeption einesQuelslen- und Arbeitsheftes zu diesemProblemkreis.

AG Philosophie

Emanzipation, Arbeitsorganisation undEigentum

Jugendherberge „R. Breitscheid“, 99894Friedrichroda, Waldstr. 25Anmeldung: GNN HH, 040 / 43 18 88 21

Page 23: Politische Berichte Nr.26 / 1998

PB 26/98 • DISKUSSION UND DOKUMENTATION 23

von Franz-Karl Hitze

Seit nunmehr acht Jahren ist in Berlin derVerband für Internationale Politik undVölkerrecht e.V. (VIP) präsent. Die Mit-glieder des Verbandes sind Ex-DDR-Di-plomaten, pensionierte Diplomaten desAuswärtigen Amtes der BRD, die sich inBerlin niedergelassen haben, und Wis-senschaftler.VIP hat 300 qualifizierte undin der Politik und dem Völkerrecht er-fahrene Mitglieder. Alle von ihnen, ob ausOst oder West, verfügen über überreich-liche Sach- und Fachkenntnisse auf demGebiet der internationalen Politik undüber eine beachtliche Lebenserfahrung.

In der zweiten Dezemberwoche zog derVIP-Vorstand – wie jedes Jahr – Bilanzüber die Aktivitäten im Jahr 1998. DerPräsident des Verbandes, Prof. Dr. Sieg-fried Bock, stellte fest, daß der bevorste-hende Umzug der Regierung und des Par-laments und im Gefolge dessen vieler Ver-bände,Vereinigungen,wissenschaftlicherEinrichtungen vom Rhein an die Spreedie Wirkungsmöglichkeiten des Verban-des beeinflussen wird. Damit wird dasWirkungs- und Kontaktfeld des VIP ob-jektiv erweitert. „Wir gehören sozusagenzu den Alteingesessenen, die sich nichtwie die meist widerwillig zugezogenenNeuberliner erst zurechtfinden müssen“,konstatierte Prof. Bock selbstbewußt.

Dieses Selbstbewußtsein wird durchdie beachtliche Bilanz gesellschaftlicherAktivitäten des VlP 1998 untermauert.Dawären zum ersten die Verbindungen desVerbandes zu gleichgelagerten Verbän-den und Vereinen, zu Stiftungen, Bil-dungs- und Forschungseinrichtungen so-wie zu Vertretern fast aller politischenParteien der BRD zu nennen. Sie wurdenwie in der Vergangenheit weiter ausge-baut. Das Image des VIP als eines seriö-sen Partners in aktuellen und histori-

schen internationalen und völkerrechtli-chen Fragen konnte beachtlich gestärktwerden.Viele Wissenschaftlicher und Po-litiker erhielten im Veranstaltungspro-gramm des VIP die Möglichkeit für Vor-träge und Diskussionen vor einem sach-kundigen Publikum. Ausländische Bot-schafter, wie der Leiter des japanischenGeneralkonsulates in Berlin, Herrn Te-ruyosni Inagawa, informierte über diePolitik seines Landes. Der schwedischeGesandte wird im Januar folgen.Der Vor-stand des VIP unterhält neben BerlinerEinrichtungen wie der EuropäischenAkademie und dem „Deutschen Komiteefür europäische Sicherheit“ Arbeitsbe-ziehungen zu entsprechenden For-schungs-Instituten in Hamburg, Eben-hausen, Köln, Wien, u.a..

Die zweite Visitenkarte des VIP undseiner gewachsenen Akzeptanz sind sei-ne öffentlichen Veranstaltungen. DerPräsident der Parlamentarischen Ver-sammlung der NATO Carsten Voigt undder Ministerpräsident a.D. Dr. Lothar deMaizière gaben Gelegenheit zum Mei-nungsaustausch über Rolle und Politikdes vereinigten Deutschlands und die da-mit zusammenhängende Problematik.Inzwischen gibt es Bereitschaftser-klärungen von führenden Politikern allerParteien und von Wissenschaftlern, in öf-fentlichen Veranstaltungen des VIP auf-zutreten.Der Vorstand hat somit die Mög-lichkeit der Auswahl, bei gleichzeitigerRespektierung von Wünschen der jewei-ligen Referenten. So wurde z. B. demWunsch von Alt-Bundespräsident Ri-chard von Weizsäcker entsprochen, in ei-nem Kreis von etwa 20 bis 25 Ex-DDR-Diplomaten aufzutreten. Danach äußer-te sich Herr von Weizsäcker,daß die zwei-einhalbstündige Begegnung „in einer fürmich interessanten Weise verlaufen ist“.Die Teilnehmer konnten diese Einschät-zung nur bestätigen. Daß der Verband fürInternationale Politik und Völkerrechte.V. zu einem Ort offener, objektiver undkritischer Diskussion wurde, belegt dieTatsache, daß über 1 000 Teilnehmer anden Veranstaltungen gezählt werdenkonnten.

Die dritte Säule für die Arbeit des Ver-bandes sind seine Arbeitsgruppen undArbeitskreise. In meist vier- bis sechs-wöchigen Abständen wird hier über die„Geschichte der Außenpolitik der DDR“von Zeitzeugen diskutiert. Inzwischenliegt ein umfangreiches schriftliches –nicht unumstrittenes – Material vor, andem schon junge Wissenschaftler ernst-haftes Interesse zeigten. Dieses Forum istfür eine objektive Geschichtsdarstellungvon unschätzbarem Wert. Jedenfalls vongrößerem Wert als die von jenen Wissen-schaftlern, die noch immer in den Schüt-zengräben des kalten Krieges sitzen.

In der Arbeitsgruppe „Deutsche Au-ßenpolitik“ werden aktuelle Themen zuGrundfragen deutscher Außenpolitik,Probleme der gemeinsamen Außen- undSicherheitspolitik der EU und der NATO,des deutsch-französischen oder deutsch-

italienischen Verhältnisses, sowie inter-nationale Aspekte des Dayton-Abkom-mens und des Kosovo-Konfliktes disku-tiert. Damit bereiten die Mitglieder die-ser Arbeitsgruppe und ihre Gäste aus an-deren Vereinigungen sowohl monatlichstattfindende Clubveranstaltungen alsauch Publikationen ihrer Mitglieder vor.Ähnliche Aufgaben stellt sich die AG„UNO/Völkerrecht“, die sich in den letz-ten Monaten vor allem dem 25. Jahrestagder UNO-Aufnahme der beiden deut-schen Staaten widmete. In Zusammenar-beit mit der „Deutschen Gesellschaft fürdie Vereinten Nationen“ wurden Veran-staltungen durchgeführt und einige Pu-blikationen vorbereitet.

Der Arbeitskreis „GUS“ debattiertedie innenpolitische und wirtschaftlicheSituation in Rußland, die russische Si-cherheitspolitik (gemeinsam mit der AG„Deutsche Außenpolitik“), die Parla-mentswahlen in der Ukraine und dieUSA-Politik gegenüber den GUS-Län-dern. In der Vergangenheit wurden solcheForschungsergebnisse in Workshops un-ter Beteiligung anderer Institutionen undVertretern ausländischer Botschaften(einschl. der USA-Botschaft) der Öffent-lichkeit unterbreitet.

Fragen des Rentenrechts und sozialeFragen stehen im Mittelpunkt der Arbeiteiner speziellen Arbeitsgruppe, in dersich vor allem Ex-DDR-Diplomaten be-raten lassen können.

Der vierte Schwerpunkt (quasi eine Vi-sitenkarte im Golddruck) in der Arbeitdes Verbandes sind spezielle Forschungs-objekte. Drei Themen werden für eine re-nommierte Stiftung bearbeitet, die auchdie Finanzierung der personengebunde-nen Forschungsvorhaben übernommenhat.

Die Arbeit des VIP ist bereits über dieGrenzen der deutschen Hauptstadt hin-aus anerkannt. Bedauerlich ist, daß dieMedien über diese Aktivitäten des Ver-bandes fast überhaupt nicht berichten.

Damit muß der Verband leben. Es wirdfür ihn aber auch in Zukunft nicht leich-ter, denn mit dem Umzug der rot-grünenKoalitionsregierung und anderer gesell-schaftlicher Organisationen wird es dem-nächst in Berlin eine Menge Konkurrenzgeben. Sie könnte auch kreativ gestaltetwerden,wie z.B.mit der „Gesellschaft fürAuswärtige Poliltik „, die ein Interessedaran signalisiert hat.. Präsident Bockerklärte nachhaltig die Bereitschaft desVIP dazu.

Notizen von einer Jahresversammlung mitEx-Diplomaten in Berlin

Der ,VIP’ hat das Imageeines seriösen PartnersWir veröffentlichten vor einigen Ausgabenden Bericht eines Betroffenen, der veran-schaulichte, wie umfassend die BRD die Di-plomaten der früheren DDR ausgrenzt undihre berufliche Existenz vernichtete. Auchdie Tätigkeit des Verbandes für internatio-nale Politik und Völkerrecht e.V., in dem sichviele dieser Diplomaten organisiert haben,wird in der Öffentlichkeit weitgehend totge-schwiegen. Um diese Zensur durch diegroßen Zeitungsverlage zu durchbrechen,dokumentieren wir den Bericht eines Mit-glieds über die letzte Jahresversammlungdes Verbandes. Wir hoffen, zukünftig aucheinmal über die Projekte der im Bericht ge-nannten Arbeitskreise berichten und uns mitihnen auseinandersetzen zu können. scc

Page 24: Politische Berichte Nr.26 / 1998

Politische BerichteZZEEIITTUUNNGG FFÜÜRR SSOOZZIIAALLIISSTTIISSCCHHEE PPOOLLIITTIIKK–– EERRSSCCHHEEIINNTT VVIIEERRZZEEHHNNTTÄÄGGLLIICCHH

Herausgeber: Arbeitskreis Politische Berichte, StubaierStraße 2, 70327 Stuttgart. Herausgeber für den ArbeitskreisPolitische Berichte: Selman Arslan, Christoph Cornides, Ulri-ke Detjen, Martin Fochler, Emil Hruška, Herbert Stascheit.

Verantwortliche Redakteure und Redaktionsanschriften:

Aktuelles aus Politik und Wirtschaft: Rüdiger Lötzer; GNN-Ver-lag, Dieffenbachstr. 33, 3. Hof, Eing. C, 10967 Berlin, Tel.030 / 69 40 10 39, Fax: 030 / 69 40 10 41.Auslandsberichterstattung: Hardy Vollmer; GNN-Verlag, Wil-helmstraße 15, 79098 Freiburg, Fax : 0761/ 34961Regionales West und Ost: Jörg Detjen, (West),GNN-Verlag,Post-fach 260 226, 50515 Köln. Hausadresse GNN-Verlag, ZülpicherStr. 7, 50674 Köln, Tel. 02 21 / 21 16 58, Fax : 02 21 / 21 53 73.;Rüdiger Lötzer, (Ost) s.o. „Aktuelles…“. Regionales West undOst wird in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Linke Kom-munalpolitik hergestellt.Aus Betrieben und Gewerkschaften: Alfred Küstler, GNN-Ver-lag, Stubaier Straße 2, 70327 Stuttgart, Tel. 07 11 / 62 47 01,Fax : 0711 / 62 15 32.Diskussion / Dokumentation und Letzte Seiten: ChristianeSchneider, Hamburg: GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, 20359Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20, Fax : 040 / 43 18 88 21.

Vierteljährliche Beilage: Rundbrief der „ARGE, Arbeitsge-meinschaft Konkrete Demokratie, soziale Befreiung bei derPDS“.

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ADRESSAUFKLEBER

MINETE

R

16./17. Januar 1999: 6. Bundesparteitagder PDS in Berlin, Neuwahl des Vorstands

16. Januar 1999: 63. Parteitag der CSU inMünchen

23. Januar 1999:F.D.P-Europatag zurAufstellung der Bundesliste für die Euro-pawahl,Kongreßzentrum in Frankfurt/M.

23./24. Januar 1999: Europäische Konfe-renz der Euromarschinitiativen gegen Er-werbslosigkeit in Köln

7. Februar 1999: Landtagswahl Hessen

9. Februar 1999: 100 Tage Prüf-Plakettebundesweite Aktionen der Arbeitslosen-gruppen zur Bewertung der Taten derBundesregierung

6./7. März 1999: Bundesparteitag derPDS in Suhl (Thüringen) stellt Liste fürdie EU-Wahl auf

13./14. März 1999: Frühjahrskonferenzdes Forums Kommunistischer Arbeitsge-meinschaften in Köln

23. Mai 1999: Bundesversammlung wähltBundespräsidenten28. Mai 1999: 50. Bundesparteitag derF.D.P in Bremen

4./5. Juni 1999: EU-Rat in Köln. Die Bun-desregierung führt dort den Vorsitz. Ak-tionen der Euromarschbewegung.

6,. Juni 1999 Bürgerschaftswahl in Bre-men

13. Juni 1999 EEuurrooppaawwaahhlleenn,, KKoommmmuunnaall-wwaahhlleenn in Rheinland-Pfalz, Saarland,Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-An-halt, Sachsen und Thüringen

18./20.Juni 1999: Weltwirtschaftsgipfel inKöln. Ein bundesweites Bündnis bereitetProtestaktionen vor.

13. Juni 1999: Europawahlen

Juli 1999: Landtagswahl in Brandenburg

12. September: Kommunalwahlen inNRW

19. September: Landtagswahl in Sachsen

September 1999: Wahlen zum Abgeordne-tenhaus und den BVVen in Berlin

24. Oktober: Kommunalwahlen in Baden-Württemberg

Herbst: Landtagswahlen im Saarlandund in Thüringen

Winterschule, ARGE-Treffen:Sonntag, 3. Januar 1999, 14 Uhr bis Dienstag, 5. Januar 1999, Abreise am 6. Januar.

Ort: Jugendherberge „R. Breitscheid“ in 99894 Friedrichroda, Waldstr. 25

Themen im ArGe-Rundbrief, Beilage zu PB 25,

Besorgt, daß nach der Ablehnung eines neuen, fairen Gerichtsprozessesfür Mumia Abu-Jamal erneut der Hinrichtungsbefehl gegen den schwarzenJournalisten unterschrieben wird, haben sich die anwesenden Gruppen aufdem bundesweiten Treffen der in der Mumia-Solidaritätskampagne mitwir-kenden Gruppen in Hamburg am Sonnabend, den 19. Dezember 1998 aufeine bundesweiten Demonstration geeinigt.

Hamburg, 20. Februar 1999, 12:00 Uhr

Das Solidaritätsbündnis HH lädt zum Vorbereitungstreffen am Mi. den 13.1.99in der B5, Brigittenstraße 5, 20359 Hamburg ein.Keine Unterzeichnung des Hinrichtungsbefehls! • Aufhebung des rassisti-schen Todesurteils gegen Mumia Abu-Jamal und unverzügliche Freilassung!• Abschaffung der Todesstrafe!