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RoPax 4 / 06.2013 1/ REISEBERICHT „PRINCESS ANASTASIA“ reisenden) müssen am Eingang auf Deck 4 ihr Handgepäck (und ihre Einkäufe) durchleuchten lassen, was allerdings ge- nauso reibungslos abläuft wie es sinn- und folgenlos ist. Ein Schiff mit Vergangenheit Diese und andere Eigentümlichkeiten kön- nen aber natürlich nicht darüber hinweg- täuschen, dass die “Princess Anastasia” im- mer noch eine Fähre ist. Und was für eine. 1986 als “Olympia” für die Viking Line gebaut, war sie bei ihrer Indienststellung zusammen mit ihrem Schwesterschiff “ Mariella” das größte und vielleicht schön- ste ihrer Art weltweit. Im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester “Mariella”, die bis zum heutigen Tag für die Viking Line zwischen Stockholm und Helsinki verkehrt, ver- schlug es die “Olympia” aber schon nach wenigen Jahren in den Ärmelkanal und in die Biskaya. Von ihrem neuen Besitzer P&O Ferries im Frühjahr 1993 in „Pride of Bilbao“ umbenannt, wurde die ehemalige “Olympia” nun überwiegend zwischen Portsmouth und Bilbao bzw. zwischen Portsmouth und Cherbourg eingesetzt und war mit ihrer Betten-Kapazität für 2.450 Passagiere lange Zeit die größte Nachtfäh- re in britischen Gewässern. 2010 allerdings stellte P&O Ferries den Spanien-Dienst ein, Mitbestimmung einigermaßen undenkbar sein. Ebenso ausführlich und makellos wie die Durchsagen an Bord ist übrigens auch das gedruckte Tagesprogramm, das in eng- lischer wie in deutscher Sprache an der Re- zeption des Schiffes ausliegt. Darüber hinaus gibt es an Rezeption und „ShorEx Desk“ Informationen über die verschiede- nen Landausflüge, die für die angelaufenen Häfen gebucht werden können sowie über die Rund um Westeuropa-Kreuzfahrten, welche die beiden Schiffe der St. Peter Line Anfang 2014 unternehmen werden. Dann nämlich werden sie während der Olympischen Winterspiele vorübergehend im russischen Schwarzmeerhafen Sotchi festmachen. Und noch etwas erinnert schon beim Betreten des Schiffes an das Procedere auf den großen Kreuzfahrtschif- fen: Alle Passagiere (also auch die Fähr - A usgerechnet die erst 2010 gegründe- te russische St. Peter Line hat das Cruise Ferry-Konzept in der Ostsee per- fektioniert. Denn deren Schiffe verkeh- ren zwar ganzjährig auf kreuzfahrtarti- gen Rundreisen zwischen St. Petersburg, Helsinki, Stockholm und Tallinn, können jedoch auf allen Teilstrecken auch als Fähren gebucht und genutzt werden. RoPax stach im März 2013 mit der “Princess Anastasia” in See. „Have a nice trip!“ wünscht die freundliche Dame im Terminal, das sich die St. Peter Line, eine Tochter der russischen Hafen- und Reedereiagentur Inflot World Wide, im Stockholmer Freihafen mit der Konkur- renz von Tallink teilt. Sprachbarrieren scheint es also schon mal keine zu geben bei St. Peter Line, und auch als sich die “Princess Anastasia” kurze Zeit später für die 18 Uhr-Abfahrt nach Tallinn bereit macht, beweist ihre Besatzung in einem wichtigen Punkt Professionalität: In per- fektem Englisch (und in russischer und schwedischer Sprache sowieso) werden die Kreuzfahrt-Passagiere zurück an Bord will- kommen geheißen und jenen sowie den regulären Fährpassagieren über die Bord- lautsprecher die verschiedenen Optionen in Sachen Abendessen und Unterhaltungs- programm erläutert. Interessanterweise arbeitet St. Peter Line im Hotelbereich zur Hälfte mit russischen und zur Hälfte mit estnischen Crew-Mitgliedern; letzteres weil man im weltoffenen Estland traditio- nell über bessere Englisch-Kenntnisse ver- fügt als im eher verschlossenen Russland. Dass die Kellnerinnen wie in der Rabbit Bar der “Princess Anastasia” Hasenohren tra- gen, dürfte allerdings auf Schiffen west - licher Fährreedereien mit betrieblicher Die Haarsträhnen einer Prinzessin und die Krone auf dem Haupt bilden das Reederei-Logo der St. Peter Line. Foto: Kai Ortel Innenkabine der „Princess Anastasia“ im typischen 1980er Jahre-Look.. Foto: Kai Ortel Eine Nacht mit “Princess Anastasia” St. Peter Line setzt ehemalige OLYMPIA zwischen Stockholm, Tallinn und St. Petersburg ein Das warme Valletta als Heimathafen, das kalte Tallinn als Zielort – Aussicht mit Rettungsboot auf die estnische Küste. Foto: Kai Ortel

1 / REISEBERICHT „PRINCESS ANASTASIA“ Eine Nacht … · RoPax 4 / 06.2013 REISEBERICHT „PRINCESS ANASTASIA“ / 2 so dass die “Pride of Bilbao” zum Verkauf stand. St. Peter

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RoPax 4 / 06.2013

1 / REISEBERICHT „PRINCESS ANASTASIA“

reisenden) müssen am Eingang auf Deck 4ihr Handgepäck (und ihre Einkäufe)durchleuchten lassen, was allerdings ge-nauso reibungslos abläuft wie es sinn- undfolgenlos ist.

Ein Schiff mit VergangenheitDiese und andere Eigentümlichkeiten kön-nen aber natürlich nicht darüber hinweg-täuschen, dass die “Princess Anastasia” im-mer noch eine Fähre ist. Und was für eine.1986 als “Olympia” für die Viking Line gebaut, war sie bei ihrer Indienststellungzusammen mit ihrem Schwesterschiff “Mariella” das größte und vielleicht schön-ste ihrer Art weltweit. Im Gegensatz zu ihrerälteren Schwester “Mariella”, die bis zumheutigen Tag für die Viking Line zwischenStockholm und Helsinki verkehrt, ver-schlug es die “Olympia” aber schon nachwenigen Jahren in den Ärmelkanal und indie Biskaya. Von ihrem neuen BesitzerP&O Ferries im Frühjahr 1993 in „Pride ofBilbao“ umbenannt, wurde die ehemalige“Olympia” nun überwiegend zwischenPortsmouth und Bilbao bzw. zwischenPortsmouth und Cherbourg eingesetzt undwar mit ihrer Betten-Kapazität für 2.450Passagiere lange Zeit die größte Nachtfäh-re in britischen Gewässern. 2010 allerdingsstellte P&O Ferries den Spanien-Dienst ein,

Mitbestimmung einigermaßen undenkbarsein.Ebenso ausführlich und makellos wie dieDurchsagen an Bord ist übrigens auch dasgedruckte Tagesprogramm, das in eng -lischer wie in deutscher Sprache an der Re-zeption des Schiffes ausliegt. Darüber hinaus gibt es an Rezeption und „Shor ExDesk“ Informationen über die verschiede-nen Landausflüge, die für die angelaufenenHäfen gebucht werden können sowie überdie Rund um Westeuropa-Kreuzfahrten,welche die beiden Schiffe der St. Peter Line Anfang 2014 unternehmen werden.Dann nämlich werden sie während derOlympischen Winterspiele vorübergehendim russischen Schwarzmeerhafen Sotchifestmachen. Und noch etwas erinnertschon beim Betreten des Schiffes an dasProcedere auf den großen Kreuzfahrtschif-fen: Alle Passagiere (also auch die Fähr -

Ausgerechnet die erst 2010 gegründe-te russische St. Peter Line hat das

Cruise Ferry-Konzept in der Ostsee per-fektioniert. Denn deren Schiffe verkeh-ren zwar ganzjährig auf kreuzfahrtarti-gen Rundreisen zwischen St. Petersburg,Helsinki, Stockholm und Tallinn, könnenjedoch auf allen Teilstrecken auch alsFähren gebucht und genutzt werden. RoPax stach im März 2013 mit der“Princess Anastasia” in See.

„Have a nice trip!“ wünscht die freundlicheDame im Terminal, das sich die St. Peter Line, eine Tochter der russischen Hafen-und Reedereiagentur Inflot World Wide,im Stockholmer Freihafen mit der Konkur-

renz von Tallink teilt. Sprachbarrierenscheint es also schon mal keine zu geben beiSt. Peter Line, und auch als sich die“Princess Anastasia” kurze Zeit später fürdie 18 Uhr-Abfahrt nach Tallinn bereitmacht, beweist ihre Besatzung in einemwichtigen Punkt Professionalität: In per-fektem Englisch (und in russischer undschwedischer Sprache sowieso) werden dieKreuzfahrt-Passagiere zurück an Bord will-kommen geheißen und jenen sowie den regulären Fährpassagieren über die Bord-lautsprecher die verschiedenen Optionenin Sachen Abendessen und Unterhaltungs-programm erläutert. Interessanterweise arbeitet St. Peter Line im Hotelbereich zurHälfte mit russischen und zur Hälfte mitestnischen Crew-Mitgliedern; letzteresweil man im weltoffenen Estland traditio-nell über bessere Englisch-Kenntnisse ver-fügt als im eher verschlossenen Russland.Dass die Kellnerinnen wie in der Rabbit Barder “Princess Anastasia” Hasenohren tra-gen, dürfte allerdings auf Schiffen wes t -licher Fährreedereien mit betrieblicher

Die Haarsträhnen einer Prinzessin und die Kroneauf dem Haupt bilden das Reederei-Logo der St. Peter Line.

Foto: K

ai Ortel

Innenkabine der „Princess Anastasia“ im typischen 1980er Jahre-Look..

Foto: K

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Eine Nacht mit “Princess Anastasia”St. Peter Line setzt ehemalige OLYMPIA zwischen Stockholm, Tallinn und St. Petersburg ein

Das warme Valletta als Heimathafen, das kalteTallinn als Zielort – Aussicht mit Rettungsbootauf die estnische Küste.

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REISEBERICHT „PRINCESS ANASTASIA“ / 2

so dass die “Pride of Bilbao” zum Verkaufstand. St. Peter Line suchte zu diesem Zeitpunkt ein zweites Schiff neben der„Princess Maria“, um das eigene Angebotan Minikreuzfahrten in der Ostsee zu er-weitern. Die “Pride of Bilbao” kam da wiegerufen, denn sie war aufgrund ihrer Ver-gangenheit nicht nur bestens bekannt beimskandinavischen Publikum, sondern mitihrer Eisklasse auch problemlos wieder inihren alten Heimatgewässern einsetzbar.Am 31. März 2011 unternahm sie als “SPLPrincess Anastasia” (das Kürzel „SPL“ stehtdabei für „St. Peter Line“) ihre erste Mini-Kreuzfahrt auf der Linie St. Petersburg –Stockholm – Tallinn –St. Petersburg, die imSeptember 2011 um ei-nen Zwischenstopp inHelsinki und Marie-hamn erweitert wurde. Als wir an einem eisigkalten Märznachmit-tag 2013 an Bord der„Princess Anastasia“kommen, sind wir vondem Schiff positivüberrascht. Ihr Altervon mittlerweile 27Jahren sieht man derehemaligen “Olympia”fast nirgends an (höch-stens unterhalb vonDeck 4, wo die Tep-pichböden bei weitemnicht mehr ganz soschick und neu sindwie auf den „besserenPlätzen“ auf Deck 6und 7), im Gegenteil:Die Kreuzfahrtfährepräsentiert sich feinherausgeputzt und sauber und wirkt um ei-niges jünger als die “Mariella”, die aber auchtagein, tagaus Hunderte partywütiger Fin-nen und Schweden beherbergen muss. DasBranding in den öffentlichen Räumen wur-de seit dem Ankauf des Schiffes ebenfallskonsequent auf „St. Peter Line“ umgestellt,so dass man Relikte aus P&O-Zeiten ver-geblich sucht an Bord. Sogar an die Na-mensgeberin des Schiffes erinnert auf Deck6 eine große Schautafel. In rührenden Wor-ten wird die russische Zarentochter Ana-stasia beschrieben, die sich als Jugendlichedurch Fröhlichkeit und eine schauspiele -rische Begabung auszeichnete. Das trauri-ge Ende ihres allzu kurzen Lebens aller-dings verschweigt die Schautafel; Prinzes-sin Anastasia wurde 1918 im Altern von 17Jahren zusammen mit ihrem Vater Zar Ni-kolaus II. und ihren Geschwistern von denBolschewisten in Jekaterinburg ermordet.

Deutsche an Bord!Was man im skandinavischen Winter aufeiner russischen Fähre zwischen Schweden

und Estland am wenigsten erwartet, sinddeutsche Mitreisende, und doch bevölkerneben jene an diesem Abend in erstaunlicherAnzahl die “Princess Anastasia”. Doch derGrund hierfür ist schnell gefunden: DieFrankfurter Firma Trendtours Touristikhat die Rundreisen der “Princess Anasta-sia” in Zusammenarbeit mit Ferry Know-How, dem deutschen Generalagenten derSt. Peter Line, unter dem Namen „Glanz-lichter der Ostsee“ 2013 neu ins Programmaufgenommen und bietet sie zusammenmit einer Busan- und abreise viaRostock/Travemünde – Trelleborg ab 698 €auf dem deutschen Markt an. Dabei sind

die Landausflüge in den Häfen im Reise-preis inbegriffen, und St. Petersburg kannbei Buchung eines organisierten Landaus-fluges visumfrei besichtigt werden. (Auto-und Busfahrer hingegen sind von der Visa-freiheit ausgenommen, doch ermöglichtdie 2010 eingeführte Regelung seitdemauch Last-Minute-Buchungen auf den bei-den Linien der Reederei nach St. Peters-burg.) Im Gegensatz zu einer „richtigen“Kreuzfahrt wird die Reise allerdings nurmit Halbpension in Form von Frühstücks-gutscheinen für das Büffetrestaurant anBord angeboten. Doch das Konzept scheintaufzugehen. Gleich zwei Trendtours-Bussefahren auf dem Autodeck der Fähre mit,entsprechend gut besucht ist also dieabendliche Informationsveranstaltung imerstaunlich großen Kino der “PrincessAnastasia”. Hier erfahren die vielleicht 60 –70 deutschen Kreuzfahrtgäste (die im üb-rigen großteils der Generation 50+ ange-hören) alles Wichtige zu notwendigen For-malitäten und zum Alltag an Bord. Genauwie auf einem echten Kreuzfahrtschiff, nur

ohne Abendgarderobe und ohne Kellne-rinnen, die unablässig Cocktails anbieten. Unter „Wissenswertes“ fällt auch die Infor-mation, dass man statt des normalen Früh-stücks im Büffetrestaurant gegen Aufpreisauch das Luxus-Frühstück im A la Carte-Restaurant wählen kann, das für 10 € mehrauch Sekt und Kaviar beinhaltet. Analoggilt auch für das Abendessen: Wer auf der“Princess Anastasia” auf der Suche nach derrussischen Seele ist, sollte die 33 € für dasLuxus-Büffet ausgeben. Darin sind dannzusätzlich noch ein Glas Sekt, ein Glas Bierund ein Glas Wodka enthalten. Na dann:Na sdorowje!

Back to the EightiesDen normalen Fähr-passagier interessiertall dies indes weniger.Ihn wundert vielmehr,dass die “Princess Ana-stasia” in Stockholmanstatt um 18:00 Uhrerst um 18:30 Uhr ab-gelegt hat. Ticket undOnline-Fahrplan sagen18:00 Uhr, Bordpro-gramm und „Enter-tainment Map“ hinge-gen weisen 18:30 Uhrals Abfahrtszeit aus.Doch immerhin ist eskeine noch längere Verzögerung, die solldas Schiff nämlich auchregelmäßig an den Taglegen. Russland liegtschließlich außerhalbdes Schengen-Gebie-tes, und da kann dieZollabfertigung insbe-

sondere in St. Petersburg schon mal längerdauern. Dafür registriert der Autor dieserZeilen mit Wohlwollen, dass Reisende, dielediglich ein einzelnes Bett in einer Mehr-bettkabine gebucht haben, letztere nichtmit anderen Passagieren gleichen Ge-schlechts teilen müssen. So hat o. g. Redak-teur seine „4 bed cabin, inside, 9m2“ für diekommenden 16 Stunden ganz für sich al-leine. Dies kann bei einer Reederei wie St.Peter Line, die Fährpassagen genauso wieKreuzfahrten anbietet, Zufall sein, muss esaber nicht. Die Befürchtung, die Nacht inder Kabine mit drei ukrainischen Lastwa-genfahrern oder anderen dubiosen Gestal-ten verbringen zu müssen, ist jedenfallsgänzlich unbegründet. Was die Einrichtung von Kabine Nr. 4709betrifft, hat man jedoch schon Raffinierte-res gesehen. Die Schalttafel des Nachttisch-radios stammt definitiv noch aus der Zeitder Indienststellung der “Olympia” (und istkaputt), und auch einen Fernseher oderFön sucht man gleich ganz vergeblich. Backto the Eighties also? Handtücher, Teppich-

Eine Schautafel erinnert an Bord an das allzu kurze Leben der russischen Zarentochter Anastasia, der Namensgeberin des Schiffes.

Foto: K

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boden und Bad sind dagegen tadellos sau-ber, da will man am Ende mal nicht allzustreng sein mit dem Stolz der Viking Linevon vor 25 Jahren. Schnell die Zeit um ei-ne Stunde vor auf estnische Zeit umgestellt,und schon kann die Nachtfahrt nach Tal-linn beginnen. Vorzugsweise unter Deckübrigens, denn draußen herrschen zu die-ser Jahreszeit Dunkelheit, winterliche Käl-te und ein eisiger Wind. Die Wettervorher-

sage für Tallinn verspricht für morgen Mit-tag -10° C, für St. Petersburg übermorgensogar -20° C. Dann lieber runter nach Deck2, wo den Passagieren noch unter dem Autodeck das „Kivach Aqua Spa“ zur Ver-fügung steht – Sauna, Whirlpool, Wellness-Einrichtungen und ein Innen-Swimming-pool weitab von Disco und Nachtclub.

Mini-Kreuzfahrt nach TallinnDie “Princess Anastasia” selber kommt andiesem Abend ebenfalls nur langsam aufBetriebstemperatur, denn statt der 2.500Passagiere, die sie aufnehmen könnte, sindheute nur ein paar Hundert davon zwi-schen Stockholm, Tallinn und St. Peters-burg unterwegs. Und die lassen es ruhig an-gehen, immerhin befinden sich die meisten

Vitrinen und Schaufenster mit teuren Accessoiresbestimmten das Bild auf Deck 4 der „Princess Anastasia“.

Foto: K

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von ihnen auf einer Kreuz-fahrt. Ihnen steht jedoch ne-ben vier Restaurants, Nacht-club und Kasino im Gegen-satz zur “Mariella” auchnoch das komplette (ehe-malige) Konferenzzentrumim vorderen Bereich vonDeck 8 zur Verfügung.Dort befindet sich ein gro-ßes Auditorium, das so-wohl für Vorträge als auchfür Filmvorführungen ge-nutzt wird, sowie eineChampagner und PianoBar bzw. die „Kampai Sus-hi Bar“, wo man abseitsder großen Passagierströ-me Ruhe und einenDrink genießen kann. Doch auch in SachenShopping hebt sich die“Princess Anastasia” vonanderen Schiffen in ih-rem Fahrtgebiet ab; aufallen drei Passagier-decks findet man größe-re und kleinere Ge-schäfte, Vitrinen undAuslagen, die von Tex-tilien über Accessoires bis hin zu edlemSchmuck alles bieten, was das vornehmlichrussische Herz begehrt. Dass man an Bordnicht nur mit Kreditkarte und Rubel, son-dern darüber hinaus auch noch mit Schwe-dischen Kronen und Euro bezahlen kann,ist den skandinavischen Anlaufhäfen aufder Route geschuldet und lässt die Kassender Reederei zusätzlich klingeln. In dieserHinsicht ist die “Princess Anastasia” wie-

der ganz Fähre, doch an sonsten gelingt esdem Zwitter-Schiff zumindest in der Ne-bensaison außerordentlich gut, sein Kreuz-fahrt-Image zu betonen und seinen Fähr-charakter zu verheimlichen. Im Kinder-Spielzimmer gibt es eine Be-treuerin, die sich liebevoll um die kleinenGäste an Bord kümmert und im Restaurant– wie auf den richtigen Kreuzfahrern – zweiSitzungen. Auch die Tatsache, dass die Ba-ke & Coffee-Cafeteria auf Deck 6 rund umdie Uhr geöffnet hat, ist ein Zugeständnisan die Nachtschwärmer an Bord, die sichauf ihrer Kreuzfahrt mit der “Princess Ana-stasia” nicht an Öffnungszeiten wie auf ei-ner der Nachtfähren nach Estland undFinnland halten wollen. Im Gegenteil – vonso viel Service-Denken könnte sich sogarnoch die eine oder andere Kreuzfahrt-Ree-derei eine Scheibe abschneiden!Der Nachteil an der ganzen Sache ist, dasses auf dem ganzen Schiff selbst am spätenAbend noch unglaublich ruhig und gesit-tet zugeht. Zwar kann es die Abend-Showin der Columbus Bar mit der Performancevon Künstlern der berühmten St. Peters-burger Music Hall Ballettschule locker mitjedem besseren Karibik-Kreuzfahrtschiffaufnehmen. Doch wirkt das Großaufgebotan professionellen Musikern, Tänzern undKünstlern leider auch eine Nummer zu

Das Kristall-Kunstwerk im Atrium der „PrincessAnastasia“ reicht von Deck 6 bis Deck 9.

Die Brothers Pizzeria auf Deck 7 ist in ansprechenden Farben gehalten und mit Sesseln mit Samtbezug möbliert.

REISEBERICHT „PRINCESS ANASTASIA“ / 3

RoPax 4 / 06.2013

Foto: K

ai Ortel

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RoPax 4 / 06.2013

REISEBERICHT „PRINCESS ANASTASIA“ / 4

groß und ambitioniert für die vielleichtzwei Dutzend Passagiere, die sich imNachtclub eingefunden haben, um derShow beizuwohnen. Das gleiche gilt auchfür die vielen Bars, Shops und das Kasinoan Bord, wo man den Eindruck hat, als wäre die “Princess Anastasia” ein Schiff, dasin erster Linie reihenweise beschäftigungs-lose und entsprechend gelangweilt drein-blickende Kellner, Bartender, Croupiersund Kassierer über die Ostsee fährt. Daskönnen dann auch ein paar zusätzlicheFährpassagiere nicht kompensieren, jeden-falls nicht im Winter. Um 23 Uhr schließ-

lich ist das Schiff so gut wie ausgestorben,und der Kontrast zu ihrem Schwesterschiff“Mariella”, das Abend für Abend von 2.000jungen und trinkfreudigen Schweden undFinnen in einen vor Lebensfreude pulsie-renden Musikdampfer verwandelt wird,könnte größer plötzlich nicht sein. DieNight Rabbit Bar (vormals „The Torn OffBalls Bar“), in welcher laut Bordprogramm„Live-Musik und charmante Go Go-Tän-zerinnen“ für Stimmung sorgen, ist genau-so leer wie die Disco, in der ab 23:30 Uhr„ein Mix verschiedener Musikrichtungenfür jeden Geschmack“ die Bοrdwände vi-

brieren lassen sollen. Stattdessen geht es aufder “Princess Anastasia” zu wie auf einerKreuzfahrt am Abend vor dem aufregend-sten Hafen der ganzen Reise: Jeder ziehtsich möglichst früh in seine Kabine zurück,um am nächsten Morgen in aller Frühmunter und ausgeschlafen zu sein für alles,was der Tag dann zu bieten hat.

Ein geräuschvoller MorgenIm skandinavischen Winter kommt nocherschwerend hinzu, dass alle Fähren undso auch die “Princess Anastasia” bei dernächtlichen Fahrt durchs Treibeis zwischenSchweden und Estland ein Geräusch erzeu-gen, als müssten sie mit allerletzter KraftMinute für Minute Tausende von Βlech -kanistern zur Seite schieben, um überhauptvorwärts zu kommen. Empfindliche Ge-müter haben da schon mal kein Auge zu-getan während der Nacht, doch nichts -destotrotz ist der Andrang erstaunlichgroß, als das Seven Seas Restaurant um 8Uhr am nächsten Morgen seine Türen öffnet. Das Frühstücksbüffet an sich hatman dabei schon mal opulenter gesehen,doch es ist alles Notwendige vorhanden,was der kontinentaleuropäische Ge-schmack für gewöhnlich auch zu Hause aufdem Esstisch erwartet. Leider rattert undzittert die “Princess Anastasia” vorne imSchiff so stark, dass einem auch ganz ohne

Seegang schon schlecht werden kann.Doch hat zumindest Neptun an diesemMärzmontag ein Einsehen, und es bleibtbei wackelnden Gläsern und Tassen. Dasssich das Restaurant am Morgen schnell füllt(wobei einige Bereiche wegen des geringen

Links: Die licht-durchflutete Arkade auf Deck 7der „Princess Anastasia“.

Unten: Ein neugieriger Blick auf die Gäste: dieHasenfigur der „Rabbit Bar“ auf Deck 7.

Rund um die Uhr geöffnet: die Cafeteria „Bake and Coffee“ auf Deck 6.

Foto: K

ai Ortel

Die „Rabbit Bar“ auf Deck 7 ist ein klassischesPub mit gemütlicher dunkler Holztäfelung undrustikaler Einrichtung.

Foto: K

ai Ortel

Fotos: Kai Ortel

TECHNISCHE DATEN MS PRINCESS ANASTASIA

Bauwerft Wärtsilä, Turku (Finnland), 1986

Im Dienst seit dem 29. April 1986

Flagge Malta

Heimathafen Valetta

Tonnage 37.583 BRZ

Länge 176,82 Meter

Breite 28,41 Meter

RoPax 4 / 06.2013

Passagieraufkommens von vornherein ab-gesperrt worden sind), ist jedoch erstaun-lich, da das Frühstück bis 11 Uhr möglichist. Ob es an den vielen Deutschen an Bordliegt, die traditionell eher Frühaufstehersind? Oder daran, dass niemand von denKreuzfahrtgästen das Einlaufen in Tallinnverpassen will? Oder daran, dass im Gegen-satz zum Abend an Bord diverse öffent -liche Räume des Schiffes (Night Rabbit Bar,Champagner/Sushi Bar, Columbus Bar)am Vormittag plötzlich geschlossen sind? Den Eindruck eines sehr ruhigen Schiffesmacht die “Princess Anastasia” jedenfallsauch in den Minuten, in denen sie sich amVormittag langsam der estnischen Haupt-stadt nähert, wo nicht nur die Kreuzfahrt-gäste in die Reisebusse für die Stadtrund-

fahrt einsteigen, sondern wo mit ihnen zusammen auch die normalen Fähr passa -giere das Schiff verlassen. Was übrigens un-ter Aufsicht uniformierter russischer Offi-ziere geschieht und erst nachdem sich alleAusschiffungswilligen ordentlich hinter einer Absperrung in einer Reihe aufgestellthaben. Dies ist jedoch kein Ausdruck purer russischer Ordnungsliebe, sonderndient dazu, dass, wieder wie auf einer rich-tigen Kreuzfahrt, beim Ausstieg alle Passa-giere ihre Bordgäste gescannt bekommenkönnen. Dann erst gelten sie für das Systemals „ausgeschifft“ und können ihr Schiff amAbend wieder betreten, wenn es dann weitergeht nach St. Petersburg. Diese Pro-zedur muss jeder Passagier durchlaufen,selbst wenn auf der Bordkarte statt „Stock-

holm – Stockholm“ oder „St.Petersburg – St. Petersburg“nur „Stockholm – Tallinn“stand und die Kreuzfahrt nur eine Nacht mit “Princess Ana-stasia” war. Kai Ortel

Auch das Seven Seas Restaurant besticht durchgroße Panoramafenster an den Seiten.

Foto: K

ai Ortel

Fotos: Kai Ortel

Blick auf das Backbord-Boots-deck der „Princess Anastasia“.

Oben: Die „Princess Anastasia“ im winter-lich vereisten Hafen von Tallinn, im Hinter-grund der Turm der Olaikirche.

Mitte: Die „Princess Anastasia“ am Anleger in Tallinn.

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Tiefgang 6,71 Meter

Passagiere 2.447

Lademeter 1.115 Meter

Autos 580

Leistung 23.000 kW

Höchstge-

schwindigkeit: 22 Knoten