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--- /. "" '.: Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation A Es gehört für unsere Generation zum gesicherten Bestand des ,/fl, wissenschaftlichen Bewußtseins, daß der Begriff Staat. kein \.) Allgemeinbegriff ist, sondern zur Bezeichnung und Beschrei- bung einer politischen Ordnungsform dient, die.in Europa '2.' vom 13· bis zum Ende des 18., teils Anfang des 19· J ahrhun- , derts aus spezifischen Voraussetzungen und Antrieben der europäischen Geschichte entstanden ist und sich seither, ge- wissermaßen abgelöst von ihren konkreten Entstehungsbedin- gungen, über die gesamte zivilisierte Welt verbreitet. Vom >Staat der Hellenen<, dem >Staat des Mittelalters<, dem >Staat der Inkas< oder vom >Staat< bei Plato, Aristoteles und Thomas \ von Aquin zu sprechen, wie es die Gelehrtengenerationen des 19. Jahrhunderts mit Selbstverständlichkeit und Selbstbe- _. wußtsein taten, ist heute nicht mehr möglich. Wir wissen, vor allem seit dem epochemachenden Buch »Land und Herr- schaft" von Otto Brunner, 1 wie sich der Staat langsam aus den ganz un-staatlich strukturierten Herrschaftsbeziehungen und -ordnungen des Mittelalters herausgebildet hat; wie über die Stufen der Landesherrschaft, einem im Landesherrn zusam- menlaufenden, territorial noch unabgeschlossenen Gefüge verschiedener Herrschaftssphären, 1 dann der Landeshoheit als der wesentlich territorial bestimmten, die verschiedenen Herr- schaftstitel zusammenfassenden und überhöhenden hoheitli- chen Herrschaftsgewalt des Fürsten im Lande (jus territorii),J schließlich - im aufgeklärten Absolutismus, in der Französi- schen Revolution und danach - die einheitliche, nach außen souveräne, nach innen höchste und dem hergebrachten Rechtszustand überlegene, in ihrer Zuständigkeit potentiell allumfassende Staatsgewalt entstand und ihr gegenüber die herrschaftlich-politisch eingeebnete Gesellschaft der (rechts- gleichen) Untertanen- bzw. Staatsbürger. J Dies die verfassungsgeschichtliche Seite der Entstehung des Staates. Sie ist jedoch nur eine Seite des geschichtlichen Vorganges. Daneben steht, nicht weniger bedeutsam, die an- dere Seite: die Ablösung der politischen Ordnung als solcher 4 2 ... von ihrer geistlich-religiösen Bestimmung und Durchfor- 4: mung, ihre >Verweltlichung< im Sinne des Heraustretens aus einer vorgegebenen religiös-politischen Einheitswelt zu eige- ner, weltlich konzipierter (>politischer<) Zielsetzung und Legi- timation> schließlich die Trennung der politischen Ordnung von der christlichen Religion und jeder bestimmten Religion als ihrer Grundlage und ihrem Ferment. Auch diese Entwick- lung gehört zur Entstehung des Staates. Ohne diese Seite des Vorgangs läßt sich der Staat, wie er geworden ist und sich uns heute darstellt, nicht verstehen und lassen sich die fundamen- talen politischen Ordnungsprobleme, die sich im Staat der Gegenwart stellen, nicht begreifen. Es ist gebräuchlich, einen Vorgang, wie er sich hier vollzogen hat, Säkularisation zu nennen. Das kann geschehen und ist zutreffend, wenn man sich dabei von den vielfältigen ideen po- li tischen Assoziationen, die sich mit dem Begriff Säkularisa- tion verbinden, freihält und ihn in seinem ursprünglichen, gegenüber Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit, Legitimi- tät oder Illegitimität offenen Bedeutungssinn versteht. 4 In diesem Sinn heißt Säkularisation schlicht »der Entzug oder die Entlassung einer Sache, eines Territoriums oder einer Institu- tion aus kirchlich-geistlicher Observanz und Herrschaft".l 1. Spricht man von Säkularisation im Zusammenhang mit der Entstehung des Staates, so denkt man meist an die sogenannte Neutralitätserklärung gegenüber der Frage der religiösen Wahrheit, die von vielen Staatsmännern und politischen Den- kern ausgesprochen und vollzogen wurde, um angesichts der nicht endenwollenden konfessionellen Bürgerkriege, die Eu- rapa im 16. und 17. Jahrhundert erschütterten, eine neue Grundlage und Allgemeinheit der politischen Ordnung jen- seits und unabhängig von der oder einer bestimmten Religion zu finden. Am prägnantesten kommt diese Neutralitätserklä- rung, der Wirklichkeit der Zeit vorauseilend, in den Worten des Kanzlers des Königs von Frankreich, Michel de L'Hopi- tal, zum Ausdruck, die dieser im Conseil des Königs am I Vorabend der Hugenottenkriege, 1562, aussprach: Nicht dar- {, auf komme es an, welches die wahre Religion sei, sondern wie 43

Boeckenfoerde, Saekularisierung

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Aufsatz

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    "" .:~ '.:

    Die Entstehung des Staates als Vorgangder Skularisation

    A Es gehrt fr unsere Generation zum gesicherten Bestand des,/fl, wissenschaftlichen Bewutseins, da der Begriff Staat. kein

    \.) Allgemeinbegriff ist, sondern zur Bezeichnung und Beschrei-bung einer politischen Ordnungsform dient, die.in Europa

    '2.' vom 13 bis zum Ende des 18., teils Anfang des 19 Jahrhun-, derts aus spezifischen Voraussetzungen und Antrieben der

    europischen Geschichte entstanden ist und sich seither, ge-wissermaen abgelst von ihren konkreten Entstehungsbedin-gungen, ber die gesamte zivilisierte Welt verbreitet. Vom>Staat der HellenenStaat des MittelaltersStaatder Inkas< oder vom >Staat< bei Plato, Aristoteles und Thomas

    \ von Aquin zu sprechen, wie es die Gelehrtengenerationen des19. Jahrhunderts mit Selbstverstndlichkeit und Selbstbe-

    _. wutsein taten, ist heute nicht mehr mglich. Wir wissen, vorallem seit dem epochemachenden Buch Land und Herr-schaft" von Otto Brunner, 1 wie sich der Staat langsam aus denganz un-staatlich strukturierten Herrschaftsbeziehungen und-ordnungen des Mittelalters herausgebildet hat; wie ber dieStufen der Landesherrschaft, einem im Landesherrn zusam-menlaufenden, territorial noch unabgeschlossenen Gefgeverschiedener Herrschaftssphren,1 dann der Landeshoheit alsder wesentlich territorial bestimmten, die verschiedenen Herr-schaftstitel zusammenfassenden und berhhenden hoheitli-chen Herrschaftsgewalt des Frsten im Lande (jus territorii),Jschlielich - im aufgeklrten Absolutismus, in der Franzsi-schen Revolution und danach - die einheitliche, nach auensouverne, nach innen hchste und dem hergebrachtenRechtszustand berlegene, in ihrer Zustndigkeit potentiellallumfassende Staatsgewalt entstand und ihr gegenber dieherrschaftlich-politisch eingeebnete Gesellschaft der (rechts-gleichen) Untertanen- bzw. Staatsbrger.

    J Dies ~st die verfassungsgeschichtliche Seite der Entstehungdes Staates. Sie ist jedoch nur eine Seite des geschichtlichenVorganges. Daneben steht, nicht weniger bedeutsam, die an-dere Seite: die Ablsung der politischen Ordnung als solcher

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    ...~._----------

    von ihrer geistlich-religisen Bestimmung und Durchfor- 4:mung, ihre >Verweltlichung< im Sinne des Heraustretens auseiner vorgegebenen religis-politischen Einheitswelt zu eige-ner, weltlich konzipierter (>politischer schlielich die Trennung der politischen Ordnungvon der christlichen Religion und jeder bestimmten Religionals ihrer Grundlage und ihrem Ferment. Auch diese Entwick-lung gehrt zur Entstehung des Staates. Ohne diese Seite desVorgangs lt sich der Staat, wie er geworden ist und sich unsheute darstellt, nicht verstehen und lassen sich die fundamen-talen politischen Ordnungsprobleme, die sich im Staat derGegenwart stellen, nicht begreifen.

    Es ist gebruchlich, einen Vorgang, wie er sich hier vollzogenhat, Skularisation zu nennen. Das kann geschehen und istzutreffend, wenn man sich dabei von den vielfltigen ideenpo-li tischen Assoziationen, die sich mit dem Begriff Skularisa-tion verbinden, freihlt und ihn in seinem ursprnglichen,gegenber Rechtmigkeit oder Unrechtmigkeit, Legitimi-tt oder Illegitimitt offenen Bedeutungssinn versteht. 4 Indiesem Sinn heit Skularisation schlicht der Entzug oder dieEntlassung einer Sache, eines Territoriums oder einer Institu-tion aus kirchlich-geistlicher Observanz und Herrschaft".l

    1.

    Spricht man von Skularisation im Zusammenhang mit derEntstehung des Staates, so denkt man meist an die sogenannteNeutralittserklrung gegenber der Frage der religisenWahrheit, die von vielen Staatsmnnern und politischen Den-kern ausgesprochen und vollzogen wurde, um angesichts dernicht endenwollenden konfessionellen Brgerkriege, die Eu-rapa im 16. und 17. Jahrhundert erschtterten, eine neueGrundlage und Allgemeinheit der politischen Ordnung jen-seits und unabhngig von der oder einer bestimmten Religionzu finden. Am prgnantesten kommt diese Neutralittserkl-rung, der Wirklichkeit der Zeit vorauseilend, in den Wortendes Kanzlers des Knigs von Frankreich, Michel de L'Hopi-tal, zum Ausdruck, die dieser im Conseil des Knigs am IVorabend der Hugenottenkriege, 1562, aussprach: Nicht dar- {,auf komme es an, welches die wahre Religion sei, sondern wie

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    man beisammen leben knne. 6 Aber die darin erklrte Heraus-nahme der Politik aus einer vorgegebenen religisen Einbin-dung und Zielausrichtung, die die Grundlage fr die stufen-weise Gewhrung brgerlicher Toleranz und die staatlicheAnerkennung der Bekenntnisfreiheit als des ersten Grund-rechts der Brger darstellte, war nicht der Anfang jenes Vor-gangs der Skularisation, sondern nur eine Etappe innerhalbdesselben. Die prinzipielle Skularisation, die jene Trennungvon Religion und Politik, wie sie L'Hopital aussprach, erstermglichte und sie zugleich in eine historische Kontinuitthineinstellte, liegt dem weit voraus. Sie mu im Investitur-streit (1057-1I 22) gesucht werden, jener von ppstlicher wievon kaiserlicher Seite mit uerster Entschiedenheit gefhrtengeistig-politischen Auseinandersetzung um die Ordnungs-form der abendlndischen Christenheit. In ihr wurde die altereligis-politische Einheitswe1t des orbis chrisiianus in ihrenFundamenten erschttert und die Unterscheidung und Tren-nung von >geistlich< und >weltlichweltli~Von der jun en theologlsc en Wis- --?ysenschah erarbeitet, wurde diese - rennung . . nt Iche .

    ~isti e Waffe Im Investiturstreit. Ihre Anwendung be~crtete--.freilich - und mu te e euten -, da das reicllskH:ffikhe .WE!ganze (Mirgeler), da.s.1>.iS~~~~rl.9~.tlnd in c!Em f!lan(A _lebte, von seinem innersten Kern her aufgelst wurde. Die V.T'rager des gelsdlchenrrites beanspruchten alles Geistliche,Sakrale, Heilige fr sich und die von ihnen gebildete >ecclesia

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    lnger geweihte Person, sondern Laie wie jeder andere Glu-bige auch, er unterstand hinsichtlich der Erfllung seinerChristenpflichten wie jeder andere dem Urteil der geistlichen

    .(7 Instanz, die ihrerseits dem Urteil einer weltlichen Instanz-nicht unterworfen war. Das ist der neue >ordo

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    hat es wesentlich dazu beigetragen, da die Trger der weltli-chen Gewalt sich auf die Eigenstndigkeit und Weltlichkeitder Politik besannen und den Vorsprung an Institutionalisie-rung, de~die Kirche ihnen voraus hatt~-S~dUl~

    -sraatIlCFier -H errschaftsmrmClfmeEr::.;1d-m f11'OTter1.TI1eYOrformenaes Souvermttsgedankens und die terntorialeAbschlieung des Herrschaftsraumes haben sich, wie unteranderem die Beispiele einerseits der Staufer, anderseits derfranzsischen Knige zeigen, gerade in der Auseinanderset-zung mit dem ppstlichen Suprematieanspruch herausge-bildet.

    .'j I' Freilich, der Investiturstreit hatte geistig mehr entschieden,t Oals sich unmittelbar geschichtlich und politisch realisierte.

    Albert Mirgeler '7 hat darauf hingewiesen, da die mit derUnterscheidung 'geistlich< - ,weltlich< tatschlich eingetreteneSkularisierung dadurch verschleiert wurde, da die neue, insich aufgespaltene Christenheit im allgemeinen Bewutseineinfach die alte Reichskircheneinheit fortsetzte und weiterhiin den Traditionen der alten sakralen Einheit von Reich unKirche begriffen wurde. Trotz des prinzipiellen Wandels blieso, gerade auf dem Boden des Reiches, faktisch eine berdek-kung von Imperium und ecclesia erhalten. Die ueren For-men des alten Weltgebudes bestanden noch lange fort, wur-den freilich immer mehr zu Hohlformen, in denen Form undGehalt keineswegs mehr zur Deckung kamen. Auch war es frden Kaiser und die weltlichen Herrscher keine reale Mglich-

    . keit, da nicht das ganze Volk und ihr weltliches Regiment

    Ichristlich sein und bleiben solle. Die Skularisierung hatte in

    PJf dieser ersten Stufe nur die Entlassung aus dem Bereich desSakralen und Geheiligten, der unmittelbaren (eschatologi-schen oder inkarnatorischen) Jenseitsorientierung, nicht dieEntlassung aus der religisen Fundierung schlechthin umgrif-fen. Die Landesherrschaften und Knigreiche, nach dem Inve-stiturstreit freigesetzt auf den Weg zur weltlichen Politik,waren dennoch christliche Herrschaften und Obrigkeiten. Diechristliche Religion war die unbezweifelte Grundlage, dergemeinsame, die Homogenitt verbrgende Boden zwischenHerrschern und Beherrschten. Auch die Bewegung zum Staatund die Entbindung einer auf Machtbildung und -auseinan-dersetzung zielenden Politik im 15. und beginnenden 16.

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    Jahrhundert '8 vollzog sich zunchst in diesem Rahmen. Dieneue Situation und Krise, die zur zweiten Stufe der Skularisa-~.tion fhrte, trat mit der Glaubensspaltung ein. j P

    11.

    Die europische Christenheit stand, nachdem die Glaubens-spaltung Wirklichkeit geworden war, vor der Frage, wie ein 7-'1Miteinanderleben der verschiedenen Konfessionen in einergemeinsamen politischen Ordnung mglich sei. Vermge derBedeutung, die der christlichen Religion fr die politischeOrdnung zukam, war der Konflikt nicht nur ein religiser,sondern zugleich ein politischer Konflikt. Fr die beiden, 32-spter drei, Konfessionen war es ein Konflikt um den wahrenGlauben, das reine Evangelium; ,i!!s Kampf um die Wahrheit )">

    Idete er keine Kompromisse. Nach der Verhltnlsbestim- 5mu~ncl v. eltlieher Gewalt, die Theologenund Kanonisten ausgebildet hatten, war es die Aufgabe derweltlichen Macht, mit ihren Mitteln ffentlich den Irrtum zu ?unterdrcken, Hretiker und Ketzer zu bestrafen. Katholi- ) c;ken, Lutheraner und Reformierte waren sich darin grundstz-lich einig. 19 Nicht nur die aufrhrerischen Hretiker, diezugleich politische Unruhestifter waren, sollten davon betrof-fen werden; auch die nicht-aufrhrerischen Hretiker zu be-strafen, war das Amt der Obrigkeit, denn sie waren Lsterergegen Gott!O Die Auffassung des Glaubens als rechtsartigesTreueverhltnis und die fortwirkende Tradition der Polis-Re-ligion verschlossen den Weg zur brgerlichen Toleranz.

    ..Q~r11.it~il_L~.Jdnverm~idlich,da die Religionsfrage in vol- --lem Umfang eine An eIe enheit der PolitIk wurde. Europa~wurae 1m 16.117. Jahrhun ert von eIner e e grauenvoller

    konfessioneller Brgerkriege durchzogen; politische und reli-gise Interessen, Einsatz fr den wahren Glauben und Strebennach Machtausdehnung und Machtbehauptung kreuzten undverbanden sich unaufhrlich!' An drei Stellen in Europawurde dieser religispolitische Kampf exemplarisch und mitunterschiedlichen Ergebnissen ausgetragen: in Spanien unterPhilipp 11., im Reich in der Auseinandersetzung zwischenKaiser 'und Reichsstnden, in Frankreich in den Hugenotten-kriegen. Aus diesen konfessionellen Brgerkriegen ging, wenn

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  • man von der besonderen Entwicklung in Spanien absieht, die) I ~ zweite Stufe der Skularisation, der sich .rein weltlich undpolitisch aufbauende und legitimierende Staat hervor; mitseiner Heraufkunft war zugleich auch ber die Trennung vonReligion und Politik grundstzlich entschieden.

    Es mag dahingestellt bleiben, wieweit diese Entwicklung inder Intention der damals Beteiligten lag, aber sie ergab sich ausder Logik der geschichtlichen Situation und den Bedingungendes Handelns, die in ihr vorgegeben waren. Die Unterschei-

    ""I dun von > eistlich< und >weltlich

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    setzt sich hier ohne vid Aufhebens, aber nachdrcklich durch.GJ Was. gibt der Kni~ de? Unt~rtanen,wenn er ihne~.unter der! Bedmgung, da sie sich semen Gesetzen gegenuber loyalverhalten, die Freiheit ihres Gewissens lt, fragt Michel deI'Hopital 1568 in einer Denkschrift an den Knig. Er gibtihnen eine Gewissensfreiheit oder vielmehr er lt ihre Gewis-sen in Freiheit. Dann fhrt er fort: "Nennt ihr das kapitulie-ren? Ist es eine Kapitulation, wenn ein Untertan mit euchbereinkommt, da er seinen Frsten anerkennt und seinUntertan bleibt ?27 Die rein weltliche Betrachtung des politi-schen Herrschaftsverhltnisses ist m dieser :A:rgumentatiM

    s~lzogen. Die RelIgio'ii'iSfKem notwendiger 'Bestand-teil der politischen Ordnung--me~- -

    Als Hei~IV. von Navarra sChlielich zum katholischen/(. Glauben bertrat, um sein nach der loi salique bestehendesLI t Anrecht auf den Thron zu verwirklichen, war dies kein Sieg

    der ,wahren Religion< mehr, wie es nach auen scheinenknnte, sondern ein Sieg der Politik. Grnde der Staatsklug-heit und politischen Vernunft waren es, die Heinrich zus.einem Schritt bestimmten:28 um dem Land endlich den Frie- I"den, der nur so erreichbar war, zu geben, um die kni 'che

    errsc a t zu SIC ern, r au enswec se vollzo en.Das erste, was emnc IV. tat, nac em er as an uer-lich befriedet h~tte, war die Begrndung einer gesetzlichen .Existenz fr die Hugenotten im Edikt von Nantes (1598).29 ()Der einzelne konnte Brger des Knigreiches sein, alle zivilen -Rechte genieen, ohne der wahren Religion anzugehren. Dieerste, substantielle Trennung von Kirche und Staat war hier-mit Wirklichkeit. Das Edikt von Nantes machte erstmals denVersuch, zwei Religionen in einem Staate zuzulassen.

    Vergleichen wir Heinrich IV. mit Heinrich IV.: Heinrich IV., derKaiser, als Ber in Canossa, um innerhalb einer religis-politischenEinheitswelt durch die ppstliche Absolution die Voraussetzung dafr zuschaffen, sein Knigsamt wieder auszuben; Heinrich IV. von Frank-reich, zum katholischen Glauben konvertierend und der Ketzerei ab-schwrend, um seiner Herrschaft Sicherheit, dem Land Frieden und Ruhezu geben: wie sehr hatten, trotz der ueren Ahnlichkeit des Ablaufs,Sieger und Besiegter gewechselt.

    Ltj-----Wenn gleichwohl fast berall in Eur, . Frankreichselbst, auf lange Zeit das Prinzip d r Staatsreligion errschte,

    52

    !~

    so spricht das nicht gegen diese Feststellung; denn die Ent-scheidung fr die Staatsreligion war nicht eine Frage derVerwirklichung und Durchsetzung der Wahrheit, sonderneine Frage der Politik. In einem Staat knnen nicht zweiReligionen bestehen, Dieses Argument wurde immer wiedervon vielen, von Theologen wie von Politikern, gegen Toleranzund Kultfreiheit ins Feld gefhrt.JoMochte es tatschlich frdie damaligen Verhltnisse vielerorts zutreffend sein - auchdie Menschen, jahrhundertelang in den Formen der ffentli-chen Kult-Religion lebend, muten ja erst reif und fhigwerden zur Toleranz -,~ war keirLnlligi:5e:'i, sondel I1 cipolitisches Argument, bezo~~ auf Sicherheit und Ordnungdes-Staates. Die ganze Frage war damit aus der UnbedmgtheltderBinduilg an die Wahrheit entlassen und den Mglichkeitenund Bedingungeh der Politik unterstellt. Sie war damit - underst damit - auch der Abwgung, der Ausgrenzung vonFreiheitsrumen, ja fr den Weg zur Toleranz offen. DieReligion war nicht mehr de jure, sondern de facta garantiert;und sie war garantiert kraft der Entscheidung der politischenMacht. E~ war folgerichtig, da sie unter die Kuratel deslandesherrlichen Kirchenregiments wie uberh~~Lites ,Staatsklrch~ntums ge~t:!lt~~u[(]_e. ?a die Herrscher nicht ~daran dachten, sich und Inre weroenden Staaten auerhalb der!Grundlagen des Christentums zu stellen, da sie selbst Chri- t)sten waren und sein wollten, ndert an dem prinzipiellenUnterschied gegenber der Zeit vor der Glaubensspaltungnichts'. Fr die sich ankndigende Ordnung war dies eine ,.tatschlich vorhandene und vorausgesetzte, aber keine not-wendige Bedingung mehr.

    Wie sehr die Skularisation in diesem Sinne Staat und Politikfortan bestimmte, zeigt das politische Testament Richelieus.Der Kardinal der rmischen Kirche spricht hier davon - dasTestament richtet sich an einen sehr fromm und kirchentreuerzogenen Prinzen -, da die Regierung Gottes die ersteGrundlage fr das Glck eines Staates sei: jeder Frst mssesie zur Geltung bringenY Aber worin besteht sie? Richelieusetzt das als bekannt voraus, er gibt keine Details auer derErmahnung zum guten, vorbildhaften Leben. Die ,RegierungGottes< wird abgedrngt in den Bereich der Moral, bleibt ohneinhaltlich fabaren Gehalt fr die Politik. Fr das politische

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    Die >rectio ratioDeLII!.-/ cive< bei der Behandlung der Pflichten des Herrschers. Die- - Antwort ist von klassischer Prgnanz: I. ut ab hostibus

    externis defendantur; 2. ut pax interna conservetur; 3. utquantum cum securitate publica consistere potest, locupletun-tur; 4. ut libertate innoxia perfruantur.33 Die rein skulare,diesseits-orientierte und religionsunabhngige Zielsetzung desStaates ist darin eindeutig ausgesprochen: Sicherung der Er-haltungsbedingungen des brgerlichen Lebens und Ermgli-chung der Befriedigung der individuellen Lebensbedrfnissedurch die Brger. Um dieses Zieles willen wird der Staatbegrndet, um dieses Zieles willen wird er mit dem summumimperium, das heit der hchsten, zur Letztentscheidungberufenen und darum souvernen Herrschaftsgewalt ausge-stattet, weil nur durch eine solche souverne, letztentschei-dende Instanz, der gegenber sich niemand auf sein 'privatesAuftrag

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  • Homogenitt suchte und fand ihren Ausdruck im National-~staat. Inzwischen hat die Idee der Nation, nicht allein in vielenf'f Staaten Europas, diese Formkraft verloren. Auch in den jun-

    gen Staaten Asiens und Afrikas wird ihre Formkraft vonvorbergehender Dauer sein: Der Individualismus der Men- /'-;schenrechte, zur vollen Wirksamkeit gebracht, emanzipiert . ~nicht nur von der Religion, sondern, in einer weiteren Stufe, r-auch von der (volkhaften) Nation als homogenittsbildenderKraft. Nach 1945 suchte man, vor allem in Deutschland, in derGemeinsamkeit vorhandener Wertberzeugungen eine neue

    ry1 Homogenittsgrundlage zu finden. Aber dieser Rekurs auf die.,L ,Werte

  • 8 Hierzu und zum folgenden mit vielen Quellenzeugnissen FriedrichHeer, Aufgang Europas, Wien-Zrich 1951.

    9 Das Reich als kat-echon: Carl Schmitt, Der Nomos der Erde imVlkerrecht des Jus publicum europum, Kln 1950, S. 29/30'

    10 Eugen Ewig, Zum christlichen Knigsgedanken im frhen Mittelal-ter, in: Das Knigtum, Konstanz-Lindau 1954, S. 71 H.; EduardEichmann, Die Kaiserkrnung im Abendland, Bd. I, Wrzburg1942, S. 15-108, 109-125.

    II Dazu Mirgeier, a.a.O., S. 122.12 Dictatus papae Gregorii VII., insbes. These XVIII: Quod [Romanus

    pontifex] a nemine ipse iudicari debeat, und These XII: Quod illiliceat imperatores deponere.

    13 Vortrag ber Gregor VII. in Mnster/W. im Frhjahr 1964, bislangunverffentlicht. [Vgl. aber jetzt P. E. Hbinger, Die letzten WortePapst Gregors VII. (Rheinisch-Westflische Akademie der Wissen-schaften, Vortrge G 185), Opladen 1973J.

    14 Hans Barion, Sav. Zs., Kan. Abt. Bd. XLVI (196o), S. 485 H., inbes.S. 493 ff. (Besprechung von F. Kempf, Die ppstliche Gewalt in dermittelalterlichen Welt, in: Saggi storici intorno al Papato die Profes-sori della Facolca die Storia Ceelemastica, Roma 1959, S. 117-169).

    15 MirgeIer, a.a.O., S. 127.16 Dazu neuestens Carl Schmitt, Die vollendete Reformation. Bemer-

    kungen und Hinweise zu neuen Leviathan-Interpretationen, in: DerStaat 4 (1965), S. 64 L

    17 A.a.O., S. 129 und 122 f.18 W. Dilthey, Ges. Schriften, Bd. 2, Berlin und Leipzig 1914, S. 246 H.;

    Georg Dahm, Deutsches Recht, Stuttgart 1951, S. 266.19 Darstellung und Quellen bei J. Leder, Geschichte der Religionsfrei-

    heit im Zeitalter der Reformation, Bd. I, Stuttgart 1965, S. 148 H.,240-252,439 H., 456 L

    20 Thomas von Aquin, Sentenzenkommentar IV, d. 13, qu. 2, ad 3;Luther: siehe Leder, a.a.O., I3d. I, S. 249 L; Melanchthon: CorpusReformatorum IV, c. 737-740.

    21 Ein guter berblick jetzt bei J. Leder, a.a.O., Bd. 1 und 2.22 Dazu Johannes HeckeI, Cura religionis, Jus in sacra, Jus circa sacra.

    Neudruck Darmstadt 1962, S. 44 H., 53 f., 67 ff. Die ablehnendeBeurteilung des kirchenpolitischen Territorialismus bei Leder,a.a.O., Bd. 2, S. 381 L, 530 ff. wird diesem Zusammenhang nichtgerecht.

    23 Franzsische Geschichte, 4. bis 6. Buch, a.a.O., Bd. I, S. 117-275.24 Roman Schnur, Die franzsischen Juristen im konfessionellen Br-

    gerkrieg, Berlin 1962, insbes. S. 16-23; ferner auch Leder, a.a.O., Bd.2, S. 109 ff.

    25 Schnur, a.a.O., S. 21-23.

    62

    26 So Michel de L'Hopital in der Denkschrift an den Knig von 1568,vgl. Leder, a.a.O., Bd. 2, S. II I.

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    ist.

    Jer Knige vorgeschriebene Handauflegung bei LeprosenkrankenTornahm, hatte er Handschuhe an."rhschriften, a.a.O., S. 183.Jie westdeutschen Lnderverfassungen der ersten Jahre nach 1945

    ~nthalten sehr zahlreiche ideologische Restaurationsversuche eineschristlichen, Staates, die einer nheren Untersuchung wert sind. Das.letzte Wort- der Religionsfreiheit: Entscheidung des Bundesverfas-;ungsgerichts, Bd. '9, S. 206 ff., 226, und dazu A. Hollerbach, Das5taatskirchenrecht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-:ichts, in: Archiv des ffentlichen Rechts, Bd. 92 (1967), S. 99 ff.Herbert Krger, Staatslehre, Stuttgart '963, S. 43.G. W. F. Hege!, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Ausg.Gaus, 185; ders., Encyklopdie der philosophischen Wissenschaf-:en, ,830, 552Karl Marx, a.a.O., S. ,83.Siehe die grundlegende historisch-systematische Untersuchung vonEugen Lemberg, Geschichte des Nationalismus in Europa, Stuttgart'950; ders., Nationalismus, I. und II. rde, Hamburg '964.Vgl. den Beitrag von earl Schmitt, Die Tyrannei der Werte, inSkularisation und Utopie. Ebracher Studien, Stuttgart, Berlin, Kln,Mainz '967, S. 37 ff.Das ist fr die Aufnahme der antiken Polis-Tradition ganz bersehenin der Arbeit von W. Hennis, Politik und praktische Philosophie,Neuwied '963; dazu auch Bernard Willms, Ein Phoenix zu viel, in:Der Staat 3 (1964), S. 488 H. Grundstzlich zum Problem der Ent-zweiung Joachim Ritter, Hegel und die Franzsische Revolution,Kln-Opladen '957.Encyklopdie der philos. Wissenschaften, ,830, 552. Das Problemdes Verhltnisses von Staat und Religion ist hier auf einer Hhe

    -'geistiger Reflexion diskutiert, die seither nicht wieder erreicht wor-

    ?

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