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E Stadtteil-Check Ergebnisse & Analysen
Bereits im Dezember haben wir dieersten Ergebnisse unserer Leserbe-fragung veröffentlicht. Diese gebenmitunter überraschende Antwortenauf die Frage „Wie gern leben Sie inIhrem Stadtteil?Welche Gesamtno-te geben Sie Ihrem Stadtteil?“.DieBochumerDurchschnittsnote
von 2,24 entspricht der Schulnote„zwei minus“. Die Bochumer lebenüberwiegend gerne in ihrem Stadt-teil. Die besten Durchschnittsnotenerhielten Stiepel (1,72), Altenbo-chum (1,75), Weitmar-Mark (1,75)und Linden (1,75). Das schlechtesteZeugnis stellten die Teilnehmer indiesem Punkt Westenfeld (2,98),Leithe (2,98), Hamme (2,99) undWattenscheid-Mitte (3,29) aus.
Alle Ergebnisse im InternetAlle Detailergebnisse finden Sie imInternet auf waz.de/bochum. Darü-ber hinaus bündeln wir unterwaz.de/bo-check alle Ergebnisse –auch jene, die wir in den kommen-den Wochen veröffentlichen. Einigeder weiteren Themen: medizinischeVersorgung, Gastronomie, Einzel-handel und ÖPNV-Anbindung.
Umfrage-Ergebnis:Wo die Bochumer amliebsten wohnen
DREI FRAGEN AN
OberbürgermeisterThomas Eiskirch (SPD)FOTO: SOCRATES TASSOS
„Bewusst mehr umdie Stadtteilekümmern“
1 Wie erklären Sie sich die durch-weg schlechten Noten für Poli-tik und Verwaltung?Das hat viel mit Vertrauensverlust inPolitik, Institutionen und demokrati-sches Handeln in unserer Gesell-schaft zu tun. Insofern ist es wich-tig, dem aktiv entgegenzuwirken.Ganz bewusst habe ich mich dafürentschieden, dass wir uns intensivum die Stadtteile kümmern, die sich– oftmals nicht zu Unrecht – zu kurzgekommen fühlen.
2 Was sagt Ihnen das schlechteZeugnis Wattenscheids?Ich glaube, dass das Gefühl vielerWattenscheiderinnen und Watten-scheider, dass ihr Stadtbezirk nichtausreichend im Fokus war, stimmt.Und deshalb haben wir uns ent-schieden, ganz besonders in diesenBereichen zu investieren. Eines dergrößten ISEKs in NRWmit über 30Mio. Euro findet dort statt. So vielwie seit der Eingemeindung nichtmehr. Wir investieren in viele Pro-jekte: Der Abenteuerspielplatz ander Hüller Straße wird runderneuert,am Ehrenmal erfolgt eine umfassen-de Sanierung, der August-Bebel-Platz wird neu gestaltet. Wirklichwahrnehmen werden es die meistenaber erst, wenn Gebäude errichtet,Plätze umgestaltet, Fassaden sa-niert und Straßen erneuert sind.
3 Was wollen Sie tun, um dieBürger zufriedener zu stellen?Noch stärker mit den Menschen vorOrt ins Gespräch kommen, hinhörenund gemeinsam nach Lösungen su-chen. Die 2. Bürgerkonferenz fand jazum Thema Stadtteile und Quartierestatt. Die starke Beteiligung vonBürgerinnen und Bürgern ist mir eingroßes Anliegen. Dazu entwickelnwir zusätzlich zu Bürgerstunden, Ju-genddialog und Bürgerkonferenzenjetzt zwei neue Reihen zur Bürgerbe-teiligung direkt in den Stadtteilen.
Von Thomas Schmitt
Das Zeugnis, dasWAZ-Le-ser Kommunalpolitikern und Ver-waltung in Bochum ausstellen, istschlecht. In keinemanderen „Fach“– vonSicherheit über Sauberkeit biszurParkplatzsituation–gibt esbeimWAZ-Stadtteil-Check so miese No-ten. Im Durchschnitt eine 3,63. Be-sonders negativ bewerten die Teil-nehmer einmal mehr Stadtteile inWattenscheid. Einsames Schluss-licht ist Westenfeld: 4,72 – mangel-haft plus. Kümmert sich hier wirk-lich niemand um die Probleme, dieBürgern auf den Nägeln brennen?
Wolfgang Wittkämper jedenfallssieht das genauso. Der Ur-Westen-felder führt den neugierigen Redak-teur bei der Ursachensuche direktins Germanenviertel. „Schauen Siesich hier um. Wollen Sie hier woh-nen? Seit Jahren tut sich hier nix.“Nun ja, einladend sieht der Kom-
plexaus fünf- bis sechsgeschossigen,längst in die Jahre gekommenenHäusernnicht aus.DreckigeEcken,dunkle Durchgänge, Müll türmtsich haufenweise neben Abfallbe-hältern, die überquellen.Wiemanhier Probleme löst, zeigt
Wittkämper direkt neben der KitaFriesenweg. Der für die Bewohnerdes Viertels einmal vorgeseheneTreffpunkt samt Kleinspielfeld ist
nichtmehr zu erreichen. „Woanderswird so etwas hübsch gestaltet, hiermacht man einen Zaun drum“, sagtder 58-Jährige.
Brennpunkt Germanenviertel„Das Germanenviertel droht, einBrennpunkt zu werden“, fürchtetauch Oliver Krudewig. Der Vor-stand der Baugenossenschaft Bo-chum,der163derknapp1000Woh-nungen hier gehören, berichtet vonzunehmenden Leerständen. „InWestenfeld ist Wohnraum nichtknapp. Hier will nur keiner hin.“Zwischen Sachsenring, Kelten-
weg und Wikingerstraße sowie ent-langdesFrankenwegs sind vieleNa-tionalitäten zu Hause. In den 1980-er Jahren bezogen Spätaussiedleraus Polen und Russland viele Woh-nungen, später kamen Südosteuro-päer und zuletzt Flüchtlinge ausdem Mittelmeerraum hinzu. DieEigentumsverhältnisse sindkompli-ziert. Rund 450 Eigentümer gibt es,zehn Prozent besitzen 60 Prozentdes Bestandes. Ihr Einfllf uss ist groß,ihr Interesse häufig gering.Die Baugenossenschaft scheiter-
te laut Krudewig mit dem Versuch,sich zum Verwalter bestellen zu las-sen. Ziel sei es gewesen, die Pfllf egeder Außenanlagen in eine Hand zugeben, um das äußere Erschei-nungsbild zu verbessern. „In denEigentumswohnungen des Viertelsleben zahlreiche leidenschaftlicheMenschen, die bei der Pfllf ege jahre-lang geholfen haben. Mittlerweilesind viele aber so alt, dass sie esnichtmehr schaffen. Andere ziehenweg“, sagt Krudewig.
Stadt kauft sich von Pflege freiUrsprünglich sollte die Stadt für diePfllf ege der Außenanlagen zuständigsein. Dieser Pfllf icht entledigte siesich 1987 in einem Rechtsstreit.250.000MarkkostetederVergleich.Heute heißt es: „Die Stadt hat kei-nen Einfllf uss, weil sie dort nichtEigentümer ist“, so StadtsprecherThomas Sprenger. Und überhaupt:„Es gibt in Bezug auf Westenfeldaußer den Fakten im Sozialberichtkeine Auffälligkeiten.“ Diese Fak-tenweisenaus, dass es inWestenfeldimVergleichzumBochumerDurch-schnitt doppelt so viele Mehrfami-lienhäuser mit mehr als zehn Woh-nungen gibt, 40 Prozent mehrMen-schen von Hartz IV leben und 25Prozent mehr arbeitslos sind. DieAusländerquote beträgt 13 Prozent.Vielen Bürgern ist zudem nicht
nur das Germanenviertel ein DornimAuge, sondern auch die geplanteWohnbebauung am Wilhelm-Leit-he-Weg. „Die Pläne sind einHohn“,sagt Torsten Vieting. Er fürchtet,dass ein neues „Germanenviertelzum Wilhelm-Leithe-Weg verlagertwird“. Sorgen macht sich der Spre-
cher der Bürgerinitiative Westen-felder Felder auch um das Klima.Mit denHäusernwerde einewichti-ge Frischluftschneise vernichtet.Die Politikverdrossenheit vieler
WestenfelderBürger ist auchaufdieZuständeamWattenscheiderBahn-hof zurückzuführen. Seit Jahrenwarten viele Menschen auf einenAufzug.UnddannwäredanochderSportplatz, das lange darbende Eh-renmal und, und, und.
„DieLebensqualität ist inWesten-feld nicht schlechter als anderswo“,sagt Reinhard Mokanski, der inWattenscheid und Bochum vierRewe-Läden betreibt. Einen davonamGermanenviertel. Dort ist bis 24Uhr geöffnet, ein Sicherheitsmannpasst auf. „Das ist reine Vorbeu-gung“, sagt der 60-Jährige. „DasKlientel ist abends ein anderes.“Auch er macht sich Sorgen um
den „sozialen Brennpunkt“ Germa-nenviertel. Der Politik seien da aber
dieHände gebunden.ZufriedenmitdenVolksvertretern ist er abernicht.„Zu Zeiten Wolfgang Schicks hatteman das Gefühl, dass sich mehr ge-kümmertwird.“DasSPD-Urgesteinist im Herbst 2017 verstorben.„Solche Umfragen sind eher et-
was für kritische Geister. Zufriede-ne Menschen beteiligen sich häufignicht“, sagt David Gehne, Politik-wissenschaftler an der Ruhr-Uni.Das Ergebnis des WAZ-Stadtteil-Checks müsse man daher mit Vor-sicht betrachten. Gleichwohl rät er:„Politik und Verwaltung sollten dasErgebnis als Appell sehen, etwas zuverändern. Bürger erwarten zuRecht, dass Dinge funktionieren.“In Westenfeld ist das offensichtlichan vielen Stellen nicht der Fall.Ungerecht benotet sieht sichWat-
tenscheids BezirksbürgermeisterManfred Molszich. „Man kannStadt und Politik nicht verantwort-lich machen, wo Stadt und Politiknicht verantwortlich sind“, sagt derSPD-Politiker. Das gelte für die Zu-stände im Germanenviertel ebensowie für denBahnhof. „Ich bin jeder-zeit für die Bürger da und ansprech-bar.“ Die Frage, warum er nicht dawar, höre er aber häufig. „Fast eben-so häufig aber lautet mein Antwort:Weil ich nicht eingeladen war.“Das klingt ein bisschen wie Schu-
le. Auch dort sind häufig Lehrerschuld an schlechten Noten.
Westenfelder fühlen sich im Stich gelassenSchlechte Noten für die Arbeit von Politik und Verwaltung sind schnell vergeben. Das „mangelhaft plus“für denWattenscheider Stadtteil sticht bei unserer Umfrage dennoch heraus. Ein Erklärungsversuch
Wolfgang Wittkämper – hier im Germanenviertel unterwegs – sorgt sich um seinen Stadtteil. Die schlechten Noten für Politik und Verwaltung versteht er. FOTO: HAUMANN
STADTTEIL-CHECK
Heute: Politik undVerwaltung
19. Februar: Sauberkeit23. Februar: Gemeinschaftsgefühl
WestenfeldLeithe
GünnigfeldHofstede
Harpen/RosenbergHamme
Wattenscheid-MitteGerthe
KruppwerkeRiemkeWerne
Kornh./Voede-A.Gleisdreieck
Bergen/HiltropHordel
HöntropLangendreer-A. B.
LaerQuerenburg
Mittelwert BochumGrumme
Weitmar-MarkSüdinnenstadtWeitmar-MitteWiemelh./Bren.
EppendorfAltenbochumLangendreerDahlhausen
StiepelLinden
8744
10411816020225019377
15120487
13519410519792
103157
288177296248380179310337191190279
4,724,514,494,284,174,124,023,913,873,843,823,813,803,793,773,763,733,673,653,633,623,583,473,413,363,353,303,293,123,113,04
Schlechte Noten für Politik und Verwaltung
5535 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben beim Stadtteil-Check Bochum zwischen EndeSeptember und Mitte November online auf WAZ.de oder auf Zeitungspapier mindestens zehnvon 14 Fragenmit Schulnoten (1 = sehr gut, 6 = ungenügend) beantwortet.
Die dritte der 14 Stadtteil-Check-Fragen lautete: Wie bewerten Sie den Einsatz vonKommunalpolitikern und Stadtverwaltung für Ihren Stadtteil? Vergeben Sie eineSchulnote von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend).
Die Umfrage ist nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht repräsentativ, weil die Teilnehmernicht systematisch ausgewählt wurden. Stattdessen konnte jeder Interessierte mitmachen. DerStadtteil-Check liefert wegen der mitunter sehr großen Beteiligung jedoch ein Stimmungsbild.
Teilnehmerzahl Durchschnittsnotemangelhaft +
ausreichend -
ausreichend
ausreichend +
befriedigend -
befriedigend
FUNKE
GRA
FIKNRW
:BLM
Von den Nutzern vergebene Zensuren: Notendurchschnitt im jeweiligen Stadtteil
Das Germanenviertel in Westenfeld. Eine Bausünde der 60/70er Jahre, die Politi-kern und Verwaltung heute auf die Füße fällt. FOTO: GERO HELM
ProBO.
„SolcheUmfragensind eheretwas für
kritische Geister.“David Gehne, Politikwissenschaftler
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BOCHUMBÜRGERSEITE Samstag, 16. Februar 2019