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Herbert Reul ist seit 2004 Mitglied des Europäischen Parlament. Seit Beginn dieses Jahres ist er dort Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe. Reul ist aus- gewiesener Energieexperte in Europa und wirkt seit Jahren im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie an den energiepolitischen Maßnahmen der EU mit. Von 2009 bis 2012 leitete er den Ausschuss. HAUPTSTADTGESPRÄCH 28 Eigentlich eine Erfolgsgeschichte, allerdings hier und da mit Schwachstel- len. So haben Sie den europäischen Binnenmarkt jüngst beschrieben. Wo liegen denn diese Schwachstellen? Im europäischen Binnenmarkt können wir überall in der EU frei reisen, leben, lernen und arbeiten, wir können grenzen- los handeln und Waren und Dienstleis- tungen kaufen. Das ist per se eine enor- me Erfolgsgeschichte. Allerdings hinkt die Erfolgsgeschichte noch an manchen Stellen, unter anderem im Energiebe- reich. Das liegt zum einen an den histo- risch getrennten Energienetzen, die erst zusammenwachsen müssen, damit Gas und Strom frei fließen können. Das ist ein enormer finanzieller Aufwand. Zum anderen hängt es aber auch daran, dass einige Mitgliedstaaten ihre Energiever- sorgung sehr national betrachten und nicht im europäischen Kontext. Insofern finde ich es gut, dass Energiekommissar Günther Oettinger mit seiner Binnen- marktmitteilung dieses Thema aufgrei- fen wird und damit hoffentlich weitere Impulse für ein Zusammenwachsen gibt. In Deutschland wird derzeit eine intensi- ve Diskussion um den Ausbau erneu- erbarer Energien geführt, vor allem im Hinblick auf zukünftige Förder- und Subventionsbedingungen. Wie beurtei- len Sie das Thema? Die Diskussion wird sehr emotional ge- führt, es geht ja um viel Geld. Die große He- rausforderung ist in der Tat die Frage, wie die Förderung von erneuerbaren Energien möglichst effektiv und kostenorientiert ge- staltet werden kann. In Deutschland ist sie derzeit relativ kostenintensiv. Die Verbrau- cher zahlen eine gigantische Leistung, das kann so nicht bleiben. Erschreckend kommt noch hinzu, dass die nationale Politik kaum noch sachgerechte Entschei- dungen treffen kann, weil der Druck von allen Seiten so hoch ist. Manchmal erin- nern mich die Debatten an die Zeiten der Steinkohleförderung, als ebenso wenig auf Basis von Vernunft und Wirtschaftlich- keit entschieden wurde. Nehmen Sie nur das Beispiel Solarförderung: In Deutsch- land wurden 22 mal so viel Kapazitäten für Sonnenenergie aufgebaut wie in Italien, einem der sonnenverwöhntesten Staaten in Europa. „Die größten Energieeinsparpotenziale liegen im Verhalten der Menschen.“ Energiebinnenmarkt – Energiewende – Energiesparen Dr. Ralf Pastleitner, Leiter des VNG-Büros in Brüs- sel, traf Herbert Reul, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament und sprach mit ihm über die Vollendung des Energie-Binnenmarktes, die Möglichkeiten zur Energieeinsparung und die Herausfor- derungen der Energiewende für Deutschland und Europa.

Hauptstadtgespraech

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herbert reul ist seit 2004 Mitglied des europäischen Parlament. seit Beginn dieses Jahres ist er dort Vorsitzender der cdU/csU-Gruppe. reul ist aus-gewiesener energieexperte in europa und wirkt seit Jahren im Ausschuss für industrie, Forschung und energie an den energiepolitischen Maßnahmen der eU mit. Von 2009 bis 2012 leitete er den Ausschuss.

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eigentlich eine erfolgsgeschichte, allerdings hier und da mit schwachstel-len. so haben sie den europäischen Binnenmarkt jüngst beschrieben. Wo liegen denn diese schwachstellen?im europäischen Binnenmarkt können wir überall in der eU frei reisen, leben, lernen und arbeiten, wir können grenzen-los handeln und Waren und dienstleis-tungen kaufen. das ist per se eine enor-me erfolgsgeschichte. Allerdings hinkt die erfolgsgeschichte noch an manchen stellen, unter anderem im energiebe-reich. das liegt zum einen an den histo-risch getrennten energienetzen, die erst zusammenwachsen müssen, damit Gas und strom frei fließen können. das ist ein enormer finanzieller Aufwand. Zum anderen hängt es aber auch daran, dass einige Mitgliedstaaten ihre energiever-sorgung sehr national betrachten und nicht im europäischen Kontext. insofern finde ich es gut, dass energiekommissar Günther oettinger mit seiner Binnen-marktmitteilung dieses thema aufgrei-fen wird und damit hoffentlich weitere impulse für ein Zusammenwachsen gibt.

in deutschland wird derzeit eine intensi-ve diskussion um den Ausbau erneu-erbarer energien geführt, vor allem im hinblick auf zukünftige Förder- und subventionsbedingungen. Wie beurtei-len sie das thema?die diskussion wird sehr emotional ge-führt, es geht ja um viel Geld. die große he-rausforderung ist in der tat die Frage, wie die Förderung von erneuerbaren energien möglichst effektiv und kostenorientiert ge-staltet werden kann. in deutschland ist sie derzeit relativ kostenintensiv. die Verbrau-cher zahlen eine gigantische leistung, das kann so nicht bleiben. erschreckend kommt noch hinzu, dass die nationale Politik kaum noch sachgerechte entschei-dungen treffen kann, weil der druck von allen seiten so hoch ist. Manchmal erin-nern mich die debatten an die Zeiten der steinkohleförderung, als ebenso wenig auf Basis von Vernunft und Wirtschaftlich-keit entschieden wurde. nehmen sie nur das Beispiel solarförderung: in deutsch-land wurden 22 mal so viel Kapazitäten für sonnenenergie aufgebaut wie in italien, einem der sonnenverwöhntesten staaten in europa.

„Die größten Energieeinsparpotenziale liegen im Verhalten der Menschen.“

Energiebinnenmarkt – Energiewende – Energiesparen dr. ralf pastleitner, leiter des vng-büros in brüs-sel, traf Herbert reul, vorsitzender der cdu/csu-gruppe im Europaparlament und sprach mit ihm über die vollendung des Energie-binnenmarktes, die möglichkeiten zur Energieeinsparung und die Herausfor-derungen der Energiewende für deutschland und Europa.

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medium gas 2 | 2012

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Und die lösung des Problems?statt dauerhaft ganze Branchen national zu subventionieren, sollten wir die För-derung nach europaweit einheitlichen Kriterien ausrichten. sonnenenergie ist dort am billigsten, wo viel sonne scheint. Auch Windkraftanlagen sind nur effektiv, wenn ausreichend Wind vorhanden ist. Perspektivisch brauchen wir deshalb ein Fördersystem, dass nationale Grenzen ausblendet und die Mittel damit am ef-fizientesten einsetzt.

Wird sich deutschland in diesem Punkt überhaupt bewegen? immerhin hat das deutsche eeG eine gewisse Vorreiterrol-le in europa.leicht wird sich die deutsche regierung nicht tun, davon bin ich überzeugt. Aller-dings laufen die Kosten langsam aus dem ruder. die Bürger werden irgendwann die Frage stellen, wie hoch die Kosten genau sind und welchen effekt es bringt. sie wer-den verlangen, dass solar-, Wind- oder Wasserkraftanlagen nur dann gefördert werden, wenn sie gewissen effizienzan-forderungen genügen.

die Finanzierung der erneuerbaren energien ist eine sache, die Akzeptanz eine andere. Zwar wollen viele Bürger grüne energie, aber nicht wenn Wind-räder oder neue strommasten vor ihren häusern gebaut werden. die Akzeptanz ist wirklich ein wichti-ger Punkt. ich gehöre zu jenen Politi-kern, die vor diesem Problem schon immer gewarnt haben. Wenn ich mehr erneuerbare energien will, brauche ich mehr erzeugungsanlagen und die erforderlichen leitungen zum Abtrans-port. in deutschland werden noch fast 4.000 Kilometer Überlandleitungen benötigt. es ist klar, dass der Zubau nicht ohne die Zustimmung der Bür-ger funktioniert. hier bin ich froh, dass Bundesumweltminister Peter Altmaier die debatte ein wenig entschleunigt,

tenzial von Power-to-Gas, um erneuerbare energien zu speichern und für einen län-geren Zeitraum vorhalten zu können. eine interessante Perspektive, die aber sicher noch sehr viel Forschungsarbeit verlangt.

deutschland ist in sachen energiewen-de nach vorne „geprescht“ ohne die europäischen nachbarn mit ins Boot zu holen. ihre skepsis über die vorschnel-le deutsche energiewende haben sie schon 2011 geäußert. haben sie ihre Meinung inzwischen geändert?nein, denn das Problem ist exakt das glei-che geblieben. eine solch große Umstel-lung fordert Zeit, nachdenklichkeit, neue technologische Möglichkeiten, hohe Ak-zeptanz und viel Geldeinsatz – das geht nicht von heute auf morgen. damit die energiewende gelingt, darf die Politik sich und die Menschen nicht überfordern, sondern muss es gründlich, langsam und kontrolliert angehen. Außerdem bin ich nach wie vor der Meinung: wer europa ernst nimmt, darf eine so wichtige Frage der energieversorgung nicht treffen, ohne wenigstens vorab mit seinen nachbarstaa-ten darüber zu sprechen.

Zumindest ist die debattenkultur unter-einander eine andere geworden.Zum Glück. statt ablehnender haltung wird jetzt in europa darüber diskutiert,

versachlicht und versucht, mit ruhe und nüchternheit lösungen herbeizuführen.

dass die erneuerbaren energien aus-gebaut werden müssen, daran besteht kein Zweifel. Allerdings gehen damit auch schwierigkeiten im Bereich der konstanten Verfügbarkeit und speiche-rung einher. Ja, das kann man nicht verleugnen. so spannend die erneuerbaren im ersten Mo-ment sind, sie werfen eben auch einige Probleme auf durch ihre nichtverlässlich-keit, ihre nichtstabilität und nichtkontinu-ität. das sorgt wiederum für einen Mehr-aufwand im hinblick auf leitungsbau und speicherung, da Versorgungsengpässe durch die erneuerbaren energien abgefe-dert werden müssen. hier werden wir auf jeden Fall neue technologien brauchen.

eine lösung könnte die Power-to-Gas technologie sein. Was halten sie davon, auch perspektivisch?ich bin mir relativ sicher, dass Power-to-Gas eine der lösungen sein wird, wenn-gleich ich mich trotzdem zurückhaltend äußeren möchte. ich finde, die Politik soll-te nicht bestimmen, welche die richtige technologie ist, sondern muss allenfalls die rahmenbedingungen so gestalten, dass sich die richtige technologie entfal-ten kann. dennoch glaube ich an das Po-

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Energie sparen – Geldbeutel schonen

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31.12.12-06.01.13

Altenberg (DE)

07.01.-13.01.13

Königssee (DE)

14.01.-20.01.13

Igls (AT, inkl. Europameisterschaften)

11.02.-17.02.13

Sotschi (RU)

21.01.-03.02.13

Weltmeisterschaften St. Moritz (CH)

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wie die deutsche energiewende auch europäisch werden kann. da geht es vor allem um Fragen der infrastruktur und des grenzübergreifenden energietransportes, aber auch um Fragen der speicherung und um die rolle der konventionellen ener-gieträger. das Problem von erneuerbaren energien ist eben, dass sie zu bestimmten Zeiten in gigantischen Mengen und dann wieder gar nicht vorhanden sind. Für die Grundlast ist das schlecht. deswegen bin ich mir sicher, dass wir auf längere sicht, viel länger als viele träumer heute glauben, noch Gas und Kohle brauchen. Übrigens stecken da ja auch Potenziale drin. Gas ist ausreichend vorhanden, auch durch neu entdeckte Quellen. Wenn ich mir anschaue, welche Möglichkeiten sich die Us-Amerikaner durch ihr schiefergas erschlossen haben, dann stellt sich schon die Frage, warum der nachdenkliche euro-päer die Quellen, die er in seinem Gebiet hat, nicht nutzt. eigentlich unverantwort-lich. Wenn man zu wenig energie hat, dann darf man nicht leichtfertig auf eine energiequelle verzichten.

in deutschland wird das thema Ener-giewende sehr stromgeführt diskutiert. dabei macht der wärmemarkt allein 40 prozent des deutschen Energieverbrau-ches aus. müsste man hier nicht stärker ansetzen und zum beispiel anreize für eine Heizungsmodernisierung geben?ein klares Ja. Je sparsamer ich mit energie umgehe, desto weniger brauche ich. inso-fern bietet die heizungsmodernisierung sicher großes Potenzial. die Politik muss sich nur fragen, funktioniert das energie-sparen eher über Anreize oder Verbote. ich favorisiere ganz klar ein Anreizmodell, um die Menschen vom energiesparen zu überzeugen. Zentrale politische Vorschrif-ten aus Brüssel halte ich dagegen für wenig zielführend. die hauseigentümer müssen selber entscheiden dürfen, ob ihre immobilie den zukünftigen erforder-nissen genügt, ob sie noch vermietbar

oder verkäuflich ist und wie viel energie sie letztendlich verbrauchen soll. die Politik darf die hauseigentümer nicht überfordern mit übertriebenen effizienz-vorgaben, weil die sanierung eben auch erhebliche Kosten verursacht.

Also ein nein für die eU-energieeffizi-enzrichtlinie?nein, die idee einer energieeffizienzricht-linie finde ich gut und wichtig. Allerdings bin ich mit der Umsetzung nicht zufrieden. ich hätte mir eine gemeinsame europä-ische Zielsetzung gewünscht, die den Mitgliedstaaten die Freiheit über Mittel und Maßnahmen lässt, wie sie die Ziele erreichen. immerhin sind schon allein wegen der klimatischen Bedingungen die effizienzanforderungen in europa un-terschiedlich. hinzu kommt noch, dass auch die finanziellen Fördermöglichkeiten stark variieren. ich verstehe deshalb nicht, warum wir die effizienzanforderungen bis ins letzte detail regeln müssen. das muss ja auch irgendwer später kontrollieren.

Wir haben gehört, dass sie einen eigenen energiesparratgeber herausge-geben haben. Mit praktischen tipps für alle eU-Bürger?Genau. ich habe, auch aus einem eige-nen Wunsch heraus, verschiedene ener-giesparmaßnahmen für den haushalt zusammengeschrieben. das Buch ent-hält praktische tipps und kompakte in-formationen zu Förderprogrammen und energieberatungsangeboten.

noch eine Frage zum schluss: Wie spart die Familie reul energie? Zuhause bemühen wir uns gerade sukzes-sive, unser haus ein bisschen energiespa-render umzugestalten: erst die heizung, dann die Fenster, das dach, die Wände. Aber eben nur stück für stück, weil es auch enorme Kosten verursacht. Außerdem versuche ich meinen Kindern den rat zu geben, die Geräte nicht ewig laufen las-

Der energiespar-ratgeber von herbert reul ist seit August im Aqua-Verlag erhältlich. Wir verlosen unter allen einsen-dern 5 handsignierte exemplare.

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sen. das ist ähnlich wie bei meinem Vater. der hat immer gesagt „Junge, mach das licht aus“. heute sage ich: „Mach den computer aus“. Beides war nur begrenzt erfolgreich. trotzdem glaube ich, dass die größten einsparpotenziale im Verhalten der Menschen liegen. die können sie aber nicht verordnen. das haben wir übrigens auch bei den Glühbirnen gesehen. Wir ha-ben die Abschaffung der alten Glühbirnen verordnet, und die leute haben die alten Glühbirnen einfach weggekauft. es sind mehr produziert worden als je zuvor. Wir haben wahrscheinlich noch für 10 Jahre reserven in den heimischen haushalten liegen. tolle nummer! Wirklich gelungener politischer schachzug. Man könnte auch sagen, der volkstümliche schuss ins Knie.

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