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Das Labor weist den Weg
Keine Gallensteine, wenig Alkohol – wie kam es zu dieser Pankreatitis?
Abb. 1 Makrosko-pisch zeigte sich nach Zentrifugation ein stark lipämisches Serum.
Abb. 2 Lipidelektrophorese; 1, 7: Kontrolle; 4: Normalserum; 2, 3, 5, 6: Patientenserum.
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Störungen des Fettsto�wechsels als Auslöser von Pankreatitiden sind nichts wirklich Neues. In der Praxis stehen aber natürlich biliäre und nu-tritiv-toxische Ursachen im Vorder-grund. Unsere Kasuistik beschreibt die Diagnostik und die Therapie einer Patientin mit einer Typ-V- Hyperlipidämie.
_ Eine 50-jährige normgewichtige kau-kasische Schweizerin (BMI 24 kg/m2, Nichtraucherin) stellte sich wegen epi-gastrischer und in den Rücken ausstrah-lender Schmerzen auf der Notfallstation vor. Die Schmerzen begannen drei Tage zuvor im Anschluss an einen einwöchi-gen Ferienaufenthalt in Österreich.
AnamneseDie Patientin berichtete über eine ähnli-che Episode vor zwölf Monaten, eben-falls im Anschluss an einen Ferienauf-enthalt. Damals wurde eine akute Pan-kreatitis diagnostiziert, die sich unter einer symptomatischen �erapie rasch besserte. Die Ätiologie blieb ungeklärt. Bis auf eine mit Levothyroxin substi-tuierte Hypothyreose bestand eine un-au�ällige medizinische Vorgeschichte, insbesondere waren weder Gallensteine noch eine familiäre Häufung von Pan-kreatitiden bekannt. Im Alltag war die
Patientin vollständig alkholabstinent, berichtete jedoch über regelmässigen, massvollen Alkoholkonsum während der Ferien.
LaborDie initialen laborchemischen Untersu-chungen zeigten ein leicht reduziertes Gesamtkalzium (2 mmol/l), bei leicht er-niedrigtem Albumin (31,8 g/l), erhöhte Entzündungsparameter (C-reaktives Protein 11,6 mg/l; Leukozyten 14,3 x 109/l), sowie deutlich erhöhte Lipase-Werte (1161 U/l). Die Analyse der Lipo-proteine ergab um den Faktor 60 erhöh-te erhöhte Triglyzeride (127 mmol/l) so-wie erhöhte low-density Lipoproteine (LDL 5,7 mmol/l) und niedrig norma - les high-density Lipoprotein (HDL 1,67 mmol/l). Das Gesamtcholesterin war erhöht bei 33 mmol/l. Makrosko-pisch �el ein lipämisches Serum auf (Abb. 1). In der Lipidelektrophorese zeigte sich eine bisher nicht diagnosti-zierte Hyperlipidämie Typ V nach Fredrickson (Abb. 2).
Weitere BefundeSonogra�sch imponierte das Pankreas vergrössert und ödematös mit umgeben-den Exsudationen. Es konnten weder Gallensteine noch dilatierte Gallenwege festgestellt werden. Der Ranson-Score betrug nach 48 Stunden 3 von 6 Punk-
ten, entsprechend einer mittelschweren Pankreatitis.
In der nach 72 Stunden nach Eintritt durchgeführten Computertomogra�e zeigten sich Exsudatstrassen bis ins klei-ne Becken reichend ohne Nekrosezonen. Wir stellten die Diagnose einer triglyze-ridinduzierten exsudativen Pankreatitis.
48 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (14)
Autor_PortraitkastenAutor Zusatz
FORTBILDUNG_ÜBERSICHT
Dr. med. Björn Müller-EdenbornInnere Medizin/Gastroenterologie, GZO Spital Wetzikon
Koautoren: Dr. med. Silke Kenngott, Dr. med. Dominic Müller, Dr. med. Bernhard Magdeburg, alle GZO Spital Wetzikon
VerlaufUnter einer symptomatischen �erapie mit Flüssigkeitssubstitution und initialer Nahrungskarenz kam es binnen zwölf Stunden zu einer Reduktion der Trigly-zeride um 50%. Im Verlauf wurde eine lipidsenkende �erapie mit einem Fe-no�brat begonnen. Die Patientin erholte sich binnen 14 Tagen vollständig, Die Tri-glyzeride hatten sich zur Entlassung an-nähernd normalisiert (3,8 mmol/l).
Pathophysiologie der PankreatitisAuch wenn die Hypertriglyzeridämie heute als bekannter Risikofaktor für Pankreatiden gilt, ist der pathophysiolo-gische Mechanismus nicht vollständig geklärt [1]. Eine mögliche Rolle spielt die Freisetzung von freien Fettsäuren (fFS) durch hydrolytische Spaltung der Tri-glyzeride durch die pankreatische Lipa-se [2]. Es konnte auch gezeigt werden, dass fFS die Emp�ndlichkeit pankreati-scher Zellen gegenüber Alkohol erhö-hen[3].
Die verschiedenen Typen der Hyper-lipidämie werden klassischerweise ge-mäss Fredrikssons Klassi�kation von 1965 entsprechend des Anteils verschie-dener Lipoproteine eingeteilt (Tab. 1). Die Typ-V-Hyperlipidämie ist charakte-risiert durch erhöhte Triglyzeride, Chy-lomikronen und Very-low-densitiy-(VLDL-)Lipoproteine.
Der pathophysiologische Mechanis-mus der adulten Typ-V-Hyperlipidämie ist unklar. Lifestyle und Umgebungsfak-toren scheinen bei diesen Patienten zu-sammen mit einer plurigenetischen Prä-disposition eine wichtige Rolle zu spie-len. Eine Hypothyreose kann beispiels-weise eine Hyperlipidämie begünstigen, wobei hierbei meist eine Hypercholeste-rinämie überwiegt. Unsere Patientin zeigte eine insu�zient substituierte Hy-pothyreose (�yroidea-stimulierendes Hormon 8,7 µU/ml, normal 0,27–4,2 µU/ml).
Unsere Patientin präsentierte sich mit der zweiten Episode einer Pankreatitis im Anschluss an einen Ferienaufenthalt. Ein chronischer Alkoholabusus wurde von der Patientin glaubha� verneint. La-borchemisch wurde dies durch ein nor-males mittleres korpuskuläres Volumen
und eine normwertige Gamma-Gluta-myltransferase gestützt.
Die Patientin räumte jedoch einen moderaten Alkoholkonsum während der Ferien ein. Dies könnte auch die As-soziation der Symptomatik mit den je-weiligen Urlaubsreisen erklären.
PrognoseGegen die hypertri glyze rid-induzierte Pankreatitis (HTGP) kamen bei dieser Patientin verschiedene Behandlungsop-tionen infrage. Neben dem Einsatz von Fibraten oder Nikotinamidsäurederiva-ten wurde die Lipidapherese als e�zien-tes Mittel zur raschen Senkung der Tri-glyzeridkonzentration beschrieben[4]. Ein positiver E�ekt der Lipid apherese auf die Mortalität von Patienten mit HTGP konnte in grösseren Studien al-lerdings nicht gezeigt werden[5]. Dies könnte auf einen verzögerten Beginn der Apherese zurückzuführen sein, da der maximale Nutzen bei frühzeitigem Be-ginn gezeigt wurde.
Eine alternative �erapieoption in der akuten Situation wäre die Gabe von Insulin. Dies führt über die Aktivierung der Lipoproteinlipase zu einer Abnahme der Triglyzeridkonzentration [6]. Hier-bei ist wegen der möglichen Hypokaliä-mie eine engmaschig Kontrolle und ggf. rasche Korrektur erforderlich.
Wir haben uns zu einer konservati-ven �erapiestrategie bei der Patientin entschlossen, auch da eine zeitnahe Apherese nicht möglich war. Eine ent-sprechende Lifestyle-Beratung mit mo-derater Gewichtsabnahme, körperlicher Betätigung, Optimierung der Nahrungs-zusammensetzung und möglichst strik-
ter Alkoholkarenz hat stattgefunden. Als Zielwert haben wir der Patientin einen Trigyzeridwert von < 4 mmol/l empfohlen. In den neun Monaten nach Demissio konnte die Patientin diesen Wert stets einhalten und ist rezidivfrei.
Literatur unter mmw.de
Für die Verfasser:Dr. med. Björn Müller-EdenbornAbteilung für Innere Medizin/ GastroenterologieGZO Spital WetzikonSpitalstrasse 66, CH-8620 Wetzikon E-Mail: [email protected]
KeywordsType V hyperlipidemia – an uncommon cause for pancreatitis
Pancreatitis – hyperlipidemia – hypertriglyceridemia
Tabelle 1
Einteilung der primären Hyperlipoproteinämien nach Fredrickson
n: normal; ↑: erhöht.
Typ
I II a II b III IV V
Triglyzeride ↑ n oder ↑ ↑ ↑ ↑ ↑
Chylomikronen ↑ n N n n ↑
LDL n ↑ ↑ n n n
VLDL n n ↑ ↑ ↑ ↑
Fazit für die Praxis
Die häu�gste Genese von akuten Pan-kreatitiden sind mit 40% biliärer Natur. Daneben wird ein akuter oder chroni-scher Alkoholmissbrauch in 35% der Fälle gesehen. An dritthäu�gster Stel-le sind Störungen im Lipidsto�wech-sel zu nennen. An diese sollte di�eren-zialdiagnostisch gedacht werden und die entsprechende Labordiagnostik veranlasst werden. Durch pharmako-logische und Lifestyle-Intervention lässt sich eine erneute Episode meist verhindern.
MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (14) 49
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