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Urs Graf Verlag • Dietikon-Zürich Herausgegeben von Peter Erhart Mit Grussworten von Kathrin Hilber und Hans Wüst Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen Miscellanea Lorenz Hollenstein

Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

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Urs Graf Verlag • Dietikon-Zürich

Herausgegeben von Peter Erhart

Mit Grussworten von Kathrin Hilber und Hans Wüst

Schatzkammer Stiftsarchiv St.GallenMiscellanea Lorenz Hollenstein

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.GallenMiscellanea Lorenz Hollenstein

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Klaus amann

Karl Heinz Burmeister

Peter erHart

urs eugster

moritz Flury-rova

HuBert Foerster

tHomas FucHs

rudolF gamPer

steFan gemPerli

dieter geuenicH

raFFaella gustaPane

marKus Kaiser

Jost KircHgraBer

JaKoB Kuratli HüeBlin

annina lanFranconi

miriam lendFers

PHiliPP lenz

uwe ludwig

marK mersiowsKy

clemens müller

Helena müller

Peter müller

Paul oBerHolzer

Fritz rigendinger

Karl scHmuKi

norBert scHnetzer

steFan sonderegger isteFan sonderegger iidoris stöcKly

ernst tremP

manFred tscHaiKner

raFael wagner

BernHard zeller

Urs Graf Verlag • Dietikon-Zürich

Herausgegeben von Peter Erhart

Mit Grussworten von Kathrin Hilber und Hans Wüst

Mit Beiträgen von

Schatzkammer Stiftsarchiv St.GallenMiscellanea Lorenz Hollenstein

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UmschlagVorne: Darstellung des Stiftsarchivs auf einem Pergamentbirett von 1737Hinten: Blick aus dem Stiftsarchiv St.Gallen auf die Schiedmauer zwischen Kloster und Stadt St.Gallen von 1567

Seite 2: Lorenz Hollenstein bei einer Führung für den Historischen Verein Sarganserland im Juni 2007 (Foto Mathias Bugg).ImpressumGedruckt mit Unterstützung von: Stiftsarchiv St.Gallen Kulturförderung Kanton St.Gallen Katholischer Konfessionsteil des Kantons St.GallenLektorat: Ruth FlückigerVerlag: Urs Graf Verlag GmbH, Dietikon-ZürichAuflage: 1. Auflage März 2009 2. korrigierte Auflage Juli 2009Gestaltung: Martina Matter, Urs Graf Verlag GmbHRechte: © by Stiftsarchiv St.GallenISBN: 978-3-85951-273-3

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Zum Geleit

KatHrin HilBer Die kleine Perle – ein grosser Schatz! 7

Hans wüst Laus et laureus pro Laurentio 8

Peter erHart Vorwort des Herausgebers 9

Das älteste Klosterarchiv des Abendlandes

Paul oBerHolzer Bemerkungen zu den Eigenkirchen des Klosters St.Gallen 10

Karl Heinz Burmeister Die urkundliche Ersterwähnung von Mittenbuch 793? 15

Peter erHart Von Bernegar zu Perincher: Unterwegs mit einem Schreiber im Zürichgau zur Zeit Karls des Grossen 18

BernHard zeller Date et date vobis. Anmerkungen zu Cozpreht von St.Gallen und seinen Urkunden 23

dieter geuenicH Benedikt von Aniane, Helisachar und Einhard im St.Galler Verbrüderungsbuch 27

uwe ludwig Bischof Hunfrid von Thérouanne in St.Gallen und Pfäfers 30

marK mersiowsKy Die Urkunde Abtbischof Salomons für Graf Udalrich vom 30. März 895 – Ein Spitzenstück karolingischer Urkundenkunst 38

steFan sonderegger i Das Stiftsarchiv St.Gallen als Quelle zu einer Philologie der Archivalien 43

ernst tremP «Die Greise im Archiv» oder: Das Verhältnis der St.Galler Chronisten im Frühmittelalter zum Klosterarchiv 47

steFan sonderegger ii Wald – zentral für die ländliche und städtische Wirtschaft 50

Neuzeit im Kloster St.Gallen

rudolF gamPer «Da ist dem gotzhus der todstich geben» 53

PHiliPP lenz «nu we bücher»: Bucherwerbungen unter dem Pfleger und Abt Ulrich Rösch 57

doris stöcKly Thurgauer Rechtsquellen aus dem Stiftsarchiv St.Gallen 62

tHomas FucHs Grenzkarte Fürstabtei St.Gallen – Appenzell Ausserrhoden von 1637/38 68

Inhalt

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norBert scHnetzer «Meine Suche […] verlief äusserst erfolgreich: …» Zur Auffindung der ältesten Kalenderdrucke Vorarlbergs im Stiftsarchiv St.Gallen 74

Jost KircHgraBer Und ich zu meinen verbrannten Büchern 80

raFFaella gustaPane Le fonti archivistiche relative a Celestino Sfondrati (1644–1696), abate di St.Gallen e Cardinale 83

clemens und A prandio ad coenam – «Speisen auf Reisen» in Pater Helena müller Hermann Schenks Tagebuch von Coelestin Sfondratis Romreise (1696) 87

annina lanFranconi Das Hagenwiler Schlossinventar von 1717 92

steFan gemPerli Verwaltungsreform im Stiftsarchiv? Gedanken zum Abschied von Lorenz Hollenstein laboriosi archivistae 95

Peter müller Unterwegs auf der Alten Konstanzerstrasse 100

moritz Flury-rova Altäre, Kanzeln und Chorgestühle aus Papier und Tinte – Bruder Notkers Ausstattungsentwürfe für die St.Galler Stiftskirche von 1770 103

miriam lendFers Strafverfahren vor dem «höchsten Tribunal der Gerechtigkeit» 107

manFred tscHaiKner «Teufel, komm! Komm, Teufel!» – Ein Appenzeller Teufelsbeschwörer im Montafon (1775) 111

urs eugster/ «… nostro amico, confederato, e sinceramente amato» raFael wagner Auszüge aus dem Briefregister des Stiftsarchivs St.Gallen 115

HuBert Foerster Brot oder Neutralität: Der Dienst 1793 für Sardinien. Zum Umfeld des Regiments Bachmann (Fürstabtei St.Gallen – kath. Glarus) 127

Karl scHmuKi «Man soll derlei Novitates nicht anfangen ...» Der letzte «Job» von Pater Iso Walser (1722–1800): Statthalter von Rorschach 133

marKus Kaiser Pläne für die Spinnerei im Kloster St.Gallen 139

Archiv und Bibliothek des Klosters Pfäfers

Fritz rigendinger Vom Nutzen des Stiftsarchivs Pfäfers für die historische Forschung 146

Klaus amann Das Pfäferser Passionsspielfragment und die Pfäferser Liturgie 150

JaKoB Kuratli HüeBlin Johannes Heider: Der erste Stiftsarchivar von Pfäfers 154

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 158 Verzeichnis der Abkürzungen 160

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Zum Geleit

Die kleine Perle – ein grosser Schatz!

KatHrin HilBer, regierungsrätin, vorsteHerin des dePartementes des innern des Kantons st.gallen

Es ist die kleinste Dienststelle in der kantonalen Verwaltung, aber mit Sicherheit die wertvollste!Das Stiftsarchiv, verborgen in engen Räumen in der Pfalz, schützt, pflegt und erforscht die wohl wichtigsten Dokumente vom frühen Mittelalter bis zum Untergang des Klosters St.Gallen 1805. Dokumente und Urkunden vom Feinsten bezeugen einen markanten Teil der politischen Geschichte im deutschsprachigen Raum und geben als Zeitzeugen Einblick in das weltliche und kirchliche Leben vergangener Jahrhunderte. Wer den Zugang zu diesen kulturellen Schätzen sucht, hat verschiedene Wege. Das Internet-portal, Kataloge, Ausstellungen, Führungen und Referate. Der wohl interessanteste Zugang ist aber eine Begegnung mit Stiftsarchivar Lorenz Hollenstein. Über beinahe drei Jahrzehnte hat er mit hoher Fachlichkeit, grossem Engagement und sichtbarer Freude und Begeisterung den Weg zur Geschichte dieser prägenden Jahrhunderte geöffnet und gestaltet. Dabei hat er lateinische Texte in grosser Selbstverständlichkeit in unsere Alltagssprache übersetzt, Hand-schriften auf Pergament entziffert, den Siegeln auf Dokumenten die historische Bedeutung verliehen und aktuelle Themenfelder mit mittelalterlichen Fakten bereichert. Ob es um die Ess- und Trinkkultur oder die medizinische Versorgung im Mittelalter geht, immer wartet Lorenz Hollenstein mit historischen Dokumenten auf und verknüpft sie humorvoll mit heu-tigen Bedingungen und Erfahrungen. Keine Urkunde, kein Dokument, keine Handschrift, die durch seine Erzählkunst nicht zu leben und zu blühen beginnt.Kein Wunder also, dass interessierte Menschen, seien es Fachleute von Universitäten oder Inter-essierte aus dem In- und Ausland, von der gedanklichen Reise in vergangene Jahrhunderte begeis-tert sind, wieder kommen und den Besuch im Stiftsarchiv zu einem Höhepunkt erklären.Lorenz Hollenstein hat am wachsenden Interesse breiter Bevölkerungskreise an diesem kul-turellen Erbe grosse Verdienste. Während sein Vorgänger mit einer Ausstellung über den Stiftsbezirk die Welt bereiste, hat Lorenz Hollenstein die Menschen hier inmitten des Stifts-bezirks für die Geschichte des Klosters St.Gallen begeistert. Wer beim Stiftsarchiv einen Be-such anmeldete, erhielt adressatengerechte Dokumente präsentiert und wurde mit seinen historischen Bezügen überrascht. Das Engagement des Stiftsarchivars hat den Besucherinnen und Besuchern die Beweise dafür geliefert, dass im Stiftsarchiv die ältesten Quellen zu Familien- und Flurnamen, zur Geschichte von Gemeinwesen im In- und Ausland zu finden sind. Ein unschätzbarer kultureller und gesellschaftlicher Wert.Aus Anlass von Lorenz Hollensteins Pensionierung wurde die vorliegende Publikation gestaltet. Die Autorinnen und Autoren halten fest, schreiben mit und geben der Berufszeit von Lorenz Hollenstein ein Gesicht. Obwohl der Übergang in das Rentenalter für alle eine wichtige Zäsur in der Lebensge-staltung darstellt, wird bei ihm eines sicher sein: Lorenz Hollenstein wird auch in seiner «Zeit da-nach» nahe am kulturellen Erbe bleiben, Geschichten erzählen und in seiner humorvollen Art den Weg des Stiftsarchivs, der kleinen Perle mit dem grossen Schatz, von aussen betrachten. Er wird dies tun ohne beruflichen Auftrag, aber gefüllt mit seiner Leidenschaft für Geschichte und Kultur.

Herzlichen Dank, Lorenz Hollenstein!

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

Laus et laureus pro Laurentio

Hans wüst, Präsident des administrationsrats des KatHoliscHen KonFessionsteils des Kantons st.gallen

Ach, wäre ich doch so ein Lateiner geworden wie Lorenz Hollenstein! Ich schaffte es nicht, denn mein erstes Extemporale – so nannte unser Lehrer damals die erste Lateinprüfung – ging völlig daneben. So bin ich, von dieser Erfahrung langzeitgeschädigt, immer wieder auf gute Übersetzungsdienste angewiesen. Aber es gibt sie, die begnadeten Lateiner und Über-setzer. Einer davon ist mit Sicherheit Lorenz Hollenstein! Seine Lateinkenntnisse sind be-wundernswert. Im Rahmen dieser Publikation möchten wir ihm aber nicht allein seine Übersetzungskünste für zahlreiche Originalquellen, sondern seine ganze immense Arbeit für das Stiftsarchiv anerkennen und verdanken. Das Stiftsarchiv – nach Regierungsrätin Kathrin Hilber die wertvollste Perle der kantonalen Verwaltung – ist wahrlich ein aussergewöhnlicher Schatz. Allerdings möchte ich – gleich-sam als Vertreter des früheren Klosters – bescheiden darauf hinweisen, dass diese Perle aus der schier unerschöpflichen Erbschaft des ehemaligen Klosters St.Gallen stammt. Die erste «Übereinkunft betreffend die Verwaltung und Benutzung des vom Stifte St.Gallen herrüh-renden Stiftsarchives» stammt aus dem Jahre 1825, die heute gültige vom 2. Juni 1953, und sie regelt Eigentum und Verwaltung klar. Das Stiftsarchiv mit seiner aussergewöhnlich rei-chen Sammlung an alten Urkunden ist gemeinsames Eigentum des Kantons und des Ka-tholischen Konfessionsteiles. Damit haben aber weder der Kanton noch der Konfessionsteil Probleme. Im Gegenteil, die Erfahrung zeigt, dass beide Teile sehr einvernehmlich und bei-spielhaft diese Aufgabe gemeinsam erfüllen, diesen grossen Schatz teilen und bereit sind, zu der ausserordentlichen Perle wirklich Sorge zu tragen! Ein Archiv wird dann seiner Aufgabe gerecht, wenn es sich öffnet und für die Gegenwart le-bendig wird. Lorenz Hollenstein hat dies ganz besonders verstanden und dafür gesorgt, dass die kostbaren Akten und Dokumente zu leben begannen und das Interesse weckten. Als be-geisternder und begeisterter Erzähler, der Zuhörerinnen und Zuhörer in seinen Bann zu zie-hen versteht, hat er unzählige Quellen auf verständliche Art erschlossen. Sein grosses und breites Wissen, das die ganze Zeitspanne des Archivs abdeckt, wurde immer wieder in seinen Vorträgen und Ausführungen spürbar. Wir sind dankbar, dass er sein enormes Wissen weiter-gab und dies auch in Zukunft machen wird. In all seiner Arbeit, das zeichnet ihn besonders aus, schimmert Menschlichkeit durch. Da steht kein verbeamteter zurückgezogener Archivar vor einem, sondern ein menschenfreundlicher offener Mann mit Herz und Humor. Mit allen, den Laien und den Fachleuten, kann er sich glänzend verständigen und unterhalten. Kann ein so engagierter und noch derart quirliger Stiftsarchivar überhaupt in Pension ge-hen? Lorenz Hollenstein kann es, denn er hat uns in seiner Arbeit gezeigt, dass alte Quellen auch immer einen Bezug zum Heute haben. Wir begleiten ihn mit einem aufrichtigen Dank und einem grossen Lob in seine neue Zeit. Lorenz, du hast so vielen Fragenden, Suchenden, Studierenden gut getan! Wir schätzen deine Offenheit, dein grosses Engagement sehr und wünschen dir für den neuen Lebens-abschnitt Gesundheit und viel Frohes. Wir werden dir weiterhin gern begegnen und sind überzeugt, dass du uns auch in Zukunft an deinem enormen Wissen teilhaben lässt.

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Zum Geleit

Vorwort des Herausgebers

Rund tausend Besucher gelangen alljährlich ins Stiftsarchiv, um den ersten schriftlichen Nachweis von der Existenz ihres Weilers, Dorfes oder ihrer Stadt im Original zu sehen. Für den Archivar bedeutet dies eine besondere Herausforderung, gerät er doch in einen Kon-flikt zwischen Nutzung und Bewahren von Archivalien. Urkunden, Bücher, Akten, Karten und Pläne, Siegelstempel etc. werden für eine kurze Zeit zu Musealien, die es einem Publi-kum mit unterschiedlichem Informations- und Wissensstand zu vermitteln gilt. Lorenz Hollenstein ist oft mehrmals pro Woche vom stillen Konservator zum Vermittler einer tausendjährigen Überlieferung geworden, die bis zu den Anfängen der Siedlungsgeschichte Alemanniens zurückreicht. Immer wieder ist es ihm dabei gelungen, mittels fremd gewor-dener Relikte einer fernen Vergangenheit die Besucher zu berühren, ver schüttete Gedächtnis inhalte und das Bewusstsein um die wechselhafte Geschichte des Klosters St.Gallen neu zu beleben. Erst wenn ihm dies gelungen war, schlüpfte er beim anschliessenden Versorgen der Objekte in ihrer finsteren Umgebung wieder in seine Rolle des achtsamen Schatzhüters.Als solcher amtierte er während insgesamt 28 Jahren. 1981 bis 2002 als wissenschaftlicher Assistent, 2003 bis März 2009 als Stiftsarchivar. In der täglichen Auseinandersetzung mit den originalen Dokumenten gewann er in dieser langen Zeitspanne eine unüberbietbare Vertrautheit mit den Quellen. Dies schlug sich in einer Reihe eigener Publikationen nieder, erwies sich aber vor allem als Segen für die Benutzer der Bestände, denen er beim Entzif-fern und Interpretieren der Originalquellen im Lesesaal stets hilfreich zur Seite stand. Es war deshalb ein Leichtes, treuen Benutzern des Stiftsarchivs kurzweilige Berichte aus ihrer Werkstatt zu entlocken, die gleichzeitig einen Überblick über die Vielfalt der in den beiden Stiftsarchiven St.Gallen und Pfäfers gemachten Entdeckungen verschafft. Ihnen sei für ihre spontane Bereitschaft zu einem Beitrag und ihre langjährige Verbundenheit mit dem Stiftsarchiv an dieser Stelle herzlich gedankt. Ebenso zu danken gilt es dem Verleger Urs Stocker und dessen Gestalterin Martina Matter, die diese Miscellanea in eine attraktive Form gegossen haben.Mit dem lateinischen Wort Miscellanea ist ein Klosterarchivar beinahe täglich konfrontiert. Der Inhalt zahlreicher Bände und Aktenschachteln des Stiftsarchivs lässt sich kaum besser als mit diesem Wort charakterisieren. Gerade diese ‹bunten Mischungen› sind Ausdruck einer Kultur des Bewahrens, die auf die Ewigkeit ausgerichtete Klöster besonders auszeich-net. Ihre Entstehung bleibt aber oft ein Geheimnis des Archivars, der mit der gleichen Sorge wie seine Vorgänger diese Schätze in ihrer Gesamtheit zu bewahren und zu erschliessen hat. Mögen diese «wunderbaren Besitztümer» sich dir, lieber Lorenz, weiterhin als wertvolle Bausteine deines historischen Schaffens erweisen.

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

Paul oBerHolzer

Bemerkungen zu den Eigenkirchen des Klosters St.Gallen

Im 8. und 9. Jahrhundert wurde Alemannien mit einem Netz von Landkirchen überzogen. Ein ansehnlicher Teil davon kam in den Besitz des Klosters St.Gallen. Die rechtlichen Ver-hältnisse dieser Gotteshäuser und das kirchliche Leben, das dort gepflegt wurde, werden gerne für unerforschbar gehalten. Bei einer genaueren Auswertung gibt der Urkundenbe-stand der Abtei St.Gallen aber erstaunlich detaillierten Aufschluss.Der folgende Artikel ist eine aktualisierte Zusammenfassung einer Publikation, die ich als Praktikant im Stiftsarchiv mit Hilfe von Lorenz Hollenstein verfasst, in der Reihe St.Galler Kultur und Geschichte veröffentlicht und schliesslich unter Leitung von Stiftsbibliothekar Ernst Tremp an der philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Ue. als Dissertation verteidigt habe.

Zum EigenkirchenwesenAm 23. Oktober 1894 formulierte Ulrich Stutz in seiner Antrittsvorlesung an der Universi-tät Basel einen neuen Rechtsbegriff, der fortan die frühmittelalterliche Kirchengeschichts-forschung nachhaltig prägte: die Eigenkirche. Diese definierte er als ein Gotteshaus, das dem Eigentum seines Grundherrn derart unterstand, dass sich daraus nicht bloss die Verfü-gung in vermögensrechtlicher Beziehung, sondern die volle geistliche Leitungsgewalt ergab. Bis heute ist die Forschung Stutz darin gefolgt.Korrekturen hingegen erfuhr die Herkunftserklärung: So postulierte Stutz ein altgermani-sches Hauspriestertum des Sippenältesten, der einen Tempel auf seinem Grund errichtete und den darin zu pflegenden Kult bestimmte. Dieses Konzept soll sich im Zug der Christi-anisierung auf die rechtliche Stellung der neu erbauten Kirchen übertragen und das spätan-tike Modell mit dem Bischof als Inhaber von geistlichen und wirtschaftlichen Leitungskom-petenzen verdrängt haben. Einen direkten Beleg für solche germanische Verhältnisse konn-ten Stutz und seine Schule aus den Quellen nicht erbringen. Vielmehr setzte sich die Erklä-rung durch, dass überall dort Eigenkirchen entstanden, wo sich Staat und Kirche als öffent-liche und flächendeckende Gewalten zurückgezogen hatten oder noch gar nicht konstitu-iert waren und der grundbesitzende Adel in den von ihnen beherrschten Räumen die Hoheit in allen Belangen – auch in kirchlichen – übernahm.Die Forschung steht damit vor der Herausforderung, dass es in den Quellen weder einen der «Eigenkirche» entsprechenden Terminus, noch dafür eine eigene Rechtskategorie gibt. Man spricht darum von Vorteil nicht vom Eigenkirchenrecht, sondern vom Eigenkirchenwesen, das sich in verschiedenen Epochen und Kulturen unterschiedlich konkretisieren konnte.

Christianisierung AlemanniensErste Impulse erlebte die Christianisierung Alemanniens unter den merowingischen Köni-gen Chlothar II. (613–629) und Dagobert I. (629–638/39), die das Gebiet herrschaftlich stärker erfassten und iroschottische Mönche zur Missionierung dorthin entsandten. Nach Dagoberts Tod ging die Herrschaft vollständig an die alemannischen Herzöge und den lo-

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Das älteste Klosterarchiv des Abendlandes

kalen Adel über. Diese haben im verbleibenden 7. Jahrhundert die Christianisierung weiter-geführt und abgeschlossen. Der Bischof von Konstanz hat dabei keine tragende Rolle ge-spielt. Auch die Klöster waren unbeteiligt, da die Zellen der iroschottischen Mönche in Verfall geraten waren und sich Alemannien als klosterleeres Land präsentierte. Aus dieser Zeit sind die ersten christlichen Sakralbauten archäologisch nachweisbar. Die Abwesenheit einer weltlichen und geistlichen Zentralgewalt schuf die Bedingungen für ein ausgeprägt eigenkirchlich verfasstes Christentum. Im Laufe des 8. Jahrhunderts konnte das Gallusklos-ter in ganz Alemannien einen soliden Grundbesitz aufbauen, kam in den Besitz zahlreicher Gotteshäuser und wurde damit selbst Eigenkirchenherr.

Direkte Vergabungen von Eigenkirchen an das Kloster St.GallenIn einer Traditionsurkunde vom 10. Juli 771/2/4/5 überträgt der Grundherr Ruotah dem Kloster St.Gallen eine Kirche, die er in Willmandingen (südlich von Tübingen) zu Ehren des heiligen Gallus errichtet hat. Dabei stattet er das Gotteshaus mit acht casatibus, zwölf Huben und namentlich aufgeführten mancipia aus. Eine Hube war ein Stück Land oder ein bäuerli-cher Familienbetrieb und ein casatus ein Knecht, der auf einer Hube angesiedelt war und vom Herrn nicht ohne diese Hube veräussert werden durfte. Mancipia waren Unfreie, die nicht an einen bestimmten Grund und Boden gebunden waren. Diese Personen und Güter garantierten den baulichen Unterhalt der Kirche, mindestens eines Priesters und die Feier des Gottesdienstes (UBSG I, n. 20).Ein weiteres Beispiel einer solchen Vergabung findet sich in einer Urkunde vom 2. Februar 778/779/781/782 mit der Schenkung des Ortes Romanshorn (TG) durch die Witwe Wald-rata und ihren Sohn Waldbert an das Kloster St.Gallen (UBSG I, n. 85). Zur Schenkungs-masse gehört die den heiligen Maria, Petrus und Gallus geweihte Kirche. Erwähnt sind auch die beiden nonnanae Theotsinda und Guatani, die von Waldbert ernährt werden und im Dienst der Kirche stehen. Sie waren eine Art unregulierter Chorfrauen mit liturgischen Aufgaben. Archäologische Grabungen förderten in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts die Fundamente einer Kirche mit Annexbauten zutage, die in der Mitte des 8. Jahrhunderts errichtet worden ist. Während das Galluskloster seines Besitzes in Willmandingen bald wie-der verlustig gegangen ist, blieb Romanshorn Teil der klösterlichen Herrschaft bis zur Auf-hebung im Jahre 1805.Die Urkunde von Willmandingen ist die einzige im St.Galler Urkundenbestand, die Bau und Dotation eines Gotteshauses durch einen Grundherrn direkt belegt. Bei Romanshorn kann mit einer Bauherrschaft der Waltramme gerechnet werden, da sie dort seit Generatio-nen begütert waren. Beiden Urkunden ist gemeinsam, dass jegliche Anspielung auf einen Bischof fehlt, der die Vergabungen hätte bestätigen müssen. Bischof Johannes von Konstanz wird bei Romanshorn nur genannt, weil er gleichzeitig Abt von St.Gallen war.Unterschiede sind aber im Dotationsgut auszumachen. Bei Willmandingen ist es genau um-schrieben, denn es wird vornehmlich die Kirche vergabt. Die Verbindung mit ertragbringen-den Gütern ist eine Notwendigkeit, denn andernfalls würde die Kirche für St.Gallen zur ökonomischen Belastung und nicht zur Schenkung. Bei Romanshorn hingegen fehlt das Dotationsgut, da die Waltramme einen ganzen Güterkomplex vergabten. Die Kirche war dessen integraler Bestandteil und wurde aus den Erträgen der Grundherrschaft unterhalten. Solche Verhältnisse forderten keine klar umschriebenen Güter und Einkünfte.

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

Nicht dokumentiertes Eingehen in die St.Galler GrundherrschaftEine Kirche konnte bei einer Schenkung auch ohne eigene Erwähnung ans Galluskloster gelangen. So wurden im Jahre 795 der Martinskirche in Rohrbach (BE), die dem «weltli-chen» Grundherrn Adalgoze gehörte, Güter übertragen (UBSG I, n. 140). Zwischen 816 und 837 vergabten vier Brüder aus derselben Sippe ihren ganzen Besitz in Rohrbach dem Kloster St.Gallen (UBSG I, n. 359). Davon war höchstwahrscheinlich auch die Martinskir-che betroffen. Denn zwischen 841 und 872 ist darin eine Schenkungsurkunde für die Stein-achabtei ausgestellt worden (UBSG II, n. 564), was darauf hindeutet, dass das Kloster dort ein Verwaltungszentrum eingerichtet hatte.

DotationsgutIn drei Urkunden aus den achtziger und 90er-Jahren des 8. Jahrhunderts werden der den Heiligen Georg und Gallus geweihten Kirche von Wasserburg am nördlichen Bodenseeufer Güter übertragen. In allen drei Vergabungen wird das Kloster St.Gallen nicht genannt. Das Gotteshaus gehörte höchstwahrscheinlich der Familie der Patachinger. In einem Doku-ment vom 9. Juni 797/798/800/801 werden dann Güter ad monasterium sanctum Gallonem et ad ecclesiam sancti Georgii geschenkt (UBSG I, n. 152). Es gibt keinen Hinweis darauf, dass ein Teil der Güter für das Kloster und ein anderer für die Kirche bestimmt waren. Die Identität von Kloster und Kirche als Empfänger zeigt vielmehr, dass das Gotteshaus in einem nicht dokumentierten Rechtsakt ganz in die Grundherrschaft des Klosters St.Gallen eingegangen ist oder gerade im Begriff ist einzugehen.In neun folgenden Urkunden, die im 9. Jahrhundert in Wasserburg ausgestellt worden sind, wird immer das Kloster St.Gallen direkt beschenkt. Die Georgskirche findet keine Er-wähnung mehr.Die Überlieferung sowohl von Wasserburg als auch von Rohrbach zeigt, dass die Kirchen zuerst mit eigenen Besitzungen versehen, also «quasi-juristische Personen» waren. Mit dem Wechsel zu St.Gallen gingen die Ausstattungsgüter in die klösterliche Grundherrschaft ein, aus deren Erträgen die Gotteshäuser wie die übrigen Gebäude und Betriebe unterhalten wurden.

Frage nach dem ZehntenKarl der Grosse hat alle Christen im fränkischen Imperium darauf verpflichtet, den Zehn-ten an die jeweils zuständige Pfarrkirche abzugeben. Die St.Galler Urkunden lassen aber Zweifel aufkommen, ob im frühmittelalterlichen Alemannien diese Verordnung jemals um-gesetzt wurde.Als die Kirche von Wangen (SZ) 872 ans Kloster gelangte, gehörten zum Besitz der Kirche auch: … quicquid decime seu terre vel aliarum rerum … annis singulis tribuitur («was auch immer an Zehnt, an Grundstücken und an anderen Gütern jedes Jahr abgegeben wird», UBSG II, n. 556). Mit decima waren hier Abgaben gemeint, die der Kirche zustanden, während das sie hervorbringende Grundstück einen anderen Eigentümer hatte. Unter ähnlichen Um-ständen gelangte das Kloster 882 durch ein Tauschgeschäft in den Besitz des Zehnten in Hemminhovun cum salica terra et hobis, also eines Herrenhofs mit seinem Grundbesitz und den von Hintersassen bebauten Hufen (UBSG II, n. 621). Zum Hof gehörte auch eine Kirche, die über Abgaben – bezeichnet als Zehnten – aus fremdem Grundbesitz verfügte.

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Das älteste Klosterarchiv des Abendlandes

Am 10. Januar 894 übertrug Graf Udalrich die Zehnten von allen seinen Weinbergen und Kornfeldern im Thurgau der Klerikergemeinschaft von Aadorf (… et omnem decimam meam, quam ego in Durgauge visus sum habere, tam de vineis, quam de grano. UBSG II, n. 691). Es zeigt sich auch hier, dass unter dem Zehnten nicht eine allgemeine Ertragssteuer an die Kirche verstanden wurde. Wäre dem so gewesen, wie es karolingische Kapitularien vorschrieben, wäre bereits der zehnte Teil aus der ersten Ernte an ein Gotteshaus gebunden gewesen und Udalrich hätte zur Umwidmung keine Kompetenzen gehabt. Vielmehr hat er mit der Schenkung Abgaben, deren Grundbesitz aber ihm verblieb, der Kirche in Aadorf vermacht.

Der Unterhalt der klösterlichen KirchenIn einer Urkunde vom 20. September 892 erhält Wolfhere verschiedene Güter als Präkarie, nachdem er zuvor einen Teil davon aus seinem Besitz dem Kloster übertragen hat. Im selben Dokument wird er mit den beiden oratoriola von Berg (SG) und Steinach (SG) belehnt und darauf verpflichtet, für die Feier der Messe, des Psalmengebets und den Gebäudeunterhalt zu sorgen, wofür er alljährlich mit drei gemästeten Schweinen und vier Fudern Korn vom Dekan des Klosters unterstützt wird (UBSG II, n. 738).In beiden oratoriola wurden also die zentralen Teile der Liturgie, die Eucharistie und das Of-fizium, gepflegt, was ohne schriftliche Hilfsmittel nicht möglich war. Wenigstens die in den beiden Kirchen wirkenden Priester müssen schriftkundig gewesen sein.Beide Kirchen warfen weder für das Kloster noch für Wolfhere Einkünfte ab. Die Liturgie wurde für die soziale Wohlfahrt und das Seelenheil der klösterlichen familia bzw. der an den jeweiligen Höfen angesiedelten Menschen gefeiert, ein Gut, das sich die Abtei etwas kosten liess, ohne jemals einen direkten materiellen Gewinn dafür verbuchen zu können.Die beiden Kirchen lagen mit 7,5 bzw. 10 km in bemerkenswert geringer Distanz zum Klos-ter. Dennoch organisierten die Mönche den liturgischen Betrieb nicht selbst, sondern dele-gierten die Verantwortung an einen Laien.

Conclusio1. Die Schenkung einer Kirche konnte erfolgen, indem sie in einer Urkunde explizit er-

wähnt wird, wovon Willmandingen und Romanshorn zeugen.2. Wenn ein Grundherr alle Güter, die er an einem Ort besass, oder einen ganzen Hof

vergabte, konnte eine Kirche zur Schenkungsmasse gehören, ohne dass sie eigens er-wähnt werden musste. Dieser Modus ist der häufigere als der erstgenannte und aus der Überlieferung von Rohrbach und Wasserburg zu erschliessen.

3. Ob eine Kirche über ein eigenes Dotationsgut verfügte, hing von den jeweiligen Besitz-verhältnissen ab. Dies konnte sich mit dem Wandel der grundherrschaftlichen Bedin-gungen ändern. Deutlich tritt das bei Wasserburg zutage. Das Dotationsgut hatte eine funktionale Bedeutung und konnte umgewidmet werden, wenn der Eigenkirchenherr den Unterhalt des Gotteshauses anderweitig bestreiten konnte.

4. Unter dem Zehnten ist nicht eine allgemeine Ertragssteuer auf jedem bebauten Grund-stück zu verstehen. Im frühmittelalterlichen Alemannien handelte es sich vielmehr um Abgaben, deren Grund nicht Eigentum der Kirche, zumeist auch nicht des Eigenkir-chenherrn war.

5. Eigenkirchen können nicht – wie in der üblichen Literatur zum Eigenkirchenwesen – als rentable Kapitalanlagen angesehen werden. Der Gebäudeunterhalt, die für die Feier

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

des Gottesdienstes erforderliche Ausstattung und der Unterhalt der Priester waren viel-mehr mit materiellem Aufwand verbunden, den die Eigenkirchenherren auf sich nah-men, weil sie sich damit die göttliche Garantie für die Wohlfahrt der eigenen familia erwirken wollten.

Literatur– Arnold Angenendt, Das Frühmittelalter, Die abendländische Christenheit von 400 bis 900,

Stuttgart u.a. 21995.– Dieter Geuenich, Alemannien im 6.–8. Jahrhundert, in: Mission und Christianisierung am Hoch-

und Oberrhein (6.–8. Jahrhundert), Archäologie und Geschichte, hg. von Walter Berschin/Dieter Geuenich/Heiko Steuer, Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 10, Stuttgart 2000, S. 23–34.

– Peter Landau, Eigenkirchenwesen, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. IX, Berlin/New York 1982, S. 399–404.

– Sönke Lorenz, Die Alemannen auf dem Weg zum Christentum, in: Die Alemannen und das Christen-tum, Zeugnisse eines kulturellen Umbruchs, hg. von dems./Barbara Scholkmann (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 48, Quart 2, Veröffentlichungen des Alemannischen Instituts 71), Leinfelden-Echterdingen 2003, S. 65–111.

– Paul Oberholzer, Eigenkirchen im Spiegel der frühmittelalterlichen Urkunden der Abtei St.Gallen, in: Commentationes Historiae Iuris Helveticae III, Bernae Anno MMIX, S. 1–27.

– Paul Oberholzer, Vom Eigenkirchenwesen zum Patronatsrecht. Leutkirchen des Klosters St.Gallen im Früh- und Hochmittelalter (St.Galler Kultur und Geschichte 33), St.Gallen 2002.

– Barbara Scholkmann, Christianisierung und Kirchenbau, Überlegungen zur Topographie, Chrono-logie und Typologie der frühmittelalterlichen Kirchen im alemannischen Raum, in: Mission und Christi-anisierung am Hoch- und Oberrhein (6.–8. Jahrhundert), Archäologie und Geschichte, hg. von Walter Berschin/Dieter Geuenich/Heiko Steuer, (Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 10), Stuttgart 2000, S. 111–138.

– Hans Rudolf Sennhauser, Romanshorn – «Römerstation» oder «geschichtsloses Eisenbahner-dorf»? in: Alte Kirche Romanshorn, Romanshorn 1970, S. 39–43.

– Ulrich Stutz, Die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen Kirchenrechtes. Antritts-vorlesung, gehalten am 23. Oktober 1894, Berlin 1895.

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Das älteste Klosterarchiv des Abendlandes

Karl Heinz Burmeister

Die urkundliche Ersterwähnung von Mittenbuch 793?

Für die Erstnennung von Mittenbuch wird eine Urkunde vom 12. (9.) Juni 793 in An-spruch genommen, so beispielsweise von Hermann Wartmann (1863), Manfred Ott (1968), Heinrich Löffler (1973) oder Werner Dobras (1997). Andere Geschichtsforscher wie Gerold Meyer von Knonau (1872), Franz Ludwig Baumann (1879), Viktor Ernst (1915), Wolfgang Hartung (1993) und ich selbst verneinen aber diese These; sie bringen den in der Urkunde genannten Ortsnamen Mittinbach mit Mitten (bis 1925 Ortsteil von Wasser-burg) zusammen. Die Urkunde ist im Original verschollen; doch liegen im Stiftsarchiv St.Gallen unter der Signatur I 122 und I 123 zwei im Wesentlichen übereinstimmende Kopien des 9. Jahrhun-derts, die Grundlage für die Edition von Hermann Wartmann im Urkundenbuch des Stifts St.Gallen bildeten (UBSG I, n. 137). Die Datierung des Originals von Hermann Wartmann auf das Jahr 794 wurde aufgrund neuerer Forschungen um ein Jahr auf Jahr 793 korrigiert. Nach der zu Langenargen ausgestellten Urkunde schenkte ein gewisser Waltfrid, eingedenk der Mahnung des Evangeliums «Gebt Almosen und alles Reine wird euch zu teil» seinen gesamten Besitz in pago ipso, qui dicitur Mittenbach zum Heil seiner Seele der St. Georgskirche in Wasserburg. Dieser Besitz besteht aus Feldern, Wiesen, Wäldern, Weiden, Gewässern und Flussläufen, bebauten und unbebauten, mit Kohl- und Obstgärten, mit beweglichen und unbeweglichen Dingen (campis, pratis, silvis, pascuis, aquis aquarumque decursoribus, cultum et incultum, ortiferis, pomiferis, mobilibus atque immobilibus); er wirft einen Gewinn ab von zehn Scheffeln Korn oder aber eines so grossen Schweins, wie das Korn wert ist.Nach dem Wortlaut der Urkunde lagen diese Besitzungen in Mittenbach. Da aber ein Mit-tenbach in den zeitgenössischen Quellen nirgends verzeichnet ist, bot sich das nahe gelege-ne und zur Pfarre Wasserburg gehörige Mittenbuch an. Die Erwähnung der Obstgärten, die heute noch das Erscheinungsbild von Mittenbuch bestimmen, scheinen diese Lesart zu bestätigen. In einer Anmerkung hat Wartmann dem Schreiber der Urkunde eine gewisse «Unbehülf-lichkeit» vorgeworfen, weil er Mittenbach zu einem Gaunamen gemacht habe. Der Schrei-ber hatte aber sehr genaue topographische Kenntnisse. Er wusste, dass die Kirche von Was-serburg auf einer Insel liegt und im Argengau erbaut ist (in pago constructa Argunensius). Mit in pago ipso kann nur der zitierte pagus Argunensium gemeint sein. Mit der Formulierung qui dicitur Mittinbach wollte der Schreiber dem bereits klar bestimmten pagus keinen zweiten Namen geben, sondern nur den Ort, in dem die Güter lagen, genauer lokalisieren. Will man aber pagus doch auf Mittenbach beziehen, so kommt diesem Wort nicht die Bedeutung «Gau» zu, sondern «Dorf». In jedem Falle ist Mittenbach als Siedlungsname zu verstehen.Im Ergebnis stehen sich zwei Varianten gegenüber, nämlich das heute noch vorhandene Mittenbuch und ein sonst nicht bezeugter Ort Mittenbach (Mittinbach). Die Lesart Mitten-buch kommt aber schon deshalb weniger in Betracht, weil sie einen unzulässigen Eingriff in den überlieferten Text darstellt. Mittenbuch liegt zwar in der Nähe der Kirche von Wasser-

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burg, aber wenn man Mittenbach als Mitten liest, so liegt dieses noch wesentlich näher. Mitten war der Name eines auf dem Festland gelegenen Teils von Wasserburg, dessen Insel-charakter die Urkunde hervorhebt.Eine Identität von Mittenbach, erstmals erwähnt 793, und Mitten, erstmals in Urkunden des Stiftsarchivs erwähnt 839 und 874 (UBSG I, nn. 378 und 584), darf man als gegeben annehmen. Dafür spricht erstens, dass im Landkreis Lindau die Ortsnamen mit dem Grundwort -bach zu den frühest bezeugten Ortsnamen überhaupt gehören. Dazu sind aus-ser Mittenbach zu rechnen das nicht identifizierte Linginbach bei Ober-Unterreitnau 805 (UBSG I, n. 181), das im Lindauer Ortsteil Reutin gelegene Rihchinbah (Rickenbach) 838 (UBSG I, n. 369), schliesslich Offinbach (Opfenbach) 872 (UBSG II, n. 557). Hinzu käme vielleicht noch das von Hartung für Heimenkirch beanspruchte Hemminbah 838, was aller-dings von Thaddäus Steiner aus sachlichen und sprachlichen Gründen abgelehnt wird. Was aber besonders für die Identität von Mittenbach mit Mitten spricht, ist die allgemein aner-kannte Tatsache, dass sich alle diese Ortsnamen mit dem Grundwort -bach von Gewässer-namen herleiten, also von Bachnamen auf die Siedlungen übertragen wurden. Ähnliches gilt auch für die Ortsnamen mit dem Grundwort -ach. Der Ortsname Mitten würde sich in diesem Fall als eine gekürzte Form eines ursprünglichen Gewässernamens Mittinbach dar-stellen, der in der Urkunde von 793 bereits zum Ortsnamen geworden ist. Die Ortsbestim-mung in Mittinbach kann nur als Siedlung, nicht aber als Bach aufgefasst werden. Es gibt noch ein weiteres sprachliches Argument, das für die Lesart Mittenbach spricht. Eine Übereinstimmung der Namen Mittenbach und Mittenbuch ist für den Wortbestand-teil Mitten- nicht gegeben. Denn die Etymologie von Mitten geht auf das ahd. Substantiv mitti (= die Mitte) zurück, während der Name Mittenbuch auf dem mhd. Adjektiv mitte (= mittler, in der Mitte) beruht. Der Name Mittenbach wird denn in der Urkunde auch ohne Artikel gebraucht. Mittenbuch verlangt hingegen einen Artikel: in der historischen Über-lieferung heisst es uffem Mittibuch (1443) oder Im Mittibuoch (1447). Erst in der Neuzeit konnte der Artikel entfallen, weil man sich der Entstehung des Namens nicht mehr bewusst war; aber noch in einer Karte von 1799 findet man die Ortsbezeichnung im Mittenbuch. Gegen Mittenbuch sprechen auch topographische Gründe. Man findet in Mittenbuch kei-nen Bach, während man nach dem Wortlaut der Urkunde stehende Gewässer und Flussläu-fe erwarten würde. Zudem ist die Fläche des Weilers Mittenbuch so klein, dass dort über die Kohl- und Obstgärten hinaus kaum genügend Platz für die genannten Felder, Wiesen, Wälder oder Weiden wäre. Ganz anders sieht das aus, wenn man an Mitten denkt, wo von einem grossen Mühlteich der Mühlbach in Richtung Bodensee läuft. Er mündet westlich vom heutigen Wasserburger Erholungs-, Sport- und Freizeitzentrum in den See. Mühlteich und Mühlbach sind noch auf der Meriankarte von 1643 sehr markant, wenn auch ungenau eingezeichnet. Es gab und gibt jedenfalls einen durch Mitten fliessenden Mühlbach (auf heutigen Karten Bichlmühlebach), der einst Mittenbach geheissen hat und Mitten seinen Na-men gab. Die Besitzungen des Waltfrid lagen mithin in Mitten (damals Mittenbach) und nicht in Mittenbuch. Abschliessend sei noch auf die zeitnah zur Urkunde entstandenen Dorsualnotizen hinge-wiesen. Hier ist auf einer Ausfertigung der Urkunde der Schenkungsgeber als Walfridus de Wazzaburch, auf der andern als Waltfridus de Mitten bezeichnet. Warum sollte man den Schenker aus Mitten im weiter entfernten Mittenbuch auf dem Hoyerberg suchen, wo über-dies zu keiner Zeit ein Besitz der Pfarrkirche St. Georg nachzuweisen ist.

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Literatur– Franz Ludwig Baumann, Die Gaugrafschaften im Wirtembergischen Schwaben. Ein Beitrag zur

historischen Geographie Deutschlands. Mit einer Karte, Stuttgart 1879, S. 45.– Michael Borgolte, Chronologische Studien an den alemannischen Urkunden des Stiftsarchivs

St.Gallen, in: Archiv für Diplomatik 24 (1978), S. 54–202, hier S. 160, Anm. 453.– Otto P. Clavadetscher/Paul Staerkle, Die Dorsualnotizen der älteren St.Galler Urkunden.

Faksimile-Ausgabe (UBSG, 2. Ergänzungsheft), St.Gallen 1970.– Werner Dobras, Zur Geschichte von Wasserburg am Bodensee, 1997, S. 8.– Viktor Ernst, Beschreibung des Oberamts Tettnang, hg. vom K. Statistischen Landesamt, Zweite Bearbei-

tung, Stuttgart 1915, S. 203f.– Wolfgang Hartung, Zur Identifizierung frühmittelalterlicher Ortsnamen, in: Jahrbuch des Land-

kreises Lindau 8 (1993), S. 51–56.– Heinrich Löffler, Die Weilerorte in Oberschwaben. Eine namenkundliche Untersuchung (Ver-

öffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Band 42), Stuttgart 1968, S. 65, Nr. 341.

– Heinrich Löffler, Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Bd. 6: Stadt- und Landkreis Lindau, München 1973, Nrn. 340–341, S. 64f.

– Gerold Meyer von Knonau, Der Besitz des Klosters St.Gallen in seinem Wachsthum bis 920 nach Wartmann, Bd. I und II (Exkurs II, in: St. Gallische Geschichtsquellen, neu hg. von dems., II. Ratperti casus s. Galli [Mittheilungen Vaterländischer Geschichte 13, NF 3, 1872], S. 87–225), S. 200.

– Manfred Ott, Lindau (Historischer Atlas von Bayern, Teil Schwaben, Heft 5), München 1968, S. 37, Anm. 145.

– Thaddäus Steiner, Zur Identifizierung frühmittelalterlicher Ortsnamen, in: Jahrbuch des Landkreises Lindau 20 (2005), S. 18–22.

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Peter erHart

Von Bernegar zu Perincher: Unterwegs mit einem Schreiber im Zürichgau zur Zeit Karls des Grossen

Unter den rund 300 fassbaren Schreiberhänden in den 750 Privaturkunden des Stiftsarchivs gehört Bernegar, wie er sich in seiner ersten Urkunde nennt, einer Minderheit an. Er war kein Mitglied der Mönchsgemeinschaft von St.Gallen, sondern wirkte vermutlich an einem unbekannten Ort in der Nähe des Zürichsees als Priester. Trotzdem pflegte er sehr enge Beziehungen zum Kloster St.Gallen, wie vor allem aus dem Inhalt seiner ersten erhaltenen Urkunde aus der Zeit um 800 hervorgeht. In dieser trat er nicht nur als Schreiber, sondern auch als Tradent von Gütern auf. In weiteren sechs Urkunden aus der Zeit von 801 bis 811 schrieb er hingegen nicht in eigener Sache, sondern für andere freie alemannische Grund-besitzer, die unter bestimmten Bedingungen ihren Besitz ans Kloster St.Gallen übertrugen. Allein aufgrund der Tatsache, dass Bernegar seine Urkunden letztlich dem Klosterarchiv von St.Gallen aushändigte, wissen wir überhaupt etwas über die Existenz dieses Schreibers, seine Herkunft, seine Arbeitsweise, seine Lateinkenntnisse und vor allem über seine Schrift. Anhand dieser gelang es beispielsweise, das Fragment einer im Atrium der Benignuskirche in Pfäffikon ausgefertigten Pergamenturkunde ohne Schreibernamen seiner Person zuzu-weisen. Ebenfalls anhand seiner relativ groben alemannischen Urkundenminuskel konnte Bernegar mit dem in vier Urkunden zwischen 809 und 811 fassbaren Priester Perincher identifiziert werden. Offenbar hatte sich Bernegar zwischen 801 und 809 zu einem Na-menswechsel entschlossen, was eher ungewöhnlich ist, seiner Figur aber reizvolle Konturen verleiht.

Zwischen Zürichsee und GallusklosterMöglicherweise im gleichen Sommer, als Karl der Grosse sich auf den Weg nach Rom machte, um sich dort am Weihnachtstag vom Papst zum Kaiser krönen zu lassen, begab sich Bernegar zum Kloster St.Gallen. Seine Herkunft aus einer Schicht freier alemannischer Grundbesitzer wird durch sein eindrucksvolles Auftreten in einer Gruppe im Kloster unter-strichen. Neben seinem Vater Wolf bold und seiner Schwester Otsinda waren es nicht weniger als 17 freie Männer, die mit ihm nach St.Gallen gereist waren, um dort in der Funk-tion von Zeugen eine Besitztransaktion durch ihr Wissen und ihre Präsenz abzusichern. Bernegar liess es sich auch in einem Zentrum der Schriftlichkeit offenbar nicht nehmen, in lateinischer Sprache eine Pergamenturkunde über ein Geschäft niederzuschreiben, das auch seine eigene Zukunft betraf.Gemeinsam mit seiner Schwester Otsinda und seinem an erster Stelle genannten Vater Wolfbold übertrug er Güter in Wetzwil und Toggwil sowie zwei weiteren nicht identifizier-ten Orten ans Kloster St.Gallen. Die genaue Lage eines solchen Besitzes lässt sich heute nur in einzelnen Fällen rekonstruieren, da nur selten eine wirklich aussagekräftige Formel ge-braucht wurde. Nach dieser handelte es sich um all das, was zum Leben des damaligen Menschen gehörte: Ackerland, Eigenleute, Wohn- und Wirtschaftsgebäude, Baumgärten, Felder, Wiesen, Wälder, Weiden, stehende und fliessende Gewässer, bewegliche und unbe-wegliche Güter und Gross- und Kleinvieh beiderlei Geschlechts. Dass es sich aber um eine

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umfangreiche Transaktion handelt, hinter der sich eine grössere grundherrliche Besitzstruk-tur verbarg, lässt sich an den zehn namentlich genannten Hörigen deutlich ablesen. Sie wechselten gemeinsam mit dem Land den Besitzer. Vorrangige Motivation für einen solchen Besitztransfer an eine geistliche Institution bildete stets das Seelenheil, in diesem Fall jenes der Schenker und der bereits verstorbenen Mutter Adalswinda. Erst in einem zweiten Moment wurden jene Bedingungen formuliert, die ein oft über Generationen reichendes Band zwischen der Familie des Grundbesitzers und dem Kloster wob. Wolf bold und seine Kinder behielten sich die lebenslängliche Nutzniessung der übertragenen Güter vor und verpflichteten sich im Gegenzug zu einer jährlichen Zins-leistung von 30 Kübeln Bier, 30 Broten und einem Frischling im Wert einer Tremisse oder ebenso viel an Getreide. Dieser alljährlich auf Martini fällige Zins galt auf Lebenszeit der drei Schenker, so dass die Güter erst nach Ableben aller Familienmitglieder ans Kloster fie-len. Schliesslich hielt sich Bernegar mit dieser Übertragung die Möglichkeit offen, nach ei-nem Leben in der Welt, ins Kloster aufgenommen zu werden.In den Jahren nach dieser Übertragung von Familienbesitz an das Kloster St.Gallen taucht Bernegar an verschiedenen Orten im Zürichgau auf, die eher auf ein Leben ausserhalb der Klostermauern schliessen lassen. Auch sein Namenswechsel von Bernegar zu Perincher kann kaum mit dem Klostereintritt zusammenhängen. Stattdessen fällt sein weitläufiger Wirkungsradius auf, der ihn 801 nach Eschenbach, um 807 nach Zürich, 809 nach Ottikon, um 810 nach Pfäffikon und 811 nach Bülach führte. Damit scheint er mit seinem Wissen auf dem Gebiet der Urkunden- und Rechtspraxis beinahe den gesamten Zürichgau, den königlichen «Fiskus Zürich», abgedeckt zu haben. Im Zentrum dieses Fiskus lag Zürich, das als «königlicher Ort» (in vico publico Turigo) in einer von Bernegar vorbereiteten Urkun-de genannt wird. Bernegar notierte in diesem Fall nur die Zeugennamen auf der Rückseite, während die Reinschrift von einem gewissen Salerat in Vertretung von Bernegar (in vicem Bernigarii) besorgt wurde. Bernegar dürfte demnach auch seinen Sitz in Zürich gehabt ha-ben, was ihn zunehmend in die Nähe der Zürcher Fiskalverwaltung rückt. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die einmalige Präsenz des servus dominicus Erfcher 811 in Bülach als Vertreter des Fiskus. An den anderen Orten lässt sich, vor allem im Fall von Pfäffikon, Königsgut vermuten. Zudem besassen alle genannten Ausstellungsorte bereits um 800 eine gewisse Zentralität, die sich auch an der Erwähnung von Kirchen ablesen lässt. Es sind dies die Benignuskirche in Pfäffikon und die Laurentiuskirche in Bülach, deren gedeckte Vorhallen (atrium) den teil-weise zahlreich erschienenen Zeugengruppen Obhut boten. Diese dürften keineswegs un-beeindruckt geblieben sein, wenn ein des Schreibens mächtiger Priester ihnen in sakraler Sphäre zur Bekräftigung ein mit ihren Namen beschriebenes Pergamentblatt reichte. Ob-wohl wir leider keine autographen Unterschriften dieser Zeugen vor Augen haben, so blie-ben dank der Fertigkeiten Bernegars zumindest die Namen einer Generation alemannischer Bewohner dieser Dörfer erhalten, die bereits durch ihren freien Stand einer sozialen Elite angehörten. Hinzu kommt, dass alle genannten Orte Bernegar ihre erste urkundliche Erwähnung vor ziemlich exakt 1200 Jahren verdanken.

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Vom Handwerkszeug eines SchreibersDie von Karl dem Grossen angestrebte Verbesserung des Bildungsniveaus, die correctio, ziel-te vor allem auf den bis dahin nur sehr dürftig unterwiesenen Klerus ab. Ein Priester sollte zumindest das Credo und das Vaterunser verstehen, die Bussbücher und die Anleitungen für den Gottesdienst richtig anwenden sowie das Evangelium lesen und erläutern können. Es galt weiters, nicht nur die Canones zu kennen, sondern auch privatrechtliche Dinge zu beherrschen, zu denen das Schreiben von Urkunden und Briefen gehörte. Bernegar wurde von diesen Reformbestrebungen wohl nicht mehr vollumfänglich erfasst, finden sich doch in seinen Urkunden noch einige wenige sprachliche Unebenheiten wieder. Sprache, Schrift und verwendetes Formelgut blieben im Jahrzehnt seiner dokumentierten Tätigkeit ebenfalls unverändert. Jedenfalls beherrschte er wie viele seiner Kollegen die Textbausteine für eine sogenannte Prekarie, jene Form der Landübertragung mit Rückleihe, mit der Bernegar be-reits um 800 das Auskommen seiner Familie zu sichern suchte. Doch welche Eigenheiten heben Bernegar aus der relativ grossen Anzahl an bekannten lokalen und klösterlichen Schreibern aus dem Umfeld des Klosters St.Gallen hervor?Zunächst lohnt sich wie beim Gemälde eines alten Meisters bei allen seinen Urkunden ein Blick auf die Rückseite des Pergamentblattes. Diese raue Haarseite nutzte Bernegar in der Regel, um sich die Namen der Aussteller und der Zeugen zu notieren. Dass man sich diese Namen zuerst notierte, war Ausdruck ihrer Bedeutung für die Rechtswirksamkeit des Do-kumentes. Ungewiss bleibt der Zeitpunkt, zu dem dieser sogenannte Vorakt niedergeschrie-ben wurde. Naheliegend wäre etwa ein Szenario, das den Aussteller an den Schreiber heran-treten liess, um ihm zumindest seinen Namen und den der angefragten Zeugen zu diktie-ren. Dies würde die oftmals anzutreffende Diskrepanz zwischen den im Vorakt notierten

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Namen und jenen in der Reinschrift erklären. So notierte Bernegar im August um das Jahr 800 acht Namen auf der Rückseite, während sich nur vier von diesen schliesslich auf der Vorderseite inmitten von dreizehn anderen wiederfinden. Gerade in diesem Fall zerfällt so-gar die Reinschrift in mehrere Teile, da diese Zeugenliste samt einer nachträglich radierten Liste von zehn übertragenen Unfreien bereits vor dem restlichen Text auf dem Pergament stand. Daraus resultierte schliesslich eine falsche Reihenfolge der Urkundenteile, denn nicht die Zeugenliste, sondern die Datumsformel sollte eigentlich am Schluss der Urkunde ste-hen. Doch stossen wir bei Bernegar auf mehrere Ungereimtheiten, die aber für die For-schung ungeahnte Einblicke in die Tätigkeit eines Schreibers eröffnen. In Zürich blieb es beispielsweise beim Vorakt, während die Reinschrift vom sehr geübten Salerat stammt. Ein anderes Mal, am 19. September 811 in Bülach, fertigte er zunächst eine Prekarie für Lantbert aus, der seinen Besitz in Kempten und Irgenhausen ans Kloster über-trug. Am selben Tag bereitete er auch das Gegenstück dazu, die Prestarie, vor, indem er zumindest die Namen der anwesenden Zeugen und des servus dominicus Erfcher auf einem leeren Pergamentblatt notierte. Dieses gelangte schliesslich ins Kloster St.Gallen, wo ein klösterlicher Schreiber den Text der Rückleihe vervollständigte. Eine solche Arbeitsteilung zwischen lokalem Schreiber und Klosterschreiber lässt sich erneut nur bei Bernegar beobachten.

Karl der Grosse und die Erleuchtung der SachsenUnumgänglich für einen Priester war die Beherrschung des Kalenders. Hier erweist sich Bernegar als besonders verlässlich, stimmen doch seine Datierungselemente – das römische

Die Hand Perinchers im unteren Teil dieser 811 in Bülach von ihm vorbereiteten und im Kloster St.Gallen vollendeten Urkunde (StiASG, Urk. I 195).

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Tagesdatum, die Regierungsjahre Karls des Grossen als König seit 768 bzw. als Kaiser ab 800 – stets überein. Bei den Titeln Karls des Grossen erweist er sich als Mann erster Stunde, denn in seiner Datumsformel vom 15. Juni 801 scheint Karl der Grosse zum ersten Mal im Urkundenbestand des Klosters St.Gallen mit dem Kaisertitel auf. Bernegars Wahrneh-mung Karls des Grossen in der Datumsformel stimmt zunächst mit jener anderer lokaler Schreiber in Alemannien überein. Im Gegensatz zu den klösterlichen Schreibern verwen-den diese neben dem Königstitel der Franken und Langobarden (nach 774) auch den aus den Herrscherdiplomen bekannten Zusatz des patricius Romanorum für Karl als Schutzherr Roms. Nach dem Weihnachtstag des Jahres 800 fiel dieser Titel zugunsten des Kaisertitels ersatzlos weg. Einzig Bernegar ersetzte diesen durch den Ehrentitel gubernator Romanorum und den aussergewöhnlichen Zusatz inluminacio Saxanorum («Erleuchtung der Sachsen»), ein Titel, der in völlig einzigartiger Weise auf die jahrzehntelang andauernde Christianisie-rung der Sachsen anspielt. Bekanntlich unterwarf Karl der Grosse mit den Sachsenkriegen nicht nur das Land zwischen Rhein und Elbe, sondern zwang die Unterworfenen auch, das Christentum anzunehmen. Erst mit der Ernennung Liudgers zum Bischof von Münster im Jahr 805 fand diese Christianisierungsphase ihren Abschluss.Somit lassen die Urkunden Bernegars mit der Kaiserkrönung und den Sachsenkriegen eine deutliche Wahrnehmung der Reichsgeschichte erkennen, auf die er wie kein anderer in den St.Galler Urkunden fassbarer Schreiber seiner Zeit reagiert. Unbekannt sind ihm hingegen die Grafen, die damals den Comitat im Thurgau verwalteten. Gerade das Fehlen der Grafenformel am Schluss seiner Urkunden zugunsten eines aufwendigen Titels Karls des Grossen liefert ein weiteres Indiz für Bernegars Nähe zum Fiskus Zürich und seiner Verwaltung. Auch dürfte er bei den Beziehungen des Fiskus zum Kloster St.Gallen eine wichtige Rolle gespielt haben, auch wenn unser Bild durch das Ungleichgewicht der Über-lieferung verfälscht erscheinen mag. Während man über die Zürcher Fiskalverwaltung sehr wenig weiss, lässt sich die Besitzstruktur des Klosters St.Gallen im Zürichgau recht gut rekonstruieren, nicht zuletzt dank der Urkunden Bernegars. Die Überlieferungschance in der weltlichen Sphäre war hingegen ungleich geringer, weshalb vermutlich mit einem grossen Verlust der Urkunden Bernegars zu rechnen ist. Sieben seiner Urkunden über-lebten im Klosterarchiv St.Gallen und erlauben uns wertvolle Einblicke in die frühmittel-alterliche Rechtspraxis und den Gebrauch von Schrift. Doch wie viele Urkunden hat Bernegar in seinem Leben tatsächlich geschrieben, die alle im Pergamentkorb der Ge-schichte gelandet sind? Seine Vertrautheit mit Schrift und Recht lassen vermuten, dass er sehr oft geschrieben hat, aber alle seine anderen Urkunden verloren sind. Wie die Überlie-ferung im langobardischen Italien nahelegt, ist hier mit ungeahnten Dimensionen des Ver-lustes zu rechnen, die das Klosterarchiv von St.Gallen allein nicht wettzumachen vermag. Als Auf bewahrungsort mag ihm eine Kirche in Zürich gedient haben, die sich in Königs-besitz befand, oder das Verwaltungszentrum des Fiskus Zürich. Ähnlich ungewiss bleibt auch das Schicksal von Bernegar nach seiner Karriere als Urkundenschreiber und vermut-lich sogar als Amtsträger des Fiskus Zürich. Eine Identifikation mit jenem Perniger monachus presbyter, dessen Gedächtnis die Mönchsgemeinschaft des Klosters St.Gallen all-jährlich am 26.  September beging, ist jedenfalls nicht auszuschliessen.

Quellen– UBSG I, nn. 148, 163, 193, 201, 205–207.

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Date et date vobisAnmerkungen zu Cozpreht von St.Gallen und seinen Urkunden

BernHard zeller

In den «Casus sancti Galli» des St.Galler Mönches Ratpert erscheint der Amtsantritt von Abt Gozbert im Frühjahr 816 als Beginn einer neuen Ära. Rückblickend werden vor allem drei Leistungen dieses Abtes besonders hervorgehoben: die Durchsetzung und Sicherstel-lung der Unabhängigkeit des Klosters St.Gallen von der Konstanzer Bischofskirche, der Neubau der St.Galler Klosterkirche und schliesslich der gezielte Ausbau der klösterlichen Bibliothek. «An Büchern nämlich, an denen in unserm Haus bis zu seiner Zeit der aller-grösste Mangel herrschte, hat er eine so grosse Menge herstellen lassen, dass dieser Ort durch ihre Vermehrung in nicht geringem Masse emporwuchs.» (Ratpert, c. 6, S. 185)Die forcierte Bücherproduktion, die sich bis heute in den reichen Beständen der Stiftsbiblio-thek St.Gallen widerspiegelt, machte Veränderungen in der St.Galler Schreibstube notwen-dig, die Abt Gozbert sehr bald nach seinem Amtsantritt in Angriff genommen zu haben scheint. Dies legen jedenfalls die im Stiftsarchiv St.Gallen auf bewahrten klösterlichen Ur-kunden nahe, in denen mit dem Beginn von Gozberts Abbatiat ein relativ kleiner Kreis von Mönchen greifbar wird, der fortan vornehmlich für die Ausfertigung der klösterlichen Ur-kunden verantwortlich war. Da dieselben Mönche teilweise auch als Schreiber von Hand-schriften belegbar sind, kann man diese Entwicklung in der Tat als «Einführung eines regel-mässig beschäftigten Schreiberstandes» verstehen (Sprandel, S. 91). Einem dieser Mönche, Abt Gozberts Neffen Cozpreht, wurde erst in jüngster Zeit intensivere Aufmerksamkeit zuteil (Berschin, Vita; Schär; ChLA² CI, n. 13). Er dürfte zur Zeit des Amtsan-tritts seines Onkels in St.Gallen Profess abgelegt haben und wurde in der Folgezeit zum Subdia-kon, später auch zum Diakon geweiht; ausserdem wirkte er als Sakristan, Pförtner und (Aussen-)Propst des Klosters. Der Nachwelt blieb Cozpreht, der wohl in den 860er-Jahren verstarb, vor allem aufgrund seiner literarischen Tätigkeit ein Begriff: Er verfasste eine Lebensbeschreibung des ersten St.Galler Abtes Otmar, Wunderberichte zur Vita des Gründungsheiligen Gallus und veranlasste schliesslich auch die Anfertigung einer metrischen Fassung der Gallus-Vita.Seit 816/17 schrieb Cozpreht Urkunden, und zwar in einer Schrift, die als meist leicht rechts geneigte karolingische Minuskel charakterisiert werden kann, die aber noch wenig kanonisiert erscheint und deutliche individuelle Züge aufweist. Charakteristische Züge haben das g mit einem markanten, oft weit ausholenden unteren Bogen, f und s mit ihren oft grosszügig ausge-führten Fahnen sowie schliesslich auch die ct- und st-Ligaturen mit weit auseinander stehenden Buchstaben (vgl. ausführlich ChLA² CI, n. 13). Die meisten anderen St.Galler Schreiber der frühen Gozbert-Zeit wie beispielsweise Bernwig und Wolfcoz, zwei Mitbrüder von Cozpreht, die zwischen 816 und 820 die meisten klösterlichen Urkunden ausfertigten und auch Codices kopierten, schrieben zur selben Zeit die damals im Bodenseeraum weit verbreitete alemanni-sche Minuskel, die in St.Gallen erst im Verlauf der 820er- und 830er-Jahre allmählich von der karolingischen Minuskel abgelöst wurde (Zeller, Wolfcoz; Zeller, Urkunden). Der Umstand, dass Cozpreht bereits sehr früh, d. h. unmittelbar nach seiner Profess Urkunden in der vom damaligen St.Galler «Hausstil» abweichenden Carolina schrieb, könnte darauf hindeuten, dass er nicht im Steinachkloster, sondern anderswo schreiben gelernt hat.

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In Uzwil ausgestellte Urkunde des Cozpreht aus dem Jahr 824.

Hinsichtlich der Qualität ihrer Ausführung sind Cozprehts Urkunden wenig einheitlich: Während manche Urkunden durchaus kalligraphische Ansprüche erkennen lassen, schei-nen andere nachlässig und flüchtig geschrieben worden zu sein. Aber auch in Hinblick auf die graphischen Symbole (vor allem die Ausführung der Subskriptionszeichen) und das For-mular werden deutliche Schwankungen sichtbar (ChLA² CI, n. 13). Diese «Eigenheiten» will Schär mit aller Vorsicht mit Cozprehts Charakter in Verbindung bringen. Auf diesen lässt nicht zuletzt der in den 850er-Jahren verfasste Brief Ermenrichs von Ellwangen an Gri-mald schliessen, in dem man nicht nur erfährt, dass Cozpreht eine Glatze hatte, sondern auch, dass er von so glühendem Eifer gewesen sei, «dass er in ein und derselben Stunde die Milch melken und den Käse daraus machen möchte, obwohl doch weder Rom an einem Tag erbaut wurde noch der Weizen am selben Tag zugemessen wird, an dem er gesät wird» (Ermenrich, S. 566; Übersetzung nach Schär, S. 15). Wenngleich zu bedenken gilt, dass nicht alle Cozpreht-Urkunden qualitativ wenig hoch stehende Produkte sind und dass ähnliche Schwankungen in der Ausführung von Urkunden auch bei anderen St.Galler Schreibern zu beobachten sind, dürfte Schärs Einschätzung doch zutreffend sein. Eine andere Beobach-tung lässt nämlich darauf schliessen, dass Cozpreht beim Urkundenschreiben nicht immer «ganz bei der Sache» war. In den meisten seiner Urkunden lässt sich nämlich eine ganze Reihe von zum Grossteil korrigierten Fehlern nachweisen, die zumindest teilweise vielsa-gend erscheinen.In beinahe allen Urkunden finden sich mehrere Unzulänglichkeiten, die offenbar noch beim Schreiben selbst, also nicht erst beim späteren Durchlesen korrigiert wurden. Es handelt sich dabei vor allem um einzelne Buchstaben oder Buchstabenansätze, die entweder mit Rasur oder aber auch nur durch blosses Überschreiben zu einem anderen korrigiert wurden. Ge-häuft, aber keinesfalls ausschliesslich, lassen sich diese Verbesserungen bei alemannischen Orts- und Personennamen finden, was vielleicht darauf schliessen lässt, dass Cozpreht die Verschriftung volkssprachiger Begriffe ins lateinische Alphabet nicht immer ganz leicht fiel. Dass er in zwei seiner Urkunden den Namen des Ausstellers bzw. der Ausstellerin nachträg-lich von «Perahthar» in «Perahthad» (ChLA² CII, n. 27) bzw. von «Erchanhilt» in «Erhanlind» (UBSG I, n. 317) verbessern musste, dürfte hingegen andere Gründe haben.

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Weitere, im Rahmen des Schreibvorgangs oder danach vorgenommene Korrekturen sind orthographisch bzw. grammatikalisch bedingt. So stösst man auf Ausbesserungen von mo-bilibus et inmobilis in mobilibus et inmobilibus, von nominare potest in nominari potest, von ab ipsis rectoribus monasterii in ab ipsius rectoribus monasterii oder von possidendę in possidendum (ChLA² CII, nn. 18, 23, 27, 49). Öfters gewinnt man den Eindruck, dass Cozpreht beim Schreiben eines Wortes in Gedanken schon ein bis zwei Worte weiter war: In einer Urkunde vergass er auf den Ausstellungsort Uznach und schrieb Actum in villa, quę dicitur publice; doch be-merkte er den Fehler, radierte publice und schrieb Uzzinuuilare darüber, um danach wieder mit publice fortzusetzen (ChLA² CII, n. 17). In einer anderen Urkunde schrieb er zunächst situm in pago quodi, das er sofort in situm in pago quod dicitur verbesserte (ChLA² CII, n. 18). In einer weiteren Urkunde wurde in der Schreiberzeile durch Verweiszeichen die Wortstellung von Ego Cozpreht itaque inmerens subdyaconus zu Ego itaque Cozpreht inmerens subdyaconus korri-giert (ChLA² CII, n. 26). Auf das genannte gedankliche Vorauseilen Cozprehts verweisen aber auch eine ganze Rei-he durch nachträgliche Einfügungen verbesserte Auslassungen: Nicht selten landeten einzelne Buchstaben, Worte, mitunter auch ganze Satzteile als Einfügungen im Zeilen-zwischenraum (ChLA² CII, nn. 17, 20, 23, 24, UBSG I, nn. 317, 328, 334, 340). Ganz schnell war so etwa ein visumus durch die über der Zeile ergänzten Buchstaben si in ein visi sumus korrigiert (ChLA² CII, n. 20), machte ein im Zeilenzwischenraum ergänzter Zusatz in ęrarium regis deutlich, an wen im Fall der Fälle das Bussgeld zu leisten ist (ChLA² CII, n. 23), waren vergessene kreuzförmige Handzeichen in den Zeugenlisten nachgetragen (ChLA² CII, nn. 23, 27).Nicht immer bemerkte Cozpreht aber, dass er sich geirrt, etwas vergessen oder ausgelassen hatte, und so finden sich in seinen Urkundentexten mitunter auch Lücken. So blieb in einer Urkunde das Bibelzitat Lc 11,41 unvollständig, in einer anderen fehlt in einem Satz das fina-le Verb, in einer dritten fiel im Passus sed omni tempore firma et stabilis permaneat das Wort firma aus – während et bezeichnenderweise nicht fehlt –, schliesslich vergass Cozpreht in einer weiteren Urkunde in der Datierung den Monat anzugeben, so dass das Stück auch heute nur relativ vage chronologisch eingeordnet werden kann (ChLA² CII, nn. 17, 23, 24, 27).Daneben gibt es auch weitere Beispiele, die darauf hindeuten, dass Cozpreht beim Urkun-denschreiben nicht nur im Gedanken vorauseilte, sondern durchaus auch abgelenkt oder nicht recht bei der Sache war. Nur so lassen sich letztlich die von ihm nachträglich korrigier-ten Verschreibungen Date et date (vobis) für Date et dabitur (vobis) (ChLA² CII, n. 17) oder aber ut aliquid de heredibus für ut aliquid de rebus erklären (ChLA² CII, n. 20). Die Schreiberzeile einer anderen Urkunde wiederum lautet Ego itaque Cozpertus dyaconus rogatus anno XVI Hlo-douuici imperatoris rogatus scripsi et subscripsi, wobei zu bemerken gilt, dass abgesehen von der Doppelung des Wortes rogatus auch Cozprehts Weihegrad dyaconus über der Zeile nachge-tragen steht (UBSG I, n. 328). Einmal datierte Cozpreht eine Urkunde irrtümlich falsch, indem er das korrekte Datum, das er auf der Rückseite des Pergamentblattes notiert hatte, fehlerhaft übertrug: aus Juli 829 wurde auf diese Weise Juni 829 (UBSG I, n. 334).All diese Fehlleistungen und Irrtümer Cozprehts erscheinen besonders bemerkenswert, als es sich bei ihm um dieselbe Person handelt, die von Berschin zu Recht als die «massgebende Gestalt des literarischen Lebens in St.Gallen» in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts (Berschin, Kultur, S. 246, Anm. 22) bezeichnet worden ist. Doch müssen Cozprehts Fehler in den Urkunden nicht im Widerspruch zu Berschins Feststellung stehen. Denn sie beweisen

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ja nicht Cozprehts mangelhafte Lateinkenntnisse, sondern könnten im Gegenteil sogar eher auf seine Vertrautheit mit der lateinischen Sprache verweisen: Cozpreht schrieb anscheinend mit einer gewissen Selbstverständlichkeit, jedenfalls ohne lange zu zögern, vielleicht auch ohne ein wenig innezuhalten «drauf los». Dass ihm dabei Fehler unterlaufen sind, ist letzt-lich weniger überraschend als der Umstand, dass diese von ihm nur inkonsequent und halb-herzig korrigiert wurden.

Quellen und Literatur– Walter Berschin, Lateinische Literatur aus St.Gallen, in: Das Kloster St.Gallen im Mittelalter. Die kul-

turelle Blüte vom 8. bis zum 12. Jahrhundert, hg. von Peter Ochsenbein, Darmstadt 1999, S. 109–117.– Walter Berschin, Die karolingische Vita s. Galli metrica (BHL Nr. 3253). Werk eines Iren für

St.Gallen?, in: Revue Bénédictine 117 (2007), S. 9–30.– Ermenrich von Ellwangen, Epistola ad Grimaldum, ed. Ernst Dümmler, in: MGH Epp. 5, Berlin 1899,

S. 534–580.– ChLA² CI–CII = Chartae Latinae Antiquiores CI–CII (Switzerland IV–V, St.Gallen II–III), bearbeitet

von Peter Erhart/Bernhard Zeller bzw. Peter Erhart/Karl Heidecker/Bernhard Zeller, Dietikon-Zürich 2008–2009.

– Ratpert, Casus sancti Galli, ed. Hannes Steiner, MGH SS rer. Germ. in us. schol. 75, Hannover 2002.– Rupert Schaab, Mönch in Sankt Gallen. Zur inneren Geschichte eines frühmittelalterlichen Klosters

(Vorträge und Forschungen 47), Ostfildern 2003.– Max Schär, Gozbert der Jüngere – Ein besonderer St.Galler Mönch des 9. Jahrhunderts, in: Studien

und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 119 (2008), S. 7–23.– Rolf Sprandel, Das Kloster St.Gallen in der Verfassung des karolingischen Reiches, Freiburg 1958

(Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 7).– Bernhard Zeller, Wolfcoz und die Wolfcoz-Schrift, in: Mensch und Schrift im frühen Mittelalter,

hg. von Peter Erhart/Lorenz Hollenstein, St.Gallen 2006, S. 156–160.– Bernhard Zeller, Urkunden und Urkundenschreiber des Klosters St.Gallen bis ca. 840, in: Die Pri-

vaturkunden der Karolingerzeit, ed. Peter Erhart/Karl Heidecker/Bernhard Zeller, Dietikon-Zürich 2009, S. 173–182.

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dieter geuenicH

Benedikt von Aniane, Helisachar und Einhard im St.Galler Verbrüderungsbuch

Zu den unvergesslichen und wohl für jeden Mittelalterhistoriker eindrucksvollen Erlebnissen gehören Archivbesuche, die Autopsie von Handschriften, die unmittelbare Konfrontation mit Schriftzeugnissen, welche vor mehr als tausend Jahren dem Pergament anvertraut wurden. Ein besonderes Erlebnis dieser Art, das mir unauslöschlich in der Erin-nerung geblieben ist, war mein erster Besuch im Stiftsarchiv St.Gallen Ende der 1960er-Jahre. In ganz anderer Weise als die vergleichsweise nüchterne Atmosphäre in der Zentral-bibliothek in Zürich oder im Generallandesarchiv in Karlsruhe, die ich zur gleichen Zeit zu Handschriftenstudien aufsuchte, beeindruckte mich das Stiftsarchiv St.Gallen, das da-mals noch nicht im Nordflügel (Zeughausflügel) des Regierungsgebäudes, sondern in den historischen Gewölben des Hofflügels untergebracht war. Der eigentümliche Reiz, der von der dort gegebenen Gelegenheit ausgeht, die mittelalterlichen Urkunden und Codices – sozusagen im Schatten der St.Galler Klosterkirche – an dem Ort lesen und studieren zu können, an dem sie einst geschrieben und über 1200 Jahre auf bewahrt wurden, machte auch die zahlreichen späteren Besuche (des Öfteren auch mit Studierenden) in diesem his-torischen Klosterarchiv immer wieder zu besonderen Erlebnissen. In guter Erinnerung blieben diese eindrucksvollen Begegnungen mit den mittelalterlichen Schriftzeugnissen zusätzlich dadurch, dass die Betreuung durch sachkundige Stiftsarchivare wie Paul Staerk-le (1933–1968), Franz Perret (1968–1978), Werner Vogler (1978–2002) und zuletzt Lorenz Hollenstein (2003–2009) den Zugang zu den Schriftzeugnissen erleichterte und in stets vorbildlicher Weise unterstützte. Zu den besonderen Erlebnissen dieser Art gehören die Autopsie und die intensive Beschäf-tigung mit dem St.Galler Verbrüderungsbuch oder, wie aufgrund der intensiven Analyse meines Lehrers Karl Schmid richtig zu sagen wäre: mit d e n St.Galler Verbrüderungsbü-chern. Denn im 9. Jahrhundert sind im Galluskloster in einem Abstand von rund 50 Jahren zwei Gedenkbücher angelegt worden, die erst später im Codex Sangallensis Class. I Cist. C3 B55 des Stiftsarchivs zusammengefügt worden sind. Karl Schmid hatte diese beiden ur-sprünglich getrennten Codices und ihre Seitenabfolge in den 1980er-Jahren aufgrund akri-bischer Untersuchungen, an denen ich teilhaben durfte, rekonstruiert. Leider konnte Schmid selbst nicht mehr erleben, dass sein Rekonstruktionsversuch nun von Peter Erhart und Uwe Ludwig im Zuge der Restaurierung der Handschrift in den wesentlichen Punkten bestätigt werden konnte. War es zunächst in den 1960er-Jahren die Konventsliste der Prümer Mönche im jüngeren der beiden Gedenkbücher, mit der ich mich im Zusammenhang einer Untersuchung der «Prümer Personennamen in Überlieferungen von St.Gallen, Reichenau, Remiremont und Prüm» beschäftigte, so erregte schon bald ein Gedenkeintrag von drei Namen auf Pagina 3 (nach der Seitenzählung in der Rekonstruktion von Karl Schmid: «A fol. 11r») meine Auf-merksamkeit:

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Benedict[us]ElysigariusEinhart.

Ausschnitt aus pag. 3 des älteren St.Galler Verbrüderungsbuches.

Denn Paul Piper hatte schon 1894 in seiner Edition der Verbrüderungsbücher diese Namen, obwohl sie ohne Überschrift und nähere Kennzeichnung eingetragen sind, dem «Reichs-klosterreformator» (Josef Semmler) Benedikt von Aniane, dem Kanzler Ludwigs des Frommen Helisachar und dem Biographen Karls des Grossen, Einhard von Seligenstadt, zugeordnet. Die Eintragung der drei Namen, die wohl als erste auf dieser Seite des älteren St.Galler Verbrüderungsbuches von ein und derselben Hand eingetragen worden sind, könnte bereits zur Zeit der Anlage des Codex zwischen 810 und 815 erfolgt sein. Falls dies zutrifft, wäre zu folgern, dass die drei Personen bereits zu ihren Lebzeiten in das Gebetsge-denken der Mönchsgemeinschaft von St.Gallen aufgenommen wurden. Denn Benedikt von Aniane starb am 11. Februar 821, Einhard am 14. März 840 und Helisachar zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt «vor 840» (Josef Fleckenstein).Angesichts der Seltenheit vor allem des Namens Helisachar und der Tatsache, dass die drei genannten Personen in den ersten Jahren der Regierungszeit Ludwigs des Frommen die wichtigsten Positionen am Kaiserhof eingenommen haben, wird man die vorgeschlagene Identifizierung wohl kaum in Frage stellen. Als der Kaiser 814 die Nachfolge Karls des Grossen antrat, wechselte auch Benedikt von Aniane von Aquitanien zunächst ins elsässi-sche Maursmünster und dann von dort nach Inden (bei Aachen) über, wo er ein «Muster-kloster» leitete, das der Kaiser eigens für ihn gegründet hatte. Massgeblichen Einfluss schreibt ihm die Forschung auf die die monachorum causa betreffenden Beschlüsse der Syn-oden von 816, 817 und 818/19 und auf die verbindliche Festlegung der Reichsklöster auf die Regula Benedicti zu. Helisachar, der ebenfalls aus Aquitanien, wo er bereits das Amt ei-nes Kanzlers innehatte, an den Kaiserhof überwechselte, übernahm 814 die Kanzlei des Reiches, bis er im Jahre 819 in dieser Funktion von dem Angelsachsen Fridugis abgelöst wurde. Er blieb aber weiterhin in angesehener Stellung am Hof und wurde wiederholt mit politischen Aufgaben betraut. Zum Dank wurde ihm die Leitung der Klöster St-Aubin (Angers), St-Riquier (Centula) und vermutlich auch St-Pierre de Jumièges übertragen. Ein-hard schliesslich, unter Karl dem Grossen einer der wichtigsten Ratgeber und Vertrauten des Kaisers, hatte diesen 813 im Namen der Grossen des Reiches aufgefordert, Ludwig den Frommen zum Mitkaiser zu erheben. Nach dem Tode Karls zählte er zu den wenigen sei-ner alten Getreuen, die Ludwig nicht von seinem Hofe verwies. Vielmehr wurde Einhard mit der Erziehung des Kaisersohnes Lothar betraut, dem er nach der Verkündung der Ordinatio imperii 817 als Berater zur Seite stand. Zum Dank für seine Dienste erhielt er die Abteien St. Peter und St. Bavo (Gent), St. Servatius (Maastricht), St-Cloud (bei Paris), St-Wandrille (Fontenelle), St. Peter (Fritzlar) und die Johannesbasilika in Pavia. Bereits im Jahre 815 hatte er von Kaiser Ludwig dem Frommen die königlichen Güter in Michelstadt

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(Odenwald) und im Maingau erhalten, die ihm später, als er sich vom Hof zurückzog, als Grundlage seiner Klostergründung in Seligenstadt dienten, wo er 840 sein Grab fand.Für die weiteren 159 Personennamen auf dieser Seite des älteren St.Galler Verbrüderungs-buches, auf der die Namen Benedikt, Helisachar und Einhard offenbar als erster Gedenk-eintrag notiert worden sind, lässt sich keine inhaltliche Beziehung zu den Namen der drei Persönlichkeiten erkennen, die in der Zeit von 814 bis 821 am Kaiserhof in höchstem Anse-hen standen. Von wem und aus welchem konkreten Anlass ihre Namen eingetragen worden sind, wird sich wohl nicht mehr ermitteln lassen.

Quellen und Literatur– Zur Rekonstruktion der beiden St.Galler Verbrüderungsbücher: Karl Schmid, Das ältere und das

neuentdeckte jüngere St.Galler Verbrüderungsbuch, in: Subsidia Sangallensia I. Materialien und Untersu-chungen zu den Verbrüderungsbüchern und zu den älteren Urkunden des Stiftsarchivs St.Gallen, hg. von Michael Borgolte/Dieter Geuenich/Karl Schmid (St.Galler Kultur und Geschichte 16), St.Gallen 1986, S. 15–38; Ders., Versuch einer Rekonstruktion der St.Galler Verbrüderungsbücher des 9. Jahrhunderts, a.a.O, S. 81–276. – Eine kommentierte Faksimile-Edition in der Reihe «Libri memoriales et necrologia. Nova series» der Monumenta Germaniae Historica wird zur Zeit gemeinsam mit Uwe Ludwig und unter Mitarbeit von Peter Erhart/Anton von Euw/Alfons Zettler vorbereitet.

– Zu Benedikt von Aniane: Benedict of Aniane: The Emperor’s Monk. Ardo’s Life. Übersetzung von Allen Cabaniss, Kalamazoo 2008 (Cistercian Studies Series 220); Walter Kettemann, Subsidia Anianensia. Überlieferungs- und textgeschichtliche Untersuchungen zur Geschichte Witiza-Benedikts, seines Klosters Aniane und zur sogenannten «anianischen Reform». Mit kommentierten Editionen der Vita Benedicti Anianensis, Notitia de servitio monasteriorum, des Chronicon Moissiacense/Anianense sowie zweier Lokaltraditionen aus Aniane (phil. Diss), Duisburg 2000 [http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DocumentsServlet?id=18245].

– Zu Helisachar: Bernhard Simson, Jahrbücher des Fränkischen Reichs unter Ludwig dem Frommen, 2 Bde., Leipzig 1874–1876 (ND Berlin 1969), S. 234f.; Ders., Artikel «Ludwig der Fromme» in: Allge-meine Deutsche Biographie, hg. von der Historischen Kommission bei der Bayrischen Akademie der Wis-senschaften, Band 19 (1884), S. 397.

– Zu Einhard: Hermann Schefers, Einhard – ein Lebensbild aus karolingischer Zeit, in: Geschichts-blätter Kreis Bergstrasse 26 (1993), S. 25–92; Hermann Schefers (Hg.), Einhard. Studien zu Leben und Werk (Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission Neue Folge 12), Darmstadt 1997; Matthias M. Tischler, Einhards Vita Karoli. Studien zur Entstehung, Überlieferung und Rezeption (Monumenta Germaniae Historica Schriften 48), Hannover 2002.

– Schriften des Verfassers: Dieter Geuenich, Prümer Personennamen in Überlieferungen von St.Gallen, Reichenau, Remiremont und Prüm (Beiheft 7 der Beiträge zu Namenforschung. Neue Folge), Heidelberg 1971.

– Ders., Gebetsgedenken und anianische Reform – Beobachtungen zu den Verbrüderungsbeziehungen der Äbte im Reich Ludwigs des Frommen, in: Monastische Reformen im 9. und 10. Jahrhundert, hg. von R aymund Kottje/Helmut Maurer (Vorträge und Forschungen 38), Sigmaringen 1989, S. 87; Ders., Kritische Anmerkungen zur sogenannten «anianischen Reform», in: Mönchtum – Kirche – Herrschaft 750–1000, hg. von Dieter R. Bauer/Rudolf Hiestand/Brigitte Kasten/Sönke Lorenz, Sigmaringen 1998, S. 110.

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Bischof Hunfrid von Thérouanne in St.Gallen und Pfäfers

uwe ludwig

Zu den kostbaren Beständen des St.Galler Stiftsarchivs, dessen scheidendem Leiter Lorenz Hollenstein diese Zeilen gewidmet sein sollen, zählt auch die prächtig illuminierte Hand-schrift des Liber Viventium Fabariensis. Dieses um 800 oder in den folgenden Jahren in churrätischer Minuskel geschriebene Evangelistar war, wie seine Anlage verrät, von Anfang an auch als Gedenkbuch konzipiert – als Liber vitae, in den die Namen derjenigen aufge-nommen werden sollten, für die im Rahmen der Liturgie Gebetsleistungen zu erbringen waren. Wie die ältesten Memorialaufzeichnungen auf der Doppelseite 24/25 nahelegen, hat der Codex offenbar seit den 20er-Jahren des 9. Jahrhunderts im Kloster Pfäfers als Verbrü-derungsbuch gedient. Dieser früheste im Liber Viventium nachweisbare Eintrag gliedert sich in drei Teile. In der linken Spalte der pag. 24 werden karolingische Herrscher sowie in Alemannien und Rätien tätige fränkische Amtsträger des 9. Jahrhunderts genannt. In Ent-sprechung hierzu verzeichnet die rechte Spalte die Namen von Frauen, in denen Gemahlin-nen einiger der in der linken Kolumne erwähnten Männer zu erkennen sind. Von derselben Hand ist schliesslich in der dritten Spalte der Doppelseite – in der linken Kolumne von pag. 25 also – ein «Bischofsdiptychon» verzeichnet worden, das die Namen mehrerer Churer Oberhirten bis hin zu Remedius (800–820) festhält.Es ist im vorliegenden Zusammenhang nicht nötig, genauer auf die mit der Identifizierung der einzelnen Personen und auf die mit der Datierung des Eintrags verbundenen und in der Forschung intensiv diskutierten Probleme einzugehen. Der Hinweis soll genügen, dass unter den Karolingern Karl der Grosse, Ludwig der Fromme und Pippin von Italien auftreten und dass ihnen mehrere als lai(ci) ausgewiesene Würdenträger folgen, unter denen mit Humfredus und Adalbertus zwei Angehörige der in Rätien und Italien aktiven Sippe der Hunfridinger begegnen. In Hunfrid ist der im Gefolge der divisio inter episcopatum et comitatum um 806 ein-gesetzte erste fränkische Graf in Rätien zu sehen, in Adalbert offenbar sein Sohn. Der Rang und die Bedeutung dieser beiden Männer lassen sich an der Umgebung ablesen, in der sie das Gedenkbuch nennt: Obwohl ihnen keine Amtsbezeichnungen beigegeben sind, muss es sich doch um wichtige Persönlichkeiten handeln, gehen ihnen doch in dem Eintrag neben den karolingischen Herrschern mit Rothardus lai(cus) und Uuarinus lai(cus) offenbar die beiden «Verwalter Alemanniens» aus der Mitte des 8. Jahrhunderts und mit Isimbardus lai(cus) aller Wahrscheinlichkeit nach der Sohn Warins, der als Graf im Thurgau wirkte, voraus.Mit Humfredus und Adalbertus in der linken Spalte von pag. 24 korrespondiert offensichtlich der in der rechten Bogenstellung nach den Gemahlinnen Karls des Grossen und Ludwigs des Frommen – Hildegard, Liutgard und Judith – notierte Frauenname Itta. Dies lässt sich aus einer Reihe von Paralleleinträgen in den Verbrüderungsbüchern St.Gallens und der Rei-chenau erschliessen, in denen ein Hunfrid gleichfalls von Personen namens Adalbert und Hitta begleitet wird. Es kann mit gutem Grund vermutet werden, dass diese Hitta die Gat-tin des Grafen Hunfrid von Rätien war. Auf pag. 24 sind auch in der Zeit nach der Aufzeichnung des «Herrscher- und Würdenträ-gerdiptychons» immer wieder hochgestellte Persönlichkeiten in die Memoria der Mönchs-

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gemeinschaft aufgenommen worden, so etwa der in Italien tätige Liuthfredus dux, der Schwa-ger und Vertraute Kaiser Lothars I., der offenbar gemeinsam mit seiner Gemahlin Liuthcarda und seinen Eltern Hugo von Tours und Ava (Huuc und Aba) Erwähnung findet. Neben dieser Personengruppe, die in einen etichonischen Verwandtschaftszusammenhang führt, ist auch der bisher kaum beachtete Eintrag Ruodulfh, Pipinus, Chunigunda in der rechten Spal-te von pag. 24 hervorzuheben, der ebenso wie der auf pag. 70 des Gedenkbuches niederge-schriebene Eintrag Ruodulfus, Ghunigunda, Pipinus, Ruodulfus, Bernardus, Uuillemmus, Ucho auf Beziehungen zwischen dem Kloster Pfäfers und den im Regnum Italiae verbliebenen Nach-kommen König Pippins von Italien – der selbst unter den Karolingerkönigen auf pag. 24 genannt wird – verweist.Vor diesem Hintergrund ist nun die Aufmerksamkeit auf einen weiteren Eintrag auf pag. 24 zu lenken, der aus drei Namen besteht: Umfredi ep(iscop)i, Bertherata, Herich. Die Namen sind in der unteren Hälfte der linken Spalte notiert. Paul Piper hat in der MGH-Edition der Libri confraternitatum von 1884 Umfredus mit dem um die Mitte des 11. Jahrhunderts amtieren-den Erzbischof Hunfrid von Ravenna gleichgesetzt, eine Identifizierung, die daran scheitert, dass der Eintrag fraglos noch dem 9. Jahrhundert zuzuordnen ist. Und in der Tat gibt es im 9. Jahrhundert einen Oberhirten dieses Namens, der viel besser in diesen Zusammenhang passt: Bischof Hunfrid von Thérouanne, der ehemalige Mönch des Klosters Prüm, der von 856 bis 869/70 an der Spitze der im Norden des Westfränkischen Reiches gelegenen Diö-zese stand und von 864 bis 866 in Personalunion auch die unweit des Bischofssitzes gelegene Abtei Saint-Bertin (Sithiu) leitete.Welche Gründe aber sprechen dafür, den Eintrag Umfredus episcopus auf Bischof Hunfrid von Thérouanne zu beziehen? Eine am 21. August 868 am Mittelrhein ausgestellte Urkunde liefert die entscheidenden Anhaltspunkte. An diesem Tag übertrug der inluster vir Heriricus mit Zustimmung und in Gegenwart seines Bruders, des Bischofs Hunfrid von Thérouanne, dem Kloster Prüm unter Abt Ansbald die ihm aus dem Erbe seines Vaters Alberich und seiner Mutter Huna zugefallene Villa Uuimundasheim. Die Schenkung der Villa Weinsheim bei Bingen wurde am Güterort selbst in der Form der Prekarie vorgenommen. Dabei erklär-te der Schenker Heririch in dem von ihm ausgestellten Dokument, dass er im Begriffe sei, sich auf die Reise zu den Gräbern der Apostel und Heiligen nach Rom zu begeben.Der Eintrag im Liber Viventium Fabariensis nennt aber, wie wir gesehen haben, neben Bi-schof Hunfrid auch einen Erich. Dürfen wir in ihm den Bruder Hunfrids sehen, der im Jah-re 868 zur Pilgerfahrt nach Rom auf brach und unterwegs in Pfäfers Station machte? Und befand sich Heririch-Erich damals in Begleitung seines Bruders und einer Frau namens Bertherata?An dieser Stelle kommt uns eine weitere Urkunde zu Hilfe, die vier Wochen vor dem Weins-heimer Dokument in der dem Bischof von Thérouanne gehörenden villa Wavrans unweit des Klosters Saint-Bertin ausgestellt wurde. Am 27. Juli 868 traf hier der Mönch Guntbert von Saint-Bertin für den Fall, dass er von der Romfahrt, die er anzutreten gedachte, nicht zurück-kehren würde, letzte Verfügungen über seinen Grundbesitz. Guntbert, so erfahren wir aus Folkwins «Gesta abbatum Sithiensium», war bereits 826 in jungen Jahren mit seinem Vater Goibert nach Rom gepilgert, wo ihn dieser dem hl. Petrus tradierte und von Papst Eugen II. zum Kleriker weihen liess. Jetzt, gut vier Jahrzehnte später, setzte Guntbert eine Urkunde auf, die mit den Worten schloss: In dei nomine ego Guntbertus peccator, presbiter, iturus ad Romam, ad dominum meum sanctum Petrum, cui ab infantia traditus fui, … propria manu scripsi. Besonderes In-

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teresse verdient nun, dass dieser Rechtsakt in Gegenwart und unter Beteiligung des Bischofs Hunfrid von Thérouanne vollzogen wurde, in dessen 13. Amtsjahr die Urkunde datiert wird und von dem es in dem Dokument heisst: … ipso etiam pariter Romam ire disponente. Nicht allein Guntbert, sondern auch Hunfrid schickte sich demnach an, die weite Reise ans Grab des Apostelfürsten anzutreten. Die Vermutung, dass der Mönch und der Bischof, der zugleich Guntberts ehemaliger Konventsleiter war, die Pilgerfahrt gemeinsam unternom-men haben, findet ihre Bestätigung in der vorhin erwähnten, am 21. August 868 in Weinsheim ausgestellten Urkunde des Hunfrid-Bruders Heririch. Denn diese Urkunde hat niemand anders als Guntbert von Saint-Bertin geschrieben, der in der Subskriptionszeile ausdrücklich festhält, den Auftrag hierzu von «seinem» Bischof Hunfrid erhalten zu haben: In dei nomine ego Gundbertus peccator pater iussu domni Hunfridi episcopi nostri fratrisque eius Heririci inlustris viri rogatu hanc cartam traditionis … scripsi. Hunfrid und Guntbert waren offen-sichtlich gemeinsam von Flandern an den Mittelrhein gereist, wo der wohlhabende Grund-besitzer Heririch und sein Bruder Hunfrid auf den erfahrenen Schreibermönch zurückgrif-fen, um eine Besitzübereignung an das Kloster Prüm schriftlich fixieren zu lassen.Wenn nicht alles täuscht, so ist Weinsheim bei Bingen nicht der letzte Ort, an dem sich Hunfrid und Guntbert auf ihrer Romfahrt zusammen nachweisen lassen. Es ist wiederum eine Handschrift des St.Galler Stiftsarchivs, die uns weitere Einblicke in das Itinerar der bei-den Pilger gewährt. Im jüngeren St.Galler Verbrüderungsbuch ist pag. 29 (nach der älteren Zählung = B fol. 50v in der Rekonstruktion von Karl Schmid) mit dem zweizeiligen Rub-rum Nomina fratrum coenobii sancti Petri sanctorumque confessorum Otmari atque Bertini über-schrieben. Darunter sind von gleicher Hand und Tinte die Namen Hunfridus ep(iscopu)s, Gundbertus, Hrothardus eingetragen. Da die Überschrift die Patrone der Mönchsgemein-schaft von Saint-Bertin nennt – den Apostelfürsten Petrus und die hll. Audomarus und Bertinus – beziehen sich die Namen ganz offensichtlich auf den Bischof Hunfrid von Thérouanne und den Mönch Guntbert von Saint-Bertin sowie auf eine bisher nicht identi-fizierte Person namens Hrothardus.

Jüngeres St.Galler Verbrüderungsbuch, pag. 29 (Ausschnitt) (StiASG, C3 B55).

Es verwundert, dass der sehr umfangreichen und viel Platz beanspruchenden Überschrift lediglich drei Namen folgen, kann man doch davon ausgehen, dass die Kommunität von Saint-Bertin zur damaligen Zeit eine wesentlich höhere Mitgliederstärke aufwies. Gerade das Faktum jedoch, dass im St.Galler Gedenkbuch nicht der gesamte Konvent von Saint-Bertin aufgeführt ist, spricht dafür, dass die Eintragung aus Anlass des Besuchs des Bischofs Hunfrid und des Mönchs Guntbert (sowie eines weiteren Mönchs namens Rothard?) in St.Gallen erfolgte, also als Präsenzeintrag zu werten ist. Die Annahme ist gut begründet,

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dass der Aufenthalt Hunfrids und Guntberts im Kloster an der Steinach in den Herbst des Jahres 868 fällt, als sie, vom Mittelrhein kommend, den Alpen zustrebten, um nach Italien zu gelangen.Im Licht dieser Erkenntnisse wird man zwischen dem St.Galler und dem Pfäferser Gedenk-eintrag einen Zusammenhang vermuten dürfen. Der Pilgergruppe um Hunfrid und Gunt-bert hat sich am Mittelrhein offenbar der Bruder Hunfrids, Heririch, angeschlossen. Die Reiseroute dieser Gesellschaft führte über St.Gallen und Pfäfers hinauf zu den Bündner Päs-sen. In Pfäfers haben sich, so wird man jetzt sagen können, Hunfrid und sein Bruder Heri-rich gemeinsam mit einer Frau namens Bertherata in die Memoria der Mönche einschliessen lassen. Über die Identität dieser Berterada lassen sich keine gesicherten Aussagen machen. Der auffällige, in der Karolingersippe häufig vergebene Frauenname begegnet jedoch, wor-auf neuerdings Alfons Zettler aufmerksam gemacht hat, auch im Kreise der rätischen Hun-fridinger. Während sich der St.Galler Konvent mit einer religiösen Kommunität verbrüder-te, als deren Repräsentanten Bischof Hunfrid, der Mönch Guntbert und der unbekannte Rothard auftraten, nahmen die Pfäferser Mönche eine Verwandtengruppe in ihren Liber vitae auf. Die Überschrift im jüngeren St.Galler Gedenkbuch deutet darauf hin, dass zwi-schen St.Gallen und Saint-Bertin eine Gebetsverbrüderung vereinbart oder in Aussicht ge-nommen worden ist, ohne dass später eine Mönchsliste aus der westfränkischen Abtei nach St.Gallen gesandt worden wäre, wie es in solchen Fällen üblich war. Wie nicht anders zu er-warten, fehlt unter diesem Rubrum der Name des Hunfrid-Bruders Heririch, während im Eintrag des Liber Viventium Fabariensis Guntbert keine Erwähnung findet.Gegen die hier vorgeschlagene Datierung des St.Galler Eintrags in das Jahr 868 könnte man zwar einwenden, dass Bischof Hunfrid zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Konventsleiter von Saint-Bertin war, da ihm Karl der Kahle nach nur zweijähriger Amtszeit 866 die Abtswürde entzogen hat, um damit seinen Vertrauten, den Kanoniker Hilduin auszustatten. Allerdings würde es weit grössere Schwierigkeiten bereiten, den Aufenthalt in St.Gallen in den Jahren zwischen 864 und 866, in der Zeit des Hunfrid-Abbatiats, unterzubringen, geben die ur-kundlichen Quellen doch übereinstimmend zu erkennen, dass Hunfrid, Guntbert und Heririch im Jahre 868 auf den Weg in den Süden waren. Und in der Tat ist Hunfrid in dem St.Galler Eintrag nicht als abbas, auch nicht als episcopus et abbas, sondern nur als episcopus aus-gewiesen. Es scheint also, dass uns Hunfrid in der kurzen Namenreihe in seiner Funktion als zuständiger Ortsbischof entgegentritt. Wie aus den vorgestellten Dokumenten zu erfahren ist, unterhielt Hunfrid jedoch auch nach seiner Absetzung als Abt zu seinem ehemaligen Konvent und zu einzelnen Konventualen wie Guntbert engste Beziehungen, die seine Er-wähnung unter der Überschrift der Kommunität von Saint-Bertin verständlich machen. Freilich sollte angesichts der Tatsache, dass Hunfrid im St.Galler Gedenkbuch die eigentlich seinem Nachfolger Hilduin zustehende Position einnimmt, auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass sich im Memorialeintrag Konflikte innerhalb der Mönchsgemeinschaft von Saint-Bertin spiegeln. Folkwins Chronik von Saint-Bertin ist zu entnehmen, dass Gunt-bert nicht allein aus Gründen der Frömmigkeit und der Devotion gegenüber dem Hl. Petrus die weite Reise nach Rom auf sich nahm, sondern auch in der Absicht, einen Rechtsstreit vor den Hl. Stuhl zu bringen, der ihn persönlich betraf. Unter dem Abbatiat des Hunfrid-Nach-folgers Hilduin war Guntbert nämlich die Leitung der Salvatorzelle in Steneland entzogen worden, die Guntberts Vater Goibert gestiftet, im weiten Umkreis reich mit Gütern ausge-stattet und bei seinem Tode dem Sohn übergeben hatte, damit dieser den gesamten Komplex

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im Namen des Klosters verwalte. Bischof Hunfrid von Thérouanne hatte Guntbert im Jahre 857 die Verfügungsgewalt über Steneland bestätigt, als sich dieser von Abt Adalhard von Saint-Bertin ein entsprechendes Privileg ausstellen liess. Diese Regelung war noch im Jahre 866 von König Karl dem Kahlen feierlich bekräftigt worden. Wenn Guntbert die Rom reise in Begleitung des Bischofs Hunfrid unternahm, so wird man gerade hierin ein sehr deutliches Indiz dafür erkennen können, dass der Mönch vor dem Papst seine Rechte an Steneland ein-klagen wollte. Vor dem Hintergrund der Spannungen und Auseinandersetzungen in Saint-Bertin erscheint es durchaus erklärlich, dass der Name des amtierenden Abtes Hilduin, dem man die unrechtmässige Einziehung Stenelands vorwarf, im St.Galler Liber vitae unterdrückt und durch jenen des ehemaligen Konventsvorstehers Hunfrid ersetzt wurde.Aufmerksamkeit verdient schliesslich auch die Tatsache, dass für die Aufzeichnung der Na-men aus Saint-Bertin eine Seite des Codex ausgewählt wurde, die nach den jüngst vorge-nommenen Korrekturen an der von Karl Schmid vorgelegten Rekonstruktion des jüngeren St.Galler Verbrüderungsbuches derjenigen unmittelbar benachbart ist, auf der zwischen 860 und 865 die Liste des Prümer Konvents unter Abt Ansbald niedergeschrieben worden war (pag. 62 nach der älteren Zählung = B fol. 32r in der Rekonstruktion von Schmid). Da aber Bischof Hunfrid aus dem Konvent von Prüm hervorgegangen ist, wird die Wahl des Ein-tragsortes sicher nicht auf Zufall beruhen. Wie in so vielen anderen Fällen, in denen man durch räumliche Nähe eine Beziehung zwischen Personen und Personengruppen anzeigen wollte, ist hier offenbar auf Verbindungen zwischen dem Kloster Prüm, Bischof Hunfrid und der Abtei Saint-Bertin Bezug genommen: Sie haben sich in der Betrauung des ehema-ligen Prümer Mönchs Hunfrid mit der Abtswürde von Saint-Bertin und in der Schenkung des Hunfrid-Bruders Heririch an das Kloster Prüm, die der Mönch Guntbert von Saint-Bertin urkundlich festhielt, niedergeschlagen.Auch im Liber Viventium Fabariensis ist die Seite, auf welcher die Namen Bischof Hunfrids, seines Bruders Heririch und der unbekannten Bertherata niedergeschrieben wurden, ganz offensichtlich mit Bedacht ausgewählt worden. Wenn Hunfrid, obwohl er als episcopus be-zeichnet ist, nicht auf pag. 24 neben den dort vermerkten Bischöfen erwähnt wird, sondern vielmehr in der linken Kolumne von pag. 24 im Anschluss an das Königs- und Würdenträ-gerdiptychon aus der Anlagezeit, so muss dies seinen besonderen Grund haben. Und dieser Grund kann eigentlich nur darin zu suchen sein, dass zwischen Bischof Hunfrid und den rätisch-istrischen Hunfridingern, die wenige Zeilen oberhalb aufgeführt sind (Humfredus laicus, Adalbertus laicus) eine verwandtschaftliche Beziehung besteht.Für eine Verwandtschaft Bischof Hunfrids von Thérouanne mit den in Rätien tätigen Hun-fridingern haben sich vor allem Maurice Chaume und Régine Hennebicque(-Le Jan) ausge-sprochen. Allerdings ist es noch nicht gelungen, die genealogischen Verflechtungen zu re-konstruieren, obwohl in der erwähnten Schenkungsurkunde des Hunfrid-Bruders Heririch für das Kloster Prüm eine ganze Reihe von Verwandten namhaft gemacht werden: Der Va-ter hiess Alberich, die Mutter Huna, zwei Brüder trugen die Namen Heinrich und Alberich. Soweit bisher zu erkennen, ist die Verwandtschaft zwischen Hunfrid von Thérouanne und den Hunfriden in Rätien und Italien über Hunfrids und Heririchs Mutter Huna vermittelt worden, deren Name deutlich auf diesen Sippenverband verweist. Beziehungen dieser Huna zum alemannischen Raum könnte ein Eintrag auf pag. 124 des Reichenauer Verbrüderungs-buches zu erkennen geben, in dem Alberichus com(es), Huna, Hererihctus aufgeführt sind. Da diese Namenreihe erst geraume Zeit nach der um 824 erfolgten Anlage des Gedenkbuches

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Liber Viventium Fabariensis, pag. 24 (StiA Pfäfers im StiASG, Cod. Fab. 1).

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notiert wurde, ist es nicht ausgeschlossen, dass sich dahinter das in der Urkunde von 868 genannte Ehepaar Alberich und Huna sowie ihr Sohn Erich verbergen.Weitere Forschungen werden in diesem Punkt wohl noch zu grösserer Klarheit verhelfen. Den beiden hier vorgestellten Memorialeinträgen aus dem Liber Viventium Fabariensis und aus dem St.Galler Gedenkbuch kommt dabei zentrale Bedeutung zu. Sie zeigen Bi-schof Hunfrid von Thérouanne im Jahre 868 auf einer Pilgerfahrt nach Rom, auf der er in St.Gallen und in Pfäfers Station machte und sich in wechselnden personellen Konstellati-onen in das klösterliche Gebetsgedenken aufnehmen liess. Im St.Galler Gedenkbuch begegnen wir ihm in einem kirchlich-monastischen Kontext, während er im Verbrüde-rungsbuch der Abtei Pfäfers im Kreise von Verwandten auftritt. So sind die beiden Na-menreihen und ihre Einbettung in den Eintragszusammenhang der Libri vitae auch spre-chende Zeugnisse für die Einbindung eines Prälaten des frühen Mittelalters in weitver-zweigte Sippenverbände und weiträumige Gedenkbeziehungen.Über den weiteren Verlauf der Romreise Hunfrids und seiner Gefährten ist nichts bekannt. Bischof Hunfrid starb am 8. März 869 oder 870 und wurde in der Kirche von Thérouanne beigesetzt.

Quellen und Literatur– Cartulaire de l’abbaye de Saint-Bertin, hg. von M. Guérard (Collection des cartulaires de France III),

Paris 1840.– Folcwini diaconi Gesta abbatum Sithiensium, ed. Oswald Holder-Egger, in: MGH Scriptores 13,

Hannover 1881, S. 607–635.– Liber Viventium Fabariensis. Stiftsarchiv St.Gallen, Fonds Pfäfers, Codex 1, Bd. 1: Faksimile-Edition, hg.

von Albert Bruckner/Hans Rudolf Sennhauser/Franz Perret, 1973.– MGH Libri confraternitatum sancti Galli, Augiensis, Fabariensis, hg. von Paul Piper, Berlin 1884.– Karl Schmid, Versuch einer Rekonstruktion der St.Galler Verbrüderungsbücher des 9. Jahrhunderts,

in: Subsidia Sangallensia I. Materialien und Untersuchungen zu den Verbrüderungsbüchern und zu den älteren Urkunden des Stiftsarchivs St.Gallen, hg. von Michael Borgolte/Dieter Geuenich/Karl Schmid (St.Galler Kultur und Geschichte 16), St.Gallen 1986, S. 81–283.

– Urkundenbuch zur Geschichte der, jetzt die Preussischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bilden-den mittelrheinischen Territorien, hg. von Heinrich Beyer, Bd. 1: Von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1169, Koblenz 1860.

– Das Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau, hg. von Johanne Autenrieth/Dieter Geuenich/Karl Schmid (MGH Libri Memoriales et Necrologia NS 1), München 1979.

– Michael Borgolte, Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Proso-pographie (Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwest-deutschland 2), Sigmaringen 1986.

– Albert Bruckner, Scriptoria medii aevi Helvetica I: Schreibschulen der Diözese Chur, Genf 1935.– Maurice Chaume, Onfroi, marquis de Gothie. Ses origines et ses attaches familiales, in: Annales du

Midi 52 (1940), S. 113–136.– G. Coolen, Guntbert de Saint-Bertin. Chronique des temps carolingiens, in: Revue du Nord 20 (1958),

S. 213–224.– Winfried Dotzauer, Geschichte des Nahe-Hunsrück-Raumes von den Anfängen bis zur Französi-

schen Revolution, Stuttgart 2001.

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– Anton von Euw, Liber Viventium Fabariensis. Das karolingische Memorialbuch von Pfäfers in seiner liturgie- und kunstgeschichtlichen Bedeutung, Bern/Stuttgart 1989.

– Dieter Geuenich, Die ältere Geschichte von Pfäfers im Spiegel der Mönchslisten des Liber Viventium Fabariensis, in: Frühmittelalterliche Studien 9 (1975), S. 226–252.

– Dieter Geuenich, Der Liber Viventium Fabariensis als Zeugnis pragmatischer Schriftlichkeit im früh-mittelalterlichen Churrätien, in: Schrift, Schriftgebrauch und Textsorten im frühmittelalterlichen Churrä-tien. Vorträge des internationalen Kolloquiums vom 18. bis 20. Mai 2006 im Rätischen Museum in Chur, hg. von Heidi Eisenhut/Karin Fuchs/Martin Hannes Graf/Hannes Steiner, Basel 2008.

– Régine Hennebicque(-Le Jan), Structures familiales et politiques au IXe siècle: un groupe familial de l’aristocratie franque, in: Revue historique 265 (1981), S. 289–333.

– Ludolf Kuchenbuch, Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert. Studien zur Sozialstruktur der familia der Abtei Prüm (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bei-hefte 66), Wiesbaden 1978.

– Uwe Ludwig, Adelsfamilien im Gebetsgedenken der Mönche von Pfäfers (in Druckvorbereitung).– Uwe Ludwig, Konzeption und Datierung der Gedenkbuchanlagen, erscheint in: Die St.Galler Verbrü-

derungsbücher, hg. von Dieter Geuenich/Uwe Ludwig (MGH Libri Memoriales et Necrologia, in Druckvorbereitung).

– Charles Mériaux, Thérouanne et son diocèse jusqu’à la fin de l’époque carolingienne: les étapes de la christianisation d’après les sources écrites, in: Bibliothèque de l’Ecole des Chartes 158 (2000), S. 377–406.

– Regestes des évèques de Thérouanne 500–1553, hg. von O. Bled, Band 1: 500–1414, Saint-Omer 1904.– Ph. Rouillard, Unfrido, in: Bibliotheca Sanctorum 12, Roma 1969, Sp. 825–826.– Karl Schmid, Von Hunfrid zu Burkard. Bemerkungen zur rätischen Geschichte aus der Sicht von Ge-

denkbucheinträgen, in: Geschichte und Kultur Churrätiens. Festschrift Pater Iso Müller OSB zu seinem 85. Geburtstag, hg. von Ursus Brunold/Lothar Deplazes, Disentis 1986, S. 181–209.

– Gerd Tellenbach, Der Konvent der Reichsabtei Prüm unter Abt Ansbald (860–886), in: Neue Beiträ-ge zur südwestdeutschen Landesgeschichte. Festschrift Max Miller, Stuttgart 1962, S. 1–10.

– Karine Ugé, Creating the Monastic Past in Medieval Flanders, Woodbridge 2005.– H. van Werweke, Het bisdom Terwaan van den oorsprong tot het begin der veertiende eeuw, Gent/

Paris 1924.– Alfons Zettler, Adalbert der Erlauchte – Annäherungsversuch an einen spätkarolingischen Fürsten,

in: Die Baar als Königslandschaft. Tagung des Alemannischen Instituts in Donaueschingen, 6.–8. März 2008, hg. von Volkhard Huth (in Druckvorbereitung).

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Die Urkunde Abtbischof Salomons für Graf Udalrich vom 30. März 895 – Ein Spitzenstück karolingischer Urkundenkunst

marK mersiowsKy

Das Stiftsarchiv St.Gallen ist für Diplomatiker, also Forscher, die sich mit mittelalterlichen Ur-kunden beschäftigen, ein Archiv der Superlative: das grösste erhaltene frühmittelalterliche Archiv nördlich der Alpen, überhaupt eines der wenigen in erheblichem Umfang überlieferten Archive des ersten Jahrtausends nach Christus, es birgt den grössten Bestand an frühmittelal-terlichen Originalurkunden im gesamten deutschen Sprachraum. Auch von der Typologie her bilden die scheinbar so ähnlich aussehenden Urkunden eine ganze graphische Welt, von schlichten Urkunden einfacher Laien, Männer wie Frauen, über geschäftsmässige, routinierte Standardware bis hin zu Dokumenten, die beeindrucken sollten und sicher auch beeindruckt haben. Das Stiftsarchiv ist aber nicht nur ein Haus, das solche Schätze verwahrt und bewahrt, sondern es öffnet diese Schätze der wissenschaftlichen Forschung – und nicht zuletzt ermög-licht es durch Ausstellungen sogar manchmal der staunenden Öffentlichkeit, einen Blick in seine sonst aus konservatorischen Gründen so gut verschlossenen Kästen mit den empfindli-chen und unersetzlichen Originalen zu werfen. Als Forscher durfte ich immer wieder die Gastfreundschaft des Hauses erleben, durfte Stück für Stück die kostbaren Originale aus ih-ren braunen Umschlägen nehmen, betrachten, wenden, mit anderen vergleichen. Nur durch den direkten Kontakt mit den Originalen konnte ich mir anhand des St.Galler Materials eine Vorstellung von der vielgestaltigen, bis auf Splitter untergegangenen Welt karolingischer Ur-kunden von weltlichen und geistlichen Grossen machen. Wenn ich an dieser Stelle eine Frucht dieser Arbeit dem langjährigen Hüter dieser Schätze zum Geschenk machen kann, tue ich dies mit grosser Freude, denn nur der herzliche Empfang im Archiv, die grosszügige Einräu-mung kulanter Arbeitszeiten und die effiziente Unterstützung vor Ort haben es dem Nicht-schweizer ermöglicht, zumindest mit einer gewissen Sorgfalt die Masse des Erhaltenen zu bewältigen. Wie könnte ich besser meinen Dank an Lorenz Hollenstein abstatten, der mir immer wieder seine ihm anvertrauten Urkunden offenlegte, als zwei der prächtigsten Doku-mente aus der frühmittelalterlichen graphischen Welt hier etwas näher zu betrachten?Die ältesten Dokumente in St.Gallen setzen noch in der Merowingerzeit ein. Die Urkunden sind Einzelpergamente von oft unregelmässigem Zuschnitt, manche von ihnen weisen sogar Pergamentlöcher auf. Die Texte stehen auf der Fleischseite und wurden in der üblichen Schrift der Zeit niedergelegt, in alemannischer, rätischer Kursive oder Minuskel und später karolingischer Minuskel; meist, aber durchaus nicht immer, richtet sich die Grösse des Perga-mentes pragmatisch nach dem Platzbedarf des Textes. Die Mehrzahl der Urkunden hat das Querformat und ist fast nie vorliniert, mit dem Ergebnis, dass die Schriftzeilen oft leicht schwanken. Dennoch wussten die Urkundenschreiber durchaus Unterschiede zu machen. Es gab verschiedene Möglichkeiten, die Dokumente feierlicher und repräsentativer zu gestalten. Grosszügigen Umgang mit dem Platz, grössere Zeilenabstände, Auszeichnungsschriften in der ersten Zeile, den Unterschriften, dem Schreibervermerk und der Datierung, kalligra-phisch gehobene Kontextschrift, besondere graphische Symbole nutzte man im Sinne einer Steigerung. Ganz ähnlich konnte die innere Ausgestaltung variiert werden, die Bandbreite reichte vom knappen Protokollstil bis hin zu feierlich-bombastischen Formulierungen.

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Urkunde Abt Salomons für den Grafen Udalrich vom 30. März 895 (StiASG, Urk. IV 416).

Zu den Stücken, die sich aus der vielgestaltigen Masse der Überlieferung felsengleich erhe-ben, gehört die Urkunde Abt Salomons für den Grafen Udalrich vom 30. März 895. Dabei ging es um nichts Geringeres als die Übereinkunft zwischen Abtbischof Salomon und dem mächtigen Grafen Udalrich V. über dessen Familiengrablege, das Kloster Aadorf bei Elgg im Thurgau, das Udalrich schon ein oder zwei Jahre früher für seinen Todesfall an das Klos-ter St.Gallen übertragen hatte. Obschon Salomon sowohl Bischof von Konstanz wie Abt von St.Gallen war und beide Titel in dieser Urkunde führt, ist es doch eindeutig, dass er hier als Abt von St.Gallen fungiert. Die Urkunde von 895 ist – was für das Frühmittelalter mehr als selten ist – sogar gleich in zwei Exemplaren erhalten. Beide sind in karolingischer Minus-kel St.Galler Prägung auf recht regelmässigem Pergament von eindrucksvoller Grösse mun-diert. Die erste Urkunde (UBSG II, n. 697) von einem Schreiber namens Pald, einem Mönch, steht auf hellem, etwas stärkerem Pergament und hat oben eine Breite von 47,4 cm, unten (durch Ausriss?) nur 44,5 cm, ihre Höhe beträgt links 24,9 cm, neben dem Ausriss 32,2 cm, ganz rechts nur 30,1 cm. Die zweite Urkunde (UBSG II, n. 697) von der Hand des Priesters Nordpret steht auf etwas gelblicherem, dünnerem Pergament, die Breite beträgt oben und unten 47,6 cm, die Höhe links 35,3 cm, rechts 34,9 cm. Nicht nur in der Perga-mentart unterscheiden sich die Stücke. Die erste Urkunde weist nur am linken Rande in regelmässigen Abständen Einstiche auf, diese dienten als Markierungen für die durch einen stumpfen Griffel eingeritzten Hilfslinien für den Schreiber, die Blindlinierung. In der zwei-ten Urkunde finden sich die Einstiche dagegen links und rechts.Die Schrift beider Urkunden ist durchaus repräsentativ und sorgfältig, wobei die Schrift Nordprets organischer und geübter wirkt, die des Pald dagegen im Einzelnen unsicherer, wenngleich ebenso oder sogar noch etwas stärker auf monumentale Wirksamkeit bedacht. Der gesamte Urkundentext bis zum Ende der Signa wird in beiden Fällen in einem Block ohne besondere Hervorhebungen, sieht man von der initialen Vergrösserung der Satzanfän-

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ge ab, niedergeschrieben, die Schreiberzeile mit einem kleinen, in das Wort subscripsi integ-rierten Subskriptionszeichen folgt nach einer Leerzeile. Beide Urkunden tragen in der unte-ren rechten Ecke ein in olivbrauner Tinte gezeichnetes Kreuz. Ob es sich dabei um ein dem Beurkundungsgang angehöriges Zeichen handelt oder ob das Kreuz bei der Eintragung der für das St.Galler Archiv so typischen Kapitelsvermerke, wie der Vergleich der Tintenfarbe andeutet, gezeichnet wurde, lässt sich nicht entscheiden. Zwar sind all diese Elemente durch-aus nicht Ungewöhnliches, doch die Grösse des Pergaments, sein sorgfältiger Zuschnitt (wenn auch eine Urkunde später durch einen Eckausriss beschädigt wurde), der für St.Galler Verhältnisse grosszügige Zeilenabstand und die sorgfältige Schrift weisen die Urkunden als etwas Besonderes aus. Dabei griff man bezeichnenderweise nicht auf das Repertoire von Herrscher- oder Papsturkunde zurück, sondern bediente sich der üblichen Formen der Pri-vaturkunde, die man durch sorgfältige Ausführung und Grosszügigkeit steigerte.

Urkunde Abt Salomons für den Grafen Udalrich vom 30. März 895 (StiASG, Urk. IV 417).

Nicht nur die äussere Form hebt sich durch ihre Gestaltung vom Normalbild St.Galler Privaturkunden ab, Gleiches gilt für die sprachliche Fassung. Schon die lange Arenga, die allgemeine Begründung des vorzunehmenden Rechtsaktes, gibt diesem Stück eine beson-dere Feierlichkeit. In gewählten Worten wird zum Ausdruck gebracht, dass die Schriftform fromme Stiftungen zu sichern vermag und künftige Streitigkeiten zu vermeiden vermag: Quia igitur modernis temporibus nonnulli inveniuntur, qui salutaria Christi documenta tanta sublimi-tate sequuntur, ut quamvis temporum ordine cogente sua omnia pariter relinquere non valeant, tamen ex possessis ęterna lucrari desiderent sanctorum locis et obsequiis sua fideliter destinando, eadem ob dissensiones futuras undique pręcavendas necesse est conscriptionis vinculo firmiter pręmunire. Die ge-naue Festlegung in Schriftform zur Vermeidung zukünftiger Probleme war eine program-matische Aussage in einer Zeit, in der Rechtsgeschäfte durchaus auch durch schriftlose

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Sym bolakte unter Zeugen vorgenommen werden konnten. Durch eine ausführlichere Pu-blicatio, also die Willensbekundung, der Inhalt solle allen Heutigen wie Zukünftigen be-kannt sein (notum esse volumus cunctis, pręsentibus scilicet atque futuris), und eine Narratio, die die genauen Umstände der Urkundenentstehung beschreibt (quod post conventionem inter nos atque Uodalrichum serenum comitem de suis nostrisque rebus utrimque confirmatam, idem serenissi-mus comes ad nostrum monasterium devenit, petens, ut adhuc notitiam firmitatis autiorem ex nostra parte ei efficeremus de loco, qui dicitur Ahadorf, et de omnibus, quae ipse gratia divini servitii ad ipsum locum condixit), ragt diese Urkunde sprachlich über das übliche Niveau hinaus, sowohl im Umfang wie der Feierlichkeit im Ton. Begriffe wie serenissimus, clarissimus bezeugen die be-sondere Solemnität auch im Vokabular. Der gesamte Sprachstil ist gehobener, die Formu-lierungen gesuchter als in den üblichen chartae. Ausführlich heisst es nach der Facta-Formel: Quam confirmationem fecit Folchardus decanus cum manu advocati sui Cozperti, consentientibus ma-nusque inponentibus ejusdem congregationis patribus et fratribus, quorum his signacula continentur. In diesen Formulierungen schlägt sich die typisch mittelalterliche Verquickung von symboli-schem Akt und schriftlicher Dokumentation bei Rechtsgeschäften nieder.Dem sprachlichen Aufwand entspricht die innere Gestaltung der Zeugenliste: angeführt vom Bischof und Abt Salomon folgen nacheinander jeweils Name und Weihegrad von 42 Priestern, 24 Diakonen, 15 Subdiakonen, einem monachus und 19 Namen ohne Ergänzung, dann folgen, eingeleitet vom Vogt, die Signa et quorundam laicorum ibidem pręsentium, insge-samt 6 weiterer Personen. Damit dürfte diese Urkunde wohl die ausführlichste Zeugenliste aller St.Galler Privaturkunden aufweisen, nach den Forschungen von Rupert Schaab ist so-gar der gesamte Konvent verzeichnet! Nicht erst der moderne Forscher hält diese grosse Zahl von Personen für bemerkenswert. Auf der Rückseite von StiASG, Urk. IV 416 schrieb eine Hand, wohl des frühen 13. Jahrhunderts, eine Notiz, die am Anfang durch Ausriss beschädigt ist: ]diaconi xxiiij subdiac(oni) xv alii xx. Unter den St.Galler Rückvermerken ist dies eine seltene Ausnahme. Zu den Besonderheiten dieser Urkunde gehören übrigens auch der Urkundsort und der Umstand: Huius autem notitiae confirmatio facta est in basilica sancti Galli, pręsente Uodalricho comite cum suis fidelibus, pręsente quoque congregatione ipsius coenobii. Wir verdanken Lorenz Hollenstein einen Aufsatz über die Handlungsorte der Sankt Galler Ur-kunden. Die meisten Handlungen fanden an den einzelnen Vororten, oft vor den örtlichen Kirchen, statt, selten aber ausdrücklich wie hier in der Klosterkirche in St.Gallen. Die Eini-gung über Aadorf wurde in der karolingischen Gallus-Basilika in einem sicher feierlichen Akt in Anwesenheit des Grafen, seines Gefolges und des ganzen Konventes durch einen symbolisch-ritualisierten Akt, von dem wir leider nicht viel mehr erfahren, und in zwei feier-lichen Urkunden umgesetzt.Natürlich stellt sich die Frage, ob eines der beiden Stücke eine zeitgenössische oder spätere Kopie ist. Oft helfen uns die St.Galler Archivare des 9. Jahrhunderts, indem sie die Kopien als Exemplar, also als Kopie, kennzeichnen. Einen solchen Eintrag finden wir nicht, doch schliesst das Fehlen dieses Eintrags keineswegs aus, dass es sich doch um eine Kopie handeln kann. Hier hilft nur das paläographische Rüstzeug, der Schreibervergleich, bei dem die gra-phischen Eigenheiten jedes Schreibers isoliert und miteinander verglichen werden. Für die zweite, von Nordpret geschriebene Urkunde ergibt der Schreibervergleich, dass es wohl ein Original ist, denn wir erkennen seine Handschrift ziemlich zweifelsfrei auf mehreren ande-ren Urkunden auf seinen Namen wieder. Schwieriger ist es um das von Pald unterfertigte Schriftstück bestellt. Sichtlich hat sich der Schreiber an Nordprets Urkunde orientiert, aber

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die Urkunde wirkt insgesamt weniger organisch. Die paläographische Untersuchung der Schreiberhand hilft hier nicht weiter, da es keine weiteren durch den Schreibervermerk ein-deutig zugewiesenen Urkunden dieses Schreibers gibt – und wo man nicht vergleichen kann, nützen uns alle kriminalistischen Techniken wenig.Doch gibt es noch einen Ausweg! Auf dem Rücken beider Urkunden steht ein knapper Vermerk, um was es sich handelte, die Schenkung Udalrichs. Hier kann nochmals das de-tektivische Instrumentarium des Diplomatikers zum Einsatz kommen. Erfreulicherweise sind diese sogenannten Dorsualvermerke auf beiden Urkunden von einer Hand, die man dann mit weiteren Urkunden in St.Gallen vergleichen kann. Diese Hand scheint die des Nordpert/Nordpret zu sein, des Schreibers der zweiten Urkunde. Da Pald, der Schreiber der ersten Urkunde, sich an Nordpret orientierte und dieser das von Pald ausgefertigte Stück ausweislich seines Rückenvermerks als gleichrangig mit seinem nachgewiesenen Ori-ginal betrachtet hat, muss auch die Ausfertigung von Pald als Original betrachtet werden. Wieso es zwei Ausfertigungen gab, bleibt unklar.In jedem Falle sind die beiden Originale nicht nur als wichtige Dokumente der frühmittelal-terlichen Adelsgeschichte, der St.Galler Klostergeschichte, sondern auch als typische Vertre-ter der graphischen Welt frühmittelalterlicher Privaturkunden zu betrachten. Sie zeigen, wie prachtvolle karolingische Abtsurkunden äussere Formen und innere Gestaltung nutzten, um sich von der grauen Masse anderer Pergamente abzuheben. Der kleine Einblick in die Werk-statt des Diplomatikers zeigt aber zugleich, welche Menge an Detailarbeit immer noch nötig ist, um die St.Galler Zeugnisse von Weltrang ihrer Bedeutung entsprechend in Wert zu set-zen, eine Arbeit, die durch die freundliche und bescheidene Förderung von Lorenz Hollenstein in seiner Amtszeit gerade mit der Faksimilierung und Kommentierung der äl-testen Urkunden in den Chartae Latinae Antiquiores ein gutes Stück vorangekommen ist.

Literatur– Michael Borgolte, Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit (Vorträge und

Forschungen 31), Sigmaringen 1984. – Michael Borgolte, Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Proso-

pographie (Archäologie und Geschichte 2), Sigmaringen 1986. – Lorenz Hollenstein, «Ausgestellt im Wohngemach des Königs» – zu den Ausstellungsorten der

frühen St.Galler Privaturkunden, in: Mensch und Schrift im frühen Mittelalter, hg. von Peter Er-hart/Lorenz Hollenstein, St.Gallen 2006, S. 33–36.

– Mark Mersiowsky, Die Urkunde in der Karolingerzeit. Originale, Urkundenpraxis und politische Kommunikation (MGH Schriften 60), Hannover 2009 (im Druck).

– Rupert Schaab, Mönch in Sankt Gallen. Zur inneren Geschichte eines frühmittelalterlichen Klosters (Vorträge und Forschungen 47), Ostfildern 2003.

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Das Stiftsarchiv St.Gallen als Quelle zu einer Philologie der Archivalien

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Kaum ein anderes Archiv im deutschen Sprachraum bietet eine derartige Originalüberliefe-rung von mit kostbarem Sprachgut ausgestatteten Archivalien seit dessen Anfängen im 8. und 9. Jahrhundert an wie das Stiftsarchiv St.Gallen, Archiv des ehemaligen Reichsklosters daselbst. In dieser Zeit des Frühmittelalters sind auch die ersten deutschen Sprachzeugnisse aufgezeichnet worden, wobei in den lateinisch verfassten Urkunden die Notwendigkeit be-stand, volkssprachliche Namen sowie selbst einige Rechtsbegriffe des täglichen Lebens in la-teinischer Umschrift wiederzugeben. Indessen reisst dieser Überlieferungsstrom im Laufe der Zeit nicht ab, sondern er vervielfacht sich besonders seit der Verdeutschung von Urkunden und Akten im Spätmittelalter, wozu noch Chroniken, Bücher und geographische Karten, ja sogar Grenzatlanten treten, welche in grosser Fülle bis in die frühe Neuzeit und zum Ende der klösterlichen Gemeinschaft im Jahr 1805 reichen. Dergestalt stehen wir im Stiftsarchiv St.Gallen vor einer Überlieferungsfülle gerade auch in deutscher Sprache, herausragend schon im Frühmittelalter durch die in den Urkunden überlieferten Personen- und Ortsnamen, ge-legentlich erweitert aus der romanischen und germanischen Nachbarschaft bis hinüber zum alten angelsächsischen England, wenn wir die Zeugnisse der Verbrüderungsbücher von St.Gallen und des ebenfalls in St.Gallen erhaltenen rätischen Klosters Pfäfers dazu nehmen. Im Gegensatz zu manchen anderen vergleichbaren Archiven sind zu St.Gallen die ursprüng-lichen Originale in der Regel nie durch zusammenfassende Abschriften oder Über-arbeitungen sozusagen überholt und dann gleich noch vernichtet worden, so dass sich auch die Sprachforschung hier auf wirkliche Originale seit dem 8. Jahrhundert stützen kann.Die philologische Bedeutung der Archivalien des Stiftsarchivs St.Gallen ist zwar früh erkannt, aber dennoch sind diese zunächst nur spärlich erforscht worden. Als Erster erkannte der zeitwei-lige Stiftsarchivar Ildefons von Arx im frühen 19. Jahrhundert den eminenten Wert der Sprach-quellen nicht nur der Handschriften der Klosterbibliothek, sondern auch der Namenzeugnisse in den frühmittelalterlichen Urkunden des Stiftsarchivs, die er in seinem Beitrag «Die deutsche Sprache vor tausend Jahren» im ersten Band seines geschichtlichen Werkes über den Kanton St.Gallen 1810 (mit Nachträgen im dritten Band 1830) kurz, indessen für die damalige Zeit kenntnisreich würdigte. Als Nächster entwarf der deutsche Emigrantengermanist Heinrich Hattemer, von 1836 bis 1842 Mittelschullehrer in St.Gallen, nachdem er die althochdeutschen Sprachdenkmäler aus der Stiftsbibliothek in drei Bänden von 1842 bis 1849 herausgegeben hat-te, wenigstens einen freilich dann nicht mehr ausgeführten Plan einer Monumentalausgabe, welche auch eine zweite Abteilung mit St.Gallens Urkunden (von 670 bis 1200) und eine dritte Abteilung mit Wörterbuch der Eigennamen sowie sprachlichen Abhandlungen hätte umfassen sollen, wozu allerdings nur unvollständige Skizzen bestanden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahr-hunderts verlagerte sich das Interesse zunächst mehr auf die mittelhochdeutschen Sprachquellen aus dem Stiftsarchiv. So verkehrte Jacob Grimm 1863 brieflich mit Stiftsarchivar Wilhelm Eugen von Gonzenbach, um seine 1840 begonnene Sammlung ländlicher Rechtsquellen, der sogenannten Weisthümer, zu vervollständigen, für die ihm schon früher Reichsfreiherr Joseph von Lassberg durch Kontakte nach St.Gallen behilflich gewesen war, während der Handschrif-

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tenforscher Gustav Scherrer, Professor an der Kantonsschule St.Gallen, mit Unterstützung wie-derum durch Stiftsarchivar von Gonzenbach, in seiner Ausgabe «Kleine Toggenburger Chro-niken» von 1874 spätmittelalterliche Texte aus dem St.Galler Archiv vermittelte, die dann für die historischen Belege des Schweizerischen Idiotikons seit 1881 von Bedeutung wurden, neben weiteren st.gallischen Quellen natürlich.

Die Nennung des «Schwäbergs» (Gemeinde Herisau) auf der Pfarreikarte von Degersheim des Vermessers Johannes Feurer von 1763 (StiASG, Urk. K1 L5).

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Das älteste Klosterarchiv des Abendlandes

Entscheidende neue Impulse für eine Philologie der st.gallischen Archivalien ergaben sich durch die Neuedition der älteren St.Galler Urkunden durch den Historiker Hermann Wartmann seit 1863 und dessen Fortsetzer bis 1955, unter ihnen vor allem Stiftsarchivar Paul Staerkle, welchem ausserdem die Einordnung und Herausgabe der Dorsualnotizen oder archivalischen Rückvermerke zu den Urkunden zu verdanken ist. Zusammen mit den 1931 durch den Paläographen Albert Bruckner herausgegebenen Vorakten oder Vorauf-zeichnungen zu den Urkunden ergab sich zunehmend ein sehr vielschichtiges Bild der älte-ren St.Galler Überlieferung, welches gerade die philologische Forschung neu herausfordern musste, da die Namenüberlieferung und deren Einbettung in den lateinischen Kontext der Urkunden nun viel differenzierter beurteilt werden konnte. Weitere neue Grundlagen erga-ben sich aus den Bemühungen der Historiker um das gewaltige Material der Verbrüde-rungsbücher sowie durch die Neuedition der rätischen wie auch im Chartularium Sangal-lense der st.gallischen Urkunden überhaupt. Mehr und mehr erwuchs so dem Stiftsarchiv eine Schlüsselstellung für eine Philologie seiner Archivalien, deren besonderer Reiz – germa-nistisch gesehen – die Darstellung des Pendelns zwischen Latinisierung, Romanisierung, dialektaler wie übergreifend hochsprachlicher Verschriftung durch die Jahrhunderte aus-macht. Auf diesem Hintergrund stehen noch viele Aufgaben für die zukünftige Forschung an. Besonders hervorzuheben sind dabei die unverfälschten frühen Mundartverschriftungen von Flurnamen, vor allem längs der Marchen der alten Stiftslandschaft, wie zum Beispiel Schwäberg (gegen die mundartferne Normalschreibung Schwänberg, Gemeinde Herisau, bis heute), so im Kartenblatt der Pfarrei Degersheim des Vermessers Johannes Feurer von 1763, oder auch Sagelle Bosteg beziehungsweise San Galla Poosteg (für Sanggeleboo, St.Kolumbanshöhle an der Glatt, Gemeinde Flawil) für den Steg daselbst im Grenzatlas der Fürstabtei St.Gallen von ca. 1730 beziehungsweise in der Marchenbeschreibung von 1728.Dabei waren besonders die Begegnungen als Philologe mit den Stiftsarchivaren stets von ent-deckungsgespannter Freude begleitet. Das humorvoll verschmitzte Lächeln von Monsignore Staerkle, der um seine Schätze voller Sprachquellen wusste, das unablässige Forschen und Fra-gen nach einer wiederzufindenden Romania submersa in der Nordostschweiz bei lic. iur. Franz Perret, der ausstellerische Universalismus von Dr. Werner Vogler, allem Sprachlichen beson-ders verpflichtet, die gediegene Latinität und Landeskunde von lic. phil. Lorenz Hollenstein und seinem Mitarbeiterstab – wir werden es nie vergessen, und es sind dankerfüllte Erinne-rungen aus mehr als fünfzig Jahren Benutzerdaseins, höhepunktartig von Besuchen und kun-digen Archivführungen für den akademischen Nachwuchs aus der Schweiz und aus Deutsch-land überwölbt. Dafür sei dem Stiftsarchiv und seinen Betreuern der herzliche Dank verbun-dener Philologie ausgesprochen. Man könnte sagen: alles steht im Bezugsbereich von – um ein Wort des im mittelalterlichen St.Gallen rezipierten wie übersetzten spätantiken Martianus Capella abzuwandeln – De nuptiis Philologiae et Archivi praeclari Sangallensis.

Literaturhinweise (Auswahl):Editionen der Quellen und Materialien

– Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen , begründet und herausgegeben von Hermann Wartmann, fortgeführt von Traugott Schiess/Placid Bütler/Paul Staerkle, Bd. I–VI, Zürich (Bd. I–II), St.Gallen (Bd. III–VI) 1863–1955 (zur Entstehungsgeschichte H. Wartmann, Bd. I, S. III–XVII).

– Dazu 1. Ergänzungsheft: Albert Bruckner, Die Vorakte der älteren St.Galler Urkunden, St.Gallen

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1931; 2. Ergänzungsheft: Otto P. Clavadetscher/Paul Staerkle, Die Dorsualnotizen der älteren St.Galler Urkunden, Faksimile-Ausgabe, St.Gallen 1970. (Dazu: Paul Staerkle, Die Rückvermerke der älteren St.Galler Urkunden, St.Gallen 1966).

– Chartularium Sangallense (=Neuausgabe der Urkunden seit dem Jahr l000), Bd. IIIff. bearbeitet von Otto P. Clavadetscher, später zusätzlich von Stefan Sonderegger, St.Gallen 1983ff.

– Rätische Urkunden: Peter Erhart/Julia Kleindinst, Urkundenlandschaft Rätien, Wien 2004 (hier umfassendes Quellen- und Literaturverzeichnis S. 129–143).

– Michael Borgolte/Dieter Geuenich/Karl Schmid, Subsidia Sangallensia I, Materialien und Untersuchungen zu den Verbrüderungsbüchern und zu den älteren Urkunden des Stiftsarchivs St.Gallen, St.Gallen 1985.

– Der Grenzatlas der Alten Landschaft der Fürstabtei St.Gallen von ca. 1730, Stiftsarchiv St.Gallen, Band 1204, Faksimile und Kommentar von Werner Vogler/Hans Peter Höhener, Langnau am Albis 1991.

– Karten und Atlanten, Handschriften und Drucke vom 8. bis zum 18. Jahrhundert, Katalog zur Jahresaus-stellung in der Stiftsbibliothek St.Gallen, St.Gallen 2007.

Neuere philologische Studien

– Stefan Sonderegger, Das Althochdeutsche der Vorakte der älteren St.Galler Urkunden, in: Zeit-schrift für Mundartforschung 28 (1961), S. 251–286 (Nachdruck in: Stefan Sonderegger, Germanica selecta, Tübingen und Basel 2002, S. 255–282).

– Stefan Sonderegger, Die frühmittelalterliche Ortsnamenüberlieferung aus den St.Galler Quellen, in: Ortsname und Urkunde, Münchener Symposion 1988, hg. von Rudolf Schützeichel, Heidelberg 1990, S. 200–215 (hier weitere Literatur).

– Stefan Sonderegger, Verschriftungsprobleme bei frühmittelalterlichen germanischen Personenna-men, Überlegungen aus philologischer Sicht, in: Nomen et Fraternitas, Festschrift für Dieter Geuenich, Berlin-New York 2008, S. 11–22.

– Stefan Sonderegger, Latinisiertes und reines Althochdeutsch im Urkundenmaterial der frühmittel-alterlichen St.Galler Überlieferung, in: Blätter für oberdeutsche Namenforschung, 44./45. Jahrgang, 2007/2008 (im Druck).

Zur Forschungsgeschichte

– Ildefons von Arx, Geschichten des Kantons St.Gallen, Bd. 1–3, Nachdruck der Ausgabe von 1810–13/1830, hg. vom Stiftsarchiv, mit einer Einführung von Werner Vogler, St.Gallen 1987.

– Stefan Sonderegger, Schatzkammer deutscher Sprachdenkmäler. Die Stiftsbibliothek Sankt Gallen als Quelle germanistischer Handschriftenerschliessung vom Humanismus bis zur Gegenwart, St.Gallen 1982.

– Stefan Sonderegger, Jacob Grimm und die Frühgeschichte der Germanistik in der Schweiz, in: Brü-der Grimm Gedenken Bd. 14, Stuttgart 2001, S. 1–45.

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ernst tremP

«Die Greise im Archiv» oder:Das Verhältnis der frühmittelalterlichen St.Galler Chronisten zum Klosterarchiv

Im 25. Kapitel seiner «Casus sancti Galli» berichtet Ekkehart IV. († um 1060) vom ver-dienstvollen Wirken Abtbischof Salomos III. (890–920) für St.Gallen. Salomo habe seiner Abtei manchen Besitz erworben oder gesichert und ihr vor allem die Abtei Pfäfers errun-gen. Und überhaupt, fährt Ekkehart mit einem assoziativen Gedankensprung fort, würden noch heute die Urkunden (cartę) zu den meisten Besitzungen, die damals dem Kloster ge-hört hätten, im Archiv von St.Gallen (in sancti Galli armario) aufbewahrt. Er gehe aber nicht weiter darauf ein, «weil die Greise (senes) auf entsprechende Fragen erklärten, im Archiv müsse man gar so vieles suchen, und nur dies aufs wahrhaftigste versicherten, dass Salomo vor allen Klöstern, die er regierte, stets sein St.Gallen mit Erwerbungen bedacht hat». Die unvermittelte Bemerkung Ekkeharts wirft ein Licht auf sein zwiespältiges Verhältnis zum Archiv und zu dessen Hütern. Die Archivare, mit denen er offenbar mehrere seiner Mit-brüder meint, als Greise zu bezeichnen, ist für diese wenig schmeichelhaft. Senes sind für Ekkehart etwa jene alten, wehrlosen, man möchte sagen: zahnlosen Mönche, die zusammen mit den Schulknaben beim Herannahen der Ungarn 926 auf die Wasserburg jenseits des Bodensees in Obhut gegeben wurden (Kap. 51). Ganz im Gegensatz zu den senes sind für ihn die grossen Gelehrten seines Klosters – allen voran das verehrte «Dreigestirn» Notker, Tuotilo und Ratpert – seniores, d.h. reife, charaktervolle Persönlichkeiten, die den «Senat» der klösterlichen «Gelehrtenrepublik» (Kap. 6 und 35) bilden.Wenn kraftlose Greise das Klosterarchiv hüten, dann, so unterstellt ihnen Ekkehart in seiner meisterhaften, nuancenreichen Sprache, hätten sie in ihrem Archiv möglicherweise keine Ordnung. Deshalb ja müsse man unter den vielen Urkunden auf die Suche gehen, um – vielleicht – fündig zu werden. Diese leicht hingeworfene Bemerkung ist charakteristisch für Ekkeharts Werk. Sein Blick ist zugleich auf die Vergangenheit gerichtet, über die er berich-tet, und auf seine Gegenwart, auf die Mitbrüder im Kloster, die seine «Casus» lesen oder vorgelesen hören. Immer wieder bezieht er sich auf sein Publikum, macht Anspielungen, die seinen Mitbrüdern verständlich waren, sie erheiterten, die direkt Betroffenen vielleicht er-zürnten, uns Nachgeborenen aber oft rätselhaft bleiben.Die Bemerkung Ekkeharts über das Archiv ist indessen mehr als nur ein versteckter Seiten-hieb auf einen oder mehrere von ihm wenig geliebte Mitbrüder. Darin zeigt er «unverstellt und mit schönster Treuherzigkeit» (Haefele), wie fremd ihm die Perspektive des Archivars ist. Die rechtlichen Aspekte der Klostergeschichte interessieren ihn kaum. Wenn er einmal nicht umhin kann, darauf einzugehen, tut er dies «nie mit fachmännischer Einlässlichkeit» (Haefele). Er berührt die Rechte und Freiheiten St.Gallens summarisch, aber zieht kaum jemals entsprechende Urkunden und Akten heran. Der Blick des Archivars bedeutet ihm nichts. Die Dokumente des Archivs nach Namen zu durchsuchen oder andere schriftliche Quellen heranzuziehen, ist ihm zu mühsam. Rasch ist er da mit Ausflüchten zur Hand. So stützt er sich zwar für den Bericht über die grosse Klostervisitation der 960er Jahre, die ihm als Gegner der Reformbemühungen seiner Zeit ein wichtiges Anliegen ist, auf einen schrift-lich vorliegenden Visitationsbericht, doch folgt er viel lieber den mündlichen Berichten noch

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lebender Augenzeugen; dies unter dem Vorwand, er habe den Text nicht zu entziffern ver-mocht, weil die Blätter beim Hereinregnen nass geworden seien (Kap. 109).Für Ekkehart gründet Geschichte vor allem in der mündlichen Überlieferung. Auf Aussa-gen der Väter und Lehrer, auf die Erzählungen der im Kloster alt gewordenen Insassen stützt er sich am liebsten und bedenkenlos. Deren Gedächtnis und Erinnerung reichten ge-wiss weit in die Vergangenheit zurück. Ob sie indessen zuverlässig berichten, ist eine andere Sache und scheint Ekkehart wenig gekümmert zu haben.Ekkeharts Vorliebe für die mündliche Tradition im Kloster als Quelle für seine «Casus» bedeutet indessen nicht, dass er um die Arbeit im armarium einen weiten Bogen gemacht hätte. Der Begriff armarium bezeichnete bei ihm nicht nur das Archiv, sondern auch den Aufbewahrungsort der Handschriften, die Bibliothek. Beides wurde zu seiner Zeit offenbar im gleichen, neben der Schatzkammer und dem Skriptorium im Bereich des Kreuzgangs gelegenen Raum (Kap. 112) verwahrt. Im Unterschied zu den Urkunden waren die Hand-schriften Ekkeharts «Welt». Hier, im Universum des Wissens, das die Hunderten von Bü-chern in der Klosterbibliothek enthielten, kannte er sich aus wie kein Zweiter. Als Schul-meister und vielseitiger Gelehrter studierte er viele Texte, machte sich Notizen und versah zahlreiche Codices mit seinen Bemerkungen. Die Forschung nennt heute über sechzig Handschriften, welche Glossen und andere Spuren von Ekkeharts Gelehrtenfleiss tragen.Ein ganz anderes Verhältnis zum Archiv und seinen Quellen prägt den Vorgänger Ekkeharts als St.Galler Geschichtsschreiber, Ratpert († vor 912), der mit seinen «Casus sancti Galli» von den Anfängen des Klosters bis zum Jahr 883 berichtet. Nicht die anekdotenreiche Er-zählkunst eines Ekkehart findet sich in Ratperts Chronik, sondern darin «lebt ein klarer, sachgerechter, praktischer Verstand, der darauf bedacht war, im Aufrollen der Geschichte seines Klosters dessen Gegenwartspositionen in Recht, Besitz und verfassungsmässigem Sta-tus deutlich herauszuarbeiten und in einer Art Bestandesaufnahme für immer festzuhal-ten» (Haefele).Für seine Darstellung stützt Ratpert sich mit Vorliebe auf die urkundliche Überlieferung. In mehreren «diplomatischen» Kapiteln (Steiner) referiert er sachkundig und eingehend über grundlegende Privilegien zur Verfassungsgeschichte St.Gallens (Kap. 8, 10, 11, 14 und 15). Er hat Zugang zu den königlichen Privilegien und Schenkungsurkunden im Klosterarchiv. Als Schreiber einer Reihe von Urkunden bezeugt, verfügt Ratpert über die Sprache und das Formelgut der Urkunden, die in seine Chronik einfliessen. Offensichtlich hat er neben sei-nem Amt als Schulmeister auch im Archiv gewirkt. An diesem Ort der Stille fand er viel-leicht Ruhe und Erholung, wenn ihm die Schuljugend allzu viel Mühe bereitete. Denn Ratpert war ein gestrenger Lehrer, wie wir von Ekkehart wissen; statt am Kapitel des Kon-vents teilzunehmen, soll er es vorgezogen haben, seine Schüler «zu kapiteln und zu strafen» ( Ekkehart, Kap. 34).Die beiden St.Galler Mönche Ekkehart und Ratpert vertreten in schöner Ausprägung zwei verschiedene Arten von Chronisten, wie es sie unter den Historikern heute noch gibt: Der eine Typ ist literarisch ausgerichtet, die Sprache ist für ihn ein virtuos gespieltes Instrument, womit er unterhält und zugleich belehrt. Aus dem Denken und Dichten der Vorfahren fliesst ihm das Wissen zu, das er in seinem Werk umsetzt. Ihn ziehen die grossen Themen der Geistesgeschichte an, wie Reform und Beharren, das Auf und Ab der Fortuna (fortunia und infortunia), Blüte und Verfall, die schicksalhaften Wechselfälle (casus) der Geschichte. Der andere Typ ist nüchterner, er richtet seine Klugheit mehr auf das Praktische, legt Wert

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auf verlässliche Strukturen von Recht und Ordnung im Grossen wie im Kleinen. Für ihn sind die wohlgeordneten Dokumente im Archiv Stützen in den Rechtsfällen (casus), sie si-chern die Rechtsordnung und den Besitz; diese wiederum sind die unentbehrlichen materi-ellen Grundlagen für das Gedeihen der Gemeinschaft. Wie das Beispiel von Ekkehart und Ratpert zeigt, ergänzen sich die beiden Geschichtsbetrachtungen vortrefflich.

Quellen und Literatur– Cronache di San Gallo, a cura di Gian Carlo Alessio, introduzione e note di Peter Erhart, note

alle illustrazioni e apparato iconografico di Fabrizio Crivello, Torino 2004.– Ekkehart IV., Casus sancti Galli / St.Galler Klostergeschichten, hg. und übers. von Hans F. Haefele,

Darmstadt 1980; mit einem Nachtrag von Steffen Patzold, Darmstadt 42002.– Ratpert, St.Galler Klostergeschichten (Casus sancti Galli), hg. und übers. von Hannes Steiner,

Hannover 2002.– Heidi Eisenhut, Die Glossen Ekkeharts IV. von St.Gallen im Codex Sangallensis 621, St.Gallen 2009.– Rupert Schaab, Mönch in Sankt Gallen. Zur inneren Geschichte eines frühmittelalterlichen Klosters

(Vorträge und Forschungen 47), Ostfildern 2003.– Ernst Tremp, Ekkehart IV. von St.Gallen († um 1060) und die monastische Reform, in: Studien und Mit-

teilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 116 (2005), S. 67–88.– Eberhard Url, Das mittelalterliche Geschichtswerk «Casus sancti Galli», St.Gallen 1969.

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Wald – zentral für die ländliche und städtische Wirtschaft

steFan sonderegger ii

Hermann Wartmann hat seinem Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen in Band 3 einen Teil angehängt, den er mit «Oekonomisches» betitelt hat. Unter den dort edierten Quellen befinden sich Urbare und Rödel aus dem Stiftsarchiv St.Gallen, also Aufzeichnungen von Abgabenansprüchen der Herrschaft gegenüber ihren Lehensleuten. Urbare, Rödel und die seit dem beginnenden 15. Jahrhundert verfügbaren Zins- und Rechnungsbücher liefern denn auch in einer hohen Dichte wirtschaftgeschichtliche Informationen; für diese Quel-lenarten hat sich deshalb auch der Begriff «Wirtschaftsquellen» eingebürgert. Aber nicht nur aus ihnen sind wirtschaftgeschichtliche Informationen zu gewinnen. Urkunden liefern ebenfalls Hinweise auf die ländliche und städtische Wirtschaft. Aber im Vergleich mit den erwähnten «Wirtschaftquellen» stehen die wirtschaftlichen Aspekte nicht im Vordergrund, sondern müssen oft erst aus dem Zusammenhang erschlossen werden, wie am Beispiel der Urkunde vom 11. Juni 1383 aus dem Stiftsarchiv gezeigt wird. Abt Kuno von Stoffeln schlichtete 1383 einen Streit zwischen dem Portner und dem Meier (grundherrlicher Verwalter) des Portneramtes von Rotmonten. Rotmonten, nördlich an die St.Galler Altstadt angrenzend, bildete im 14. Jahrhundert zusammen mit der Stadt St.Gallen, Wittenbach, Gaiserwald, Gebieten Gossaus und des Appenzellerlandes einen Teil des Kern-gebietes des Klosters. Bedingt durch die Nähe zur Stadt bestanden hier wohl die intensivsten wirtschaftlichen Stadt-Land-Beziehungen. Der Portner war nebst anderen (z.B. dem Propst, dem Dekan oder dem Kustos) der Inhaber eines Klosteramtes mit entsprechender Ausstat-tung. Zum Portneramt gehörten Güter in Rotmonten, mit der direkten Verwaltung – bei-spielsweise dem Einzug und Weitertransport von Abgaben oder der Kontrolle des Zustands der Güter – wurde aber ein Meier betraut. Zwischen dem Portner und seinem Meier bestan-den offenbar Differenzen. Solche betrafen Unklarheiten in der Zuständigkeit bei der Waldbe-wirtschaftung sowie bei den Rechten der Holznutzung. Mit der vorliegenden Urkunde wur-den die Rechte und Pflichten schriftlich festgehalten; unter anderem wurde bestimmt, dass dem Portner das Einsetzungs- und Entlassungsrecht eines Försters (vorster) zustand, der für Rotmonten zuständig war. In dessen Kompetenz lag es zu bestimmen, wann und wo Zäune zu errichten waren.Diese Regelung macht auf etwas Grundsätzliches der ländlichen Wirtschaft des Mittelal-ters und der Frühen Neuzeit aufmerksam. Siedlungsnahe Wälder bildeten im Spätmittel-alter keine ausgeschiedenen Forstgebiete im heutigen Sinn. Sie waren vielmehr Teil einer als Ganzes und zusammenhängend genutzten Kulturlandschaft mit Äckern, Wiesen, Weiden und Waldweiden. Es war üblich, Ziegen, Rinder, Schafe und Schweine – wenn möglich unter Aufsicht eines Hirten – im Wald weiden zu lassen. Dies konnte schädliche Folgen sowohl für den Wald als auch für benachbartes Ackerland haben. Zur Vermei-dung schädlicher Nutzung des Waldes konnten Waldgebiete – insbesondere solche mit Jungholz – gebannt, also durch Zäune vor dem Vieh geschützt werden; und mit Zäunen konnte auch der Übertritt des Viehs aus der Waldweide auf die Felder und Wiesen ver-hindert werden.

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Der enge Zusammenhang von Wald und Landwirtschaft kann aber nicht nur an der Wei-denutzung des Waldes, sondern auch am Holzbedarf aufgezeigt werden. Viele landwirt-schaftliche Gerätschaften bestanden teils aus Holz, Zäune waren aus Holz, und in Wein-baugebieten wie dem St.Galler Rheintal wurden grosse Mengen an Rebstecken gebraucht, um die Reben daran hochzuziehen.In der Urkunde von 1383 finden zwei weitere Bereiche Erwähnung, die mit grossem Holzbedarf verbunden waren. Den Bewirtschaftern von Gütern des Portneramtes war es erlaubt, in Rotmonten Holz «ze brennen ze zimbren und ze zünent», also nebst Zaunholz auch Brenn- und Bauholz zu schlagen. Der Brennholz-Verbrauch dürfte am grössten gewesen sein. Holz war eine unverzichtbare Energiequelle, vergleichbar mit Gas, elektrischer Energie und Rohöl in der heutigen Zeit. Dabei bestand ein hoher und anhaltender Bedarf im Haushalt, nämlich zum Kochen und Heizen. Schätzungen gehen davon aus, dass der durchschnittliche tägliche Verbrauch eines Menschen in Europa 2–4 kg pro Person ausmachte. Im wärmeren Süden war der Bedarf geringer als im Nor-den, in den italienischen Ebenen betrug er etwa 1 kg pro Person und im Gegensatz dazu in Schweden oder Finnland 7–8 kg pro Person. Die Sorge um den zu hohen Brennholz-verbrauch rund hundert Jahre später bringt die Waldordnung Bernhardzells (nordwest-lich St.Gallens) von 1496 zum Ausdruck: Diese legte fest, dass in einem Haus nur ein Kochherd und ein Stubenofen befeuert werden durften. Das heisst, auch wenn mehrere Parteien das gleiche Haus bewohnten, hatten sie dieselbe Wärmequelle zu verwenden, um Energie zu sparen. Hinzu kamen der grosse Holzbedarf des städtischen Gewerbes und der daraus resultierende Druck auf die stadtnahen Waldungen, im vorliegenden Fall auf jene Rotmontens. Viele Handwerke waren angewiesen auf Holz: Wagner, Küfer, Drechsler, Seiler, die den Bast der abgeschälten Baumrinden verwerteten, Schreiner und viele mehr. Auch Handwerke, die nicht direkt mit der Holzverarbeitung zu tun hatten, brauchten Holz, zum Beispiel Schuh-macher mit ihrem Werkzeug oder Rotledergerber mit der Eichenrinde, die als Gerbrinde von jungen Stockausschlägen gewonnen wurde. Die Versorgungsfunktion der Wälder auf Rotmonten für die im Übergang zum 15. Jahr-hundert 3000 bis 4000 Einwohner zählende Stadt St.Gallen kommt in der Urkunde von 1383 bereits zum Ausdruck. Die Belieferung der Stadt mit Holz wurde bei den Bauern auf sechs Fuder beschränkt, nämlich je zwei «ze den drin hohziten», das heisst an Weihnachten, Ostern und Pfingsten. In St.Gallen war der Holzbedarf im Spätmittelalter mit Sicherheit steigend. St.Gallen dürfte die gleiche Entwicklung erlebt haben wie viele spätmittelalterliche Städte im europäischen Gebiet. Sie wuchsen bis zu Beginn des 14. Jahrhunderts stetig an und taten dies – je nachdem, wie stark sie getroffen wurden – auch noch nach der Pest von 1349/50. Im Falle St.Gallens ist auch im 14. und 15. Jahrhundert von einem Wachstum aus-zugehen, da die Stadt sich zur führenden Stadt in der Leinenproduktion und im -handel entwickelte. Die Folgen davon waren die gleichen wie heute: mehr Menschen – höherer Rohstoffbedarf. Oder anders ausgedrückt: Je mehr die Bevölkerung zunahm, desto grösser wurde der Druck auf die Ressourcen. Dies betraf insbesondere den Wald, wie der genau entgegengesetzte Verlauf der Linien in den beiden Diagrammen aus den Arbeiten von Paolo Malamina zeigt.

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Grund für eine ausserordentlich hohe Holznachfrage St.Gallens 35 Jahre nach der Ausfer-tigung der Urkunde von 1383 war hingegen nicht eine stetige Bevölkerungszunahme und deren Folgen, sondern eine Katastrophe. Am 20. April 1418 brannten bis auf wenige Häuser die ganze Stadt, die St. Mangen-Vorstadt, das Kloster St.Gallen, das St. Katharinenkloster und die St. Mangenkirche nieder. Trotz aller feuerpolizeilichen Bedenken und Massnahmen gibt es keine eindeutigen Anzeichen dafür, dass es beim Wiederaufbau nach dem Brand zu einer eigentlichen «Versteinerung» der Stadt kam. Selbst die wichtigsten öffentlichen, nach 1418 neu errichteten Gebäude wie das Rathaus, das Kornhaus, das Spisertor oder das Irertor waren keine reinen Steinbauten. Manch eine Tanne oder Eiche aus Rotmonten wird damals in ein Stadtsanktgaller Gebäude gelangt sein.

Quellen und Literatur– Chartularium Sangallense X, bearbeitet von Otto P. Clavadetscher/Stefan Sonderegger,

St.Gallen 2007, Nr. 5956.– Heinz Hauser, Die St.Galler Bauamtsrechnung von 1419, in: Schriften des Vereins für Geschichte des

Bodensees und seiner Umgebung, 111. Heft, Sigmaringen 1993, S. 17–65.– Paolo Malamina, Uomini, risorse, tecniche nell’economia europea dal X al XIX secolo, Milano 2003, S. 47.– Paolo Malamina, Economia preindustriale. Mille anni: dal IX al XVIII secolo, Milano 1995, S. 10.– Die Rechtsquellen des Kantons St.Gallen I: Offnungen und Hofrechte, Bd. 1, Alte Landschaft, bearbeitet

von Max Gmür, Aarau 1903.– Roger Sablonier, Waldschutz, Naturgefahren und Waldnutzung in der mittelalterlichen Schweiz.

Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 146 (1995), S. 581–595.– Elisabeth Vavra (Hg.), Der Wald im Mittelalter. Funktion – Nutzung – Deutung, in: Das Mittelalter.

Perspektiven mediävistischer Forschung, Bd. 13, 2008/2. – Alfred Zangger, Die sankt-gallische Klosterherrschaft im Umbruch, in: Sankt-Galler Geschichte

2003, Bd. 2 (Hochmittelalter und Spätmittelalter), St.Gallen 2003, S. 155–180.

Die Bevölkerung Europas in Millionen. Der prozentuale Anteil des Waldes gemessen an der Gesamtfläche Europas.

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Neuzeit im Kloster St.Gallen

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«Da ist dem gotzhus der todstich geben»

Abt Ulrich VIII († 1491) war kein Mann der sanften Worte und der subtilen Argumentati-on. Er hatte die Gabe, die Probleme auf den Punkt zu bringen, und drückte seine Sicht der Dinge unmissverständlich aus – ohne Scheu vor Übertreibungen. Aus seiner Feder stammt das Exposé über die Verlegung des Klosters aus dem Jahr 1481, das im Sammelband B 221 des Stiftsarchivs als Abschrift in gepflegter Bastarda erhalten ist; nach dem Wasserzeichen entstand die Abschrift im frühen 16. Jahrhundert.Josef Hardegger edierte den Text 1863 in den «Mittheilungen zur Vaterländischen Geschichte» unter dem Titel: «Kurze Geschichte des Gotzhaus St.Gallen», über den Textanfang des Ex-posés setzte er die Überschrift: «Denkschrift wegen des Klosterbaus in Rorschach unter Abt Ulrich VIII aus einer Handschrift d. XV. Saec.» Der erste Titel befriedigt nicht. Das Doku-ment enthält mehr Argumentation und Polemik als chronikalisches Erzählen; es ist eine Standortbestimmung in Form eines Exposés über die geplante Verlegung des Klosters aus der Stadt St.Gallen in einen Neubau oberhalb Rorschach. In der ersten Hälfte des Dokuments, um die es hier gehen soll, begründet Abt Ulrich die Notwendigkeit der Verlegung des Klosters mit dessen Geschichte, im zweiten Teil preist er die Vorzüge des neuen Standorts an.Die Edition lässt den Aufbau der ersten Hälfte des Textes nicht richtig erkennen; sie gibt die originale handschriftliche Überlieferung nicht zuverlässig wieder. Bereits im 17. Jahrhundert hatte ein St.Galler Konventuale mit feiner Feder die Namen der Äbte von Georg von Wil-derstein bis zu Ulrich VIII. als Zwischentitel eingesetzt und damit dem Text formal die Glie-derung in Regierungszeiten der Äbte übergestülpt, die er aus den Handschriften der «Casus sancti Galli» kannte. Hardegger übernahm die Ergänzungen in die Edition, liess sie im Druck als Zwischentitel setzen und gab dem Text den Anschein einer Chronik. Achtet man auf die wenigen originalen Zwischentitel der Handschrift und die mit Auszeichnungsschrift hervorgehobenen Abschnittsanfänge, wird deutlich, dass es nicht um eine kurze Charakteri-sierung der Äbte und ihrer Regierung geht, sondern nur um ein Thema: die Unbotmässig-keit der Stadt St.Gallen und des Landes Appenzell. Dies stellt bereits der erste Satz klar: Item es ist zů wissen, das die statt zů sant Gallen und ouch das land zů Appenzell vil zitt und jaur, ob den siben hundertten, allweg gehorsam erschinen sind allen den herrn, die zů sant Gallen gesin sind, und die selb statt kain richstatt nie gesin ist und noch hütt bitag genempt nit sol werden zů ainer richstatt, denn es ain recht gotzhusstaat gewesen ist und noch hütt bitag des aigen sin sölt, kurz: St.Gallen ist nie eine Reichsstadt gewesen und soll auch heute [1481] nicht Reichsstadt genannt werden, St.Gallen ist immer eine Gotteshausstadt gewesen und soll es auch heute sein. Das Exposé will erklä-ren, wie es zum Zustand von 1481 gekommen ist.

Der Begriff ‹Reichsstadt› ist mit Vorbehalten anzuwenden. Nicht jede ‹Stadt des Reichs› war unangefochten reichsunmittelbar. Dies zeigt sich am Beispiel von St.Gallen … (Alfred Zangger)

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

Abt Ulrich datiert den Anfang des Ungehorsams auf 1370. Damals habe man nach langen und kostspieligen Verhandlungen eine gute Lösung gefunden, sie vertraglich festgeschrie-ben und auch besiegelt. Das Leinwandgewerbe habe aber die Stadt St.Gallen dazu verführt, wie andere Städte gern gewaltsami zů haben, d. h. obrigkeitliche Gewalt auszuüben und Herr-schaftsgebiete zu besitzen, dies habe zu Konflikten geführt. Den ersten Höhepunkt erreich-ten die Auseinandersetzungen, als König Wenzel der Stadt drei Privilegien ausstellte, was heimlich und ohne Wissen des Abts geschehen sei. Abt Kuno habe sich später erfolgreich gewehrt, er habe die betrügerisch erworbenen städtischen Privilegien für ungültig erklären und von König Wenzel den alten Zustand bestätigen lassen. Die Stadt sei aber hartnäckig dabei geblieben, dem Kloster Rechte abzutrotzen, sie habe auch die Appenzeller angesteckt, die die von sant Gallen mit ir widerspenigkeit ouch ungehorsam machtent. Von den Appenzellerkriegen bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts reiht Abt Ulrich die vielen Attacken der Stadt St.Gallen auf äbtische Rechte und die mehr oder weniger erfolgreiche Gegenwehr der Äbte auf, nicht ohne immer wieder zu betonen, welch hohe Kosten die Verhandlungen verursacht hätten, bis er den zweiten Höhepunkt erreicht: die Ablösung der äbtischen Rechte in der Stadt St.Gallen mit einer bescheidenen Geldsumme und darüber hinaus den Verkauf der Vogteirechte des Klosters im Thurgau durch Abt Kaspar an die Stadt St.Gallen. Den Kommentar Abt Ulrichs leitet ein Abschnitt ein, der mit Auszeich-nungsschrift beginnt: Item nota da ist dem gotzhus der todstich geben. Schuld daran war seiner Meinung nach wieder die Stadt St.Gallen, die schon immer alles daran gesetzt hatte, das gotzhus ganz nider zů trucken. Gegen diesen Vertrag erhob sich nun Widerstand im Konvent, worauf dieser die Revision des Vertrags und die Entmachtung von Abt Kaspar erreichte. Damit beginnt die Wende. In einer Zusammenfassung (Also habet ir gehört …) wird das erlit-tene Unrecht noch einmal vergegenwärtigt. Darauf geht der Text zur Gegenwart über, in der das Leiden des Klosters über alle Massen gewachsen sei. So müsse man die Stadt verlas-sen, wie einst Jakob vor Esau geflohen sei, Abraham sein Land zurückgelassen habe und auch der Klosterpatron Gallus aus seinem Vaterland ausgewandert sei. Nota remedium heisst es zu Beginn des nächsten Abschnitts in Auszeichnungsschrift. Die heilende Arznei sei ein Neubau des Klosters nach aller ordnung und der regel sant Benedicts, ein Plan, der nun nicht weiter verfolgt werden kann, da es hier nur um den historischen Teil geht.Das Exposé richtete sich an den Konvent; es diente der Meinungsbildung und lieferte einen Vorrat an Argumenten für die Notwendigkeit des Klosterneubaus. Der Abt fand Zustim-mung, das Projekt der Klosterverlegung scheiterte aber im Klosterbruch von 1489. Das Ex-posé verlor damit seine praktische Relevanz, es hätte ausserhalb des Klosters kaum weitere Wirkung entfaltet, wenn es nicht 50 Jahre nach der ersten Niederschrift in Vadians Hände geraten wäre. Nach der Vertreibung der Mönche aus dem Kloster in der Stadt St.Gallen in der Reforma-tionszeit stiess Bürgermeister Vadian († 1551) bei seinen Forschungen im Klosterarchiv, zu dem er seit 1529 Zutritt hatte, wie auch im städtischen Archiv auf das Exposé. Der Ton der Anklage und der Inhalt müssen seinen Zorn erregt haben. Er liess sich provozieren und ver-arbeitete das Exposé, das er ratschlag nannte und ausführlich zitierte, in seiner «Grösseren Chronik der Äbte des Klosters St.Gallen» (um 1530). Den Vorwurf, St.Gallen sei nie eine richtige Reichsstadt gewesen, liess er nicht gelten. Er nahm die Argumentation auf, wider-legte sie und konstruierte für die Stadt eine imponierende reichsstädtische Tradition. Den Bezug Vadians auf das Exposé des Abtes Ulrich kann man dank der neuen, von Bernhard

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Stettler besorgten und bald im Druck vorliegenden Edition leicht überprüfen. Vadian ver-folgte die Zwietracht zwischen Kloster und Stadt St.Gallen, die Abt Ulrich 1370 beginnen lässt, bis ins 12. Jahrhundert zurück und postulierte in allzu eigenwilliger Ausdeutung ein-zelner Formulierungen in späteren Dokumenten ein Privileg, das Kaiser Friedrich Barbaros-sa der Stadt St.Gallen erteilt habe, das aber nicht mehr vorhanden sei, da es im Stadtbrand von 1215 ein Opfer der Flammen geworden sei. Seitdem stehe die Stadt mit dem Reich in direkter Beziehung: Uss welchem man verstat, das ünser statt S. Gallen dem haylgen rych zum mins-ten von kayser Fridrichs des ersten (den man Rotpart nandt) zyten har in etlich weg verwandt gsin ist. Dieser Auffassung entsprechend muss Vadian die drei Privilegien von König Wenzel von 1378 für rechtmässig gehalten haben. Die von Abt Kuno 1380 veranlasste Aberkennung schrieb Vadian jedoch dem Adelsdünkel des Abtes zu: Dieser sei nur denen günstig gesinnt gewesen, die ihn hoch und wol gehalten hätten, was die Appenzeller gar nicht und die St.Galler nur in bescheidenem Masse getan hätten. So habe der Abt den St.Gallern mit gar vil häßlichen worten und vil ufsatz und krommer prattik geschadet. Die Revokation des Verkaufs der Vogteien an die Stadt St.Gallen 1456 kommentierte Vadian nicht, bei den Verträgen mit Ulrich Rösch, dem Pfleger und künftigen Abt, nach der Entmachtung von Abt Kaspar be-merkte er: Falls die Ansprüche des Klosters nicht eingeschränkt worden wären, so hettend wir nitt ain dorf mögen bliben, wyl geschwigen ain rychsstatt (so hätten wir nicht einmal ein Dorf blei-ben können, geschweige denn eine Reichsstadt). Diese Bemerkung tönt wie ein Echo auf die Aussage von Abt Ulrich in seinem Exposé zur Gefahr, die drohte, als die Stadt St.Gallen sich anschickte, vom Kloster die Vogteien zu erwerben: Da ist dem gotzhus der todstich geben. Als Vadian in der Mitte der 1540er-Jahre in der «Kleinern Chronik der Klosters St.Gallen» die Geschichte der Ostschweiz neu schrieb, setzte er die Privilegierung der Stadt durch den Kaiser etwas später an: Friedrich II., der Enkel von Friedrich I. Barbarossa, habe der Stadt den ersten Freiheitsbrief ausgestellt. Er habe nach seinem Ritt über die Alpen im Sommer 1212 von Chur aus seinen Weg über St.Gallen genommen, bevor er von Konstanz aus sei-nen Siegeszug durch Deutschland angetreten habe. Das Dokument selbst sei im Stadtbrand von 1215 zu Grunde gegangen. Diese Version übernahm Johannes Stumpf in gekürzter Form in seine grosse, 1548 publizierte Chronik, die für über ein Jahrhundert das Standard-werk der eidgenössischen Geschichte blieb. Die Geschichtskonstruktion Vadians wurde zum Allgemeingut; noch 1931 schrieb der Rechtshistoriker Carl Moser-Nef in seinem Werk über die «freie Reichsstadt und Republik St.Gallen»: «1212 soll St.Gallen zur Reichs-stadt erhoben worden sein», fügte aber in der Anmerkung an: «Eine bezügliche Urkunde findet sich im Urkundenbuch nicht.» Die Ausführungen von Abt Ulrich im Exposé über die Verlegung des Klosters waren schon vor der Edition durch Hardegger nicht vergessen. Ildefons von Arx, der spätere Stiftsbiblio-thekar, weist 1811 in seinen «Geschichten des Kantons St.Gallen» darauf hin. An anderer Stelle, die vom Bündnis der Bodenseestädte der 1330er-Jahre handelt, bemerkte er zur Reichsfreiheit: «Die Stadt St.Gallen hatte unter allen Städten, in derer Bündnisse sie war, die wenigsten Freyheiten.» Es war wohl diese vergleichsweise schwache Privilegierung, die Abt Ulrich veranlasste, die Reichsunmittelbarkeit der Stadt zu leugnen, und Vadian dazu verführte, der Reichsstadt St.Gallen durch ein angeblich verbranntes Privileg aus der Staufer-zeit eine tragfähige Legitimation zu verschaffen.

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Quellen und Literatur– StiASG, Bd. 221, Bl. 28–136.– Stiftsbibliothek St.Gallen, Cod. 609, S. 135–238 [= Kurze Chronik, S. 1–35] mit Marginalien von der

Hand des Aegidius Tschudi. – Kurze Chronik des Gotzhaus St.Gallen, hg. von Josef Hardegger, in: Mittheilungen zur Vaterländi-

schen Geschichte 2 (1863), S. 1–49; Zitate S. 1 (korrigiert nach der Handschrift des Stiftsarchivs), S. 15, 18, 20 und 23.

– Joachim v. Watt (Vadian), Grössere Chronik der Aebte des Klosters St.Gallen (Deutsche Historische Schriften Bd. 1 und 2), hg. von Ernst Götzinger, St.Gallen 1875–1877; Zitate Bd. 1, S. 384, 466 und 468; Bd. 2, S. 312 und 166f. (korrigiert nach der Neuedition von Bernhard Stettler).

– Ildefons von Arx, Geschichten des Kantons St.Gallen, Bd. 2, St.Gallen 1811; Zitat S. 71.– Johannes Häne, Der Klosterbruch in Rorschach und der St.Galler Krieg, 1489–1490, in: Mittheilun-

gen zur Vaterländischen Geschichte 26 (1895), S. 1–27; zur Verfasserschaft der kurzen Chronik des Gotz-haus St.Gallen: S. 19, Anm. 2, und S. 27, Anm. 2.

– Carl Moser-Nef, Die freie Reichsstadt und Republik Sankt Gallen, Bd. 1, St.Gallen 1931; Zitat S. 56. – Philip Robinson, Die Fürstabtei St.Gallen und ihr Territorium 1463–1529. Eine Studie zur Entwick-

lung territorialer Staatlichkeit, St.Gallen 1995.– Ulrich Rösch, St.Galler Fürstabt und Landesherr. Beiträge zu seinem Wirken und zu seiner Zeit, hg. von

Werner Vogler, Rorschach 1987; Abbildung der ersten Seite des Exposés S. 392.

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PHiliPP lenz

«nuwe bücher»: Bucherwerbungen unter dem Pfleger und Abt Ulrich Rösch

Schon lange gilt der Pfleger (1457–1463) und Abt Ulrich Rösch (1463–1491) in der Ge-schichtsschreibung als Förderer der Bibliothek der Abtei St.Gallen. Diese Einschätzung stützt sich vornehmlich auf zwei konkrete Quellen, nämlich das Bibliotheksverzeichnis von 1461 und einen Eintrag in der sogenannten Kleinen Chronik des Joachim von Watt (Vadian) aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Als weiteres Zeugnis für seine Verdienste um die Biblio-thek zählen die Büchernachlässe von Zeitgenossen, welche an das Kloster fielen oder ange-kauft wurden. Allgemeiner Hintergrund für dieses Auf blühen der Bibliothek bilden die innere Festigung der Abtei St.Gallen durch die benediktinischen Reformen seit dem frühen 15. Jahrhundert sowie die äussere Stärkung durch den Aufbau eines klösterlichen Territori-alstaates durch Abt Ulrich Rösch.In einer Untersuchung aus dem Jahr 1992 hat der Einbandspezialist J.A. Szirmai zudem die Neubindung und Restaurierung einer grossen Anzahl von Handschriften in den Jahrzehn-ten um die Mitte des 15. Jahrhunderts festgestellt und somit den materiellen Befund für die neu erwachte Sorge um die Bücher nachgeliefert. Zumindest die grössere Gruppe von gut hundert neuen Einbänden mit Flechtbandkapitalen («Typ A») setzt er zeitlich und sachlich in unmittelbare Nähe zum Katalog von 1461, der den Abschluss dieser Arbeiten bildet.Vier neu gefundene Einträge in einem Kopialbuch aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Stiftsarchiv St.Gallen bieten eine willkommene Ergänzung zu den bisher bekannten Quel-len zur Bibliotheksgeschichte dieser Zeit. Im Folgenden sollen zunächst der Überlieferungs-kontext kurz dargelegt, dann die vier Einträge ediert, kommentiert und ausgewertet werden.Die vier Einträge sind in Band 109 des Stiftsarchivs St.Gallen überliefert. Es handelt sich um ein um 1463 angelegtes und bis etwa zum Tod Abt Ulrich Röschs 1491 fortgeführtes Kopi-albuch, welches Urkunden- und Aktenabschriften, Auszugslisten, Notizen zur Herrschafts-verwaltung und Wirtschaftsführung und andere Verzeichnisse seiner Regierungszeit ent-hält. Unter diesen vielfältigen Abschriften befindet sich f. 179v-183v eine von zwei Händen geschriebene Aufstellung erworbener Niedergerichte, Zinsen, Grundstücke, Gebäuden und Privilegien, zudem Notizen über Aufwendungen für Bauten, Einrichtungen und vieles anderes, und zwar immer unter Angabe des Kaufpreises bzw. der Kosten, welche am Sei-tenende summiert werden. Einige datierbare und datierte Einträge weisen auf eine lockere chronologische Ordnung dieser Kostenzusammenstellung hin. Als zweites Gliederungs-prinzip gilt der sachliche Zusammenhang. Häufig werden sowohl sachlich als auch zeitlich nahe Ausgaben zusammen unter einer Endsumme aufgeführt.Inmitten dieser Zusammenstellung stehen auf f. 180r, 181r und 181v vier bibliotheksgeschicht-liche Einträge, die im Folgenden mit den Buchstaben A, B, C und D bezeichnet werden:

[StiftsASG, Bd. 109, f. 180r: (A)]Item grosß winfasß, laitvass und die liberye gebessert mit inbinden der bücher, nủwe bücher erkoufft und búcher erloest, Decretales und sunst in iure und mesßbücher und 2 bettbücher fủr ainen herren, sind 400 guldin wert.

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[StiftsASG, Bd. 109, f. 181r: (B)] Item 18 guldin umb das mesßbůch, das ainem apt in pontificalibus zuegehoert.

[StiftsASG, Bd. 109, f. 181r: (C)] Item 10 guldin umb das buech mellusina.

[StiftsASG, Bd. 109, f. 181v: (D)]Item um 3 nủwe messbuecher und 1 nủw wisse ynfflen 57 guldin.

Der erste Eintrag (A) befindet sich auf f. 180r und besteht aus zwei Teilen. Gemäss dem ersten Teil veranlasste Ulrich Rösch Restaurierungsarbeiten an grossen Weinfässern, an Fuhrfässern (laitvass [Idiotikon 3, Sp. 1442–1443]) und – durch das Einbinden von Büchern – am Bibliotheksbestand. Der zweite Teil schildert den Erwerb und möglicherweise die Ein-lösung verpfändeter Bücher. Dem Inhalt nach handelt es sich um eine oder mehrere Dekre-talensammlungen, weitere juristische Bücher, sodann Messbücher und zwei Gebetbücher für den Abt. Die Restaurierungsarbeiten kosteten zusammen mit dem Kauf neuer bzw. Rückkauf verpfändeter Bücher 400 Gulden. Ob zwischen den Arbeiten an den Fässern und in der Bibliothek ein personeller, sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang bestand, lässt sich anhand dieser Quelle nicht bestimmen. Auf dem nächsten Blatt folgen zwei nahe beieinander liegende Einträge (B, C), die spezi-fisch den Inhalt und den Aufwand pro Buch angeben. Zunächst wurden 18 Gulden für ein äbtisches Pontifikalmissale aufgewendet, dann 10 Gulden für den Roman «Die Melusine». Vermutlich dienten die jeweiligen Geldsummen zur Deckung der Herstellungskosten bzw. des Kaufpreises, obschon dem Wortlaut nach auch die Bezahlung von Restaurierungs- oder Bindungsarbeiten möglich wären. Als Preisvergleich können andere Ausgabenposten die-nen. So wurden z.B. 10 Gulden für 2 hủpsch tisch für den Hof Wil (f. 181r), 10 und 12 Gulden für je einen Garten (f. 180v) und 40 Gulden für 3 aichini vaß (f. 183r) aufgewendet.Die letzte bibliotheksgeschichtliche Notiz (D) beschreibt eindeutig einen Kauf. Erworben wurden drei neue Messbücher sowie eine weisse Inful (ynfflen [Idiotikon 1, Sp. 327]), d.h. hier eine Kopfbedeckung für den Abt als kirchlichen Würdenträger, für 57 Gulden. Drei der erwähnten Bücher konnten dank genauer Bezeichnung im heutigen Bestand der Stiftsbibliothek St.Gallen aufgespürt werden. So entspricht wahrscheinlich das buech mellusina (C) der 1480 bei Johann Bämler in Augsburg gedruckten Inkunabel Nr. 999 (vgl. Hain 11064), welche mit 72 schönen Holzschnitten ausgestattet ist. Das mesßbůch, das ainem apt in pontificalibus zuegehoert (B) dürfte identisch sein mit dem schon mehrmals kunsthistorisch gewürdigten Pontifikalmissale Abt Ulrich Röschs in Codex 356 der Stiftsbibliothek St.Gallen. Diese reich illuminierte Pergamenthandschrift besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil S. 5–102 stammt aus der Zeit dieses Abtes und enthält «die vom zelebrierenden Pontifex zu lesenden bzw. zu singenden Texte für die Hochfeste des Kirchen-jahres, mit Gloria und dem Paternoster, jeweils auch die Melodien in gotischer Hufnagelno-tation» (J. Duft). Der zweite Teil mit Proprium und Commune Sanctorum und anderen Texten stellt eine spätere Ergänzung oder Ersatz dar.Als drittes identifizierbares Buch drängt sich Codex 285 der Stiftsbibliothek Einsiedeln auf. Das persönliche Gebetbuch Abt Ulrich Röschs, das mit seinen 69 Bildseiten und über 100 Initialen «zu den kostbarsten Handschriften der Zeit im oberdeutschen Raum» gehört (P.

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Ochsenbein), entspricht wohl einem der beiden bettbücher fủr ainen herren (A). Diese lateini-sche Pergamenthandschrift wurde als Auftragswerk von einem Namensvetter des Abtes, dem Wiblinger Konventualen Simon Rösch, 1472 geschrieben.Die restlichen erwähnten Bücher können aus mehreren Gründen nur schwerlich oder über-haupt nicht in der jetzigen Bibliothek aufgefunden werden. Erstens bezeichnen die oben edierten Quellen häufig die Werke unter allgemeinen Sammelbegriffen. Zweitens gibt es nur selten Besitzeinträge der Abtei St.Gallen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Handschriften und Inkunabeln. Drittens besteht immer die Möglichkeit, dass sich ein Buch nicht mehr in der ehemaligen Klosterbibliothek befindet, wie dies für den Codex Einsidlensis 285 nachweislich zutrifft. Die folgenden Identifikationsvorschläge werden sich wohl nie be-weisen lassen. Sie beruhen mehrheitlich auf dem Zeitpunkt der Niederschrift oder dem Druckjahr des Buches, dessen Präsenz im heutigen Bibliotheksbestand sowie dem Fehlen eines offensichtlichen Hinweises auf einen anderen Vorbesitzer. Zwei Einträge erwähnen Auslagen für mehrere (A) bzw. drei Messbücher (D). Deren zwei könnten Codex 1757 und 1758 entsprechen. Die beiden liturgischen Pergamenthandschrif-ten mit bemerkenswerten Initialen wurden für das St.Galler Münster in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hergestellt und in den folgenden Jahrhunderten inhaltlich abgeändert. Der mit 1473 datierte Codex 1757 enthält ein Graduale de sanctis und ein Ordinarium mis-sae, der ergänzende Codex 1758 ein Graduale de tempore, Kyriale und Sequentiar. Ein wei-teres Messbuch aus dieser Zeit tritt uns in Gestalt der Inkunabel Nr. 1004 entgegen. Dieses grossformatige Missale der Konstanzer Diözese mit Druckjahr 1485 (Hain 11283) weist durchgehend, aber besonders ausgeprägt bei den Gebeten zur Wandlung, Benutzerspuren auf, ist aber unbekannter Provenienz. Ob der 2006 von der Stiftsbibliothek an einer Auktion in New York erworbene Codex 2107 einem der beiden erwähnten Gebetbücher für den Abt (A) entspricht, bleibt unsicher. Dieses lateinische Stundenbuch aus Pergament, verziert mit Initialen und Rankenwerk, versehen mit einem seltenen Lederschnittband, stammt aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert. Die Buchmalerei und inhaltliche Gründe sprechen für einen Benediktinermönch als Auftraggeber, die Anrufung der heiligen Gallus und Otmar möglicherweise für das Kloster St.Gallen als ursprünglichen Bestimmungsort.Noch schwieriger gestaltet sich die Suche nach den vage angeführten Decretales und sonsti-gen juristischen Büchern (A). Vielleicht verbergen sich dahinter eine besonders prächtige Dekretalenhandschrift aus dem 14. Jahrhundert (Codex 742) bzw. drei römisch-, kirchen- und lehenrechtliche Handschriften des 13.–14. Jahrhunderts (Codices 745, 746 und 749) aus dem Nachlass des um 1456 verstorbenen Stadtschreibers von St.Gallen, Johannes Widembach, welche spätestens seit 1553–1564 durch den Stempel Abt Diethelm Blarers in der Stiftsbibliothek bezeugt sind. Unter den zahlreichen Inkunabeln aus der Zeit Abt Ulrich Röschs sei auf Nr. 658 mit den Decretales Gregorii IX. (Hain 8015) verwiesen, die auf einem Deckblatt einen der seltenen Besitzeinträge des Klosters St.Gallen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts enthält. Ausserdem gibt es zahlreiche Inkunabeln mit kanonistischen Texten, deren Präsenz im Kloster St.Gallen durch Marginalien des St.Galler Konventualen (ca. 1460–1495) und Doktors des Kirchenrechts Johannes Bischoff für diese Zeit bezeugt ist (z.B. Inkunabel Nr. 204, 603, 1107 [= Hain 2713, 7593, 12311]).Gemeinsam ist mindestens den einzeln oder genauer benannten Handschriften und Inku-nabeln, dass sie sich durch reiche Ausstattung mit Initialen, Buchmalerei oder Holzschnit-ten auszeichnen. Die Identifizierung einiger Bücher zeigt ausserdem, dass sich diese nicht

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nahtlos in die grob chronologische Ordnung der Zusammenstellung f. 179v–183v einfügen. So wird z.B. der 1480 gedruckte Roman der Melusine (C) nach dem Kauf der Niedergerich-te von Rossrüti 1466 und Bronschofen 1465 (f. 180r) und vor dem Erwerb der Grafschaft Toggenburg 1468 (f. 181v) erwähnt. Zwei Werke, die man unter den edierten Belegen (A, B, C, D) erwarten könnte, bleiben – aus welchen Gründen auch immer – unerwähnt. Es handelt sich um das 1473 von Simon Rösch geschriebene kleine Profess-Rituale (Codex 1297) und das prächtige Wappenbuch (Codex 1084), das in Besitz Abt Ulrich Röschs kam.Ein Vergleich mit den Chroniken Vadians führt zu weiteren Erkenntnissen. Zunächst zitie-ren wir aus Vadians Kleiner Chronik eine in der Literatur geläufige Stelle, die sich in die grundsätzlich chronologische Schilderung der Regierungszeit Abt Ulrich Röschs einreiht. Zusätzlich wird ein Textausschnitt aus der Grossen Chronik abgedruckt, welcher am Ende der Schrift steht, wo Bauten und andere Leistungen des Abtes aufgezählt werden.

[Kleine Chronik (Vadian II, S. 189, Z. 24–26)]Vorgentz jar [1461] hatt er die lieberi des closters etwas erschiften laßen, und wurden die bůecher, so vormals auf den haufen lagen, auf zůgerüste gesteln gelegt. Kostet dannoch den abt bei 100 guldin.

[Grosse Chronik (Vadian II, S. 377, Z. 11–12)]Item und etlich bůecher in der liberi besseren und binden, kostet in 100 guldin.

In der Kleinen Chronik beschreibt Vadian die allgemeine Instandsetzung (erschiften [Idioti-kon 8, Sp. 416–417]) der Klosterbibliothek und die Herstellung von Regalen, auf welche die Bücher nun gelegt wurden. Dass die Bücher auf den Regalen horizontal lagen und nicht senkrecht standen, zeigen übrigens die Rückenschilder auf den um 1461 hergestellten Ein-bänden. Die Grosse Chronik hingegen erwähnt die Restaurierung und Bindung von zahl-reichen Büchern. Die angeführten Summen von je 100 Gulden für zwei verschiedene Ar-beitsgänge können auf Tatsachen oder einer gewissen Ungenauigkeit Vadians beruhen. Unumstritten scheint jedoch, dass Vadian mindestens einen Rechnungsbeleg kannte, der Arbeiten an oder in der Klosterbibliothek einzeln aufführte. Er benutzte demnach für seine Chroniken (auch) andere Belege als den unseren (A), der als Endsumme verschiedenster Arbeiten 400 Gulden angibt.Die edierten Quellenauszüge (A, B, C, D) geben weniger genau Auskunft zur Innenausstat-tung als Vadian. Sie liefern aber bis anhin unbekannte Informationen zu Bucherwerbungen unter Abt Ulrich Rösch und stammen aus zeitgenössischen Abschriften. Ihr Wert besteht insbesondere darin, dass sie über gezielte Buchkäufe Auskunft geben. Im Gegensatz zu Bü-chernachlässen, die von Individuen wie dem streitbaren, wissensbegierigen und umherzie-henden Konventualen Gall Kemli († kurz nach 1477), dem Seelsorger und Weltpriester Matthias Bürer († 1485) und dem Rechtsgelehrten und St.Galler Konventualen Johannes Bischoff († 1495) nach ihren persönlichen Interessen und Bedürfnissen angelegt wurden und dem Kloster durch Tod oder durch Kauf als ausgestaltete Sammlungen zufielen, sind die neuen Belege (A, B, C, D) unmittelbare Zeugnisse für die Anschaffungspolitik und die in-tellektuellen Bedürfnisse des Klosters St.Gallen. Als Schwerpunkte treten eindeutig liturgi-sche und juristische Bücher hervor. Neben den Messbüchern werden ausserdem separat zwei Gebetbücher für den Abt aufgelistet. Einen Farbtupfer unter den erworbenen Büchern

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stellt der deutsche Prosaroman der Melusine in der Fassung des Berner Adligen Thüring von Ringoltingen dar (Inkunabel Nr. 999). Dieser höfische Roman zeugt vielleicht nicht nur vom Bedürfnis nach literarischer Unterhaltung, sondern auch vom gesellschaftlich-politi-schen Anspruch des Reichsfürsten Ulrich Rösch.

Literatur- Joachim v. Watt (Vadian), Grössere Chronik der Aebte des Klosters St.Gallen (Deutsche Historische

Schriften Bd. 2), hg. von Ernst Götzinger, St.Gallen 1877 (zitiert als Vadian II).- Johannes Duft, Abt Ulrich Rösch als Förderer der Stiftsbibliothek, in: Ulrich Rösch, St.Galler Für-

stabt und Landesherr, hg. von Werner Vogler, St.Gallen 1987, S. 65–79 (Zitat von S. 74). - Philipp Lenz/Stefania Ortelli, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St.Gallen, Abt. V [in Vorbe-

reitung] (zu Codex 742, 745, 746, 749).- Peter Ochsenbein (Hg.), Beten mit Bild und Wort, Zollikon 1996 (zu Einsiedeln, Stiftsbibliothek,

Codex 285). - Peter Ochsenbein, Das persönliche Gebetbuch von Abt Ulrich Rösch, in: Ulrich Rösch, St.Galler

Fürstabt und Landesherr, hg. von Werner Vogler, St.Gallen 1987, S. 31–64 (zu Einsiedeln, Stiftsbiblio-thek, Codex 285; Zitat von S. 32).

- Roger Sablonier/Alfred Zangger, Inventar spätmittelalterlicher Wirtschafts- und Verwal-tungsquellen im Stiftsarchiv, Zürich, Historisches Seminar der Universität Zürich, 1989, S. 63–64, Nr. 24 (zu Band 109).

- Beat Matthias von Scarpatetti, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St.Gallen. Cod. 1726–1984, St.Gallen 1983, S. 24–29 (zu Codex 1757 und 1758).

- Gustav Scherrer, Verzeichniss [!] der Incunabeln der Stiftsbibliothek von St.Gallen, St.Gallen 1880.- Karl Schmuki/Ernst Tremp, Vom Staub und Moder im Hartmut-Turm ..., Katalog durch die Aus-

stellung in der Stiftsbibliothek St.Gallen 2000–2001, St.Gallen 2001, S. 96–97 (zu Inkunabel Nr. 999).- Karl Schmuki/Ernst Tremp, Von der Limmat zurück an die Steinach, Katalog zur Sonderausstel-

lung in der Stiftsbibliothek St.Gallen 2006–2007, St.Gallen 2007, S. 58 (zu Codex 2107).- Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache, Frauenfeld 1881ff (zitiert als

Idiotikon).- Jan A. Szirmai, Repair and Rebinding of Carolingian Manuscripts in St. Gall Abbey Library in the

Fifteenth Century, in: Conference Papers, Manchester 1992, hg. von Sheila Fairbrass, Manchester 1992, S. 165–170.

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Thurgauer Rechtsquellen aus dem Stiftsarchiv St.Gallen

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Die Edition der Thurgauer Rechtsquellen will das gültige Recht aufarbeiten und dessen Ent-wicklung in der Landgrafschaft Thurgau bis 1798 darstellen. Dafür sind die Bestände des Stiftsarchivs St.Gallen von grossem Wert, waren doch bis 1789 Teile des heutigen Thurgauer Kantonsgebietes abt-st.gallische Gerichtsherrschaften. Gebiete wie Hagenwil/Räuchlisberg, Landschlacht, Sommeri, Romanshorn, Kesswil, Uttwil, Wängi standen unter der Rechtspre-chung des Abtes, gehörten aber gleichzeitig in die Landgrafschaft Thurgau. Es liegt auf der Hand, dass ein hoher Anteil der Quellen, die Aufschluss über Recht und Leben in allen von der Obrigkeit geregelten Bereichen in diesen Gebieten geben können, im Stiftsarchiv gesam-melt wurde. Es handelt sich v.a. um lokale Grenzverträge, Zins- und Lehenverschreibungen, Gülten, Kaufverträge, Unterlagen zu Streitigkeiten aller Art mit Urteilen der niederen Ge-richte oder Quellen zu kirchlichen Angelegenheiten. Diese untere, lokale Ebene von Rechts-quellen soll in einer späteren Phase des Editionsprojektes dargestellt werden.Das aktuelle Projekt untersucht die Ebene der Landeshoheit. Seit der Eroberung der Land-grafschaft Thurgau durch die sieben eidgenössischen Orte Zürich, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus und Zug, die bis auf das Landgericht, also die hohe Gerichtsbarkeit, alle Rechte der Landvogtei übernahmen, waren die st.gallischen Herrschaften in der Land-grafschaft Thurgau mit neuen Herren konfrontiert. Bis 1499 blieb die Situation für die Eid-genossen unbefriedigend, denn zur vollen Landeshoheit fehlte das Landgericht zu sehr. Die zehn eidgenössischen Orte (neu auch Bern, Freiburg und Solothurn) erhielten es dann aber im Gefolge des Schwabenkrieges Ende 1499 zugesprochen und übten nun im Prinzip die volle Landeshoheit in der Landgrafschaft Thurgau aus. Der Abt von St.Gallen behielt in den bis 1499 erworbenen Gebieten eine privilegierte Stellung im Vergleich zu den meisten anderen thurgauischen Gerichtsherren, denn lediglich die hohe Gerichtsbarkeit gehörte den Eidgenossen (Malefizgerichte), alle anderen Herrschaftsrechte, insbesondere auch das Recht auf Kriegsfolge blieben beim Abt. In Herrschaften, die der Abt nach 1499 erwarb, hatte er dieses Privileg nicht. Die Geographie dieser äbtischen Herrschaften in der Landgrafschaft Thurgau machte die Situation der Bewohner und der Herrschaft ausübenden Gerichtsherren nicht einfacher, denn die Gebiete verschiedener Rechte lagen sehr nah beieinander: die für die unmittelba-ren Nachbarn gültigen Rechte waren oft anders als die eigenen, und es musste immer wieder definiert und beurteilt werden, wer wo welche Rechte wahrzunehmen hatte. Die Entwirrung dieser verzwickten Gemengelage verschiedener Rechte bei verschiedenen Rechtsinhabern ist Ziel des ersten Teilprojektes der Thurgauer Rechtsquellen-Edition. Sie muss mit den einschlägigen Quellen belegt und nachvollziehbar gemacht werden. Die Ver-zahnung der Rechte macht es für die Rechtsgeschichte des Thurgaus unabdingbar, das Ma-terial aus anderen Archiven, insbesondere dem Stiftsarchiv, zu kennen. Im Thurgau konnte frühestens ab 1460 ein eidgenössisches Archiv entstehen, das aber eher rudimentär erhalten ist, weil die Verwaltung durch wechselnde Landvögte kaum eine stetige Archivführung er-laubte. Im Gegensatz dazu bewahrte das Stift St.Gallen mit langer Tradition schon früh

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seine Rechtstitel sorgfältig auf. Sie blieben gut verwahrt bis heute auffindbar im Stiftsarchiv und sind deshalb von grossem Wert für unsere Fragestellung. Konzentrieren wir uns also auf die Landeshoheit der Eidgenossen in der Landgrafschaft Thurgau, so muss berücksichtigt werden, dass in verschiedenen, nicht zu vernachlässigenden Teilen des heutigen Thurgau gilt, was für deren untergeordnetes, lokales Recht ohnehin galt: es galt äbtisches Recht, das meist nur im Stiftsarchiv überliefert ist. Im Gegenzug müssten die Rechtsquellen-Editionen beider modernen Kantone Thurgau und St.Gallen eigentlich abge-sprochen und eng koordiniert werden, denn st.gallisches Recht galt auch im Thurgau.Wollen wir also wissen, wer wem den Eid und somit auch militärische Gefolgschaft zu schwören hatte, finden wir für die äbtischen Malefizgerichte dazu Quellen im Stiftsarchiv. Am 15. November 1491 erliessen die vier Schirmorte der Abtei, Zürich, Luzern, Schwyz und Glarus, einen Freiheitsbrief, in dem sie die Untertanen des Abtes von St.Gallen im Oberthurgau von der Huldigung und dem Landgeschrei zu Frauenfeld ausbedangen. Die Eidgenossen ihrerseits legten 1491 den Eid für die Untertanen St.Gallens in den Malefizge-richten an den Abt selber fest: Wir kennen den Wortlaut des Eides an den Hauptmann der vier Schirmorte zur Kriegsfolge, der dem Landgeschrei der Thurgauer an den Landvogt sehr ähnlich war (StAZH, B I 252, 29v–30v auch StiASG, Bd. 1816, S. 39–42). Wir kennen auch den Eid, den die Thurgauer Gotteshausleute 1498 an den Abt schworen, mit einer Liste der Eidleistenden von Tägerwilen, Eggen, Emmishofen, Weinfelden, Oberbussnang, Holz-häusern, Weingarten, Lommis, Thundorf, Wetzikon, Hattenhusen, Homburg, Aichrain, Wulfikon, Ottenberg, Griesenberg, Hüttlingen, Weinfelden, Steckborn, Pfyn (StiASG, Rubr. 42, Fasz. 2). Die Frage des Eides und der Kriegsfolge war auch danach immer wieder Streitpunkt zwischen Abt und Landvogt. Wollen wir weiter wissen, wer wem wie viel an Abgaben zahlen musste oder welches Recht und Gericht für welchen Streitfall zuständig war, finden wir auch dazu Informationen im Stiftsarchiv. Da liegt z.B. unter der Signatur Rubr. 42, Fasz. 2 ein Verzeichnis der Gottes-hausleute im Thurgau, die am 11. November 1538 in Ermatingen im Beisein des Landvogtes dem Vertreter des Abtes gehuldigt haben, und von 1541 liegt ebenda ein Teil einer Liste der gestorbenen und somit (haupt-)fallpflichtigen Gotteshausleute. Bereits 1451 befreite der Abt seine Gotteshausleute, auch diejenigen in der Landgrafschaft Thurgau, vom Gewandfall (Rubr. 42, Fasz. 1); 1483 dekretierte Abt Ulrich, dass von nun an kein Gotteshausmann ge-gen Geld oder Zins sich in fremde Gerichte verschreiben solle, d.h., seine Leibeigenen durf-ten sich nicht von anderen Herren abhängig machen, also Diener zweier Herren werden oder den Herrn wechseln (Rubr. 42, Fasz. 13). Die Verträge, welche die ab 1499 regierenden Eidgenossen mit dem Abt abschlossen, gaben in erster Linie eine Grundauskunft über die allgemeine Intention der Vertragspartner. Das reichte jedoch oft nicht aus, und es gab unzählige Streitpunkte, die in der Folge einzeln ge-regelt werden mussten. Das bedeutet für unsere heutige Erforschung der ehemaligen Rechtslage, dass mit Fallbeispielen die Rechtswirklichkeit dargestellt werden muss. Das ist aber oft nur mit Einzelbeispielen möglich, die punktuellen Einblick geben und so Rück-schlüsse auf die gültige Rechtslage erlauben. Sie liegen in vielen Fällen im Stiftsarchiv. Gut darstellbar ist diese Situation im Bereich des Erbrechts und der Rechte für die Leibeige-nen. In den st.gallischen Malefizgerichten galt st.gallisches Erbrecht und nicht eidgenössisch-thurgauisches. Die entsprechenden Quellen sind im Stiftsarchiv vorhanden und müssen par-allel zu den thurgauischen Eingang in die Quellenedition für den Thurgau finden. Auch der

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Die Landgrafschaft Thurgau, zusammengetragen von Heinrich Nötzli und gezeichnet von Johann Jakob Diethelm 1754 (96x159cm; StiASG, Karten und Pläne, Nr. 4).

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Umgang mit den Leibeigenen und deren Rechtsstellung brachte eine grosse Zahl von Re-gelungen und Urteilen hervor. Um die neue Situation nach 1499 zu klären, wurde am 2. Februar 1501 in Wil ein Vertrag zwischen den zehn regierenden Orten und dem Abt von St.Gallen aufgesetzt, der einige der wichtigsten Fragen regelte (StiASG, Urk. Y1 A2): die Grenze zwischen der Landgrafschaft Thurgau und den Herrschaftsgebieten des Abtes wur-de definiert – sie gilt in etwa bis heute – und einzelne Rechtsfragen wurden geregelt: der Abt erhielt in seinen im Thurgau gelegenen Territorien die Gerichtsbarkeit bis zum Blutge-richt, das den zehn regierenden Orten gehörte. Beide Seiten vereinbarten, eigene Leute ausserhalb ihrer Gebiete dürften vom jeweils zuständigen Herrn bestraft werden. Der Abt behielt das angestammte Mannschaftsrecht, bezog die jährlichen Abgaben der unfreien Einzüglinge (Fastnachtshennen und Fall), während der Landvogt diese dann beerbte, wenn sie ohne Erben starben. Unehelich geborene Personen waren den Eidgenossen leibeigen und zahlten ihnen Abgaben, während deren ehelich geborene Kinder zu den Leibeigenen des Abtes zählten und Weiteres mehr. Bald zeigten sich jedoch Differenzen um die Rechte zu Buhwil und den Höfen zu Moos sowie dem Mannschaftsrecht zu Hagenwil und Blidegg. Auch der Abzug in Romanshorn war umstritten, so dass der Vertrag schon 1512 erläutert werden musste. Er bestätigte im Wesentlichen altes Recht und beliess dem Abt den Abzug in Romanshorn. In den 1560er-Jahren nahmen die Differenzen um die Ausübung der Rech-te wieder zu, so dass am 20. Juni 1567 der Vertrag erneuert werden musste. Dem Landvogt wurde ein Beisitz am äbtischen Gericht in Verleumdungsklagen eingeräumt und die Straf-gewalt des Abtes auch bei Friedbruch genau definiert. Künftig sollten Abt und Landvogt jeweils unehelich Geborene ohne Erben in ihren Gebieten beerben, egal wessen Leibeigene sie waren (StiASG, Urk. Y1 A2, A 4 und A 18; von allen Verträgen sind im StATG eben-falls Originale erhalten). Das Problem der Leibeigenen war mit den Verträgen längst nicht erschöpfend behandelt und gab Anlass zu vielen Unsicherheiten und Einzelregelungen. Damit wir heute wissen, wie die Gesellschaft funktionierte und welche Rechte galten, brauchen wir also Quellen – Ein-zelfälle oder Streitigkeiten –, die aus dem täglichen Leben Auskunft geben. Das Beispiel der Verheiratung von Frauen in eine andere Herrschaft sei hier stellvertretend behandelt. Es wird in den Verträgen nicht erwähnt, im Stiftsarchiv liegt hingegen eine ganze Reihe von sog. Raubzetteln, die dieses Problem beleuchten (Rubr. 42, Fasz. 1): Der Raubzettel vom 27. Juni 1501 zeigt einige Punkte zur Stellung der Frau und deren Verheiratung in eine frem-de Herrschaft: Elsi Zürcher von Wittenwil in der Herrschaft Spiegelberg, verheiratet mit Uli Müller von Bronschhofen, wird von ihrem Vater mittels 14 rheinischer Gulden an den Herrn von Spiegelberg ausgekauft und geht mitsamt ihren jetzigen und zukünftigen Kin-dern über in die Leibeigenschaft des Abtes von St.Gallen, in dessen Herrschaftsgebiet Schneckenbund Bronschhofen liegt. Ablösung einer geraubten Frau mit Geld war eine ur-alte Tradition, die in unseren Quellen 1526/32 dokumentiert ist. Auch mit den Eidgenossen galt: Wer ausserhalb der eigenen Genosssame heiratete, schuldete dem alten Leibherrn 3  Batzen und/oder ein Paar Handschuhe oder 18 pf. (StiASG, Bd. 1827, S. 338f.) In einem separaten Vertrag legten sich die Klöster der Landgrafschaft und das Stift St.Gal-len am 21. Juni 1560 darauf fest, dass die obigen Regeln und Abgeltungen untereinander unbedingt einzuhalten seien, damit nicht andauernd Streit entstünde (StiASG, Rubr. 42, Fasz. 1b). Die Kinder gehörten im Gegensatz zu weltlichen Herren dem Leibherrn des Va-ters und nicht dem der Mutter, folgten also – im Gegensatz zum gängigen Recht – nicht

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der ärgeren, sondern der besseren Hand. Schon am 19. September 1570 aber gab es zumin-dest wieder Ausnahmen: Hans Müller von Bronschofen, der seine Frau, Adelheid Zimmer-mann, Leibeigene des Klosters Fischingen, diesem mit 3 Schilling und einem Paar Hand-schuhen abgekauft hatte, bestätigt, dass seine Kinder aus dieser Ehe aber Leibeigene Fischingens bleiben (StiASG, Rubr. 42, Fasz. 1). 1589 bestätigen und detaillieren die Got-teshäuser ihren gegenseitigen Vertrag (StiASG, Rubr. 42, Fasz. 2 und Rubr. 141, Fasz. 1b). In der späteren Zeit scheint das Problem geregelt und bringt keine grösseren Differenzen mehr hervor. Zum ganzen Fragenkomplex der Leibeigenschaft gehören natürlich auch die zahlreichen Regelungen und Differenzen im Zusammenhang mit der Beerbung Leibeigener und deren Kinder, die im Stiftsarchiv neben dem allgemeinen Erbrecht für die Alte Landschaft St.Gal-len breiten Niederschlag fanden.Diese und viele andere Quellen werden deshalb in die Edition der Thurgauer Rechtsquellen Eingang finden und dienen neben der Kenntnis des Rechts und dessen Anwendung im heu-tigen Kanton Thurgau auch zum Teil derjenigen für den heutigen Kanton St.Gallen.

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tHomas FucHs

Grenzkarte Fürstabtei St.Gallen – Appenzell Ausserrhoden von 1637/38

Das Museum Herisau hat unter den Kostbarkeiten seiner Sammlung eine grossformatige Karte, die das Grenzgebiet der beiden Staaten Fürstabtei St.Gallen und Appenzell Ausserrhoden in der Zeit um 1640 detailgetreu wiedergibt. Es handelt sich um ein Ölgemälde von 220 cm Länge und 60 cm Höhe. Es zeigt das gesamte Grenzgebiet der Alten Landschaft des Gotteshausstaa-tes und des Landes Appenzell Ausserrhoden zwischen dem Schwänberg bei Herisau im Westen und Wienacht im Osten. Aufgrund der präzisen Machart wurde es bis jetzt dem bekannten Zürcher Kartographen Hans Conrad Gyger (1599–1674) zugeschrieben. Mit Hilfe von Doku-menten aus dem Stiftsarchiv St.Gallen konnte diese Vermutung nun bestätigt werden.

Zahlungen an den Zürcher Chorographen GygerIm Rechnungsbuch von Abt Pius Reher (1597–1654) sind in den Monaten August 1637 und Juni 1638 Zahlungen von insgesamt 150 Gulden an Johan Conrad Geyger chorograph Tigurinis, an den Zürcher Chorographen Johann Conrad Gyger, eingetragen (StiASG, Bd. 880, p. 92v). Bezahlt wurde dieser, weil er die revire streittiger Appenzellischer Marchen in grund zerlegt, also vermessene Grundrisse oder eben Karten oder Pläne von den ‹Revieren› mit den umstrittenen Grenzen gegen Appenzell Ausserrhoden angefertigt hatte. Ein Drittel der Kosten für die Vermessung und Kartierung trug das Land Appenzell Ausserrhoden, den grösseren Rest der St.Galler Fürstabt, weil er mehr in grund zulegen, als strittig war, befohlen. Abt Pius hatte die Gelegenheit benutzt und nicht nur den umstrittenen Grenzab-schnitt im Norden von Herisau aufnehmen lassen, sondern gleich das ganze Grenzgebiet der beiden Staaten zwischen dem Schwänberg bei Herisau im Westen und Wienacht im Osten. Zusätzlich liess er die Grenzen der Stadt St.Gallen aufzeichnen. Die Mehrkosten

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für diese Zusatzarbeiten übernahm er. Seitens von Appenzell Ausserrhoden haben sich keine entsprechenden Buchhaltungsbelege erhalten.Die gerne unterschätzten äbtischen Rechnungsbücher erweisen sich einmal mehr als ein-zige Quelle für die Rekonstruktion von Urheberschaften und Herkommen. Erwähnt sei als Beispiel die Herkunft der Steine für den Neubau und die Skulpturen der St.Galler Stifts kirche sowie die Namen der Bildhauer in den Jahren 1757 bis 1765.Der Bezüger des Honorars, Hans Conrad Gyger (1599–1674), war der bedeutendste Schweizer Kartograph des 17. Jahrhunderts. Seine auf exakten Vermessungen beruhenden Kartengemälde gehören weltweit zu den grössten Kartenkunstwerken. Seine plastische Ge-ländedarstellung war bis ins 19. Jahrhundert unübertroffen. Gyger war seit 1627 mit der aus einer angesehenen Herisauer Familie stammenden Elisabeth Meyer verheiratet.

Die KarteVon Gygers Karte sind zwei Versionen überliefert: Eine kolorierte Federzeichnung befindet sich in der Zentralbibliothek Zürich (Kartensammlung Zentralbibliothek Zürich, MK 2142), das daraus abgeleitete Ölgemälde wie erwähnt im Museum Herisau. Die beiden Wer-ke sind rund 220 cm lang und 60 cm hoch und geben detailgetreu das gesamte Grenzgebiet von Appenzell Ausserrhoden und der Alten Landschaft des Gotteshauses St.Gallen wieder. Sie basieren auf trigonometrischen Messungen im Gelände. Der Kartenmassstab beträgt etwa 1:12’000. Die Federzeichnung ist aus mindestens 16 kleinformatigen Einzelblättern sorgfältig zusammengesetzt und bildet wohl die Reinschrift von Gygers Geländeaufnah-men. Das Ölgemälde ist ein daraus weiterentwickeltes Produkt. Diese Vorgehensweise ist auch von anderen Werken Gygers bekannt.Die Karte im Museum Herisau trägt oben und unten in grossen Lettern die Aufschriften Der Usseren Roden dess Landts Appenzäll ein Theil und Dess Fürstlichen Gottshauses Sant Gallen Landtschafft

Ausschnitt aus der 1637/38 geschaffenen Karte von Gyger mit den weiss gestrichelten, umstrit­tenen Grenzverläufen im Norden von Herisau (Museum Herisau).

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ein Theil sowie die Wappen der beiden Staaten. Zwischen deren Territorien wird farblich unter-schieden: Das Gebiet der Fürstabtei ist in hellen Brauntönen gehalten, Appenzell Ausserrhoden in Grüntönen. Gemäss den Einträgen im Rechnungsbuch von Abt Pius wurde die Karte in den Jahren 1637/38 angefertigt, und nicht zwischen 1640 und 1666, wie nachträglich auf dem Werk notiert wurde. Diese allerdings recht gute Einschätzung brachte 1828 der Textilkaufmann und Kartograph Johann Ludwig Merz (1772–1851) an. Er hatte für seine Arbeiten zur Vermessung und Kartographierung des Appenzellerlandes Gygers Karte studiert.Bei Gygers Werk handelt es sich nicht um eine eigentliche Grenzkarte, sondern um mög-lichst exakt vermessene Grundrisse des Gebietes, die als Verhandlungsgrundlagen in einem Grenzstreit dienten. Auf der Federzeichnung markiert ein grober gelber Strich den Verlauf der Landesgrenze. Exakt als gestrichelte Linie eingezeichnet ist einzig der Abschnitt ganz im Osten zwischen dem Mattenbach und Wienacht. Auf diesem Teilstück sind auch acht Grenzsteine mit ihren Nummern eingetragen. Im strittigen Grenzabschnitt zwischen Zellersmüli und Sturzenegg bei Herisau ist nicht mehr erkennbar, ob ein oder zwei gelbe Striche eingezeichnet sind, der Erhaltungszustand der Karte ist zu schlecht. Auf dem Ölbild sind hier aber deutlich zwei weiss gestrichelte Linien erkennbar. Sie geben die unterschiedli-chen, von den beiden Staaten beanspruchten Grenzverläufe wieder. Die Anfertigung von Karten und Plänen wurde in dieser Zeit allgemein häufiger. Auch aus den Grenzgebieten oberhalb von Berneck (1645) und bei Wienacht (1683) sind im Stifts-archiv St.Gallen Planskizzen erhalten. Sie basieren allerdings nicht auf Vermessung und er-reichen nicht die Qualität von Gygers Werken.

Hintergrund – ein fünfzigjähriger GrenzstreitMit der Landteilung von 1597 entstanden aus dem eidgenössischen Ort Appenzell zwei ei-genständige Staatswesen. Das reformierte Land Appenzell der Usseren Rhoden (Appenzell Ausserrhoden) ging umgehend daran, seine Grenzen neu zu versichern. Was gegen die eid-genössische Gemeine Herrschaft Rheintal ohne Probleme ablief – hier wurden 1598 neue Marksteine gesetzt –, gestaltete sich gegen die Alte Landschaft des Gotteshauses St.Gallen schwieriger. Fünfzig Jahre stritten sich die beiden Staaten um den Grenzverlauf. Rekonstru-ieren lässt sich die Auseinandersetzung mittels Dokumenten aus dem Stiftsarchiv St.Gallen und dem Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden (StiASG, Rubr. 19, Fasz. 4; Bd. 262B, S. 131; Bd. 880, S. 92v, 93v, 94r; StAAR, Aa.15-2 Nr. 16, Aa. 16-1, Aa.32-3 Nr. 403, 404, 421, 431, 495, 537).Uneinig war man sich vor allem über den Verlauf der Herisauer Nordgrenze zwischen Zel-lersmüli und Sturzenegg. Hier galt noch immer ein Vertrag aus dem Jahr 1459. Mitte Au-gust 1636 trafen sich wieder einmal Delegationen mit den ranghöchsten Vertretern der Kontrahenten, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Die Zusammenkunft bewirkte aber offenbar, dass bei Kartograph Hans Conrad Gyger eine auf exakter Vermessung beruhende, detaillierte Karte des strittigen Gebiets in Auftrag gegeben wurde. In den Folgejahren entstand die hier vorgestellte, älteste Detailkarte für Teile des Appenzellerlandes.Gegen Ende 1645 schien eine Einigung im Grenzstreit endlich in Greifweite. Für die Neu-markierung des Abschnittes Zellersmüli – Sturzenegg wurden neun Grenzsteine aus hartem granitischem Sandstein zugehauen und deren Standorte in einem Verzeichnis auf-notiert. Es vergingen aber weitere sechseinhalb Jahre, bis der endgültige Grenzvertrag fest-stand. In dieser Zeit wurden auch noch Unstimmigkeiten im Gebiet der Vögelinsegg bei

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Speicher geklärt. Versichert wurde der bereinigte Grenzverlauf mit behauenen Steinen, in welche die Wappentiere (Bären) und die Namen (GOTTSHAVS SANCT GALLEN, DAS LAND APPENZELL DER VS RODEN) der beiden Staaten eingemeisselt waren. Insge-samt 17 neue Steine wurden bei Herisau und bei Speicher aufgestellt. Als rechtskräftiges Dokument hielt ein mit Siegeln beurkundetes Marchenlibell den Grenzverlauf sowie die Standorte und das Aussehen der Grenzsteine schriftlich fest.

Ein 1645 zugehauener und 1652 gesetzter Grenzstein aus hartem, granitischem Sand­stein. Er stand vermutlich im Gebiet Chalch­ofen bei Herisau (Museum Herisau).

Grenzen erkennen – Notwendigkeit im AlltagAus den schriftlichen Dokumenten zum Grenzstreit lassen sich auch interessante Er-kenntnisse über den damaligen Zustand der Landesgrenze und den Umgang der Leute mit ihr gewinnen. Ergiebig sind vor allem die Aussagen von Gewährsleuten, die im Vorfeld der Konferenz vom August 1636 von den beiden Parteien eingeholt worden waren.1636 bestanden einzelne der im nach wie vor rechtskräftigen Vertrag von 1459 genannten Grenzzeichen ganz einfach nicht mehr. So war im Gebiet der Wachtenegg vor längerer Zeit Wald gerodet worden, und niemand konnte sich erinnern, was mit den Grenzmarchen ge-schehen war. Nicht mehr existent war ferner die Waldung mit Namen Schluch; es gab in dieser Gegend nun die beiden Wälder Mauchlisholz und Kohlhalden sowie einen Hof na-mens Schluch. In Vorder Sturzenegg waren die im Grenzvertrag von 1459 als Punkte für den Grenzverlauf genannten Häuser und die Schmitte verschwunden. Die Gebäude, die jetzt in dieser Gegend standen, wurden gemäss einem Gewährsmann niemahls Sturzenegg, sondern underes Hölzlj geheissen. Auch in Hinter Sturzenegg waren mehrere der 1459 genann-ten Häuser abgegangen. Und von der zur Grenzmark gemachten und mit einem Kreuz versehenen Tanne stand einzig noch der Strunk. Die Bestimmung von Gebäuden und Bäu-men sowie die Nennung von Flurnamen hatten sich für eine langfristige Bezeichnung von Grenzen also als untauglich erwiesen. Die aufwendigere und kostspieligere Versetzung von Marksteinen hat weniger Nachteile.

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Bei dem an der Landesgrenze auf Herisauer Boden gelegenen Hof Schochenberg war das Eggfohrenwäldli, in dem eine Föhre als Grenzmarke diente, durch einen Sturm fast vollstän-dig umgelegt worden. Der Stock dieser Föhre existierte zwar noch, im Grenzvertrag von 1459 war dieser Baum jedoch gar nicht aufgeführt. Offenbar hatten die dort ansässigen Leu-te eine Föhre, die zur Abgrenzung von Liegenschaften diente, auch zur Landmark be-stimmt, um den Verlauf der Landesgrenze im Alltag erkennen zu können. Schliesslich gal-ten jenseits der Landesgrenze andere Gesetze. Aus diesem Grund hatten die Anwohner im nahe gelegenen Husfeld auch einen grossen Birnbaum zur Landmark erklärt. Es zeigt sich an diesen Beispielen zudem, dass man sich die Landesgrenze als scharfe Trennlinie und nicht etwa als Zone vorstellte.Aus den Aussagen der Gewährsleute wird weiter ersichtlich, dass die Landesgrenze gegen die Fürstabtei St.Gallen spätestens seit der Appenzeller Landteilung von 1597 zwei kulturell verschiedene Räume trennte (was auch für die neue Grenze zwischen Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden galt). Der Unterschied gründete in den unter-schiedlichen Staatsreligionen – der reformierten in Appenzell Ausserrhoden und der her-kömmlichen katholischen in der Fürstabtei St.Gallen und in Appenzell Innerrhoden.Der Hof Schochenberg verzeichnete im frühen 17. Jahrhundert wiederholt Jahre mit über-aus reichen Obsternten. Der Gutsbesitzer verkaufte dann einen Teil des gepressten Mostes. Von diesem Angebot machten auch Leute aus dem angrenzenden Fürstenland gerne Ge-brauch. Sie konsumierten das Getränk zum Teil direkt auf dem Schochenberg und brachten bei diesen Gelegenheiten mehrmals Spielleute mit. In solchen Fällen schritt der Hofbesitzer energisch ein und verwies die Leute hinter den schon erwähnten, als Landmark dienenden Birnbaum, damit sie sich auf Gottshausischem Boden vergnügten. Denn im reformierten Appenzell Ausserrhoden war das Tanzen verboten.Auch bei seiner täglichen Arbeit war der Besitzer des Hofes Schochenberg auf genaue Kennt nisse der Landesgrenze angewiesen. Einer seiner Äcker lag knapp zur Hälfte auf fürst-äbtischem Gebiet. An papistischen Feiertagen war ihm dort jegliches Arbeiten untersagt. Und die kirchlichen Feiertage wurden im katholischen Nachbarland nicht nur anders begangen, sondern man verwendete auch andere Kalender.An den unterschiedlichen Feiertagen und Kalendern waren die kulturellen Unterschiede zwischen reformierten und katholischen Ländern wohl am deutlichsten ablesbar. Eindrück-lich illustriert dies ein anderes Beispiel (StAAR, Missiven Aa.235–288, Aa.235–291). Am Nachmittag des Neujahrstages 1660 säumten einige Müller aus Urnäsch und aus Herisau Korn von der Stadt St.Gallen nach ihren Mühlen. In der Gegend von Winkeln beschlag-nahmten ihnen fürstäbtische Beamte einen Teil der Ladungen. Begründung: An kirchli-chen Feiertagen waren Warentransporte untersagt. Diese Regelung war damals an sich un-bestritten und galt auch in Appenzell Ausserrhoden. Nur fiel dort der Neujahrstag auf ein anderes Datum, weil ein anderes Kalendersystem Verwendung fand. Das Land Appenzell Ausserrhoden und die Stadt St.Gallen richteten sich nach dem julianischen, die Fürstabtei St.Gallen und das Land Appenzell Innerrhoden nach dem gregorianischen Kalender. Die beiden wichen damals um elf Tage voneinander ab. Die betroffenen Müller bewegten sich also in zwei verschiedenen Kalenderzonen. Sie starteten zu Hause an einem dezemberlichen Werktag, durchquerten dann bei Winkeln und Bruggen ausländisches Gebiet, in dem be-reits der Neujahrstag gefeiert wurde, kauften ihre Ware auf dem Markt in der reformierten Stadt St.Gallen am selben Werktag wie daheim ein und mussten ihre Fracht anschliessend

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bis zur Landesgrenze wiederum durch ‹feiertägliches› Gebiet transportieren – und dies auf einer Strecke von nicht einmal zehn Kilometern.Grenzen von Zeit- oder Kalenderzonen sind für die Reisenden direkt spürbar. Vorgegeben werden sie in unserem Kulturraum durch den Sonnenstand. Sie sind deshalb bis zu einem gewissen Grad natürliche Grenzen. Die möglichst exakte Berechnung eines Sonnenjahres gehörte lange zu den grossen Herausforderungen. Im Gebiet der heutigen Schweiz fanden im 17. und 18. Jahrhundert zwei Kalendersysteme nebeneinander Verwendung, nämlich das auf Julius Cäsar zurückgehende julianische in den reformierten und das exaktere gregoria-nische von 1582 in den katholischen Orten. Das julianische Jahr war im Vergleich zum astro-nomischen Jahr um elf Minuten 13 Sekunden zu lang, so dass der für die christliche Kirche wichtige Ostertermin immer weiter gegen den Sommer vorrückte. Papst Gregor ordnete deshalb im Februar 1582 eine Kalenderreform an. Die katholischen Staaten in Europa über-nahmen den neuen Kalender umgehend, die katholischen Orte und das Land Appenzell der Eidgenossenschaft 1584. Nach der Landteilung von 1597 kehrte der neu gebildete, refor-mierte Stand Appenzell Ausserrhoden in demonstrativer Weise wieder zum alten, juliani-schen Kalender zurück.

Literatur– Hans-Peter Höhener, Gyger [Geiger] Hans Conrad, in: Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 5,

Basel 2006, S. 846f.– Hans-Peter Höhener, Die Ostschweiz im Bild der frühen Kartenmacher, Murten 1994, S. 25–38.– Lorenz Hollenstein, Bernang. Die älteste Karte von Berneck aus dem Jahr 1645, Langnau am Albis

2008 (mit Faksimile).– Samuel Wyder, Grenz-, Zehnten- und Befestigungspläne des Zürcher Gebiets von Hans Conrad

Gyger (1599–1674), Murten 2006, S. 3–6, 32–35.

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«Meine Suche […] verlief äusserst erfolgreich: …»Zur Auffindung der ältesten Kalenderdrucke Vorarlbergs im Stiftsarchiv St.Gallen

norBert scHnetzer

Seit Bestehen der 1977 neu gegründeten Vorarlberger Landesbibliothek stellt die Buch-druckgeschichte Vorarlbergs im Bereich der landeskundlichen Aktivitäten ein wesentli-ches Forschungsgebiet dar. An die frühen Studien Dr. Erich Somwebers (Stadtarchiv Feldkirch), Prof. Emmerich Gmeiners (Stadtarchiv Bregenz) und Dr. Karl Heinz Burmeisters (Vorarlberger Landesarchiv) anschliessend, beschäftigten sich seitens der Bib-liothek deren erster Direktor, Dr. Eberhard Tiefenthaler, und der ehrenamtliche Mitarbeiter Prof. Erik Weltsch mit dem Werden und Wirken der in Vorarlberg tätigen Buch drucker und ihrer Werkstätten.Der unermüdlich forschende Erik Weltsch war es auch, der bereits 1999 den Anstoss für eine auf diesen Vorarbeiten aufbauende Ausstellung und Publikation zu den Anfängen des Buchdruckes im heutigen Vorarlberg gab, mit dem Ziel, die neuen Erkenntnisse einem grös-seren Publikum zugänglich zu machen. Zu der Zeit war gerade wieder ein bis dahin unbe-kannter Druck aus der Offizin des ersten Buchdruckers auf dem Gebiet des heutigen Vorarlberg, Bartholomäus Schnell des Älteren (um 1580–1649), entdeckt worden, der zehnte innerhalb von rund sieben Jahren.Als dieses Vorhaben im Laufe des Jahres 2003 endlich in Angriff genommen werden konn-te, war das «digitale Zeitalter» bereits in die Altbuchsammlungen der Bibliothekswelt vor-gedrungen. Die Recherche in den elektronischen Katalogen vor allem grosser Bibliotheken, die nun vielfach in gross angelegten Projekten zusehends auch ihre historischen Bestände online anboten, brachte ein alle Erwartungen übertreffendes Ergebnis. Innerhalb weniger Monate konnte allein der Kenntnisstand über die Druckerzeugnisse der ersten Vorarlberger Buchdruckerei im gräflichen Markt Hohenems wesentlich erweitert, die Anzahl belegter Druckwerke beinahe verdoppelt werden.Den grössten Zuwachs an bis dahin unbekannten Drucken aus der Hohenemser Offizin ergab die Suche im damals eben erst frei geschalteten Katalog der Stiftsbibliothek St.Gallen, der als «work in progress» über das St.Galler Bibliotheksnetz in den «Schweizer Virtuellen Katalog» eingegliedert worden war. In diesem Zusammenhang machte ich mich im April 2004 auf den Weg nach St.Gallen, um in der Stiftsbibliothek Einblick in jene zwölf Druck-werke zu nehmen, die infolge der nunmehrigen Recherchierbarkeit von Druckorten in den Bibliotheksbeständen ans Tageslicht gefördert wurden. Für diesen Tag war weiters eine kur-ze Besprechung mit dem stellvertretenden Stiftsarchivar Dr. Peter Erhart vereinbart. In die-ser Unterredung kamen wir auch auf mein Forschungsgebiet zu sprechen, und ich berichtete einerseits vom erfolgreichen Vordringen in die Tiefen bibliothekarischer Bestands-erschliessung und andererseits von der nach wie vor vergeblichen Suche nach frühen Exem-plaren des für das 17. Jahrhundert nur in den Quellen fassbaren Hohenemser Schreibkalen-ders, einem Schriftgut, dem es aufgrund seines ephemeren Charakters nur in vereinzelten Exemplaren vergönnt war, Jahrhunderte zu überdauern. Peter Erhart versprach, in den Nachlassbeständen der St.Galler Mönche nach erhalten geblie-benen Kalendern zu suchen. Bereits wenige Tage später erhielt ich ein höchst erfreuliches

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Mail. Seine Suche war «äusserst erfolgreich» verlaufen. In der sogenannten «Zürcher Abtei-lung» des Stiftsarchivs fanden sich neben anderen auch drei Kalender Vorarlberger Herkunft.

Kalenderdrucke1New- und Alter Schreib-Kalender mit der Practick, Jahrmärckten unnd Monatlicher Witterung, auff das Jahr […] 1668.Hohenems: Bartholomäus Schnell d. J., [1667].4°; [20] Bl.; A-D4, A4 [letzte Seite leer]; Tbl. r&s.; Ill. (Holzschn.), typographische Titelein-fassung – durchschossenes Exemplar

Einziges nachgewiesenes Exemplar eines im «Gräffliche[n] Marckt Embs» gedruckten Kalenders.

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Dieses im Nachlass des Konventualen P. Chrysostomus Stipplin (1609–1672) aufgefundene Exemplar des seit 1616 erzeugten «Emser Kalenders» ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Unikat. Über 50 Jahre haben Bartholomäus Schnell der Ältere und sein gleichnamiger Sohn mit der von den Hohenemser Grafen gepachteten Druckwerkstatt im gräflichen Marckhtfle-cken Embs neben zahlreichen Büchern auch Kalender gedruckt. Zehn Stück mussten sie laut Vertrag jedes Jahr gemeinsam mit dem Pachtzins an das Grafenhaus abliefern. Bis zu der geschilderten Entdeckung im Stiftsarchiv St.Gallen konnte kein einziges Exemplar aus die-ser Zeit nachgewiesen werden. Das bis dahin älteste bekannte Belegexemplar stammt aus dem Jahre 1714 – also fast hundert Jahre nach dem Erscheinen des ersten Kalenders – und wurde gar nicht mehr in Hohenems, sondern vom st.gallischen Stiftsbuchdrucker Jakob Müller in Salem erzeugt, allerdings mit den Drucktypen der Hohenemser Offizin.In der Regel waren die Hohenemser Schreibkalender ein Verbrauchsgut, das für Anmer-kungen jeglicher Art verwendet werden konnte und am Ende des Jahres oder bald danach entsorgt wurde. Nicht verkaufte Exemplare blieben ebenfalls nicht lange ungenutzt, da die Hohenemser Buchdrucker meist auch als Buchbinder tätig waren und sich die Überschuss-ware als Makulatur bestens für Bucheinbände verarbeiten liess. Das Erscheinungsbild der Kalender ähnelt den heute noch verwendeten Bauernkalendern. Jeder Monat wurde als eine eigene Seite in Tabellenform gedruckt. Die Spalten enthalten das Tagesdatum, das regierende Tagesgestirn, den Namen des Tagespatrons und astrologi-sche Prognosen, die sich auf Wetter, Gesundheit und Landwirtschaft beziehen und die Ängste und Erwartungen einer breiten Bevölkerungsschicht widerspiegeln. Während in den frühen Kalenderheften die Versoseite das Kalendarium enthielt und die Rectoseite für etwaige Notizen frei blieb, waren die Hohenemser Kalender – soweit bekannt – beidseitig bedruckt. Um dem Kalender dennoch die Funktion eines Schreibkalenders zu verleihen, wurden bei der Heftung unbedruckte Blätter zwischen die Kalenderblätter einge-bunden. Solche «durchschossenen» Exemplare nützten etwa St.Galler Mönche, um verschie-denste Informationen, teils auch tagebuchartig festzuhalten. So gelingt es den insgesamt 42 erhalten gebliebenen Kalendern des Stiftsarchivs, ein «kulturhistorisches Bild des Klosters» zu vermitteln, sie gewähren «Einblick in das Leben der Fürstäbte und Konventualen, in den Gottesdienst u[nd] Cultus des Stiftes, in die Schule, die Sitten u[nd] Gebräuche».

2New- und Alter Schreib-Kalender mit der Practick, Jahrmärckten unnd Monatlicher Witterung, auff das Jahr […] 1671.Bregenz: Bartholomäus Schnell d. J., [1670].4°; [20] Bl.; A-D4 [Verso des Titelblattes leer], A4 [letzte Seite leer]; Tbl. r&s.; Ill. (Holzschn.), typographische Titeleinfassung, Zierelemente – durchschossenes Exemplar

Bartholomäus Schnell der Jüngere (1620–1694), der nach seinem um 1658 zu datierenden Weggang aus Hohenems einige Schriften und Druckstöcke nach Bregenz entlehnt hatte, schloss im November 1669 erneut einen Pachtvertrag mit dem Hohenemser Grafen. Dieser ermöglichte ihm, dem Bürger und Buechtrueckher zu Bregentz, den «Emser Kalender» in Bregenz zu drucken. Auch in diesem Fall ist der aus dem Nachlass des Cellerars P. Magnus Egger (1632–1686) stammende Kalender des Stiftsarchivs das bisher einzige bekannte Exemplar.Neben dem Kalendarium enthielten die Schreibkalender auch einen als Practica betitelten An-

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hang, der astrologische Ratschläge und Vorhersagen für das kommende Jahr unterbreitete, die sich vorwiegend auf das Wetter, aber auch auf wirtschaftliche Belange bezogen. Die beiden in St.Gallen aufbewahrten Teütsche Astronomische und Astrologische Practica wurden laut Titelblatt vom Mathematiker und Astronomen David Tost (1558–1628), genannt Origanus, verfasst, der als Professor für Mathematik und griechische Sprache an der Universität Frankfurt/Oder wirkte. Allerdings ist Tost bereits 1628 in Frankfurt verstorben, weshalb die zwei Practica nicht als ein echtes Werk des Verfassers angesehen werden können. Möglicherweise hat sich hier Schnell des Namens dieses berühmten und ihm aus der väterlichen Druckerei vertrauten Ma-thematikers bedient, um seiner Practica den nötigen Glanz zu verleihen. Derartige Fälschun-gen waren kein Einzelfall, auch andere Drucker griffen auf Origanus’ Ephemeriden zurück, die dieser bis über die Mitte des 17. Jahrhunderts hinaus vorausberechnet hatte.Nachdem um 1679 die Zusammenarbeit zwischen Bartholomäus Schnell dem Jüngeren und dem Hohenemser Grafenhaus endete, trat eine längere Vakanz ein, in der die Hohen-emser Buchdruckerei im gräflichen Lusthaus deponiert war. Auch wenn sich Bartholomäus Schnell der Ältere 1627 beim Grafen beklagt hatte, dass er allain bej Kalender truckhen vnnd was dergleichen geringer sachen seindt, nit reicher, sondern nur ärmer werde, scheint der Kalender-druck zumindest in späteren Jahren doch ein Geschäft gewesen zu sein. Jedenfalls zeigten die Buchdrucker der näheren Umgebung ein reges Interesse am «Emser Kalender», wes-halb es vor allem gegen Ende des 17. Jahrhunderts immer wieder zu Streitigkeiten darüber kam, wer den mit dem Emser Wappen als Marken- und Qualitätszeichen ausgestatteten Kalender drucken durfte.1703 wurde die Hohenemsische Druckerei dem St.Galler Stiftsbuchdrucker Jakob Müller übergeben. Er besass nun das alleinige Recht, das Emser Wappen auf seinen Kalendern zu führen. Der Bregenzer Buchdrucker Nikolaus Schüssler (1663–1726) ignorierte jedoch die-se neuen Rechtsverhältnisse, was langwierige Streitigkeiten zur Folge hatte.Der Kampf um das alleinige Recht, das Emser Wappen auf den Kalendern abdrucken zu dürfen, führte offensichtlich dazu, dass Jakob Müller, nachdem er nachweislich von 1704 bis 1708 den «Emser Kalender» gedruckt hatte, 1711 kurzerhand einen Neüwen und Alten St. Gallischen Schreib-Calender für das Jahr 1712 auf den Markt brachte und für dessen Her-stellung die Holzstöcke und Lettern aus der Druckereiwerkstatt der Hohenemser Grafen verwendete. Die dem ebenfalls im Stiftsarchiv befindlichen Kalender beigebundene Practica zeigt auf der ersten Seite einen Holzschnitt, der knapp hundert Jahre zuvor von Bartholo-mäus Schnell dem Älteren für die Illustrierung des Titelblattes der sogenannten «Emser Chronik», ein «Meisterwerk der Buchdruckerkunst», das mehrfach als «das schönste je in Vorarlberg gedruckte Buch» bezeichnet wurde, verwendet worden war. Ein Steg-Ausbruch am rechten Rand verdeutlicht die Abnutzung des Holzstockes im Laufe der Jahrzehnte.Als im Toggenburger Krieg 1712 die stift-st.gallische Druckerei von den Berner Truppen als Kriegsbeute entführt wurde, verliess Müller St.Gallen und übernahm die seit einigen Jahren stillstehende Klosterdruckerei in Salem, wo er auch den «Emser Kalender» für das Jahr 1714 druckte.Der St.Galler Stadtbuchdrucker Bartholomäus Dieth pachtete im März 1723 die vakant gewordene Hohenemsische Druckerei und brachte für die Jahre 1724 bis 1726 den Embser Schreib-Calender heraus. Dieth war der letzte bekannte Pächter dieser Druckwerkstatt. Nach Ablauf der dreijährigen Lehenszeit im Frühjahr 1726 bat er das Grafenhaus, die Druckerei abholen zu lassen. Es dauerte allerdings bis zum 17. April 1730, ehe die Buchdruckerei der-

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mahlen in Rorschach und von heut über 8 Tag nacher Gayssauw abgeführet wurde. Das ist vorerst die letzte Nachricht, die von der Hohenemser Buchdruckerei gefunden werden konnte. Ihr weiteres Schicksal ist nicht bekannt.

3Neuer und Alter Schreib-Kalender, Mit einer wolgestelten Practick, Witterung, Bericht vom Aderlassen, Hauß- oder Bawren Reglen, vnd andern lustigen Sachen Mit sonderm Fleiß gestellt auff das Jahr […] M. DC. LXVII.Feldkirch: Johann Georg Barbisch, [1666].

Ältestes bekanntes Exemplar eines Vorarlberger Kalenderdruckes, gedruckt zu Feldkirch 1666.

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4°; [16] Bl.; A-D4 [Verso des Titelblattes leer], A4 [letzte Seite leer]; Tbl. r&s.; Ill. (Holzschn.), typographische Titeleinfassung, Zierelemente – durchschossenes Exemplar

Von ganz besonderer Bedeutung für die Buchdruckgeschichte der Stadt Feldkirch ist der dritte im heutigen Vorarlberg gedruckte Kalender, der sich ebenfalls im Nachlass des P.  Chrysostomus Stipplin, der als Professor an der Klosterschule wirkte, befindet. Lange Zeit galten eine vom Vogteiverwalter in Auftrag gegebene Verordnung über Preise und Löhne aus dem Jahr 1667 und die vom Jesuitenpater Guillaume Lamormain verfasste Lebens beschreibung Kaiser Ferdinands II. als älteste nachweisbare Drucke aus der Offizin des ersten Feldkircher Buchdruckers Johann Georg Barbisch (1641–1687).Der nun bekannt gewordene Kalender, der für das Jahr 1667 bestimmt war, macht deutlich, dass in Feldkirch bereits 1666 mit der Erzeugung von Druckschriften begonnen worden sein muss, da Kalender – auch dann, wenn das im Erscheinungsvermerk angeführte Druck-jahr mit dem Jahr der Gültigkeit des Kalenders übereinstimmt – allein aus wirtschaftlichen Überlegungen vor Beginn des Jahres, für das sie bestimmt waren, auf den Markt gebracht worden sind.

EpilogEs dürfte nachvollziehbar sein, dass die Freude gross war, als ich am 7. Juli 2004 das erste Mal Einsicht in die Kalendersammlung des Stiftsarchivs nehmen konnte. Nicht zuletzt deshalb möchte ich mich bei Dr. Peter Erhart für die Einladung bedanken, zu Ehren des scheiden-den St.Galler Stiftsarchivars Lorenz Hollenstein die für die Vorarlberger Druckgeschichte-forschung doch sehr wesentliche und für mich persönlich höchst erfreuliche Episode der Auffindung dreier unikaler Druckerzeugnisse kurz darstellen zu können. Sie bietet mir die Gelegenheit, dem geschätzten Stiftsarchiv St.Gallen für sein grosses «Geschenk» ein klei-nes Dankeschön zurückzugeben.

Literatur– freye khunst. Die Anfänge des Buchdrucks in Vorarlberg, hg. von Norbert Schnetzer, Graz/Feldkirch

2005.– Norbert Schnetzer, Zur Buchdruckgeschichte Feldkirchs im 17. und 18. Jahrhundert, in: Rheticus.

Vierteljahresschrift der Rheticus-Gesellschaft 30 (2008), 1, S. 53–138.– Harald Tersch, Schreibkalender und Schreibkultur. Zur Rezeptionsgeschichte eines frühen Massen-

mediums, Graz/Feldkirch 2008.

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Jost KircHgraBer

Und ich zu meinen verbrannten Büchern

Das Stiftsarchiv St.Gallen kam mir früher immer vor wie eine Höhle, worin geheimnisvolle Schätze verborgen schlummern. Wo niemand weiss, wie tief und wie verzweigt die Gänge sind, die zu ihnen hinführen. Am Eingang sitzt eine Türhüterin wie der Engel an der Himmelspforte. Ohne Zweifel sitzt sie immer da, Tag und Nacht. Und mit einem einzigen Blick misst sie ab, ob der Mann vom Lande, der endlich nach langem Suchen hierher herabgefunden hat, überhaupt würdig sei, eingelassen – nein: vorgelassen zu werden. Vorgelassen zum eigentlichen Schatzhüter, der plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, hinter ihr steht, den Eindringling streng und durchdringend fixiert, so dass dieser erschrickt, ins Stottern gerät und sein Anliegen schon vergessen hat, bevor er es hat vorbringen können. Beschämt stand man dann da, dem Schüler gleich, welcher, aufgerufen, das vorbereitete Gedicht aufzusagen, nicht einmal mehr die erste Zeile weiss.Nachdem Lorenz Hollenstein Stiftsarchivar geworden war, wurde es sogleich anders. Von Stunde an kam man gerne hin, schwitzte nicht mehr an den Händen, wenn man die Glastüre aufschob, die Türhüterin, die noch dieselbe war, aber irgendwie anders dreinsah, nicht mehr unsicher finster die Augen zur Seite drehte, ängstlich, ob ER wohl schon hinter ihr stehe, grüsste freundlich wie das Empfangsfräulein an der Hoteltheke. Und Herr Hollenstein eilte flugs zur Stelle, fragend, womit er dienen könne, sich entschuldigend, dass der Fensterplatz halt leider schon belegt sei und dass er dann von halb elf bis halb zwölf weg müsse, doch abends – offiziell sei das Archiv ja ab vier Uhr zu, selber aber sei er bis um fünf da – und, keine Frage, man könne dann ruhig so lange bleiben und arbeiten. Sass man über den Urkunden gebeugt, ging von Zeit zu Zeit die Türe auf, und Herr Hollenstein schaute herein, «alles in Ordnung?» fragend oder «brauchen Sie noch was? Was, Sie können ein Wort nicht entziffern? Zeigen Sie, aber – sonst fragen wir dann den Kaiser [Markus Kaiser, ehem. Mitarbeiter des Staatsarchivs St.Gallen, Anm. d. Red.], wissen Sie, der Kaiser, der weiss alles». Andere Male ergab es sich, dass Lorenz Hollenstein, kaum war man hereingetreten, förmlich herbeistürzte und noch im Laufen sagte: «Heute ist es leider nicht günstig, ich habe nämlich momentan vier Damoklesschwerter über mir, alles will bis morgen noch meinen Text, aber was führt Sie zu uns? Womit kann ich dienen? Schön, dass Sie da sind, jawohl, pensioniert müsste man sein, übrigens wie war es in Frankreich? Ja, das müssten Sie jetzt meiner Frau erzählen, sie kennt sich da sehr gut aus, im Gegensatz zu mir ...» Und schon kamen wir ins Plaudern vom Hundertsten ins Tausendste, vom Damassine über das Autofahren (was wir beide nicht machen) bis zum FC St.Gallen, und die vier Damoklesschwerter zu seinen Häupten verwandelten sich dabei zusehends in vier hübsche Geiglein, welche munter Erinnerungsmelodien herunterfiedelten, balladeske Anekdoten und Zukunftsmusiken, bis einer von uns unruhig wurde und sagte: «I glob i sött.» Er zu seinen Damoklesschwertern und ich zu meinen verbrannten Büchern.Denn die Landgerichtsprotokolle aus der Zeit von Fürstabt Gallus Alt, parallel dazu die entsprechenden Faszikel, versprachen diesbezüglich höchst Interessantes, wurden doch damals im Toggenburg ein paar obrigkeitsfeindliche Bücher öffentlich dem Feuer übergeben, und ich wollte herausfinden, was genau für Bücher das im Einzelnen waren. Ich wollte sie mir dann

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natürlich auch ansehen nach Möglichkeit. Kundschaften hatten die Obrigkeit auf die Spur gebracht, es seien da unter den widerspenstigen reformierten Toggenburgern gedruckte Sachen im Umlauf, deren Verfasser es selber verdienten, daß sye auff den Scheiterhauffen gelegt, und durch das feür, vom Leben zum Todt gerichtet würden. Weilen sye aber nit zue bekommen, und dannach kundtbar gemacht werden müeße, dass es ketzerische schmachbüöchlin, und im Land nit zue lässlich sigen, verhoffen die Ambtskleger, daß solche büöchlin durch den nachrichter auff offenem marckht in ds Feür gelegt, und zue äschen verbrendt werden sollen. (StiASG, Bd. 1478, S. 196ff. [1679], sowie Bd. 1479, S. 15–21 [1681]). In den Kundschaften, den Verhör- und gerichtlichen Verhandlungsprotokollen tauchen immer wieder dieselben Titel auf, insgesamt neun, alles Schriften wider den Katholizismus. Sie waren verboten, sie wurden behördlich eingezogen, es gab Hausdurchsuchungen, die mutmasslichen Inhaber wurden verhört, verurteilt und mit hohen Bussen belegt, kamen sogar in Haft – all das in einer Phase obrigkeitlicher Herrschaftsintensivierung im Namen dessen, was man seither Gegenreformation nennt (StiASG Rubr. 85, Fasz. 10).Und eben, mit drei von diesen Schriften – es waren dies die Glaubenswaage, der Schafhirte und das Perspectiv – kam es in Lichtensteig auf dem Markt zweimal zu einem offiziellen Verbrennungsakt, einem veritablen Auto da Fé (= Actus fidei), und zwar nach klassischem Muster im Zusehen vielen volcks, wie Alexander Bösch zu berichten weiss (Bösch, S. 39). Das erste Mal im Advent 1679, das zweite Mal im Sommer 1681. Warum aber verbrennen? Man hätte das missliebige Buch ja auch einstampfen, einschliessen, vergraben können, was auch immer. Das Verbrennen hat aber, denke ich, eine andere Vernichtungsqualität. Zunächst ist es ein chemischer Vorgang, was bedeutet, dass die Materie nicht zerkleinert, unzugänglich gemacht, sondern umgewandelt wird. Wenn man davon ausgeht, dass in einem Buch das Böse steckt, sitzt es in den Buchstaben, diese stehen auf dem Papier und bestehen aus Druckerschwärze. Restlos kann dieses Böse nur ausgetilgt werden, so die Materie, an die es sich hatte binden lassen, aufgehoben wird. Es geht um Reinigung. Reinigung durch Transmutation. Um das zu verstehen, ist es von heute aus vielleicht nötig, sich vor Augen zu halten, dass das Denken vor der grossen Wende hin zur Aufklärung ein anderes war als seither. Man dachte nicht in Strukturen oder nicht nur, sondern hauptsächlich nach Wahrnehmbarkeiten. Kausalzusammenhänge hatten sinnlich nachvollziehbar zu sein, ansonsten man sich eben mit Analogien aus der Sinneswelt behelfen musste. Dieses Denken, das sich erst seit dem 17. Jahrhundert zu wandeln begann, kann man als «mythisch» bezeichnen. Mythisch versus rational. Freilich, Rationalität gab es natürlich immer, sie wurde jedoch nicht streng geschieden von dem, was auf andere Weise als Erkenntnis wahrgenommen wurde. Wie ein am Himmel erscheinender Komet eine Rute Gottes sein konnte, will sagen ein warnendes Zeichen, weil er formal eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Rute aufweist, so ist dann beispielsweise der aufsteigende Rauch, wo ein Buch (oder ein Mensch) verbrannt wird, der sinnliche Ausdruck dessen, wie das Böse entweicht, Sühne, ein schwärzlicher Qualm. Anders gesagt: Der durch das Verbrennen beabsichtigte Zweck erfüllte sich angesichts dessen, was man dabei sah, hörte und wohl auch roch. Zum mythischen Denken gehört, dass ein Zeichen und das Bezeichnete optisch zusammenpassen, miteinander verwandt, ja letztlich sogar ein und dasselbe sind, «dass in der mythischen Welt die beiden Momente, das Dingmoment und das Bedeutungsmoment, unterschiedslos ineinander aufgehen.» (Cassirer, S. 33)Meine Aufenthalte im Stiftsarchiv führten schliesslich zu einem Artikel, den man auch als Aufsatz nachlesen kann. – Zutage gefördert werden kann aber so etwas nur, wenn das Archiv offen steht auch für den Laien, der solchen Dingen nachgehen möchte, wenn der

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Stiftsarchivar freundlich seine Dienste zur Verfügung stellt oder, um auf das Bild der Höhle zurückzukommen, eine Lampe bereit hält, damit man sich darin zurechtfinden kann. Lorenz Hollenstein hat das immer getan, ich möchte ihm danken und hier noch die neun expressis verbis verbotenen Schriften, die sich ausmachen liessen, als Liste anfügen. Die letzten drei Titel sind diejenigen, welche in Lichtensteig den Weg ins Feuer nehmen mussten:– Fluch ABC. Das ist: Christlicher/Theologischer Bericht von dem grausamen Fluchen und Gotteslästern.

Johann Conrad Finsler, Zürich 1679 (vorhanden in der Kantonsbibliothek Vadiana St.Gallen). – Menschenspiegel/Das ist: Von dem Menschen vor und nach dem Fall ... Von Michael Neander. Ge-

druckt bei Melchior Göpner und Christian Meißner, Zwickau 1651 (vorhanden in der Herzog August Biblio-thek Wolfenbüttel).

– Biblischer Lustgarten/Mit sonderlichem Fleiß zusammen gettragen/Und in Frag und Antwort gestellt ..., von Georg Kopp. Erfurt 1622 (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel).

– Waldenser Chronick. Das ist/Von dem Harkommen/Lehr und Leben/wie auch vielfaltigen Verfolgun-gen der Evangelischen Christen/Waldenser genannt. Getruckt/in dem 1655. Jahr (vorhanden in der Kan-tonsbibliothek Vadiana St.Gallen).

– Das Verlangen gläubiger Christen ...So in dem Büchlein/die Geistliche Wasser-Quell genannt/zu finden ... Von Andreas Gnügius. Gotha 1645 (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel).

– Böhmisches Martyr-Büchlein: Das ist/Historische erzehlung der verfolgungen/welche über die Böhmische Kirchen von dem anfang ihrer bekehrung zum Christenthum/das ist/ vom Jahr 894 biß auff 1632 ergangen. Georg Decker, Basel 1650 (vorhanden in der Zentralbibliothek Zürich).

– Ein anderes Märtyrerbuch ist im Museum in Lichtensteig vorhanden. Ich zweifle aber noch, welches das einschlägige gewesen ist. Märtyrbuch: Denckwürdige Reden und Thaten viler H.Märtyrer. Aus dem Französischen übersetzt. Herborn 1641 (vorhanden im Toggenburger Museum Lichtensteig, auch in der Kantonsbibliothek Vadiana St.Gallen).

– Ein sehr lustiges Perspectiv, durch welches man in der gantzen Welt herum sehen kann. Das ist: Eine Beschreibung der namhafften Thaten deß allergrösten Monarchen dieser Welt; deß leidigen Satans ... und was er für grausame Thaten in den Geistlichen Päpstischen Ständen hat können vollbringen ... an Tag gegeben Durch Leonhard Pedolin von Splügen aus Pünten. Gedrukt im Jahr 1673 (vorhanden schweizweit nur in der Kantonsbibliothek Chur sowie in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel).

– Einfältige/Bäwrische doch läß: und denckwürdige Gespräch/Eines Dorfpfaffen/Schafhirten/seines Meisters des Bawren/und der Bäwrin seiner Haußfrawen ... auß dem Frantzösischen verteutschet/und in Truck gegeben. Georg Decker, Basel 1641 (in dieser in den St.Galler Akten ausdrücklich erwähnten Ausgabe in der Schweiz nirgends auffind-bar, sondern lediglich in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, eine andere Ausgabe findet sich in der Zentral-bibliothek Zürich).

– Glaubens-Wage/Nach der Richtschnur des H. Worts Gottes gerichtet/mit welcher die wahre Evangeli-sche Religion gegen der widerwärtigen Bäpstlichen gehalten ... Von Stephan Gabriel. Gedruckt im Jahr Chris-ti 1668 (vorhanden in der Zentralbibliothek Zürich).

Literatur– Paul Bösch, Toggenburgische Kirchensachen des 17. Jahrhunderts. Sonderdruck aus «Zwingliana», Bd.

7, 1941, Heft 5.– Ernst Cassirer, Die Welt der symbolischen Formen, Bd. 2: Das mythische Denken, Berlin 1925.– Jost Kirchgraber, Wider die falschen Ideen, in: NZZ vom 10./11. August 2008.– Jost Kirchgraber, Böse Bücher: im Toggenburg öffentlich verbrannt, in: Toggenburger Jahrbuch

2009, S. 27–36.

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Le fonti archivistiche relative a Celestino Sfondrati (1644–1696), abate di St.Gallen e Cardinale

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Celestino (Luigi) Sfondrati fu l’unico italia-no a rivestire la carica di abate di St.Gallen. Nacque a Milano il 10 gennaio 1644 da no-bile famiglia. Il padre, marchese Valeriano, era Commissario generale dell’armata spa-gnola; tra i suoi antenati figurano i cardinali Francesco (1493–1550), Niccolò (1535–1591), poi eletto papa con il nome di Grego-rio XIV, e Paolo Camillo Sfondrati (1560–1618). All’età di 12 anni Celestino fu accol-to nella scuola tenuta dai monaci di St.Gal-len a Rorschach. Il 3 ottobre 1658 entrò nella scuola dei novizi a St.Gallen. Professo il 7 maggio 1660, suddiacono il 19 settem-bre 1665, diacono il 24 settembre 1667, rice-vette l’ordinazione sacerdotale il 26 maggio 1668. Nel 1667 era stato nominato profes-sore di teologia presso l’abbazia di Kemp-ten. Il 31 dicembre 1669 fu incaricato dell’insegnamento della filosofia a St.Gallen e dal 15 gennaio 1671 ottenne il lettorato di

teologia. Anche dopo la nomina a maestro dei novizi, il 20 luglio 1675, non abbandonò l’in-segnamento. L’8 luglio 1678 entrò nell’ufficialato del monastero e il 18 ottobre dello stesso anno divenne lettore di diritto canonico. Per completare la sua formazione, il 12 ottobre 1679 fu inviato dall’abate Gallus Alt a Salisburgo, dove conseguì la laurea in teologia e in utroque iure e fu presto incaricato dell’insegnamento del diritto canonico. In questa città compose il De lege in praesumptione fundata, sui pericoli del probabilismo, e avviò la redazione del Regale Sacerdotium, il primo dei suoi scritti contro il gallicanismo. Il 15 gennaio 1683 fu richiamato dall’abate Alt a St.Gallen e il 3 marzo fu nominato confessore del monastero di St.  Wiborada a St. Georgen. Pochi mesi dopo, il 14 giugno, fu inviato a Rorschach per curare la vicina cap-pellania di Untereggen. Il 30 ottobre 1686 fu nominato vescovo di Novara, dignità alla quale rinunciò in seguito all’elezione ad abate di St.Gallen, il 17 marzo 1687. Creato cardinale di S. Cecilia nel concistoro del 12 dicembre 1695, si dimise dalla carica abbaziale il 10 gennaio 1696. Due giorni più tardi si mise in viaggio verso Roma, dove prese possesso della sede car-dinalizia il 20 febbraio. Morì di cancro il 4 settembre dello stesso anno. Al consolidamento spirituale e politico dell’abbazia benedettina si era dedicato con tanta passione e sincero attac-camento, da disporre che il suo cuore fosse riportato a St.Gallen, per essere sepolto nella chie-sa abbaziale.

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Lo Stiftsarchiv di St.Gallen conserva numerose fonti relative alla vita e all’attività di governo di Sfondrati, divisi nelle tre sezioni (Urkunden-, Akten- e Bücherarchiv) che costituiscono l’archivio stesso. Di tali documenti si è tentato un primo censimento, in attesa di un più ampio studio sulla figura dell’abate italiano che prenda in esame anche l’importantissima produzione letteraria, ricca di scritti di teologia, filosofia e diritto canonico, nonché di discor-si pronunciati in varie occasioni e in parte dati alle stampe.

Fonti relative alla vita di Celestino SfondratiLe «Vite» e gli «Elogi» composti in latino, in italiano e in tedesco da monaci e ufficiali dell’abbazia di St.Gallen, che conobbero direttamente Celestino Sfondrati o che si avvalsero per i loro scritti delle testimonianze di contemporanei, si concentrano sugli aspetti più edifi-canti della vita dell’abate e soprattutto sulla pazienza con la quale egli affrontò le sofferenze della malattia, tanto da suscitare intorno a sé, fra i membri più illustri della Curia come tra i popolani romani, una fama di santità. Lo stesso intento edificante si ritrova in alcuni degli studi a lui dedicati nel corso del XIX secolo. Un altro filone di scritti, che fa capo alla Vita composta dal conventuale Deicola da Ligerz, fornisce anche un primo elenco delle opere composte da Sfondrati nei diversi campi. In effetti, a rendere eccezionale la figura di questo abate, sono proprio la vastità della cultura e la fervida attività letteraria. Gli scritti polemici in risposta agli attacchi mossi dalla Chiesa di Francia contro i diritti della Santa Sede suscitaro-no la stima dei pontefici Innocenzo XI, che nominò Sfondrati vescovo di Novara, e Inno-cenzo XII, che gli conferì la porpora cardinalizia. Uno studio filologico delle diverse redazio-ni delle «Vite» consentirebbe di coglierne le eventuali relazioni di dipendenza e di individua-re il ramo della tradizione basato sulle notizie più obiettive e criticamente controllate, pre-scindendo dagli episodi di sapore volutamente edificante. A conferma o rettifica di quanto narrato nelle «Vite» risultano poi essenziali gli atti e docu-menti, la cui produzione era consueta nel corso di ciascun abbaziato (es. atti di nomina, atti relativi alla cerimonia di omaggio feudale, visite pastorali, resoconti di viaggi ufficiali, relazio-ni sulla partecipazione ad assemblee di carattere politico, relazioni con le corti europee, ecc.), oltre ad alcune fonti cui di seguito si accenna brevemente.

Fonti relative all’abbaziato di Celestino Sfondrati: A) Le lettere Le lettere ricevute da Celestino Sfondrati nel novennio della sua carica (1687–1696) occupa-no undici volumi (B 243–253) del cosiddetto «Bücherarchiv». I volumi B 241 e B 242 con-tengono invece le minute delle lettere inviate da Celestino Sfondrati a laici (B 241) ed eccle-siastici (B 242) tra il 1687 e il 1695. Le lettere sono scritte per lo più in italiano e in latino, ma anche in francese e in tedesco. Già ad una prima lettura del ricchissimo carteggio emerge la vastità dei contatti intrattenuti da Sfondrati con agenti e corrispondenti dalle principali corti europee, che lo tenevano informato sugli avvenimenti politici e militari correnti, con ambasciatori desiderosi di consigli o solleci-tanti la sua mediazione in qualche difficile contingenza, nonché con principi e cardinali entu-siasti ammiratori dei suoi scritti. Si ricordi che l’abate di St.Gallen era capo spirituale e tempo-rale di un principato che comprendeva numerosi territori pervenuti all’abbazia per via di dona-zione o acquisto sin dall’epoca della sua fondazione, nella prima metà dell’VIII secolo. Si consideri a titolo di esempio l’elenco dei mittenti relativo al primo volume di lettere: è possibile stabilire una divisione in due gruppi, a seconda che si tratti di persone legate a Sfon-

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drati da vincoli di parentela e di amicizia o da interessi culturali (es. il conte e la contessa della Riviera; Agata d’Este; il granduca di Toscana, Cosimo III de’ Medici), o di alte perso-nalità che a lui si rivolgevano come principe-abate di St.Gallen. Una divisione delle lettere in base agli argomenti trattati dovrebbe basarsi sulle seguenti voci: relazioni con la corte roma-na; politica estera – lettere da corrispondenti presso le corti europee; politica estera – lettere relative alla confederazione elvetica; lettere di familiari e amici relative alle opere composte da Sfondrati; lettere di familiari e amici relative ad altri argomenti, pur avvertendo che molte lettere rientrano per il contenuto sotto più di una voce. Un esempio è costituito dalle note che Francesco Antonio Firmiani, agente dell’abbazia a Roma, inviava settimanalmente per informare l’abate sullo stato degli affari affidatigli e sugli avvenimenti alla corte papale (es., stato di salute del pontefice, relazioni con la Francia, nomine di cardinali, feste, lutti, ecc.). Firmiani non manca mai di riferire i giudizi espressi dai membri della corte sugli scritti di Sfondrati: tra i più entusiasti lettori deve essere citato monsignor Lorenzo Casoni, segretario della cifra e fidato consigliere di Innocenzo XI, impegnato al pari di Sfondrati nella lotta contro le pretese gallicane. Un gruppo cospicuo di lettere del primo volume è costituito dalle informative inviate dall’ambasciatore spagnolo in Svizzera, conte Carlo Casati, sulla spinosa questione dell’espulsione dei protestanti dalla Valtellina, territorio all’epoca compre-so nei Grigioni. Con toni spesso vivaci l’ambasciatore descrive i suoi frequenti scontri con i membri della famiglia Salis, assai influente a Coira, sede dell’ambasciata. Non mancano let-tere di donne, quasi tutte autografe, ad eccezione dei biglietti di auguri inviati in varie occa-sioni a Sfondrati dalla moglie dell’ambasciatore Casati. Le lettere della contessa della Riviera, cognata di Sfondrati, ci forniscono informazioni utili sulla pubblicazione delle opere di quest’ultimo e sulla loro distribuzione ai lettori, curata personalmente dalla contessa. E’ da notare che ad essere toccata nelle lettere è sempre la sfera temporale. Manca qualsiasi accenno a questioni relative alla cura d’anime. Ciò può sorprendere, se si pensa che Sfondra-ti preparava intanto il sinodo che si sarebbe riunito a Rorschach nel maggio 1690, o si dedi-cava con zelo al soccorso dei poveri, minacciati a più riprese dalla carestia nel corso degli anni 1689–1694. Anche restando nella sfera temporale, risulta subito evidente come gli affari trat-tati si limitino alla politica estera. Gli stessi rapporti con i confederati svizzeri interessano solo in quanto si inseriscono nel quadro più ampio delle vicende politiche europee: non vi è cen-no allo stato dei territori abbaziali, né vi sono dispacci degli ufficiali incaricati di amministrar-li. Non è chiaro se questo sia dipeso dalla scelta consapevole di riunire insieme le lettere re-lative alla politica estera e di ripartire tutte le altre entro le categorie del titolario in uso nell’archivio abbaziale. Un’ipotesi da dimostrare è che le lettere facessero parte dell’archivio personale dell’abate e che questi le abbia portate con sé in Italia, da dove padre Hermann Schenck, suo fidato segretario, le avrebbe riportate a St.Gallen insieme ad altri documenti prodotti a Roma. L’esistenza di un archivio personale di Sfondrati é suggerita dall’esame del volume C 360 del Bücherarchiv, una miscellanea che raccoglie documenti relativi all’elezio-ne di Sfondrati ad abate, alla sua nomina a cardinale, al viaggio e al soggiorno a Roma, al decorso della malattia che lo portò alla morte e alle pratiche sbrigate da padre Schenck in quella città prima del ritorno in Svizzera. Nella miscellanea sono confluite anche altre lettere risalenti al periodo 1687–1696, che per l’argomento potevano essere incluse nel carteggio e che ne sarebbero state escluse per una svista al momento della rilegatura in volume, avvenu-ta a St.Gallen dopo la morte di Sfondrati. Altro materiale miscellaneo riferito allo stesso periodo è riunito nei volumi XVII e XVIII degli Acta Monasterii Sancti Galli.

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Non è superfluo sottolineare come l’esame delle lettere, se consente di apprezzarne il valore di fonti per l’indagine storiografica, in quanto espressione diretta delle opinioni e dei giudizi dei relativi autori, ne evidenzia al tempo stesso la difficoltà di utilizzazione. Trattandosi di risposte ad altre lettere o di note scritte in riferimento a fatti già noti al mittente e al destina-tario, molti particolari sono spesso sottintesi e l’identità dei personaggi citati non é immedia-tamente chiara. Pertanto, un’edizione critica dell’intero carteggio dovrebbe necessariamente essere condotta con un paziente lavoro di ricostruzione delle vicende politiche e diplomati-che e delle più importanti dispute teologiche e letterarie coeve.

Fonti relative all’abbaziato di Celestino Sfondrati: B) Il DiarioCon una prospettiva inversa rispetto a quella che emerge dalle lettere, prevalgono in questo Diario le questioni di politica interna e quelle relative all’attività pastorale dell’abate. Stupisce che un singolo volume sia bastato a coprire l’intero novennio di abbaziato, se si pensa che il diario dell’abate Gallus Alt, predecessore di Sfondrati, occupa quattro grossi volumi. La dif-ferenza può spiegarsi solo in parte con il fatto che Alt governò molto più a lungo di Sfondra-ti. In base ad un primo esame, sembra possibile affermare che l’attuale Diario non sia un au-tografo, ma una copia ridotta, basata sulle note redatte giorno per giorno da Sfondrati o dal suo segretario. Ad avvalorare quest’ipotesi è il confronto con alcuni quinterni rilegati all’in-terno del già citato vol. 360 del Bücherarchiv, che per formato e per contenuto sembrano appartenere ad una diversa e più completa redazione del diario. Anche nel caso del Diario è necessario ricercare un complemento in altre fonti, che aiutano a spiegare i fatti ivi narrati: si pensi, in particolare, ai libri di entrate e uscite redatti negli anni di governo di Sfondrati e al volume del Chronicum Monasterii Sancti Galli relativo allo stesso periodo.

ConclusioniDa quanto su accennato, emerge l’importanza che le fonti su descritte potrebbero rivestire per gli studi di storia della Chiesa cattolica e, in generale, di storia politica e culturale europea del XVII secolo, in quanto riguardano l’attività di colui che non solo era abate di St.Gallen e principe dell’Impero, ma anche uno dei più fervidi ingegni del suo tempo. Di fronte al voluminoso carteggio, ad esempio, ci si chiede se il numero e la qualità delle relazioni intrat-tenute da Sfondrati siano stati pari a quelli degli abati suoi predecessori e successori, o se egli abbia goduto di rapporti privilegiati con le corti di tutta Europa in virtù del suo acume e della sua cultura, della discendenza da una nobile e influente famiglia, dell’origine italiana. Solo una ricerca basata sullo spoglio dei documenti esistenti nello Stiftsarchiv e sull’analisi del contesto storico-istituzionale che ne vide la produzione potrebbe dare nuova luce a que-sta figura di politico e letterato non ancora sufficientemente nota e apprezzata.

L’articolo è tratto, con alcune necessarie correzioni, da una versione più ampia comparsa nel Supplemento 1 (2003) di

«Kronos», periodico del Dipartimento Beni, Arti, Storia dell’Università degli Studi di Lecce (ora Università del Salento)

– Italia. Si tratta del risultato di un praticantato svolto nel periodo 15 aprile–15 luglio e 15 ottobre–15 dicembre 2002

presso lo Stiftsarchiv. Il dott. Lorenz Hollenstein era da poco succeduto al dott. Werner Vogler nella direzione dell’Ar-

chivio: la sua cordialità e disponibilità, insieme a quella di tutto il personale dell’Archivio, hanno contribuito a fare del

praticantato un’esperienza professionale e umana preziosissima e davvero indimenticabile per l’Autrice.

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A prandio ad coenam – «Speisen auf Reisen» in Pater Hermann Schenks Tagebuch von Coelestin Sfondratis Romreise (1696)

clemens und Helena müller

Im Dezember 1695 war der Fürstabt Coelestin Sfondrati im Alter von 51 Jahren von Papst Innozenz XII. zum Kardinal ernannt worden. Er legte sein St.Galler Amt nieder, organisier-te die Wahl seines Nachfolgers und begab sich im Januar 1696 auf den Weg nach Rom, begleitet von einer kleinen Gruppe von St.Galler Klosterangehörigen, unter ihnen Pater Hermann Schenk.Pater Hermann (1653–1706) war in Konstanz als Christoph Schenk zur Welt gekommen und 1668 als Fünfzehnjähriger ins Kloster St.Gallen eingetreten, wo er 1677 die Priester-weihe empfing. Im Laufe der Zeit versah der hochgebildete und sprachbegabte Schenk, der nebst seiner Muttersprache des Lateinischen, Griechischen, Hebräischen, Spanischen, Fran-zösischen und Italienischen mächtig war, eine Vielzahl von Ämtern, so zum Beispiel das des Klosterbibliothekars – er war einer der ersten Stiftsbibliothekare, der auch wissenschaftlich tätig war –, eines Lehrers und Paedagogus. 1687 wurde er von Abt Coelestin zu seinem per-sönlichen Sekretär ernannt. Auf der Romreise stand er seinem ehemaligen Abt bis zu dessen baldigem Tod am 4. September 1696 als nächster Vertrauter zur Seite. Nach seiner Rück-kehr nach St.Gallen verfasste er ein Elogium et Itinerarium Ex S. Gallo Romam Eminentissimi et Reverendissimi S.R.E. Cardinalis Caelestini Sfondrati, das er als monimentum gratitudinis ... Parenti Optimo, Patri pientissimo verstanden haben wollte, wie es in der Subskription der im Heft Rubr. 29, Fasz. 8 des Stiftsarchivs St.Gallen überlieferten Version heisst – ein Text, der schon lange das Interesse des scheidenden Stiftsarchivars geweckt hat.Schenks bei näherem Zusehen recht komplexer Text folgt, ohne den verehrten Abt zum Heiligen stilisieren zu wollen, der klassischen Struktur der Hagiographie: vita – mors – mira-cula. Der erste Teil liefert eine Lebensbeschreibung Coelestins bis hin zu seiner Berufung zum Kardinal und seiner Abreise von St.Gallen (a1–a10). Es folgt das lückenlose Tagebuch der Reise, die am 12. Januar im Kloster begann und am 9. Februar in Rom endete (a10–c2). Das Rom-Tagebuch verzeichnet zunächst die Amtshandlungen des neuen Kardinals; dann wandelt es sich aber zunehmend zu einem Krankenbericht und schildert schliesslich Tod und Begräbnis von Coelestin aus nächster Nähe (c2–e12). Diesem Teil sind der Entwurf des Testaments, das der Kardinal Pater Hermann Schenk diktiert hatte (d4–d7), sowie der Ob-duktionsbericht (e6–e9) eingefügt. Immer wieder erweckt der Bericht den Eindruck einer Rechenschaftsablegung des Autors, einerseits in Bezug auf die Zweckmässigkeit der medi-zinischen Behandlung, andererseits auf die Berücksichtigung der Interessen des Klosters nach dem Tod des Kardinals. Im Anschluss an die Schilderung des Gerangels um den Nachlass des Verstorbenen, dessen Kleider und insbesondere Busshemden als Reliquien heiss begehrt waren, bringt Schenk zuletzt, an Stelle der miracula, eine Darstellung des vor-bildlich religiös-asketischen Lebens von Coelestin (e12–e16).Für das Folgende soll uns jedoch nur der Reisebericht beschäftigen. Die Gesellschaft bewäl-tigte die gut 900 km von St.Gallen nach Rom in 29 Tagen. Der Weg führte über die Etap-pen Rorschach – Feldkirch – Balzers – Chur – Thusis – Splügen – Campodolcino – Nord-ende des Comersees (palatium D. Giani, in Novate Mezzola?) – Bellagio – Asso – Sesto (in

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paterno palatio Sesti; Sesto San Giovanni?) – Mailand – Lodi – Pontenure (Piacenza) – Parma – Modena – Bologna – Loiano – Scarperia – Florenz – Poggibonsi – Buonconvento – Radicofani – Bolsena – Ronciglione – Rom. Nur an drei Stationen, in Chur, Sesto und Florenz, legte die Reisegruppe einen Ruhetag ein.

12. Januar: St.Gallen – Rorschach

13. Januar: Feldkirch

14. Januar: Balzers

15./16. Januar: Chur

17. Januar: Thusis

18. Januar: Splügen

19. Januar: Campodolcino

20. Januar: Comersee (Novate Mezzola ?)

21. Januar: Bellagio

22. Januar: Asso

23./24. Januar: Sesto San Giovanni (?)

25. Januar: Mailand

26. Januar: Lodi

27. Januar: Pontenure (Piacenza)

28. Januar: Parma

29. Januar: Modena

30. Januar: Bologna

31. Januar: Loiano

1. Februar: Scarperia

2./3. Februar: Florenz

4. Februar: Poggibonsi

5. Februar: Buonconvento

6. Februar: Radicofani

7. Februar: Bolsena

8. Februar: Ronciglione

9. Februar: Rom

Itinerar mit Tagesetappen.

Schenk begnügte sich keineswegs mit der detaillierten Aufzeichnung der Etappen und der Schilderung der objektiven Umstände der Reise wie z.B. der Transportmittel (Pferd, Sänfte, Schlitten, Schiff, Kutsche), der wiederholten akustischen Ehrenbezeigungen durch Glo-ckengeläut, Böller- und Gewehrschüsse der lokalen geistlichen und weltlichen Honoratio-ren, von denen der Kardinal empfangen wurde. Obwohl der Autor von sich selbst mit weni-

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gen Ausnahmen in der dritten Person spricht, verzeichnet er immer wieder ganz persönliche Erlebnisse, Begegnungen, Beobachtungen und Gespräche, die bisweilen in direkter Rede wiedergegeben sind. Und immer wieder fällt auch das Interesse auf, das er dem Essen und Trinken unterwegs schenkt.Die Hauptmahlzeiten dienen Schenk generell zur Strukturierung seiner Einträge im Itine-rar, insbesondere das Mittagessen, prandium, das an 24 der insgesamt 29 Reisetage erwähnt wird – natürlich immer mit der Angabe, in welcher Ortschaft es eingenommen wurde. Das Abendessen, die coena, wird nur siebenmal erwähnt, und zwar meistens dann, wenn sich das Essen vom Üblichen abhob.Am 13. Januar in Feldkirch bringen z.B. einige lokale Ratsherren 26 Kannen Wein (a14: vini cantharos XXVI); am 15. Januar ist das Mahl, das die Reisegesellschaft in Chur erwartet, ei-nes Königs würdig (b1: convivium ... plane oppiparum et regium). Am nächsten Tag wird eben-falls in Chur von den reformierten Ratsherren kräftig auf die Gesundheit des Papstes angestossen (b3: Observatione dignum fuit, quod Consules, summa animi expressione, in sanitatem summi PP. biberint). Beim Mittagessen im Splügenhospiz am 19. Januar ist ein Käsekuchen erwähnenswert (b4: offa caseata). Am 22. Januar werden der Reisegruppe von einem Bewun-derer des Kardinals erstmals jene Räucherwürste (b8: fumo duratas lucanicas) geschenkt, wel-che uns später, ganz offenbar als einheimische Spezialität, noch mehrfach begegnen werden. Am 23. Januar werden die Reisenden in einer Kartäuserpropstei auf dem Weg zwischen Asso und Sesto reichlich mit Fleisch- und Fischgerichten bewirtet – offenbar eine erfreuli-che Ausnahme vom gewohnten Speiseplan.Den kulinarischen Tiefpunkt der Reise finden wir im Tagebucheintrag vom 27. Januar do-kumentiert: Die Reisenden finden die Herberge in Pontenure bei Piacenza verwaist vor; kein Essen ist im Haus, nur eine einzige Kerze, und die Betten sind schmutzig.

(b11) Eminentissimo vix tantum lactis nostra pecunia in pago comparari potuit, unde offa coqueretur. Comites itineris vix demum de­cem ova dura, et parum acetarii comportar­unt, vinum flascones Marignani et Casali­Pusterlengae impleti propinarunt.

Kaum konnten wir für Hochwürden auf eigene Rechnung genug Milch kaufen, um einen Pfann-kuchen zuzubereiten. Die Reisegefährten trugen schliesslich mit Müh und Not zehn harte Eier und ein bisschen Salat zusammen; den Wein lie-ferten die in Marignano und Casalpusterlengo gefüllten Flaschen.

Schon zwei Tage später aber, am 29. Januar, wendet sich das Blatt, und die Gesellschaft findet sich in Modena einem Mahl gegenüber, dessen Reichhaltigkeit Schenk zur detailgetreuen Schilderung stimuliert:

(b13f.) Hospitium, cui Madonnina nomen, ingressus Eminentissimus statim ad portam ex palatio Ducis Mutinensis habuit duobus cubiculis exornandis necessarium supellecti­lem; unum tapetibus rubris damascenis, quas

Kaum hatte seine Hochwürden die Herberge mit dem Namen Madonnina betreten, wurde aus dem Palast des Fürsten von Modena die nötige Ausstattung angeliefert, um zwei Gemächer aus-zustaffieren. Das eine war mit roten Damasze-

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aurei flores consperserant cum eleganti lecto ornatum fuit; alterum ubi coenatum, virides tapetes flavis taeniis intercepti vestierant; in­terea Aulicus tenuitatem ornatus excusavit, quod pretiosiora ornamenta exornando templo Cathedrali, et Ducis palatio suspensa sint in nuptias Ducis cum Principe Hanovi­ensi [Hs. 360, S. 510 cum Principissa de Hannover] 4.to Februarii celebrandas. Interea oblonga tabula holoserico panno obducta mu­nere Ducis instruitur; onerabant mensam oc­todecim praegrandes patinae argenteae, in quibus sequentia:1. Radices foeniculi. 2. flores cardui sativi. 3. Casei oblongi Florentini. 4. Casei nobiles in praegrandium pirorum formam efficti. 5. Giovolata. [Hs. 360, S. 530 Giocolatti] 6. Decumanae Lucanicae fumo siccatae. 7. Lu­canicae Parmenses nobiles. 8. Alia species Lu­canicarum Florentinarum. 9. Asparagi albi recentes. 10. Poma praegrandia Citrea. 11. Poma Orangica Lusitanica. 12. Amygdalae saccaro obductae. 13. Condimenta saccari cistulis depictis inclusa. 14. Varii fructus sac­caro incrustati. 15. Turdi, variaeque aves. 16. Radices Trivoli. 17. Vitulus integer. 18. Varii fructus.Item duae cistae oblongae pretioso vino albo, rubroque plenae, quod 18 flascones vitrei, quorum quilibet duas mensuras germanicas capiebat, propinabant. Denique pertica ob­longa, ex qua 18 paria tum vivorum pullo­rum, tum caponum pendebant. Haec munera illuminabant octo argentea candelabra, inter lances argenteas sparsa, candelis ex alba cera instructa. Mensam circumdabant aliquot fa­muli ex aula Ducis, manibus albas faces prae­ferentes. Admisit Eminentissimus munera, et facta comitibus libertate sumendi, quod ma­xime luberet, reliqua Mutinensis oppidi Mendicantibus Religiosis dimisit.

nerbehängen, über und über mit goldenen Blumen bestickt, und mit einem eleganten Bett ausgestattet; das Speisezimmer kleideten grüne, mit gelben Streifen durchwirkte Wandteppiche aus. Indessen entschuldigte sich der Höfling für die Einfachheit der Ausstattung, da die wertvollere Garnitur we-gen der Hochzeit des Fürsten mit der Prinzessin von Hannover, welche am 4. Februar gefeiert wer-de, zum Schmuck der Kathedrale und im Fürsten-palast angebracht worden sei. Inzwischen wurde im Auftrag des Fürsten eine lange, mit einem Tischtuch aus reiner Seide bedeckte Tafel aufge-stellt; achtzehn grosse silberne Schüsseln beluden den Tisch, in denen sich Folgendes befand:1. Fenchelwurzeln, 2 . Artischockenblüten, 3. längliche florentinische Käse, 4. Edelkäse in der Form grosser Birnen, 5. Schokolade, 6. extragros-se rauchgetrocknete Würste, 7. vortreffliche Par-mesaner Edelwürste, 8. eine weitere Sorte Floren-tinerwürste, 9. junge weisse Spargeln, 10. riesige Zitronen, 11. portugiesische Orangen, 12. Zu-ckermandeln, 13. Zuckerkonfekt in bemalten Döschen, 14. verschiedene kandierte Früchte, 15. Drosseln und verschiedene Vögel, 16. Trüffel, 17. ein ganzes Kälbchen, 18. verschiedene Früchte.Ferner brachte man zwei rechteckige Kisten voll vorzüglichen weissen und roten Weines, mit acht-zehn Flaschen, von denen jede wohl zwei deutsche Mass fasste, und schliesslich eine lange Stange, an der achtzehn Paar lebendiger Hühner und Ka-paunen hingen. Acht silberne, mit weissen Wachs-kerzen bestückte Kandelaber, zwischen den Schüsseln verteilt, beleuchteten diese Gaben, und einige Diener aus dem Hofstaat des Fürsten um-standen den Tisch mit weissen Fackeln in den Händen. Seine Hochwürden empfing die Gaben, und nachdem er seinen Gefährten die Erlaubnis gegeben hatte, zu nehmen, was ihnen am meisten zusprach, schickte er das Übrige den Bettelmön-chen der Stadt Modena.

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Dieses opulente Mahl bildet eindeutig den kulinarischen Zenith der Romreise. Zwar be-schenkt auch der Fürst von Florenz am 2. Februar den Kardinal mit einer beträchtlichen Aus-wahl an Gerichten – immerhin 14 silberne Schüsseln mit Speisen aller Art und zwei Kisten guten Weins –, doch, wie Schenk lapidar bemerkt, «nicht in so grosser Menge wie der Fürst von Modena» (b16: non ea quantitate, qua Dux Mutinensis), und auch der Kardinal von Buonconvento, der seinen neu gewählten Kollegen am 5. Februar bewirtet, kann dem Mode-nenser nicht das Wasser reichen, obwohl er sich bemüht – zumindest verzeichnet Schenk die Leckereien, die vorwiegend aus Früchten und Geflügel bestehen, nur noch summarisch. Ein letztes Mal auf der Reise tauchen hier nochmals die Trockenwürste auf (c1: fumo siccatis lucanicis). Vier Tage später erreicht die Gesellschaft Rom ohne weitere kulinarische Auffälligkeiten.Damit ist Schenks Interesse an der italienischen Küche nicht erschöpft. Allerdings nimmt in Rom schon bald die Krankheit Coelestins, die sich bereits auf der Reise bemerkbar ge-macht hatte, immer ernstere Züge an, und Pater Hermann Schenks Bericht wird mehr und mehr zum Diät- und Krankenbulletin. Doch dies ist eine andere Geschichte.

Quellen und Literatur– StiASG, Rubr. 29, Fasz. 8: Oktavheft aus 5 Faszikeln zu 16 Seiten, Faszikel 1 abzüglich des Vorsatzblattes

14 Seiten; die Stellenangaben erfolgen nach Faszikelseiten: a1–e16. In Bd. 360 des Stiftsarchivs, einem von Pater Deicola Custor 1765 angelegten Konvolut mit Dokumenten aller Art zur Regierung von Abt Coe-lestin, befindet sich S. 391–461 eine Abschrift, die man aufgrund ihrer erheblichen Abweichungen im Rom-Teil als eigene Redaktion bezeichnen muss.

– Dasselbe Konvolut enthält auch die Aufzeichnungen und Briefe von Pater Hermann Schenk an Abt Leodegar, die ihm als Grundlage für die Darstellung im Rahmen des Elogium dienten: S. 507–510: Diarium itineris Romani Anno 1696 (12.–30. Januar) – S. 575–576 (!): Chur, 15. Januar (Diarium 13.–15. Januar) – S.  525–532: Bologna, 30. Januar (Diarium 24.–30. Januar) – S. 539–542: Rom, 10. Februar (Diarium 31. Januar –9.  Februar) – S. 553–556: Rom, 17. Februar (Diarium 10.–16. Februar) – S. 561–563: Rom, 3. März ( Diarium 20.  Februar–1. März) – S. 569–571: Rom, 17. März ( Diarium 13. März) – S. 577–580: Rom, 8. April ( Diarium 1. April) – S. 595–598: Rom, 12. Mai – S. 609–613: Rom, 2. Juni – S. 621–623: Rom, 9. Juni ( Diarium 2.–6. Juni) – S. 629–632: Rom, 30. Juni (Diarium 28. Juni) – S. 637–638: Rom, 15. Juli – S. 643–655: Rom, 28. Juli (Diarium 15.–28. Juli) – S. 663–676: Rom, 11. August (Diarium 2.–11. August; S. 665–669 Testament vom 5. August) – S. 685–686: Rom, 18. August (Diarium 16. August) – S. 687–688: Rom, 1.  September – S.  689–691: Rom, 8. September (Diarium 4.–6. September) – S. 697–698: Rom, 29.  September (Diarium 24.–29. September) – S. 699–700: Rom, 6. Oktober.

- Rudolf Henggeler, Professbuch der fürstl. Benediktinerabtei der heiligen Gallus und Otmar zu St.Gallen, Zug 1929, S. 339f.

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Das Hagenwiler Schlossinventar von 1717

annina lanFranconi

Im Dorf Hagenwil, unmittelbar an der Thurgauer Grenze zum Kanton St.Gallen gelegen, steht das einzige noch erhaltene Wasserschloss der Ostschweiz. Die Erbauung der Burg geht in die 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück. In den Quellen wird die Burg als Besitz des Ritters Rudolf von Hagenwil, eines Ministerialen des Klosters St.Gallen, erstmals 1264 erwähnt.Die in den vergangenen dreissig Jahren unternommenen Bauuntersuchungen boten günsti-ge Grundlagen, um im Rahmen einer Lizentiatsarbeit die Baugeschichte des Schlosses einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen. Zu diesem Zweck wurden auch die entsprechenden Schriftquellen im Stiftsarchiv St.Gallen, dem Standort der Verwaltungsschriften des Klosters als Lehensherrn, erneut gesichtet.

Schloss Hagenwil (Foto: Annina Lanfranconi, 2007).

Die vorgefundenen Quellen betreffen vorwiegend das Lehensverhältnis des Klosters St.Gallen zu seinen Dienstleuten auf Schloss Hagenwil im Zeitraum von 1264 bis 1686. Nach 1686, mit dem Rückkauf des Schlosses durch das Kloster, versiegen interessanterwei-se die Quellen fast gänzlich. Anhand der Archivdokumente lässt sich zwar die Abfolge der Schlossbesitzer belegen, konkrete Erkenntnisse zur baugeschichtlichen Entwicklung gewin-nen wir dadurch kaum. Umso wertvoller erscheinen die einzigen baugeschichtlichen Informationen, die durch das Schlossinventar von 1717 überliefert sind. Dieses wurde anlässlich einer neuen Pachtüberga-be an den Bauern Angehrn verfasst.

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Specification der Mobilien, Schiff und Gschires so dem neuwen Lechen Baurherr Angern den 8. January 1717 im Schloss zu Hagenweyl als der Herrschafft zustendige Effecten übergeben worden.

In der Wohnstuben.Ein Tisch mit einer steinig schwarzen Tafeln, ein Schäffli ohne Schloss. Ein Gutschenheüsli sambt 2 Schlüsslen und der Gutschen [Ruhebett] so im Gang. Ein Gussheüssli. Ein Hirchengwich.

Im grossen Gang. Ein bschlüssig Kästli. Ein Trog mit Thüren bschlüssig.Ein Hochkästli, dass oben bschlüssig. Drey grosse alte Kästen mit Schlossen aber nur ein Schlüssel darzu. Ein langer danniger Tisch sambt zwey Stühlen.

In des Bauren Kammer. Ein alten Kasten ohne Schloss. Ein beschlüssigen Behtstat Kasten. Ein alter Trog ohne Schloss.

In der Kuchi. Ein grosses Schaffreiti [Küchenschrank] ohne Schlüssel. Ein Kasten nebend der Kuchi.

Im Gaden.Ein Tisch. 1 Trog. Ein Kästli mit siben Trucken.

Im GwelbEin Schafft mit 2 Thüren ohne Schlüssel. Ein alten niederen Schafft ohne Schlüssel. Ein grüenen Kasten ohne Schlüssel.

In der grossen Stuben. Ein runden und ein viereggechtig Tisch. Zwey alt Stühl mit Lehnen.

In der Knechten Kammer. Ein alter Trog mit einer Schlenggen.Zwo alt Behtstatten mit Himletzen.Ein andere ohne Himletzen.

In der Mägten Kammer.Ein langen alten Kasten mit einer Schlenggen.

In Grichtsherren Stuben.Ein alten dannigen Tischli.

Im oberen Saal.Zwen alt Kästen, einer mit einemSchloss aber ohne Schlüssel.

In H. Statthalters Stübli. Ein dannig Tischli. Ein dannigen grossen Sessel. Ein Bättstuhl mit Schubladen, wie ein Pulbrätt, so H. Pfarrherr alda byhanden.

In der Capell.Dass Altar sambt zweyen Englenund zweien möschigen Leüchtern [Messing­leuchter]. Vier Bluemengschirr. Ein klein Altar und dem Tischli Heilgen Gmähld.Ein Bättstuhl mit grüenem Tuch überzogen. Drey ander dannig.Zum Ornatschafft hat Herr Pfarheer den Schlüssel byhanden.

Im Gschiren Heüssli.2 Lueffgschir sambt dem Hebysen.Ein Hobelbank und ein Schnitstuhl.Ein breit Ax.Ein Biel.

In des Bauren Keller.Drey eichine Lagerfesser mit Thüren. Zwen Eymer.Ein Wein Kübli.

Im Hoof. Ein Obspressen sambt dem Stosstrogund den Stössli.

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

Drü Lägeli. Ein eichig Lägerfessli mit Thüren.

Auf des Bauren Kornschütte.Vier Kornkesten mit Schlenggen.Ein Costanzer Virdtel.

Im Vorkehr. Ein eichernes Lagerfass mit einem Thürle. Zwen Wein Trachter.

Im grossen Keller oder Herren Kehr.Acht grosse eichige Lägerfass mit Thürlen.

Im Kornhaus.Ein grüen Tischli sambt vier Scabelten [Stühlen].

8 Weinzuber. 2 Mäss Standen. Ein St.Galler Viertel ein Vierlig und ein halb Vierlig. Ein halb Mässli und ein Zeller Viertel. NB. Zu allen brauchbahren Öfen, die isig Thürle. Der grosse Schlitten sambt dem Wagen.

Im Torggel.Zwo Trotten. Zechen eichig Büttnen [Rückentraggefäss aus Holz]. Drey Zuber [durchgestrichen].

Landschreiber Gaudar.

Das Inventar zählt die vorhandenen Räume mit deren Mobiliar sowie den darin aufbewahr-ten häuslichen und landwirtschaftlichen Geräten auf. Von Interesse war dabei die Beschaf-fenheit der Möbel und nicht das Aussehen der einzelnen Räume, so dass eine Zuordnung zum heutigen Raumbestand nicht möglich ist. Trotzdem lassen sich Aussagen zu den Schlossbewohnern und zum Gebäude ableiten. Im Schloss wohnte 1717 eine Bauernfamilie mit ihren Knechten und Mägden, die für den Betrieb und Unterhalt des Schlosshofes zuständig waren. Das Statthalterstübli stand dem klösterlichen Statthalter zur Verfügung, der mit den Verwaltungs- und Gerichtsangelegen-heiten in Hagenwil betraut war. Anhand der Bezeichnung «Stube» lassen sich neben der Küche vier beheizbare Räume fest-stellen. Daneben gab es mehrere unbeheizte Schlafkammern. Aus dem Raumprogramm sticht besonders die Kapelle mit ihrer Ausstattung hervor. Bei der Nennung der Wirt-schaftsräume fällt auf, dass zwischen den Keller- und Lagerräumen des Bauern und jenen der Herren unterschieden wird. Der landwirtschaftliche Betrieb baute neben Obst und Getrei-de auch Reben an, deren Ertrag im Torggel-Keller mit zwei Pressen gekeltert wurde. Sowohl der Torggel als auch die Lagerräume dienten vermutlich ebenfalls zur Verarbeitung und La-gerung von Lehensabgaben an die Herrschaft. Das vorgestellte Inventar von 1717 ermöglicht einen Einblick sowohl in den Bauzustand zur Barockzeit als auch in die bäuerliche Wohnkultur auf dem Schloss und ist deshalb eine wert-volle Quelle für die Hagenwiler Schlossgeschichte.

Quellen und Literatur– StiASG, Rubr. 144, Fasz. 1.– Annina Lanfranconi, Schloss Hagenwil. Eine bauhistorische Untersuchung, Lizenziatsarbeit der

Philosophischen Fakultät der Universität Zürich, 2007.

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Verwaltungsreform im Stiftsarchiv?Gedanken zum Abschied von Lorenz Hollenstein laboriosi archivistae

steFan gemPerli

Staatliche Verwaltungen durchlaufen einen Prozess tiefgreifenden Wandels. Die Tatsache, dass Begriffe wie «New Public Management» oder «Wirkungsorientierte Verwaltung» und die hinter diesen Wortbedeutungen stehenden Konzepte einiges von ihrer ursprüngli-chen Strahlkraft eingebüsst haben, ändert daran wenig. Wirtschaftlich unsichere Zeiten ver-stärken die ewige Frage nach Effizienz und Effektivität staatlichen Handelns. Darüber hin-aus wirken gesellschaftliche und politische Entwicklungen, die seit einigen Jahren einer wachsenden Beschleunigung unterliegen, auf die Erwartungen und Ansprüche der Men-schen gegenüber dem Staat ein, wobei die derzeitige politische Polarisierung bekanntlich diametral verschiedene Lösungen über das, was der Staat tun oder besser lassen soll, hervor-bringt. Ebenso entscheidend beeinflussen die epochalen Entwicklungen in der Informations-technologie den Staat als wichtigen Produzenten und Konsumenten von Information.In der Demokratie sind Behörden und Verwaltung gezwungen, auf die skizzierten Gege-benheiten rasch zu reagieren, sie übernehmen neue Aufträge und passen ihre Strukturen und Arbeitsabläufe dementsprechend an.Die öffentlichen Archive, deren Pf licht darin besteht, aus der Fülle der staatlichen Ge-schäftsunterlagen jenen vergleichsweise geringen Bruchteil auszuwählen, zu sichern, zu er-schliessen und dauerhaft für die Benutzung verfügbar zu erhalten, dem hoher rechtlicher oder historischer Wert zukommt, werden von den geschilderten Entwicklungen in Behör-den und Verwaltung besonders betroffen. Die Archive stehen ja quasi am Ende des gesam-ten Lebenszyklus staatlicher Informationen. Die rasant fortschreitende Büroautomatisie-rung lässt die Menge von Schriftgut, die von den Dienststellen dem zuständigen Archiv zur dauerhaften Auf bewahrung angeboten wird, jüngst um ein Vielfaches anschwellen. Ein Ende dieser Situation ist derzeit kaum abzusehen, so dass sich die Archivspeicher in den kommenden Jahren und vielleicht sogar Jahrzehnten weiterhin stark füllen dürften. Die neu-en elektronischen Medien, die für die Geschäftsbearbeitung zum Einsatz kommen, bringen zudem ein Aktenmaterial hervor, das per se fragiler und komplexer ist, als es die herkömm-lichen Datenträger, beispielsweise Pergament oder Papier, sind. Das gilt hinsichtlich ihrer physikalischen Dauerhaftigkeit und hinsichtlich des Erhalts ihrer Lesbarkeit über lange Zeit-räume angesichts ständig wechselnder Systeme. Reorganisationen in den Verwaltungen er-höhen den Ablieferungsdruck auf die Archive zusätzlich und machen es ihnen nicht gerade leicht, beratend im Aktenmanagement der Dienststellen tätig zu sein. Doch genau das bleibt für jedes moderne staatliche Archiv Pflicht, denn angesichts des Massenschriftguts muss die Bewertung, welche Akten für die Archivierung und welche für die Vernichtung vorzusehen sind, möglichst früh, optimal bereits bei ihrer Erzeugung, einsetzen.Als Verantwortlicher für ein modernes, stark wachsendes Verwaltungsarchiv, das Staatsar-chiv des Kantons St.Gallen, beschleichen mich zuweilen Neidgefühle, wenn ich daran den-ke, dass meine unmittelbaren Nachbarn und Kollegen vom Stiftsarchiv, von all dem – oder doch vom meisten – verschont bleiben und sich mit viel Begeisterung und Erfolg der Aus-wertung und Vermittlung ihrer einzigartigen, kaum wachsenden Bestände widmen dürfen.

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Allerdings war dem im Stiftsarchiv nicht immer so. Auch seine Archivalien entspringen über weite Teile einer Jahrhunderte währenden Staats- und Verwaltungstätigkeit, wenn auch die Anforderungen an ein monarchisches Staatswesen vor 1798 anders und weniger kom-plex gewesen sein dürften als jene, die heute an ein Staatswesen gestellt werden. Aber sogar das so «statische» Ancien Régime kannte Verwaltungsreformen und die dadurch hervor-gerufenen Auswirkungen auf das Archiv. Dies kann an einigen Hinweisen aus einer Quelle, von der man solche Informationen zunächst kaum erwartet, veranschaulicht werden. Es handelt sich um den ersten Band des Tagebuchs von Fürstabt Joseph von Rudolphi (1717–1740).

Porträt des Fürstabts Joseph von Rudolphi im Stiftsarchiv St.Gallen.

Joseph von Rudolphi gebühren hervorragende Verdienste um die Erneuerung des Stifts nach dem sogenannten Toggenburger Krieg von 1712. Wobei schon das Wort Erneuerung zu kurz greift. Weit mehr ist der Begriff Auf bauarbeit angebracht. Ohne Rudolphis im wahrsten Sinne grundlegendes Wirken wäre die barocke Blüte, die sich unter seinen beiden Nachfolgern prachtvoll entfalten konnte, kaum vorstellbar.Die Wahl zum Abt erfolgte im Exil auf Schloss Neuravensburg unweit des nördlichen Bo-denseeufers. Nach dem Badener Frieden kehrte Rudolphi 1718 nach St.Gallen zurück. Der neue Landesvater widmete sich mit Entschlossenheit und Geschick der Sanierung von Klos-ter und Staat. Die durch ihn initiierten Reformwerke beschlugen neben der cura animarum und den klösterlichen Belangen im engeren Sinne alle nur vorstellbaren staatlichen Aufga-benkreise wie etwa die Finanzpolitik, die Wirtschaftspolitik, die Bereiche Bildung und Kul-tur, den öffentlichen Bau und das «Sozialwesen», die Aussen- und Sicherheitspolitik. Sie alle finden entsprechenden Niederschlag in den nüchternen Aufzeichnungen des Tagebuchs und stellen dem Verfasser, bei aller Subjektivität der Quelle, einen unbestreitbar beachtli-chen Leistungsausweis aus. Nicht unerwähnt bleiben dürfen die Bemühungen von Fürstabt Joseph um die Rückgabe der durch Zürich und Bern geraubten Güter – vor allem jener aus Bibliothek und Archiv –, wenn auch der Abschluss dieses Geschäfts erst im Sommer 2009 mit der Übergabe einer Kopie des grossen Globus an die Stiftsbibliothek feierlich begangen werden kann. Die vielfältigen Herausforderungen machten es unumgänglich, dass sich Joseph von Rudol-phi auf eine effiziente und loyale Verwaltung stützen konnte. Eine solche musste weitenteils

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erst aufgebaut werden. Was berichtet der erste Band des Tagebuchs, das in wesentlichen Stücken ein politisches Tagebuch ist, aus 831 Seiten besteht, in nüchternem Stil verfasst ist und die Zeit von 1717 bis 1726 umspannt, darüber? Im gesamten Diarium finden sich zunächst häufig Passagen, welche die konkrete Besetzung von Beamtenstellen behandeln. Zu Beginn seiner Regentschaft, auf der «Antrittsreise» durch die st.gallischen Lande, nahm Abt Joseph unverzüglich Besetzungen wichtiger Beam-tenstellen vor. Interessant ist aber vor allem die Notiz vom 26. Oktober 1718. Sie liest sich wie eine Maxime zur Qualitätssicherung in der Regierungs- und Verwaltungsarbeit. Rudol-phi bezeichnet sich zunächst als der grossen Aufgabe für unwürdig. Trotzdem sei die Restitution des Stifts und die Wahl seiner Person zum Abt Fügung Gottes. Durch ihn, Rudolphi, soll letztlich Gott die st.gallischen Lande lenken. Dies sei nur dann möglich, wenn der Regent sich persönlich bescheide und um Integrität bemühe. Gottes Segen wirke in der wahren Gerechtigkeit, die jedem das Seine zuteile, Gutes belohne und Böses bestrafe. Ge-rechtigkeit auszuüben, sei ihm ein Hauptanliegen. Dem folgen weitere Leitsätze. Die an-schliessenden leeren Seiten deuten darauf hin, dass Rudolphi seine Überlegungen, was die Grundlage von «good governance» ausmachten, ausführlicher zu entfalten gedachte, aber nie mehr dazu kam. Leser und Leserin des Tagebuchs spüren, dass sich Joseph von Rudolphi zeitlebens eifrig bemühte, den von ihm aufgestellten hohen ethischen Grundsätzen nachzu-leben. In ihnen verband er Vorstellungen über das Gottesgnadentum mit Gedanken, die bereits in Richtung eines aufkeimenden aufgeklärten Absolutismus hinzuweisen scheinen. Die Person des Fürsten bildete für Rudolphi jedenfalls Ausgangspunkt und Grundlage ei-nes funktionierenden Staatswesens. Inhaltlich in die gleiche Richtung zielte die Ermahnung des Fürsten an einen «Chefbeamten» anlässlich von dessen Amtsübernahme: Er ( Rudolphi) gebe nicht ihm das Amt, sondern ihn dem Amt. Er solle sich gut überlegen, ob er zur Über-nahme der Verpflichtungen imstande sei. In schweren Zeiten sei der Fürst bereit, gegenüber Untertanen Nachsicht walten zu lassen. Das gelte jedoch nicht für den neuen Amtsträger. Dennoch war Fürstabt Joseph nach heutigem Wortgebrauch wohl ein fairer Vorgesetzter: Verdiente Beamte durften mit seiner materiellen Grosszügigkeit rechnen, sei es etwa durch Geschenke beim Austritt aus dem Staatsdienst oder auch durch die Aufbesserung von ge-ringen Löhnen.Als einen der Mängel in der Verwaltung erkannte Joseph von Rudolphi das oft unzureichen-de Wissen der (regionalen) Amtsträger über die nicht selten komplexe Rechtslage des Stifts. Zur Unterstützung der Verantwortlichen schuf er deshalb 1719 drei Kammern bei Hofe, die über die Wahrung der Rechtsame der einzelnen Herrschaften wachen sollten. Vor allem in den ersten Jahren war die Regierungstätigkeit Rudolphis dem Ziel verpflichtet, die durch Krieg und Besetzung arg in Mitleidenschaft geratenen Finanzen des Stifts ins Lot zu bringen. Über die Schwierigkeit der Ausgangslage machte sich Rudolphi keinerlei Illusi-onen. Das Tagebuch dokumentiert mehrfach, wie sich der Abt höchstpersönlich mit finan-ziellen Belangen befasste und sich insbesondere um die Schuldensanierung kümmerte. Auf Einsparungen bei den Ausgaben legte er ebenso Wert wie auf die Sicherung der dem Klos-ter zustehenden Einnahmen und auf einen klugen Umgang mit den Forderungen der zahl-reichen Gläubiger des Stifts. Als alles entscheidend erwies sich eine solide Rechnungsfüh-rung. Das erforderte wiederum entsprechend qualifiziertes Personal. Der Fürstabt liess es hier nicht bei moralischen Appellen an die Adresse der Beamtenschaft bewenden. Er küm-merte sich persönlich um die «Personalrekrutierung» und verlangte – um Amtsmissbrauch

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mit entsprechenden finanziellen Schäden zu verhindern – von den Beamten vor Stellenan-tritt das Hinterlegen entsprechender Kautionen. Die Funktionsträger stattete er mit detail-lierten «Pflichtenheften» aus. Das war auch deshalb notwendig, weil den Klosterstaat nicht allein die durch den Krieg und seine Folgen verursachte materielle Ausgangslage bedrückte, sondern weil mangelhafte Qualifikationen von Beamten in der Vergangenheit zur Gefahr für die Klosterherrschaft geworden waren. Rudolphi sah es berechtigterweise als ein Übel an, dass in der Fürstabtei bis anhin fremde Personen, deren Eignung unbekannt und die mit den lokalen Verhältnissen wenig vertraut gewesen waren, zu Staatsämtern gekommen wa-ren. Interessenten für die Beamtenlaufbahn sollten deshalb in Zukunft in der Kanzlei und bei Hof für ihre Tätigkeit ausgebildet werden. Auf diese Weise liess sich ihre Tauglichkeit in der Praxis überprüfen. Trotzdem blieben Rudolphi Enttäuschungen, verursacht durch Un-zulänglichkeiten sogar von Seiten hoher Amtsträger, nicht erspart. Der Fürstabt war innerhalb und ausserhalb seines Landes oft auf Reisen. Vor allem die Auf-gabe als Präses der Schweizerischen Benediktiner-Kongregation verlangten längere Abwe-senheiten von St.Gallen. Damit die Staatsgeschäfte darunter nicht allzu stark zu leiden hat-ten, ordnete er für die Fälle seiner Absenzen im Detail an, wie Entscheide zu finden seien. Dem guten Informationsfluss und der Rechtssicherheit diente ferner die Regelung des ein-wandfreien Protokollierens von Geschäften des Geheimrats. 1722 gründete der Fürstabt schliesslich einen Kammerrat, der sich aus drei Religiosen, zwei Weltlichen und einem Protokollführer zusammensetzte. Aufgabe dieser neuen Behörde war es, die Stiftsfinanzen zu überwachen. Allfällige Bedenken zerstreute der Abt, indem er betonte, dass es nicht in seiner Absicht liege, durch die Schaffung dieses Organs für das Stift neues Eigentum zu begründen oder gar den Untertanen Besitz zu entreissen.

Das Urkundenzimmer des Stiftsarchivs in der Zeit vor 1978 mit den «Fluchtkisten» aus der Zeit des Fürstabts Joseph von Rudolphi (1717–1740).

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Dass alle diese Massnahmen zum Erfolg führten, liegt auf der Hand. Bereits zum Jahres-wechsel 1722/23 erfreute der Fürstabt seine Mönche mit der beruhigenden Nachricht, dass seine Regierungszeit bereits einen Einnahmenüberschuss von 9904 Gulden, 3 Kreuzern und 7 Hellern gezeitigt hätte. Nach 1723 gehen die Eintragungen zu finanziellen Problemen im Tagebuch denn auch merklich zurück. Ein weiterer Hinweis darauf, dass es Rudolphi gelun-gen war, die schwierige Finanzsituation allmählich in den Griff zu bekommen. Es überrascht kaum, dass dem Reichsfürsten und Verwaltungsreformer das Archiv des Stifts ganz besonders am Herzen lag. Er kümmerte sich um diese Einrichtung, deren Zustand durch die Kriegswirren in Mitleidenschaft gezogen worden war, wohl noch mehr als um die berühmte Bibliothek. Davon zeugen die um 1730 angefertigten, bis heute im Stiftsarchiv erhalten gebliebenen sogenannten Fluchtkisten. Unter anderem ermöglichten diese Behält-nisse einen raschen und sicheren Abtransport der Archivalien im Krisenfall. Diesen Dienst leisteten sie rund 70 Jahre später in den Unruhen der untergehenden Alten Eidgenossen-schaft. Ein weiteres Zeugnis der Sorge des Abts um das Stiftsarchiv stellen die Abschriften dar, die Joseph von Rudolphi von den wichtigsten Urkunden anfertigen liess. Aber auch im ersten Band des Tagebuchs bleibt das Stiftsarchiv nicht unerwähnt. Ende 1720, nach dem Tode des alten Archivars, Pater Rapertus Zarlin, den der Abt als frater utilis et laboriosus archivista ehrt, hält Rudolphi mit allen Priestermönchen Rat, wie denn das Archiv, «unser Schatz und ein depositum nostrorum patrum», in guter Ordnung erhalten werden könne. Der neue Stiftsarchivar, Pater Aegidius Hartmann, erhielt Unterstützung durch die Wahl eines Archivmitarbeiters und wurde ein Jahr nach seiner Ernennung von Rudolphi zu Stu-dienzwecken in die Benediktinerabtei Fischingen geschickt. Das dortige Archiv galt dem St.Galler Fürstabt nämlich als vorbildlich. Daneben berichtet der Tagebuchband von bau-lichen Eingriffen zugunsten des Archivs oder von der Sicherung des Archivs des inkorpo-rierten Klosters St.Johann im Thurtal. Dessen Archivalien liess der Abt nach St.Gallen über-führen und mit einem Archivbuch erschliessen. Die kurzen Ausführungen mögen beispielhaft zeigen, dass Verwaltungsreformen keine Er-findungen unserer Zeit sind. Sie wirken sich auch nicht erst seit heute auf die Archive aus. Vor Jahrhunderten vollzogene administrative Neuerungen bleiben im «Spiegel des Archivs» bis in die Gegenwart nachvollziehbar: Sei es durch Quelleninhalte, die davon be-richten. Sei es aber auch durch erhalten gebliebene Strukturen der Bestände oder durch Archivverzeichnisse, die den heutigen Benutzerinnen und Benutzern immer noch dienlich sind. Manchmal dokumentieren sogar jahrhundertealte Archivmöbel staatliche Innovationen. Im Stiftsarchiv lassen sich jedenfalls sämtliche dieser Spuren finden.

Quelle und Literatur– StiASG, Bd. 272: Abt Josephs Diarium der Jahre 1717–1726.– Stefan Gemperli, Der erste Band des Tagebuches von Abt Rudolphi, […], St.Gallen 1991.

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Unterwegs auf der Alten Konstanzerstrasse

Peter müller

Über die Geschichte einer Landschaft kann man kluge und akribische Untersuchungen anstellen. Nützlich ist dabei die Unterscheidung zwischen der «kulturell konstruierten» Land schaft und der materiellen Wirklichkeit: Boden, Vegetation, Wasser, Häuser, Felder, Wege ... Beide Bedeutungen ergänzen einander, gehen ineinander über. Eine Wanderung bringt eine weitere Optik ins Spiel: das subjektive Erlebnis. Man erlebt die «Physis» von Landschaft, Natur und Raum buchstäblich am eigenen Leib, macht vielfältige Beobachtun-gen und Wahr nehmungen. Aus diesem Erlebnismaterial entstehen wiederum Assoziatio-nen, Gedanken splitter, Bilder, Ideen. Darunter gibt es viel «dummes Zeug», aber auch Spannendes und Erhellendes, das den Blick auf die historischen Realitäten schärfen kann. Das gilt auch für die Alte Konstanzerstrasse, die Landtstrass von St.Gallen auf Costantz, wie sie im Grenzatlas der Alten Landschaft um 1730 genannt wird (StiASG, Bd. 1204, S. 37). Sie verband die beiden wichtigsten Herrschaftszentren der Ostschweiz und gehört zu den be-deutendsten historischen Verkehrswegen der Region. Die Fachliteratur, alte Landkarten und Archivquellen bieten interessante Einblicke in diese Verkehrsverbindung. Bemerkens-wert ist z.B. die «lange Brugg», die dem Bruggwald im Grenzgebiet St.Gallen-Wittenbach-Kron bühl seinen Namen gegeben hat. Das steile, nasse Wegstück war mit Holzstämmen («Prü gel»), Seilen, Kies und Lehm zu einer Strasse «verfestigt». Man findet sie auch auf al-ten Kar ten. Bei Pater Gabriel Hecht z.B. sieht sie wie eine Treppe aus (Stiftsbibliothek St.Gallen, 1712). Noch in den 1940er-Jahren erzählten alte Wittenbacher, dass man früher immer über diese «Prügelbrugg» nach St.Gallen ging, weil es sich um die kürzeste Verbin-dung handelte. Um 1900 soll die «Prügelbrugg» abgerüstet worden sein, die «Prügel» habe man als Brenn holz verkauft. Andererseits ist die Alte Konstanzerstrasse in der ersten Hälfte des 20. Jahr hunderts offenbar ziemlich in Vergessenheit geraten – das legen zumindest Auf-sätze von Bernhard Kobler (1946, 1962) und Sales Huber (1972) nahe. Heute besteht eher die Gefahr der Mythisierung. Es ist z.B. ausgeschlossen, dass man mit schweren Güterwagen den Weg über die «lange Brugg» nahm. Dafür gab es eine Ausweichroute, die über die heutige Lang gasse und die heutige Bruggwaldstrasse nach Kronbühl führte, und von dort über Gommen schwil nach Lömmenschwil. Sie ist schon im 17. Jahrhundert ausdrücklich als «Landstrasse» bezeugt.Eine Wanderung eröffnet zusätzliche Einsichten. Wer beim Restaurant Cavallino nordöst-lich des Olma-Messe-Areals den Weg unter die Füsse nimmt, macht schon bald eine span-nende Beobachtung: Die vertraute Alltagswelt rückt in eine historische Distanz. Man sieht sie sozu sagen mit den Augen eines mittelalterlichen Kaufmanns oder frühneuzeitlichen Be-amten. Das ist nicht ohne Reiz. Das «Palimpsesthafte» der Gegenwart, ihre historische «Tektonik», das Nebeneinander verschiedener Zeitepochen werden konkret erlebbar. Gleichzeitig wird einem bewusst: Historische Zugänge zu einer Landschaft, die sich auf nur einen Aspekt be schränken – ob Kirchenbauten, Geologie oder eine bestimmte Zeitepoche – sind im Grunde genommen langweilig.

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Die «Landtstrass von St.Gallen auf Costantz» im Grenzatlas der Alten Landschaft der Fürst­abtei St.Gallen von ca. 1730 (StiASG, Bd. 1204, S. 37).

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Immer mehr kommt man beim Wandern in diese historischen Dimensionen hinein, in eine Welt, in der die Menschen «Gefangene von Raum und Zeit» waren. Fortbewegung, Trans-port, Arbeit – alles war langsam, mühsam, mit viel körperlicher Arbeit verbunden. Wie bewäl tigte man die steilen Strassenstücke im Winter? Was machte man, wenn ein Lasttier verun fallte? Wie wurde die Strasse gewartet? Ähnliches gilt für die allgemeinen Lebensbe-dingungen. Die Welt der Landstrass von St.Gallen auf Costantz war diejenige der vorindustri-ellen Agrargesellschaft: Die Menschen waren gezwungen, mit schmalen Ressourcen zu wirtschaft en, der Nahrungsspielraum war begrenzt, es gab immer wieder Versorgungskrisen, Hun gersnöte, Epidemien. Mit der Entschleunigung des Blicks und des Denkens gewinnt die Landschaft an Details: Bäume, Bäche, Gräben, Hecken, Zäune, Mäuerchen ... Sie waren feste, vertraute Bestand tei le der Alltagswelt und mit verschiedensten Ereignissen und Geschichten verbunden. Gleich-zeitig dienten sie der Orientierung und der Festsetzung von Grenzen, wie man es aus vielen Markenbeschreibungen und -bereinigungen kennt. Und die Siedlungen hatten – aus heu-tiger Sicht – etwas von Spielzeugdörfern, waren «Inseln» inmitten von Feldern, Wiesen und Wäldern. Andererseits überraschen gewisse Gebäude mit ihrer Stattlichkeit, z.B. das Haus «Drei Eidgenossen» im Weiler Hurliberg. Es wurde wohl im 17. Jahrhundert erbaut und diente schon bald als Gasthaus. An der Nordfassade prangt noch heute ein Bild mit den «Drei Eid genossen», die auf dem Rütli schwören. Es dürfte aus dem späten 18. Jahrhundert stammen und ist durch die Witterung ziemlich verblasst. Autolärm ist auf bestimmten Abschnitten der Wanderung nicht zu hören. «Wie hörte sich die se Landschaft vor 200 Jahren an?», fragt man sich und überlegt, welche der Geräusche, die einem ans Ohr dringen, schon damals zu hören waren. Ein «Museum verschwundener Ge räusche» – das wäre doch spannend. Entsprechend krass ist der Eindruck, wenn man beim «E-Pub Frohsinn» in Oberlören wieder auf die Staatsstrasse St.Gallen–Amriswil stösst. Sie kommt einem vor wie eine Autobahn. Und beim Blick zurück Richtung St.Gal-len zeigt sich, dass das markanteste «Landschaftszeichen» keine Kirche und keine Baum-gruppe ist, son dern der Funk- und Sendeturm auf Peter & Paul. Die Post – damals noch die PTT – hat ihn 1983 gebaut. Er ist 64 Meter hoch.Wer auf dieser Wanderung müde wird, hat immer wieder die Möglichkeit, mit dem Postau-to oder der Bahn zurück nach St.Gallen zu fahren. Für die ganze Strecke nach Konstanz würde man rund acht Stunden benötigen. Mit dem Auto sind es rund 40 Minuten. «Ei-gentlich», so denkt man bei der Heimfahrt in der Bodensee-Toggenburg-Bahn, «eigentlich leben wir heute auf einer Autobahn.» Wer drei Stunden auf der Alten Konstanzerstrasse Richtung Thurgau wandert, wird auch etwas zum St.-Jakobs-Pilger. Und der «ökologische Sündenfall»? Die Frage geht einem auch bei dieser Wanderung durch den Kopf: Ist im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts nicht auch zwischen Rotmon-ten und Bodensee zumindest ein kleines Paradies zerstört worden? Die heutige Umweltge-schichte empfiehlt, sich die Antwort gut zu überlegen: Seit Jahrhunderten sind «Natur» und «Men schenwelt» zwei dynamische Systeme, die miteinander in steter Wechselwirkung stehen. Die «urwüchsige Natur» ist vielfach die Projektion von Wünschen und Sehnsüch-ten. Der Histori ker David Blackbourn formuliert es in seinem Buch «Die Eroberung der Landschaft» (2007) pointiert: «Es gibt letztlich keine plausible Nulllinie zur Messung der Welt, die wir durch die Kultivierung ‚verloren’ haben.»

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Altäre, Kanzeln und Chorgestühle aus Papier und Tinte –Bruder Notkers Ausstattungsentwürfe für die St.Galler Stiftskirche von 1770

moritz Flury-rova

Im Stiftsarchiv befinden sich drei etwa 69 x 45 cm grosse Blätter mit farbig aquarellierten Federzeichnungen, signiert 1770 von einem Bruder Notker. Vier Jahre nach der baulichen Vollendung der barocken Stiftskirche zeigen sie deren Grundriss aufs neühe accurat aufgemessen und darin zum Teil recht hochfliegende Ideen für die Möblierung und Einrichtung, die zu dieser Zeit in vollem Gang war. Die Pläne veranlasst hat vielleicht der im Januar 1770 erfolgte Umzug des Konvents vom Provisorium im Westen der Kirche in das eben neu auf-gestellte Chorgestühl von Josef Anton Feuchtmayer im Ostchor.Von den drei Blättern im Stiftsarchiv entfernt sich das dritte am meisten von den tatsächli-chen Gegebenheiten, es propagiert in der Mitte des Ostflügels eine Abtrennung durch eine Orgel und dahinter einen erhöhten Mönchschor, wie er in Pfäfers, Fischingen und Einsie-deln besteht. Diese reichlich unrealistische Idee soll hier nicht weiter erörtert werden, eben-so wenig wie ein in Luzern aufbewahrtes viertes Blatt, das ungefähr die ausgeführte Dispo-sition zeigt – und also die schönen Ideen Notkers auf das Mögliche reduziert. Während die Blätter drei und vier sich mit einer summarischen Darstellungsart begnügen, sind die beiden ersten Grundrisse bis ins Detail sehr sauber ausgearbeitet. Der als Bruder Notker signieren-de Verfasser kann nach dem Professbuch nur Josef Anton Küenzle aus Straubenzell sein. Dieser kam am 15. Februar 1734 zur Welt, legte am 21. Oktober 1759 Profess ab und war von 1781 bis zu seinem Tode am 4. Februar 1790 Speisgaden-Verwalter. Mit diesen kargen Daten gut zu vereinbaren sind die klare Kurrentschrift, die einen geübten Schreiber verrät, und die zuweilen etwas ungewohnte, mundartlich geprägte Orthographie, die nicht gerade auf eine hohe literarische Bildung schliessen lässt. Dennoch wäre es falsch, die kunstvollen Pläne als blosse Phantastereien eines Dilettanten abzutun. Gerade auch durch die Darstel-lung von unrealistischen Elementen tragen sie zum Verständnis des Baus nach seiner Fertig-stellung bei – bevor dieser durch die Säkularisierung von 1805 radikal verändert wurde, neue Funktionen, eine neue Ausrichtung und teilweise neue Einrichtungen erhielt.In Anlehnung an die Beischriften beginnt die Betrachtung der beiden hier näher vorzustel-lenden Pläne im Osten. Das Mönchschor wird dominiert vom Chorgestühl mit der integ-rierten Chororgel, es schloss damals gegen Westen mit den beiden Thronsesseln, an deren Rückwände Notker den Hl.-Kreuz-Altar (C) und den Muttergottesaltar (D) platziert. Es sind dies die alten Standorte dieser Patrozinien im gotischen Chor. Da diese aber im Dezember 1769 verändert wurden (Gallus und Benedikt kamen damals an die Rückseiten der Thronsessel), darf vermutet werden, dass Bruder Notker mit der Arbeit an seinen akri-bischen Plänen bereits 1769 angefangen hatte. Einen Hochaltar gab es damals noch nicht (er entstand erst 1810); Notker stellte ihn sich offenbar als reich gestaltete Schauwand vor (A), denn im zweiten Grundriss gesellt er ihm zwei Seitenaltäre zu, die, mit ihm ineinandergefloch-ten nur gleichsam einen ausmachten, so dem Hochaltar zur sondern Zier.Entspricht die Gestaltung des Chorraumes etwa der ausgeführten und heute im Grossen und Ganzen noch vorhandenen Einrichtung, so präsentiert sich die Rotunde in Notkers Plänen wesentlich ausdrucksvoller als heute. Die wichtigsten Unterschiede sind die Anord-

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nung des Chorgitters zwischen statt vor den grossen Chorpfeilern und die starke Betonung der Querachse. Die Rotunde wird dadurch zu einem eigenständigen Kirchenraum und, wie im Folgenden aufgezeigt wird, eigentlich zur Volkskirche, situiert zwischen dem Mönchs-chor im Osten und der Otmarskirche im Westen.

Der Ausstattungsentwurf des Br. Notker Küenzle von 1770, der erste Entwurf ist publiziert in: Fürstabtei St.Gallen – Untergang und Erbe 1805/2005, S. 179.

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Die Abgrenzung zum Mönchschor wird in beiden Zeichnungen einerseits durch eine Ba-lustrade, die als Kommunionbank diente, und andererseits mit dem Chorgitter erreicht. Dazwischen steht das 1769 aufgestellte Pfarr- oder Opferaltärlein (G) für die Volksgottes-dienste. An den vier grossen Pfeilern sind im Westen zwei Kanzeln vorgesehen, die sich aber, anders als die ausgeführte Kanzel, gegen die Rotunde und nicht gegen das Schiff orientiert hätten. Diejenige auf der Evangelienseite (Norden) war für die Predigt bestimmt und ihr Gegenüber für die Christenlehre. Als Pendant sind in der ersten Zeichnung auf der Ostsei-te zwei Altäre für die beiden hl. Johannes eingetragen. Der zweite Grundriss sieht für alle vier Pfeiler je ein Relief vor, darstellend die vier Evangelisten, Kirchenväter oder grossen Pro-pheten, als Symboli auf die 4 Hauptpfeiler, darauf sich die wahre Kirche gründet […].Der Eingang vom Klosterhof in die Rotunde war bis 1935 (abgesehen von einer kleinen Pforte im Nordwesten) der einzige öffentliche Zugang in die Kathedrale. Eintretend wird man noch heute von dem gewaltigen Kuppelraum in Beschlag genommen, ohne dass Chor und Langhaus gross ins Blickfeld treten. Gegenüber dem Eingang sollte im ersten Plan der allgemeine Brueder-schaftsaltar den Blick der Eintretenden auf sich ziehen. Im zweiten Grundriss sind in der Quer-achse zwei Bruderschaftsaltäre (H,I) eingezeichnet, wodurch gegen den Klosterhof neue Ein-gänge in den benachbarten Jochen nötig geworden wären. Dazwischen hätte aussen eine Fronten von Symboli (P) mit den Statuen des Salvators, der Ecclesia und des Kaisers als Verteidiger der Kirche den Mittelpunkt der Fassade gebildet. Die Aufstellung der Bruderschaftsaltäre begrün-det Notker einleuchtend mit den Deckengemälden, die die Patronate dreier wichtiger Bruder-schaften wiedergeben: im Norden den hl. Valentin und im Süden die Verleihung von Rosen-kranz und Skapulier: Diese zwen Altär stehen ein jeder in der im anfänglich durch daβ Gemähl bestimb-ten Capell, welches ja weit besser eintriffet als wann sie anderswo zu stehen kombten. Zu gleich stehen sie nit ausser, sond[ern] indem Gesicht des meisten Volckhes [...]. Es ist anzunehmen, dass uns Notkers Zeich-nungen hier ein Element ursprünglicher Planung in Erinnerung rufen. Denn auch in dem Peter Thumb zugeschriebenen sog. «Auer Grundriss» von 1755 ist im Süden ein Altar eingezeichnet, wie übrigens auch in den angrenzenden Räumen – diese waren nicht als Korridore, wie sie heute gebraucht werden, sondern als Kapellen konzipiert.Der Westarm der Klosterkirche diente einerseits als Langhaus und Laienraum, war aber ande-rerseits ein eigenständiger, dem hl. Otmar geweihter Kirchenraum mit einem Hochaltar in der Westapsis. Er ist liturgisch der Nachfolger der seit 867 an dieser Stelle befindlichen Otmarskir-che. Notker sieht in beiden Grundrissen auf der Höhe des ersten Pfeilerpaares eine Abtren-nung der beiden Kirchen durch ein Gitter vor. Sein Standort entspricht etwa der ehemaligen Trennmauer zwischen Gallus- und Otmarskirche, und auch in den barocken Deckenfresken scheinen die Darstellungen der beiden St.Galler Hauptheiligen im ersten und zweiten Joch des Langhauses hier die Trennung der beiden Kirchenräume anzuzeigen. Als äusserst kühn muss hingegen die Idee erscheinen, die beiden Kirchen auch durch eine grosse Orgel zu trennen, die zusammen mit einem Chorgestühl auf einer Empore über den Kirchenbänken angesiedelt wird. Das Gestühl schwingt sich im ersten Grundriss zum zweiten Pfeilerpaar und dient so auch als Chorgestühl zur Otmarskirche, im zweiten Grundriss erstreckt es sich östlich der Or-gel hin zu den Rotundenpfeilern und wird bezeichnet als der Musicanten Platz, und Auditorium Conventium zugleich, so wohl der Predig, als Christenlehr beyzuwohnen. In beiden Plänen hat die Or-gel zwei Manuale, um von beiden Seiten her bespielbar zu sein.Die zweifach ausgerichtete Orgel drückt die bereits erwähnte Bipolarität der Kirche nochmals aus. Es sind aber nicht nur die Gallus- und die Otmarkirche, die in einer für den Barock einma-

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ligen Weise zu einer Doppelkirche verschränkt sind, auch verschiedene Funktionen (die vor 1755 teils abgetrennte Räume hatten) mussten nun im selben Gotteshaus erfüllt werden können. Notker spricht von den Bedürfnissen der Kloster-, Mutter- und Pfarrkirche: nämlich eine mög-lichst vom Volk abgetrennte Klosterkirche, eine grossräumige Mutterkirche (des Klosterstaates) mit vielen Stehplätzen wegen sehr grossem Zulauf des Volckhs an einigen Festtägen und eine Pfarrkirche mit genügend Bänken (eingezeichnet für 1650 Personen) und Beichtstühlen – denn vor jeder Kommunion (und die sollte das Volk 1–2 Mal pro Monat empfangen) war das Ablegen der Beichte obligatorisch. Als weiterer Bereich kommt die Christenlehre am Sonntagnachmittag hinzu, die für die unverheirateten Jugendlichen in der Rotunde von der eigens dafür vorgesehe-nen Kanzel herab gehalten werden sollte, während die Unterweisung der Kinder, ohne das dadurch die größern gestöhrt werden in der St. Otmarskirche stattfinden konnte. Notker erklärt, man könne deshalb mit Ehren die schädliche Schutzengelscapell schleiffen ohne daß man dadurch [...] eine andere erbau-hen müeße. Offenbar wies die erst 1764 erbaute Rundkapelle im Klosterhof schon damals Schä-den auf und wurde wohl auch deshalb 1807 abgebrochen. Notkers Pläne sind eindrückliche Dokumente barocken Gestaltungswillens. Ausgeprägt kom-men der Hang zur Symmetrie und die Vorsorge für die liturgischen Handlungen zum Aus-druck. Den aufwendigen Windfang (L) samt Balustrade im ersten Plan z.B. erachtet er als nötig, damit weg der Symetrie dem Bruederschaftsaltar etwas entgegstehe, wie auch einige Kirchen functiones, als einsingen pp nit am kalten Luft geschehen müeßen. Ähnlich dürfte im Fall der beiden Kanzeln vor al-lem die Symmetrie ausschlaggebend gewesen sein, denn eine spezielle Kanzel für die Christen-lehre wäre weit herum ein Unikat gewesen; andernorts ist als Pendant der Kanzel eine blosse Figurengruppe (Zwiefalten), der Taufstein (Ottobeuren) oder ein Epitaph (Muri) hingesetzt worden. Auch für die Sängerempore mitten im Langhaus dürften sich schwerlich Vergleiche finden und darf die Praktikabilität bezweifelt werden; es drückt sich darin aber der durchaus zeittypische Wunsch nach einer den Kirchenraum füllenden Musikbegleitung aus, wie sie z.B. in Weingarten und Kreuzlingen mit Chor- und Hauptorgel verwirklicht ist. Dass immerhin die Liturgie die Klosterkirche von vorne bis hinten ausfüllte, belegen diverse St.Galler Prozessions-beschreibungen. Notker misst den Prozessionen viel Raum ein und wehrt sich in seinem Kom-mentar z.B. gegen zusätzliche Kirchenbänke wegen der Schändung des schönen Processionganges und der regularitæt. Aufs Schönste mit dem Bauwerk harmoniert dürfte vor allem der Umgang in der Kuppel haben, von Notker explizit als Prozessionsgang eingezeichnet. Die Prozession der Mön-che bildete auf diesem Rundgang gleichsam die Übertragung der im Kuppelfresko kreisförmig angeordneten Heiligen auf die Erde. Dass der irdische Gottesdienst als Abbild des himmlischen Gottesdienstes auch dem Volk den Weg in den Himmel eröffnet, scheint der grosse Stuckengel am Chorbogen anzuzeigen. Er befand sich ehemals direkt über dem Volksaltar, weist mit dem Finger nach oben und illustriert das zugehörige Bergpredigt-Zitat (Mt. 5,3) in der Kartusche: beati pauperes spiritu – denn ihnen gehört das Himmelreich.

Quellen und Literatur– Ephemerides novi edificii, Stiftsbibliothek St.Gallen, Codex 1723, S. 817–841.– Paul-Henry Boerlin, Die Stiftskirche St.Gallen. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Barock-

architektur, Bern 1964.– Adolf Fäh, Die Cathedrale in St.Gallen, Zürich 1897.– Albert Knoepfli, Die Kathedrale von St.Gallen und ihre Innenrestaurierung, in: Montfort 18 (1966),

S. 156–185.

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miriam lendFers

Strafverfahren vor dem «höchsten Tribunal der Gerechtigkeit»

Für rechtshistorisch Interessierte birgt das Stiftsarchiv St.Gallen viele Schätze. Zahlreich sind etwa die strafrechtlichen Akten der ehemaligen Fürstabtei St.Gallen. Sie erzählen von dunklen Taten: Totschlägen, Kindsmorden, Brandstiftungen, Sexualdelikten, Dieb-stählen, aber auch Ehrverletzungen und übler Nachrede, Fahnenflucht im Solddienst, Verletzung der guten Nachbarschaft und Nichteinhalten der Feiertagsruhe. Den Taten wurde bisweilen minutiös nachgegangen und die Untersuchungen wurden detailliert schriftlich festgehalten.Das oberste fürstäbtische Gericht war der auf der Pfalz ansässige Pfalzrat, der seit dem 14.  Jahrhundert als Pfalzgericht urkundlich erwähnt ist. Er war nicht nur eine Gerichts-, sondern auch eine Verwaltungsbehörde und bestand aus verschiedenen geistlichen Mitglie-dern sowie aus Mitgliedern des weltlichen Stands wie dem Hofmarschall, dem Landshof-meister, dem Kanzler, dem Lehenvogt und den Obervögten der einzelnen Ämter des Oberamts. Bei Durchsicht der im Stiftsarchiv zahlreich vorhandenen Protokolle fällt auf, dass der Pfalzrat jedoch kaum je in voller Besetzung tagte.

Vielfältige Zuständigkeiten des PfalzratsIn den Akten des Stiftsarchivs sind mehrere Pfalzratsordnungen erhalten, eine aus dem Jahr 1636 (Bd. 314, S. 202ff.), eine aus dem Jahr 1723 (Bd. 324, S. 877ff.) sowie die mit 119 hand-schriftlichen Seiten bei Weitem ausführlichste aus dem Jahr 1733 (Rubr. 28, Fasz. 3). In die-sem concept hochfürstlicher st. gallischer pfalzrathsordnung erliess Wür Josephus von Gottes gnaden des Heiligen Römischen Reichs fürstabbte zu St.Gallen und St. Johann im Thurthal ritter des königlichen ordens der jung fräulichen verkündigung Mariae, kurz: Abt Joseph von Rudolphi, eine Vielzahl ausführlicher prozessrechtlicher Regeln für ein Gerichtsverfahren vor dem Pfalzrat. In der Ordnung wird dieser als das höchste tribunal der gerechtigkeit in unsern stüfft st. gallischen landen bezeichnet. Der Abt würde für die Verhandlung das nöthige verordnen [...] damit keine saumsal erscheine, noch einige zeit in beförderung der justiz und der partheyen vernachlässiget werde. Die Zuständigkeiten des Pfalzrats waren vielfältig. Er nahm die Stellung einer Appellations-instanz für alle Gerichte des Oberamts ein. Gegen Entscheide der Gerichte des Unteramts konnte beim sog. Wiler Pfalzrat appelliert werden. In den Protokollen des Pfalzrats finden sich zahlreiche Prozesse wegen Ehrverletzungen und übler Nachrede, weitere wegen Kauf- und Erbangelegenheiten oder der verletzung der guten nachbarschaft. Wichtigere Fälle wie etwa grössere Vergehen, die Errichtung von Testamenten o. Ä. wurden nicht von den Nie-dergerichten behandelt, vielmehr entschied der Pfalzrat darüber direkt. Er wachte zudem über die Gemeindeverwaltungen, und zwar nicht nur in Verwaltungsstreitigkeiten, sondern auch in reinen Ermessensfragen. Der Pfalzrat war die höchste und damit letzte Gerichtsinstanz. War das Urteil erst einmal gefällt, so durfte den Parteien nicht mehr viel Gehör erteilt, sondern musste der Vollzug des Urteils beförderlich behandelt werden. Sollte eine Partei jedoch mit neuen, zuvor nicht be-kannten Dokumenten oder Zeugen vorstellig werden oder sonst einen wichtigen rechtsbe-

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ständigen Grund geltend machen, so sollte sie an den Abt gelangen und um Revision er-suchen können. Dieser würde dann die gebührende Resolution darüber erteilen.In der Pfalzratsordnung wurde verankert, dass an den jeweiligen Verhandlungstagen die Sitzungen der Pfalzräte von Ostern bis Michaeli (29. September) um acht Uhr und im Winter um halb neun Uhr vormittags auf den gloggen streich zu beginnen hätten. Auch die Gerichtsferien sind in der Ordnung festgehalten und dauerten von Weihnachten bis zum 6.  Januar, vom Sonntag vor bis Sonntag nach Aschermittwoch, während der ganzen öster-lichen Zeit, in der Woche um Fronleichnam sowie in der Zeit des würckhlichen heüet, schnitt, und weinlese und an allen ganz, und halben feyrtägen das ganze jahr hindurch, wobei auch auf die jahr- und marckt täge zu St.Gallen, Wyll, Liechtensteig, Rorschach, Altstetten, und Bischoffzell, absonderlich in ansehen der jenigen, welche solche besuechen, behörige achtung zu haben sei.

Weltlichkeit des MalefizgerichtsRichtete der Pfalzrat über grössere Strafsachen, so nahm er den Charakter eines Malefizgerichts an. Den im Stiftsarchiv erhaltenen Kriminalprotokollen ist zu entnehmen, dass er in den Fällen der Strafgerichtsbarkeit als «Lediger Pfalzrat» bezeichnet wurde, der in der Regel nur mit welt-lichen Mitgliedern besetzt war. In gewissen Fällen von weitreichender Bedeutung führte jedoch der Abt den Vorsitz. Die Notwendigkeit einer eigenen Instanz für Kriminalfälle begründete Abt Joseph in der Pfalzratsordnung 1733 folgendermassen: Wann es aber geistliche sachen in ihrer natur, aigenschafft, und rechten anbetrifft, so sollen solche ad forum ecclesiasticum, die criminalia aber ad forum criminale verwiesen, folgsam weder die instanzien, die grichten, noch die an einen jeden orth, und richter gehörige causae, personen und sachen vermischt werden.In Bezug auf Ausführlichkeit und Qualität aktenmässig im Stiftsarchiv ausgezeichnet erhalten ist der Kriminalfall des wegen Totschlags und Leichenschändung im Jahr 1775 verurteilten Joseph Antoni Egger aus Tablat, mit dem sich der Ledige Pfalzrat befasste. Der Fall illustriert die Vorgehensweise des Pfalzrats anschaulich. Auf Anzeige hin beauftragte der zuständige Hofweibel den Hatschier mit der Verhaftung Eggers. Die ausführlichen Verhöre, die Beratung des Gerichts und die Urteilsverkündung fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Fürstabtei St.Gallen hatte bereits 1491 von Kaiser Friedrich III. das dem Inquisitionsprinzip entsprechende Privileg erhalten, das Hochgericht zu beschlossner Thür zu halten (Rubr. 42, Fasz. 17). Der Kaiser hatte in seinem entsprechenden, im Stiftsarchiv erhaltenen Schreiben vom 16. August 1491 jedoch ausdrücklich festgehalten, dass der Abt verständige Personen seiner ge-schworenen Räte einzusetzen hatte, die unparteiisch und gerecht richten würden.Im Prozess gegen Joseph Egger wohnten dem Pfalzgericht der Hofkanzler als Vorsitzender, die amtierenden Obervögte von Rorschach, Oberberg und Blatten, der Landvogt des Toggen-burgs sowie ein Lehenvogt und ein weiterer Pfalzrat bei. Bei den Befragungen Eggers anwesend waren zudem der Fiskal und der Ratssekretär, der – glücklicherweise in verhältnismässig schö-ner Handschrift – den Grossteil der umfangreichen Verfahrensakten verfasste. Teilweise war bei den Einvernahmen auch der äbtische Leibarzt zugegen. Dieser amtete als Leichenbeschau-er und verfasste eigenhändig ein mit Skizzen angereichertes ärztliches Gutachten.

Aufgabenfelder der Amtsleute gut rekonstruierbarDie Rollen und Aufgaben der verschiedenen an einem Strafverfahren beteiligten Beamten lassen sich mit Hilfe der Akten des Stiftsarchivs erfreulich gut rekonstruieren. Das Konzept der Pfalzratsordnung 1733 etwa enthält Verhaltensvorschriften für die Pfalzräte. Danach

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hatten sich die Pfalzräte vor Parteien und Zeugen neutral zu verhalten und sich allfällige Ungunst oder Widerwillen nicht anmerken zu lassen. Sie durften Vorurteile ebenso wenig zeigen wie Vertrautheit oder besondere Zuneigung zu Parteien, Advokaten, Vögten und Beiständen. War einer der Pfalzräte mit einer Partei blutsverwandt, verschwägert oder stand mit ihr in würckhlicher fründtschafft, so hatte er dies dem Präsidenten anzuzeigen und in den Ausstand zu treten (Konzept S.  39). Aufgabe des Landshofmeisters war es gemäss Be-stallung, dem Abt die Gefangennahme eines Delinquenten unter Angabe des Grundes anzuzeigen. Die Examination und den ganzen Inquisitionsprozess durfte er dem Hofk anzler oder einem vom Abt bestimmten Vertreter überlassen (Bestallung des Landshofmeisters von 1775, Rubr. 27, Fasz. 5). In der bestallung eines ambtsdieners des Gottshaus St.Gallen ca. aus dem Jahr 1750 sind die Aufgaben des Amtsdieners detailliert geregelt. Dieser dürfte mit dem in der Pfalzratsordnung erwähnten Hofweibel identisch sein. Er hatte im Amtshaus zu St. Fiden zu wohnen und durfte ausser zu Amtsgeschäften ohne der obrigkeit oder eines herrn fiskal vorwüssen nirgendeshin verreisen (Rubr. 42, Fasz. 17, Bestallung S. 1, Ziff. 1). Die Verdäch-tigen musste er verhaften und die Gefangenschaft überwachen. Gaben und Geschenke durfte er bey höchster ohngnad nid annemmen, sondern musste alles offenbaren und anzeigen, was zur vollführung der justiz, und erhaltung obrigkeitlicher authorität, und rechten gereichen mag.

Richten nach der CarolinaBei einer Strafuntersuchung hatten die zuständigen Amtsleute der Fürstabtei die Vorschrif-ten der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, der Constitutio Criminalis Carolina, zu beachten. Die Pfalzräte in ihrer Funktion als Untersuchungskollegium, die Schöffen sowie die Vögte der Fürstabtei St.Gallen hatten sich eidlich zu verpflichten, nach den Vorschriften der Carolina zu amten. Im Fall Egger erfolgte die Verurteilung zur Todes-strafe durch das Schwert unter explizitem Hinweis auf die Carolina (Rubr. 42, Fasz. 18, Ein-vernahmeprotokoll S. 92). Das Konzept der Pfalzratsordnung 1733 enthält keine materiellrechtlichen Bestimmungen, sondern beschränkt sich auf das Prozessrecht. So regeln die ausführlichen Vorschriften for-meller Natur mitunter den Anspruch auf rechtliches Gehör, das Beschleunigungsgebot bzw. Verzögerungsverbot, Verschwiegenheitspflichten der Pfalzräte etc. Viele dieser Rege-lungen dürften massgeblich durch die Carolina beeinflusst worden sein.

Gnade vor RechtFür Joseph Egger war es ein Glück, dass die Todesstrafe im ausgehenden 18. Jahrhundert ein Auslaufmodell war. Zwar musste der Pfalzrat diese Strafe in Anwendung der Carolina in nicht wenigen Fällen noch immer verhängen. Dem Abt war es jedoch möglich, Gnade vor Recht ergehen zu lassen und den verurteilten Straftäter anstatt auf den Richtplatz beispielsweise als Galeerenruderer aufs Meer der Nachbarländer (insbesondere Frankreich und Italien) zu schicken. Zugunsten dieser Strafe durfte auch Egger am Leben bleiben. Der bei Urteilsspruch 1775 amtierende Abt Beda, der verbreitet «der Gütige» genannt wurde, demonstrierte seine Milde besonders gern durch die Begnadigung von Verurteilten. Dies wusste er wirkungsvoll zu inszenieren: So hatte er etwa gemäss Eintrag vom 27. April 1767 in seinem im Stiftsarchiv erhaltenen Tagebuch seinen Kammerdiener angewiesen, einen Gnadenbrief für eine zum Tod verurteilte Kindsmörderin erst im letzten Moment auf der Richtstätte zu verkünden, worauf-hin eine grosse Freude des ganzen Volks verspürt worden sei (Bd. 282, S. 28ff.).

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Der Pfalzrat verfügte seit der Pfalzratsordnung von 1733 über ein zeitgemässes, in einigen Be-reichen sogar vorbildlich anmutendes prozessrechtliches Instrumentarium, das bereits Ansätze vieler unserer heutigen Verfahrensgarantien und Abläufe kannte. Wie die erhaltenen Akten des Falls Egger verdeutlichen, wurden die formellen Vorschriften zumindest in jenem Ver-fahren mehrheitlich umgesetzt. Die Akten des Stiftsarchivs in Bezug auf das Prozessrecht und die grosse Bandbreite der Strafverfahrensakten liefern Einblicke in eine Zeit, die in vielen Ein-zelheiten von heutigen Standards zwar noch grundlegend abwich, in einigen Bereichen jedoch bereits den Vorstellungen eines gerechten und unabhängigen Gerichtsverfahrens entsprach.

Quellen und LiteraturDer Straffall Egger wurde in der im Herbst 2008 beim Dike-Verlag publizierten juristischen Dissertation «Die Wahrheit muss heraus! – Pfalzrätliche Strafuntersuchung gegen Joseph Antoni Egger aus Tablat wegen Totschlags und Leichenschändung 1775» von Miriam Lendfers detailliert aufgearbeitet.

Ungedruckte und gedruckte Quellen

– Bestallung des fürstl. st. gallischen landshofmeisters das malefiz betreffend, 1775, StiASG, Rubr. 27, Fasz. 5.– Bestallung eines amtsdieners des Gottshaus St.Gallen, ca. 1750, StiASG, Rubr. 42, Fasz. 17.– Concept hochfürstlicher st. gallischer pfalzrathsordnung, erlassen von Abt Joseph 1733, StiASG,

Rubr. 28, Fasz. 3.– Freyhait von Kayser Friederich dem Dritten Abbt Gotthartt erthailt, das man das Hochgericht zu be-

schlossner Thür, und nid offentlich halten mög, und wie man das besetzen soll, vom 16. August 1491, Sti-ASG, Rubr. 42, Fasz. 17.

– Gerichtsakten, Protokolle und Gutachten zum Fall Joseph Antoni Egger, StiASG, Rubr. 42, Fasz. 18.– Ordnung, wie die pfaltz-räth sollen gehalten werden. 1636, StiASG, Bd. 314, S. 202–207.– Pfalzratsordnung 1723, StiASG, Bd. 324, S. 877ff.– Tagebuch des Abts Beda vom 11. März 1767 bis 31. Januar 1773, StiASG, Bd. 282.

Literatur

– Max Baumann, Konfessionelle, politische, wirtschaftliche Vielfalt, in: Sankt-Galler Geschichte 2003, Bd. 3, St.Gallen 2003.

– A. Engensperger, Entwicklung der Landsgemeinden in der Alten Landschaft St.Gallen von ihrem Ent-stehen bis zum Beginn der französischen Invasion, kopiert von Franz Perret, St.Gallen 1953.

– Lukas Gschwend, Pfalzgericht, in: Historisches Lexikon der Schweiz, Version vom 18. Januar 2006, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/D27307.php.

– Albert Meier, Die Geltung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. im Gebiete der heutigen Schweiz, Abhandlungen zum schweizerischen Recht, hg. von Max Gmür, Bern 1911.

– Carl Moser-Nef, Die freie Reichsstadt und Republik St.Gallen, Bd. 1, Zürich 1931.– Walter Müller, Landsatzung und Landmandat der Fürstabtei St.Gallen. Zur Gesetzgebung eines

geistlichen Staates vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, St.Gallen 1970.– Paul Staerkle, Das Geschlecht Egger von Tablat und Rotmonten, St.Gallen 1942.– Franz Weidmann, Geschichte des ehemaligen Stiftes und der Landschaft St.Gallen unter den zween

letzten Fürstäbten von St.Gallen, besonders während den Jahren der helvetischen Revolution bis zur Auf-hebung des Stiftes, St.Gallen 1834.

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«Teufel, komm! Komm, Teufel!» – Ein Appenzeller Teufelsbeschwörer im Montafon (1775)

Nach der Inhaftierung eines Appenzellers, der im Montafoner Dorf Vandans für grosses Aufse-hen gesorgt hatte, nahm der Erblehensinhaber der österreichischen Herrschaften Bludenz und Sonnenberg, Freiherr Franz Ludwig von Sternbach, dessen Verhöre selbst vor. Er begegnete dabei einer weiteren Variante des volkstümlichen «Aberglaubens», den er als Vertreter der aufgeklärten Obrigkeit bei seinen Untertanen bereits seit langem einzudämmen bemüht war. In den Jahren unmittelbar davor hatte sich der Freiherr mit dem immer bekannter werdenden Exorzisten und Pfarrer von Klösterle Johann Josef Gassner, zu dessen frühesten Gegnern er zählte, herumgeärgert. Während dieser allenthalben Teufel auszutreiben bemüht war, sollte der nun ins Bludenzer Schlossgefängnis gebrachte Appenzeller das Gegenteil praktizieren, nämlich den Teufel herbeiru-fen, um ihn sich zu Diensten zu machen. Das bildete auch juristisch kein harmloses Unterfangen. Obwohl die Delikte der Zauberei und der Hexerei in der gerichtlichen Praxis der Herrschaften vor dem Arlberg seit vielen Generationen nur mehr im Rahmen von Ehrenbeleidigungsprozessen aufschienen, waren sie aus den Strafgesetzbüchern nicht gestrichen. Andernorts konnte man durch magische Aktivitäten der genannten Art sehr wohl noch in grosse Schwierigkeiten geraten.

Josef Anton MazenauerBeim gefangenen Teufelsbeschwörer handelte es sich um den 25-jährigen ledigen Josef Anton Mazenauer, genannt Thöni, von Haslach aus dem Appenzeller Land (Haslen, Appenzell-Innerrho-den). Er war ein Sohn Johannes Mazenauers und der Anna Maria Brülisauerin, die ausser ihm noch drei Söhne und eine Tochter hatten: Johann Baptist, Hans Jakob, Johann und Anna Maria. Letztere war zum Zeitpunkt von Thönis Inhaftierung mit Franz Josef Keller am Bar-tholomäberg im Montafon verheiratet. Die Brüder hielten sich noch zu Hause auf. Thöni, der erst durch eine Erbschaft nach dem Tod seiner Mutter um 1773 zu etwas Geld gelangt war, hatte im Alter von zwanzig Jahren seine Heimat verlassen und arbeitete seit damals – also seit etwa fünfeinhalb Jahren – in Vandans als Knecht Johann Josef Zimmermanns, wobei er jähr-lich 20 Gulden verdiente. Er verrichtete seine Arbeit zur vollen Zufriedenheit des Bauern, dem er auch persönlich zugetan war. Der junge Mann verhielt sich nach dem allgemeinen Urteil hübsch und recht. Er wercket tapfer, gehet fleissig in die Kirch und bettet. Da sein Heimatort nicht weit von St.Gallen lag, meinten manche Leute, Thöni stamme aus dem St. Gallischen.

Grosse NachfrageIrgendwann sprach es sich in Vandans herum, dass es der Knecht verstehe, verlorene und gestoh-lene Sachen wieder herbeizuschaffen. Diese Fähigkeit galt zu einer Zeit, die von materiellem Mangel geprägt war, als unschätzbar wertvoll. Entsprechend eindringlich bedrängten manche Leute den Appenzeller, dass er ihnen mit seiner «Kunst» helfe. Wie zahlreiche andere Dorfge-nossen schreckte dabei auch sein Arbeitgeber selbst vor Teufelsbeschwörungen nicht zurück. Nur zu oft hatten eben die damals in solchen Fällen üblichen und noch bis mindestens ins 20. Jahrhundert praktizierten Gänge zu den Kapuzinerpatres kein befriedigendes Ergebnis er-bracht.

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Auf entsprechende Anfragen reagierte Thöni unterschiedlich: Den meisten Interessenten soll er den Wunsch abgeschlagen haben, indem er erklärte, er könne das Verlangte nicht und mache keine Profession [Beruf] darauß. In anderen Fällen habe der Knecht seine Unfähigkeit damit erklärt, dass die Diebe einen Pakt mit dem Teufel abgeschlossen hätten. Gegenüber seinem Arbeitsgeber sowie anderen besonders aufdringlichen Interessenten habe er jedoch manchmal nachgegeben und sich zu einer Beschwörung bereit gefunden. Zimmermann habe einmal die Bedenken seines Knechts, daß es ohne schwere Sünde nicht geschehen könne, so-gar mit der Zusicherung entkräftet, er wolle diese auf sein Seel nehmen.Dem Dorfgenossen Franz Josef Koller, dessen Vater die hohe Summe von 60 Gulden abhan-den gekommen war, bot der Appenzeller an, nächtens im Freien mit ihm gemeinsam den Teufel zu beschwören. Dieser werde ihm dann eröffnen, wo sich das Geld befinde. Das getrau-te sich Franz Josef aber nicht. Nachdem Thöni sich gerühmt hatte, genau zu wissen, wer die Diebe seien, erklärte er aber stolz, dass er deren Namen nicht nennen werde: Er wolte sich lieber erfäüllen lassen. Daraufhin bedrängten Mitglieder der Familie Koller den Knecht noch lange, ihnen zu helfen. Als der Knecht einmal sogar die Absicht habe erkennen lassen, das aus der Kirche gestohlene Messgewand wieder herbeizuschaffen, sei man darauf nicht eingegangen: Sich dieses vom Teufel zurückbringen zu lassen, erschien wohl den meisten als ziemlich unan-gebracht. Grossen Eindruck scheint Thöni damit hinterlassen zu haben, dass er Franz Josef Wachter, der ihn aufgefordert hatte, ihm eine verschwundene Pfanne wieder zu besorgen, zutreffend entgegnete, diese sei wohl von ihm selbst versteckt worden. Seinem Arbeitgeber hatte Thöni in den letzten beiden Jahren abhanden gekommenes Eisen Zeüg, Kupfergeschirr, essende Waar (Speisen), ein Aufzugseil im Wert von vier oder fünf Gulden und zehn Ellen Tuch, die von der Bleiche unweit hinter Zimmermanns Haus entwendet worden waren, wieder beschafft. Vor Gericht gab der Bauer zu Protokoll: Gemeiniglich ein, 2 oder 3 Tag darnach seind meine Sachen wiederum an dem alten Plaz gewesen. Der Obrigkeit erklärte er auch, dass ihm Thöni öfters gesagt habe, die Beichtväter wollten solche Praktiken nicht dulden, deshalb möge er sich damit nicht zu viel abgeben. Er sei tatsächlich nur mit grosser Mühe von anderen zu den Beschwörungen überredet worden, sonst führe er sich in allem durchaus from und redlich auf.

Verhaftung und VerhörMit seinen «Teufelskünsten» hatte Thöni aber die Grenzen des Erlaubten bei Weitem über-schritten. Deshalb wurden Franz Josef Koller, Johann Josef Zimmermann und der Appen-zeller Knecht schliesslich auf den 14. November 1775 ins Schloss Bludenz vorgeladen, wo man Letzteren sogleich verhaftete. Da sich bei ihm keine verdächtigen Gegenstände, son-dern nur ein paar Kreuzer, ein Rosenkranz und eine alte Pfeife fanden, beschlagnahmte das Amt auch Thönis übrigen Besitz in Zimmermanns Haus. Die beiden Montafoner Zeugen wurden detailliert und unter Eid über Thönis magische Tätigkeiten befragt. Johann Josef Zimmermanns Einvernahme endete mit einer strengen Verwarnung durch die Obrigkeit. Er sollte sich künftighin nicht mehr mit solchen sündhaften und hochsträflichen Praktiken abgeben, sonst habe er eine strenge Strafe zu gewärtigen. Der Bauer entschuldigte sich da-mit, dass er es halt nicht besser verstanden habe. Am folgenden Tag, dem 15. November, verhör-ten der Freiherr von Sternbach und sein Sekretär Jakob Fidelis Simeon von Buchberg den Knecht. Verständlicherweise versuchte dieser dabei, seine verbotenen Unternehmungen so gering wie möglich erscheinen zu lassen. Das magische Prozedere mit der Erscheinung des Teufels hingegen gab der Appenzeller freimütig zu Protokoll.

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TeufelsbeschwörungSeine Vorgangsweise bei den Teufelsbeschwörungen beschrieb Thöni vor Gericht mit folgen-den Sätzen: [...] bin ich grad um Mitternacht ein kleins Stückl ob des Meisters Haus gegangen, alldorten hab ich unter dem freyen Himmel 3 Gruben im Wasboden, so gros als ein Apfel, mit dem Messer, jede 3 Schritt weit voneinander, von Mitternacht [Norden] gegen Mittag [Süden] zu gegraben, mich alldorten in die mittelste Gruben und gegen Mitter Nacht gestellt. Ehevor ich aber aus dem Haus gegangen, habe ich daß Nuster oder den Rosenkranz und Scapulir zu Haus zurück gelassen und unter der Hausthür gesagt: Jez geh ich in des Teüfels Namen hinaus. Um die gegrabene Gruben habe ich, nachdem ich auf der mitteren Gruben gestanden, einen 3 Schuh weiten Kreis gemacht. Nach diesem rüfte ich: «Teüfel, kom! Kom, Teüfel!» Worauf auch solcher, soviel ich wahrnehmen können, in Menschen Gestalt, grün gekleidet und mit Gaisfüssen auf die linke Seiten neben mir ausser dem Kreis gegen Sonnenuntergang [Westen] sogleich erschienen und mich in Menschen Stim befragt: «Was begehrt er meiner?» Ich erwiederte ihme: «Du must mir den zwängen, der meinem Meister daß Aufzug Sail verruckt.» Worauf der Teüfel erwiedert: «Er mus es zuruck thun.» Hierauf befohle ich ihm, er solle in dem Namen, wie er gekommen, wieder zuruck gehen. Kaum hatte ich dieses ausgeredt, so verschwande er, und ich verfügte mich ohngefähr um 1 Uhr nach Mitternacht wiederum nach Haus. Nach dem Erfolg der Beschwörung befragt, erklärte der Angeklagte, dass das vermisste Seil noch in derselben Nacht in jene Kammer eines einschichtigen Hauses seines Bauern auf Zamazot zu-rückgelangt sei, wo es abhanden gekommen war. Gemeint war wohl ein Maisäss auf Lantsch-isott unterhalb von Latschau.

Zweites Verhör und UrteilEine zweite Einvernahme Thönis fand am 21. November statt. Dabei ergänzte der Gefangene seine Aussagen durch eine angeblich für die Beschwörung notwendige Zauberkugel und ge-stand entgegen seinen früheren Aussagen, das magische Ritual für Koller sehr wohl vorge-nommen zu haben. Es habe allerdings nichts bewirkt, da ihm davor bei Holzarbeiten im Wald oder beim Flössen auf dem Rellsbach die Zauberkugel unbemerkt aus dem Hosensack gefal-len sei. Sie habe aus Lehm bestanden und sei etwa so gross wie eine Nuss sowie halb grün, halb blau gewesen. Die drei darauf vermerkten Namen habe er nicht entziffern können, weil er An-alphabet war. Die Kugel hätte er in die mittlere Grube legen und dann darauf stehen müssen, sodann werde es sich thun – würde die Beschwörung also gelingen. Eine weitere Voraussetzung dafür soll gebildet haben, dass er keinen Pfennig Lohn annahm. Anderenfalls hätte er nichts auszurichten vermocht. Als man von Thöni wissen wollte, wer ihn dieses Ritual gelehrt und von wem er die Kugel erhalten habe, gab er einen alten Mann aus Schwaben an, der drei Jahre bei seinem Vater in Untermiete gehaust habe. Sein Vorname habe Josef gelautet. Den Nach-namen kenne er nicht. Aus einer erhaltenen Kostenauflistung geht hervor, dass Thöni zwei Wochen lang inhaftiert war. Als notdürftige Heizung diente ihm dabei ein Feür. Das Urteil, das über ihn gefällt wurde, liegt den Akten nicht bei. Es steht zu vermuten, dass das Gericht eine Geld- und/oder Ehrenstrafe mit anschliessender Landesverweisung verhängte.

SchlussbetrachtungDie zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts erlebte eine Hochblüte des «Teufelstreibens». Als die gerichtlichen Hexenverfolgungen mit geringen Ausnahmen endgültig der Geschichte ange-hörten, kam es zu einer Art von «Teufelsverfolgung». Dabei bekämpfte man das übernatür-liche Böse nicht mehr wie früher schwerpunktmässig über dessen Mittelsmänner und -frauen

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

in Gestalt von Hexern oder Hexen, sondern nunmehr direkt. Diesen Kampf gegen den oder die Teufel führten in der Hauptsache die Exorzisten, von denen ausser dem überregional be-kannten Johann Josef Gassner in Vorarlberg zahlreiche weitere tätig waren, und zwar inner-halb und ausserhalb der kirchlichen Strukturen. Bei der grossen Macht, die weite Kreise der Bevölkerung dem Teufel beimassen, und angesichts der nicht mehr bestehenden Bedrohung durch Hexenprozesse verwundert es kaum, dass gleichzeitig eine andere Art des Umgangs mit jenseitigen Kräften, die sich deren Potenzial in einem gegenteiligen Sinn zu bedienen trachtete, an Boden gewann. So erlebte zu dieser Zeit beispielsweise die Schatzgräberei, bei welcher der Teufel mittels bestimmter Rituale zur Preisgabe grosser materieller Werte ge-zwungen werden sollte, den Höhepunkt ihrer Verbreitung. Ob und inwieweit sich bei diesen magischen Praktiken eine dritte Form des Umgangs mit dem Übernatürlichen, nämlich eine bewusste Instrumentalisierung zwecks Täuschung oder Betrugs, niederschlug, ist schwer feststellbar. Auch im Fall Josef Anton Mazenauers lässt sich anhand der vorliegenden Gerichtsakten nicht bestimmen, was den eigentlichen Beweg-grund für sein Handeln bildete. Glaubte er wirklich, dass ihm der Teufel erschien und an-schliessend Diebe zur Rückgabe des Gestohlenen zwang, oder wollte er sich mit «Teufels-künsten», die er selbst nicht (ganz) ernst nahm, nur wichtig machen? Konnte in irgendeiner Form auch beides zutreffen? Verfehlt wäre es jedenfalls, die Aktivitäten des Appenzeller Knechts als «uralte heidnische» Traditionen aufzufassen. Das einzige wirklich Althergebrachte daran war der – bei den heu-tigen Voraussetzungen eigentlich noch unverständlichere, aber wiederum mehr denn je ver-breitete – Wunsch, bestimmte Ziele mit okkulten Kräften zu erreichen. Ansonsten stellten sowohl die angewandten Riten als auch das Bild des Teufels als menschenartiges Wesen mit Geissfüssen in grünem Gewand einen Ausdruck zeittypischer Vorstellungen dar, die sich aus den verschiedensten Quellen rekrutierten. Während die Bezeichnung als «Teufelsbe-schwörer» oft nur dazu diente, Zauberer, Wahrsager oder Geisterbeschwörer, die nichts mit dem Herrn der Hölle gemein haben wollten, zu diskreditieren, war sie bei Mazenauer durch-aus angebracht, stand doch der «böse Feind» im Mittelpunkt seines magischen Wirkens.Sein Fall schien wieder einmal zu bestätigen, wovon viele traditionelle Gesellschaften von vornherein ausgehen, nämlich dass vor allem die anderen beziehungsweise die Fremden mit dem Bösen im Bund stehen und damit eine besondere Gefahr darstellen. So galten etwa in Graubünden vornehmlich die Tiroler und damit wohl auch die Vorarlberger als Zauberer. Solche Einschätzungen, die auf selektiven Wahrnehmungen beruhten, wurden mitunter durch die «Ausländer» selbst bestätigt und verstärkt, indem sie etwa wie Josef Anton Mazenauer – eigentlich eine Entschuldigung beabsichtigend – betonten, dass in ihrer Hei-mat viele andere diese Kunst können. Als bezeichnend kann in diesem Zusammenhang auch seine Antwort auf die Frage gelten, wer ihn denn dort das Teufelsbeschwören gelehrt habe: Obwohl ja nach eigener Aussage viele Appenzeller diese «Kunst» beherrschten, soll es ein Mann aus Schwaben – also wiederum jemand aus einer Nachbarregion – gewesen sein.

Quelle und Literatur– Vorarlberger Landesarchiv, Vogteiamt Bludenz 155/3232.– Manfred Tschaikner, Die Hexenverfolgungen im Klosterstaat des Abtes von St.Gallen (Arbeits-

titel; die Quellengrundlage bilden vornehmlich die Akten des StiASG, Rubr. 85, Fasz. 27, sowie die dorti-gen Gerichts- und Amtsprotollbücher). Erscheint 2010.

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Neuzeit im Kloster St.Gallen

urs eugster und raFael wagner

«… nostro amico, confederato, e sinceramente amato» Auszüge aus dem Briefregister des Stiftsarchivs St.Gallen

Briefe besitzen zweifellos einen hohen Quellenwert, der über die politische Geschichte weit hinausreicht und besonders die Mentalitäts- und Alltagsgeschichte betrifft. Mit rund 11’000 meist als Autographen erhaltenen Briefen bewahrt das Stiftsarchiv einen Fundus auf, der bisher erstaunlich wenig Beachtung gefunden hat. Aufgrund der grossen Anzahl an Absen-dern kann im Folgenden nur eine kleine Auswahl präsentiert werden, die einen Eindruck vom europäischen Beziehungsnetz des Fürstabts von St.Gallen und seiner geistlichen und weltlichen Hofbeamten vermitteln soll. Es beruht auf einem Verzeichnis Gustav Scherrers von 1889, das in den letzten Jahren im Rahmen von sechsmonatigen Praktika im Stiftsarchiv digitalisiert und verbessert wurde. Bei der Suche nach Personen bot das Zeitalter des Inter-nets ungeahnte Möglichkeiten, wobei immer noch einige Fälle einer genauen historischen Einordnung bedürfen. Als hilfreichste Adressen seien genannt: www.helvetiasacra.ch; www.hls-dhs-dss.ch und de.wikipedia.org. Aber auch gedruckte Werke wie das Historisch-Biogra-phische Lexikon der Schweiz, Neuenburg 1921–1934, verschiedene Klostergeschichten und Professbücher dienten der Vervollständigung der Daten. Schliesslich ist mit dieser Publika-tion bzw. der zukünftigen Aufschaltung der vollständigen Liste im Internet (www.stiftsar-chiv.sg.ch) die Hoffnung verbunden, weitere Personen aus dem Dunkel der anonymen Ge-schichte herauszulösen.

OrdenskürzelCSA Augustiner-ChorfrauenOCart KartäuserOCist ZisterzienserOFM FranziskanerOFMCap KapuzinerOH JohanniterOP DominikanerOPraem PrämonstratenserOSA AugustinerOSB BenediktinerOSPPE PaulinerSI Jesuiten

Brief des Dogen Silvestro Valier von 1695.

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

I. Briefe geistlicher PersonenKardinäleAguirre, Joseph von (1666–1694)Albani, Brevium, Sekretär (1688–1717)Aldobrandinus, Cinthius, St. Georg (1604–1605)Aldovrandi, Pompeio (1740–1741)Altieri degli Albertoni, Paluzzo (1670)Antonellus, Präfekt der Congregatio de Propaganda fide

(1791)Aquilanus, Joseph Eusanius, Präfectus sacrarii apostolici

(1675)Archinto, Johannes, Präfekt der Congregatio rituum

(1783/1784)Barberinus, Franciscus (1630–1672)Bichi, Vincenzo (1741)Borghese, Paolo (1795)Borgia, Ludovicus, Präfekt der Congregatio indulgentia-

rum et reliquiarum (1768)Borromäus, Friedrich (1671–1672)Cantelmi, Giacopo, Duca di Popoli, Erzbischof von

Caesarea (1690–1693)Carpegna, Gasparo (1688)Casali, Antonio, Gouverneur von Rom (1778)Chigi, Flavio der Ältere (1657–1665)Cibo, Odoardo, Erzbischof von Seleucia (1685–1687) Ciceri, Carlo Stefano, Bischof von Como (1688)Colloredo, Leandro (1693)Conti, Pietro Paolo (1694–1728)Corradini, Pietro Marcellino (1732)Corsi, Domenico Maria (1695)Corsini, Neri der Ältere (1737–1738)Durazzo, Marcello, Titularerzbischof von Chalcedon (1692)Firrao, Giuseppe, Staatssekretär (1735–1738)Gentili, Antonio Saverio, Presbyter des Präfekten der

Congregatio cardinalium Concilii (1738–1743)Giusto, Erzbischof von Anicia (1731)Guadagni, Giovanni Antonio (1742)Imperiali, Giuseppe Renato (1727–1730)Lambertini, Prospero Lorenzo, Bischof von Ancona

(1728–1733)Lancellotti, Horatius, Präfekt der Congregatio cardinali-

um Concilii (1617)Lanti, Antonius (1740)Nardini, Stefano (1463)Negroni, Andrea (1785)Odescalchi-Erba, Benedetto, Erzbischof von Mailand (1724)Pamphili, Camillo (1645)Panciatici, Bandino (1694–1706)Paolucci, Fabrizio (1703–1718)Paravicini, Ottaviano (1593–1608)Porcia, Leandro (1730)Prisca, S., Rom (1712)Ptolemäus,Collegium Germanicum, Rom (1723)Rubini, Giambattista (1690–1695)Schrattenbach, Wolfgang Hannibal, Bischof von Ölmütz

(1718)Sfondrati, Cölestin II. (1696)Sozzani, Mailand (1694)Spada, Fabrizio (1692–1695)Stampa, Carlo Gaetano (1739–1740)Tedeschi, Nicolo Maria, Erzbischof von Apameia in

Bithynien, Sekretär der Congregatio rituum (1721–1731)

Torregiani, Maria Luigi (1760–1764)Veralli, Fabrizio, Bischof von S. Severo (1611)

Apostolische NuntiiAcciajuoli Filippo, Titularerzbischof von Petra (1744–1754) Aquaviva de Aregonia, Rodolphus de, Erzbischof von

Laodicea (1668–1669)Aquino, Ladislaus di, Bischof von Venafro (1609–1612)Aste, Marcello d‘, Erzbischof von Athen (1692–1695)Barni, Johann Baptist, Erzbischof von Edessa (1731–1739)Bichi, Vincentius, Erzbischof von Laodicea (1704–1714)Bonomini, Giovanni Francesco, Bischof von Vercelli

(1579–1582)Borromäus, Friedrich, Patriarch von Alexandrien (1655–1663)Bufalini, Johannes Octavius, Erzbischof von Chalcedon

(1755–1759)Cantelmi, Jacobus, Herzog von Popoli, Erzbischof von

Caesarea (1685–1693)Caprara, Giovanni Battista, Erzbischof von Mailand

(1775–1781)Caraffa della Spina, Carlo, Bischof von Aversa, später

Kardinal (1655)Cibo, Odoardo A., Erzbischof von Seleucia (1670–1680)Comes de Sarego, Ludovicus, Bischof von Adria (1615–1616)Comes de Turre, Johannes, Bischof von Krk (1600–1606)Comes Portia, Hieronymus (1594–1595)Conti, Michelangelo, Graf Poli, Titularerzbischof von

Tarsus (1696–1697)Crescentius, Legat, Kardinal, Trient (1552)Durini, Carolus Franciscus, Mailand, Erzbischof von

Rhodos (1740–1751)Farnese, Hieronymus Erzbischof von Patras (1639–1654)Ferrajo, Josephus, Neapel, Erzbischof von Nicaea (1717–1719)Francesco Boccapaduli, Bischof von Sulmona und Valva

(1647–1652)Franco, Hieronymus, Bischof (1551)Gavottur, Laurentius Bischof von Ventimiglia (1644–1646)Gonzaga, Aloysius Valenti, Titularerzbischof von Caesarea

(1764–1773)Gravina Pietro, Erzbischof von Palermo (1794)Hinguarda, Felicianus, Bischof von Scala, Nuntius in

Ober-Deutschland (1579)Menatti, Bartholomäus, Bischof von Lodi (1691–1693)Oddi, Nicolaus, Erzbischof von Trajanopolis (1760–1764)Paravicini, Octavius, Erzbischof von Alexandria (1589–1591)Passionei, Domenicus, Erzbischof von Ephesus (1714–1736)Piazza, Julius, Erzbischof von Rhodos (1689–1698)Roccius, Cyriacus, Erzbischof von Patras (1629–1630)Sacrati, Alfonsus, Erzbischof von Comana (1644–1647)Scotti, Ranuccio, Bischof von Borgo San Donnino (1630–1639)Ubaldi-Baldeschi, Fredericus, Erzbischof von Caesarea

(1665–1668)Verallo, Fabricius, Bischof von San Severo (1606–1607)Vinci, Josephus de, Erzbischof von Berito (1796)

BischöfeAdolphus, Bischof von Fulda (1726)Andreas, Bischof von Brixen, Kardinal von Österreich,

Markgraf von Burgau, Konstanz (1593–1597)Anton, Bischof von Wien (1633)Balthasar, Weihbischof von Ascalon, Konstanz (1595)Buonvisi Francesco, Erzbischof, Thessalonich (1691)

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Neuzeit im Kloster St.Gallen

Casimir Anton, Bischof von Konstanz (1743–1747)Caspar Ignaz, Bischof von Brixen (1740)Christoph, Bischof von Konstanz (1548–1554)Ciceri, Bischof Kardinal, Como (1688)Constantin, Bischof von Fulda (1718)Damian Hugo, Bischof von Speyer, Kardinal, Konstanz

(1722–1742)Dionys, Bischof von Chur (1777–1778)Ernst, Erzbischof von Köln (1585)Franz Anton, Erzbischof von Salzburg (1713–1718)Franz Conrad, Bischof von Konstanz (1750–1759)Franz Egon, Bischof von Strassburg, Landgraf von

Elsass, Fürst von Fürstenberg (1665–1672)Franz Johann, Bischof von Konstanz (1619–1687)Franz Ludwig, Bischof von Eichstätt (1732)Friedrich Karl, Bischof von Würzburg und Bamberg

(1736–1740)Hugo, Bischof von Konstanz (1520–1529)Jakob Anton, Erzbischof von Cara, Florenz (1695)Jakob Christoph Blarer, Bischof von Basel (1577–1604)Jakob Maximilian, Bischof von Gurk (1718–1740)Jakob Sigmund, Bischof von Basel (1609)Jakob Sigmund, Bischof von Basel (1740–1748)Jakob, Bischof von Konstanz, Herr der Reichenau

(1605–1615)Johann Anton, Bischof von Chur (1760)Johann Anton, Bischof von Como (1564)Johann Anton, Bischof von Eichstätt (1740)Johann Conrad, Bischof von Basel (1657–1718)Johann Eucharius, Bischof von Eichstätt (1692–1717)Johann Franz, Bischof von Basel (1654)Johann Franz, Bischof von Konstanz (1710–1739)Johann Heinrich, Bischof von Basel (1630)Johann Hugo, Erzbischof und Kurfürst von Trier (1696)Johann Joseph, Bischof von SittenJohann Philipp, Bischof von Würzburg (1717–1718)Johann, Bischof von Chur (1643)Johann, Bischof von Konstanz, Herr der Reichenau

und Ötzingen (1628–1633)Johann, Bischof von Roschieden, Erzbischof von Lund

(1535–1546)Johann, Erzbischof und Kurfürst von Trier (1385)Joseph Benedikt, Bischof von Chur (1740–1748)Joseph Franz, Bischof von Tempensis (1753–1771)Joseph Maria, Graf von Thun-Hohenstein, Bischof von

Passau (1762–1763)Joseph Wilhelm, Bischof von Basel (1740–1748)Juigné, Antoine-Léon le Clerc, Erzbischof von Paris (1793)Karl Rudolf, Bischof von Chur (1797)Kaspar Ignaz von Künigl, Bischof von Brixen (1722)Lorenzo Casoni, Erzbischof von CesareaLothar Franz, Erzbischof von Mainz (1710–1712)Ludowicus Madrutius, Bischof von Trient, Kardinal (1594)Ludwig von Freiberg, Gegenbischof von Konstanz

(1475–1476)Marquard Rudolf, Bischof von Konstanz (1689–1696)Marquard, Bischof von Eichstätt (1657–1679)Marx Sittich, Bischof von Konstanz (1564–1589)Marx Sittich, Erzbischof von Salzburg (1615)Matthäus Ferdinand von Bilenberg, Erzbischof von

Prag (1670)Max Rudolf, Erzbischof von Salzburg (1680)

Maximilian Christoph, Bischof von KonstanzOtto von Sonnenberg Bischof von Konstanz (1475)Paris, Graf von Lodron, Erzbischof von Salzburg (1651)Petrus, Erzbischof von Tarragona (1731–1733)Philipp Karl, Erzbischof von Mainz (1740)R ink von Baldenstein, Wilhelm Jakob, Bischof von

Basel (1696)Schenk von Stauffenberg, Johann Franz, Bischof von

Konstanz und Augsburg (1740)Sigmund, Weihbischof von Konstanz (1671)Sixtus Wernherus, Bischof von Konstanz (1626)Thomas, Bischof von Chur (1552)Ulrich, Bischof von Chur (1670–1718)Wilhelm, Bischof von Basel (1610–1626)Wolfgang, Erzbischof von Mainz (1585)

Äbte und ÄbtissinnenDisentis (OSB)Adalbert de Medell (1664–1694)Bernhard Frank von Frankenberg (1743)Marian von Castelberg (1740)Maurus, Dekan (1696)

Einsiedeln (OSB)Augustin Hofmann (1610–1660)Augustin Reding von Biberegg (1672–1688)Joachim Eichhorn (1551–1552)Ludwig Blarer (1529)Maurus von Roll (1699–1709)Nikolaus Imfeld (1735–1738)Placidus Reimann (1649–1672)Rafael von Gottrau (1690–1698)Thomas Schenklin (1717–1721)Wolfgang Weishaupt, Dekan (1654)

Engelberg (OSB)Ignatius Betschart (1671)Joachim Albini (1697)Maurus Rinderli (1729)

Fischingen (OSB)Franz Troger (1693–1722)Joachim Seiler (1660–1686)Johann Baptist Schwager (1728–1735)Mathias Stehelin (1612)Placidus Brunschwiler (1654–1657)Placidus II. Vogt (1735)

Füssen (OFM)Benedikt (1740–1745)Dominicus (1717)Gerard (1710)Martin (1655)

Fulda (OSB)Adolf (1726)Amandus (1740)Bernhard (1630)Bernhard Gustav, Markgraf von Baden, Kardinal (1673)Lothar Frik von Hohenfeld, Prior (1740)

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

Isny (OSB)Alfons (1717–1730)Basilius (1760–1761)Dominicus (1655)Leo (1731–1740)

Kempten (OSB)Adalbert (1712)Anselm (1740–1748)Engelbert (1750)Erhardt (1591)Johann Willibald (1607–1631)Romanus (1645)Rupert (1679–1712)Rupert (1717–1720)Wolfgang (1591)

Kreuzlingen (OSA)Augustin Gimmi (1674–1695)Georg Fichtel (1717–1720)Johannes Baptist Dannecker (1740–1757)Petrus (1698)

Lindau (Kanonissenstift)Anna Christina (1663–1665)Barbara (1608)Maria Anna Margaretha (1740)Maria Magdalena (1693–1717)Theresia Wilhelmina (1747)

Mehrerau (OCist)Aloysius (1680)Antonius (1696)Franz (1737–1746)Joseph Baptist (1756)Magnus (1712–1721)Placidus (1625)

Münsterlingen (OSB)Maria Beatrix Schmid von Brandenstein (1717)Maria Dorothea Felicitas von Rost (1740)Maria Elisabeth Link (1674)Maria Theresia von Barquer (1690)

Murbach (OSB)Carolus (1662)Cölestin (1722–1735)Columban (1665–1699)Leodegar (1759)

Muri (OSB)Dominikus Tschudi (1646–1654)Gerold Haimb (1725–1740)Johann Jodocus Singisen (1607–1642)Placidus Zurlauben (1696–1704)

Notkersegg (OFMCap)Maria Bonaventura (1778)Maria Josepha (1771)Maria Rosa (1732)Theresia (1740)Verena Ludovica (1770)

Ochsenhausen (OSB)Alfons (1666)Balthasar (1676)Bartholome (1622)Benedikt (1742–1757)Franz Klesin aus Feldkirch (1695)Hieronymus (1712–1717)Placidus (1686)Urban (1610)Wunibald (1655–1657)

Ottobeuren (OSB)Anselm (1740–1754)Benedikt (1676)Gregor (1618–1623)Lienhard (1530)Rupert (1712–1740)

Petershausen (OSB)Alfons (1740–1747)Benedikt (1628) Jakob Renz (1612–1613)Placidus (1717)Wilhelm (1660–1671)Wunibald (1672)

Pfäfers (OSB)Bonifaz Tschupp (1697–1722)Justus Zink (1655)Michael Saxer (1610–1618)

Rheinau (OSB)Andreas (1716)Basilius Iten (1685–1696)Benedikt Ledergerw (1738–1748)Bernhard von Freyburg (1669)Eberhard von Bernhausen (1613–1630)Gerold Zurlauben (1691–1718)Nicolaus Vettiger von Uznach, F. Sakristan (1715)

Salem (OCist)Anselm Muotelsee (1668–1679)Anselm Schwab (1747–1765)Constantin Miller (1740–1741)Emanuel Sulger (1692–1696)Petrus Müller (1609)Stephan Jung (1717)Stephan Enroth (1745)Thomas Wunn (1625)

Salzburg St. Peter (OSB)Albert II. Keuslin (1641–1654)Amand Pachler (1658–1660)Edmund Sinnhuber (1682)Gregor von Scheyer (1679)Gottfried Kröll (1745)Joachim Buchauer (1617)Placidus Mayrhauser (1739–1740)

St. Blasien (OSB)Augustin Finck (1696–1718)

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Neuzeit im Kloster St.Gallen

Blasius Bender (1721–1724)Franciscus Chullot (1627–1658)

St.Gallen (OSB)Beda Angehrn (1748)Bernhard Müller (1594–1630)Cölestin I. Sfondrati (1692–1693)Cölestin II. Gugger von Staudach (1740–1742)Diethelm Blarer von Wartensee (1530–1560)Gallus Alt (1655–1679)Joachim Opser (1579–1594)Joseph von Rudolphi (1719–1737)Kaspar von Breitenlandenberg (1459)Kilian Germann (1529–1530)Leodegar Bürgisser (1696–1717)Otmar II. Kunz (†1577)Pankraz Vorster (1796)Pius Reher (1630–1653)Ulrich Rösch (1457–1489)

Villingen St. Georg (OSB)Georg (1685–1690)Hieronymus (1740)Michael (1660)Michael (1717)

Wiblingen (OSB)Benedikt (1656)Maurus (1686–1688)Modestus (1712–1717)Meinrad (1740)

Weingarten (OSB)Alfons (1679)Alfons (1730–1734)Alto Höcht (1713)Dominicus (1731–1767)Georg (1606–1607)Gerwig (1533–1535)Placidus (1741–1750)Sebastian (1712–1720)Wilibald (1686–1696)

Weissenau (OPraem)Bartholomäus Eberlin (1656)Bartholome (1668)Jakob (1526)Leopold (1718)

Wettingen (OCist)Alberich (1740–1744)Alfons (1679)Bernhard (1653)Franz (1718–1719)Gerhard (1667)Petrus (1560)Petrus (1614)Petrus (1745–1747)

Zwiefalten (OSB)Augustin (1740)Balthasar II. (1631)

Beda (1717–1718)Johann Martin (1686)Wolfgang (1712)

Andere StifteAmandus, Lambach (OSB) (1747)Anna Rosina, Grimmenstein (OFMCap) (1740)Anna, Baindt (OCist) (1689)Anselm, Michelsberg, Bamberg (OSB) (1741)Antonius, Beinwil (OSB) (1666–1668)Augustin Müller, Gengenbach (OSB) (1718–1722)Augustin Reutti, Mariastein (OSB) (1688–1695)Augustin, St. Trudpert (OSB) (1696–1713)Barberius Joseph, San Paolo fuori le mura (OSB) (1696) Beda, Wessobrunn (OSB) (1749–1760)Benedikt III. Pacher, Ettal (OSB) (1740)Benedikt Maria, Neresheim (OSB) (1756–1761)Benedikt, Gengenbach (OSB) (1743)Benedikt, Klingnau (OSB) (1744)Benedikt, St. Peter im Schwarzwald (OSB) (1740–1745)Bernhard Baillie, Schottenkloster St. Jakob Regensburg

(OSB) (1740–1743)Bernhard, St. Ulrich und Afra Augsburg (OSB) (1640)Berthold, Melk (OSB) (1712)Caecilia Ursula Püntener, St. Lazarus, Seedorf (OSB)

(1688)Caspar, Corvey (OSB) (1754)Clara, Steinertobel (OSB) (1680)Cölestin, Elchingen (OSB) (1718)Cölestin, St. Trudpert (OSB) (1740)Columban, Hüfingen, St. Märgen (OSA) (1689)Constantinus Cajetanus, Collegio Gregoriano Rom

(1622)Corbinian, Schyzin, Salzburg (OFM) (1651–1654)Dominicus, San Giorgio Maggiore, Venedig (OSB)

(1612)Edmund, Marchtal (OPraem) (1717)Etienne Texier d‘Hautefeuille, Mont Saint-Michel (OSB)

(1691)Febronia Hug, Grimmenstein (OFMCap) (1654)Franciscus, Ettenheimmünster (OSB) (1655)Franz, Kloster Val-St-Lambert (OCist) (1683)Gerold, Schönau (OSB) (1697)Gregor Kimpfler, Scheyern (OSB) (1677–1680)Gregor, Tegernsee (OSB) (1746)Hermann, Roth (OPraem) (1718)Jacob Hochrütiner, Alpirsbach (OSB) (1564)Jakob Zürcher von Lichtensteig, St. Johann im Thurthal

(OSB) (1538)Johann Baptist, Ettenheimmünster (OSB) (1738–1740)Johann Jakob, Probst, Ellwangen (OSB) (1642)Johann von Sternenberg, Fürstenberg bei Xanten (OSB)

(1652–1658)Johann, Elchingen (OSB) (1648)Johanna Guggenmoos, Altstätten, Mariahilf (OFMCap)

(1740)Korbinian Cherle, Thierhaupten (OSB) (1667)Kunigunde, Eschenbach (OCist)(1646)Ludwig, Roth (OPraem) (1654)Magdalena Suteria, Wonnenstein (OFMCap) (1654)Marcus Oconomus, Schussenried (OPraem) (1655)Maria Anna Francisca, Schänis (Damenstift) (1740)

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

Maria Anna Francisca, Schönau (OSB) (1740)Maria Barbara Sayler, Priorin in Libingen (OSB) (1765)Maria Cäcilia, Magdenau (OCist) (1692–1746)Maria Cäcilia, Priorin in Inzikofen (CSA) (1740)Maria Catharina, Maria der Engel, Pfanneregg (Beginen)

(1654)Maria Catherina de Civitate Dei, St. Scholastica Rorschach

(OSB) (1740)Maria Francisca, Günthersthal (OCist) (1760–1797)Maria Francisca, Urspring (OSB) (1712–1717)Maria Hildegard von Sürgenstein, Urspring (OSB) (1740)Maria Josepha, Heiligkreuzthal (OCist) (1740)Maria Magdalena Harder, Kalchrain (OCist) (1658)Maria Perfecta, St. Joseph Marchdorf (1718)Maria Radegundir, St. Wiborada in St.Georgen (OSB)

(1740)Maria Victoria Tschudy, St. Katharinen Kloster Wil

(OFMCap) (1740–1741)Maria Werdenstein, Wald (OCist) (1617)Marianus Heiss, St. Luzi Chur (OPraem) (1731)Martin, Ebersheimmünster (OSB) (1631)Matthäus, Schussenried (OPraem) (1650)Matthias, Admont (OSB) (1759)Maurus, Ettal (OSB) (1735)Maurus, Beinwil (OSB)Maurus, Ettenheimmünster (OSB) (1687)Maurus, Mariastein (OSB) (1714)Maurus, St. Peter im Schwarzwald (OSB) (1713)Melchior, Waldsee (OFM) (1662)Michael, Fultenbach (OSB) (1742–1743)Michael, Mönchsdeggingen im Ries (OSB) (1761)Mürdt Bluemberg, von, Massmünster (1775)Nicolaus, Schussenried (OPraem) (1773)Norbert Kauffmann, St. Luzi Chur (OPraem) (1747)Paulus, Gengenbach (OSB) (1740)Pelagia, Appenzell, Maria der Engel (OFMCap) (1655)Philipp Jakob, St. Peter im Schwarzwald (OSB) (1752)Placidus Hamilton, Schottenkloster St. Jakob Würzburg

(OSB) (1758–1759)Placidus, San Paolo fuori le mura Rom (OSB) (1730)Regula Wonlich, St. Katharinenkloster Wil (OP) (1654)Romanus, St. Trudpert (OSB) (1668–1675)Ulrich, Marchtal (OPraem) (1740–1745)Ulrich, Tegernsee (OSB) (1655)Urspring, Mutter (OSB) (1767)Verena, Magdenau (OCist) (1642)Vitturino, S. Catharina, Genua (OFM) (1718)Wilibald, St. Ulrich und Afra Augsburg (OSB) (1717)Wolfgang, Probst, Ellwangen (OSB) (1597)Zofingen, Meisterin (Beginen) (1688)

II. Briefe weltlicher PersonenKaiser, Könige und FürstenAnhaltLeopold II. Maximilian, Fürst (1721)

BadenKarl III. Wilhelm, Markgraf (1712)

BayernFerdinand Maria, Herzog (1672)Karl II. Philipp Theodor, Herzog (1779–1792)Maria Antonia, Herzogin (1691)Maximilian I., Herzog (1631–1644)Maximilian II. Emanuel, Herzog (1715)Maximilian III. Joseph, Herzog (1748–1754)Wilhelm V., Herzog (1601)

EnglandJakob II. Stuart, König (1696)

FeriaAlfonso Fernandéz, Herzog (1638)

FrankreichCharles IX., König (1573)Henry III., König (1574–1582)Henry IV., König (1582–1597)Louis XIV., König (1672–1708)Louis XV., König (1716–1774)Louis XVI., König (1777–1786)

FürstenbergFranz Christoph, Graf (1644–1645)Franz Karl Ernst, Fürst (1691)Froben Ferdinand, Graf (1691–1740)Heinrich, Graf (1571–1580)Joachim, Graf (1598)Joseph Wenzel Johann Nepomuk, Fürst(1783)Karl Friedrich, Fürst (1744)Maria Theresia, Gräfin (1672–1691)Philipp Karl Joseph Christoph, Fürst (1691–1717)

HessenFriedrich, Landgraf (1660)

Hohenzollern-SigmaringenJohann, Fürst (1632)Johanna von Montfort, Fürstin (1719)Meinrad I., Fürst (1675–1679)

LiechtensteinAnton Florian, Fürst (1718)Johann Nepomuk Karl, Fürst (1740)

LigneLamoral I., Fürst (1617)

LothringenEleonora Regina (1692–1695)Karl, Fürst (1694–1695)

MirandolaBrigita Pia, Herzogin (1691–1692)

Neapel/SizilienFerdinand IV. (1773–1792)

ÖsterreichClaudia de‘ Medici, Erzherzogin (1633)

Page 123: Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

121

Neuzeit im Kloster St.Gallen

Eleonora Magdalena Theresia, Kaiserin (1696–1711)Ferdinand I., Römischer König (1534–1535)Ferdinand II., Kaiser (1626–1630)Ferdinand III., Kaiser (1635–1644)Ferdinand, Erzherzog (1633)Friedrich III., Kaiser (1477–1488)Joseph II., Kaiser (1765–1784)Joseph, Römischer König (1696)Karl VI., Kaiser (1712–1722)Leopold I., Kaiser (1663–1696)Leopold II., Kaiser (1791)Leopold, Erzherzog (1616–1631)Maria Theresia (1740–1767)Maximilian, Erzherzog (1604–1616)Maximilian, Kaiser (1492–1507)Mechtild, Erzherzogin (1477)Rudolf II., Kaiser (1601–1608)

Pfalzgraf bei RheinAlexander Sigmund (1690)Friedrich, König von Böhmen (1620)Johann Wilhelm (1711–1714)Karl Philipp (1710–1741)Philipp Wilhelm, Kurfürst (1689)Wilhelm (1601)

PreussenFriedrich II. der Grosse, König (1752–1766)Friedrich Wilhelm I., König (1724–1732)Karl, Prinz (1729)

SachsenBernhard, Herzog (1632)

SavoyenEugen Franz, Prinz (1714–1718)Karl Emanuel I. der Grosse, Herzog (1625)Karl Emanuel III., Herzog (1730–1767)Victor Amadeus II., Herzog (1685–1730)Victor Amadeus III., König (1791–1796)

SpanienKarl II., König (1690–1696)Karl V., König (1520)

ToscanaCosimo II. de’ Medici, Grossherzog (1610)Cosimo III. de’ Medici, Grossherzog (1696)Ferdinando I. de’ Medici, Grossherzog (1594)Johann Leopold Donat Trautson, Fürst (1710–1718)

VenedigFrancesco Morosini, Doge (1690–1692)Silvestro Valier, Doge (1695)

WürttembergChristoph, Herzog (1559–1568)Eberhard III., Herzog (1660–1673)Eberhard Ludwig, Herzog (1712–1725)Karl Alexander, Herzog (1716–1719)

GesandtschaftenAmelot de Chaillou, Jean-Jacques, franz. Aussenminister

(1737–1742)Amelot de Gournay, Michel, franz. Botschafter (1695)Averay, d‘, franz. Botschafter (1717)Barthélemy, François de, Botschafter (1796)Bonnac, Jean Louis d ’Usson de, Marquis, franz. Bot-

schafter (1731–1737)Brulard, franz. Botschafter (1587–1602)Casata, Donna Girolama (1688–1693)Casati, Alfonso, span. Botschafter (1604–1613)Casati, Franc Comte, span. Botschafter (1678–1695)Caumartin, franz. Botschafter (1606)Courteille, Jacques Dominique de Barberie de, Marquis,

franz. Minister und Botschafter (1737–1740)Coxe, Thomas, brit. Botschafter (1690)Delaborde, franz. Botschafter (1655)Dellieure, franz. Botschafter (1573–1576)Greisy, Marquis de, savoy. Botschafter (1686)Greuth, Aegidius, Baron von, kaiserl. Botschafter in

Bünden, kaiserl. Subdelegat (1704–1724)Greuth, Christoph von, Ober vog t der Herrschaf t

Blumenfeld (1603)Huldenberg, Daniel Erasmus von (1718)L’Aubespine, Sébastien de, Comte de Lymoges &

Colombe de la Croix, franz. Botschafter (1564)Landree, Johann von, kaiserl. Botschafter in der Schweiz

(1688)Mariane, franz. Gesandtschaftssekretär (1740–1741)Morte, Fontaine, franz. Botschafter (1597)Nagel, Freiherr von, kaiserl. Botschafter (1766)Pappus, Leonard, kaiserl. Botschafter (1673)Prié, Marches von, kaiserl. Botschafter (1734–1740)Trautmansdorf, Franz Ehrenreich von, Graf, kaiserl. Bot-

schafter (1708–1718)Vertmont, de, franz. Botschafter (1754)Vi l la rs , Claude-L ou i s-Hec tor de , Ma rscha l l von

Frankreich (1694)

Hoher Adel und adelige Lehensleute des StiftsAndlau, Jakob von (1535–1536)Anwil zu Kaltenthal Württemberg, Hans Wolf von, Hof-

meister (1595)Anwil, Daniel von (1578–1595)Anwil, H. Albrecht von (1567)Anwil, H. Burkart von (1569–1578)Anwil, Ludwig von (1618–1631)Baden, Friedrich Benedikt von, Landkomtur zu Altshausen

(1688)Baden, Johann Friedrich von, Landkomtur zu Altshausen

(1684)Bernhausen zu Eppishausen, Hans Wilhelm von (1595)Bernhausen zu Eppishausen und Oberherrlingen, Wolf

Christoph von (1645–1661)Bernhausen zu Hagenwil, Wilhelm von (1622–1634)Bernhausen zu Hagenwil, Wolf von (1556–1588)Bernhausen zu Hagenwil, Hans Wilhelm von (1658)Bernhausen zu Hagenwil, Maria Euphrosyne von (1718–1731)Bernhausen zu Hagenwil, Maria Wandelburga von

(1683)

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122

Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

Beroldingen, Franz Cölestin von (1740)Beroldingen, Joseph Anton von (1731)Bissingen, Ernst Graf von (1778)Blanzer, Lanz Ulrich von (1471)Blarer von Wartensee zu Khuonenberg, Johann Adam

(1535)Blarer von Wartensee, Caspar (1633)Blarer von Wartensee, Erhart (1602–1624)Blarer von Wartensee, Franz Anton, Conseiller et Grand

Baillif (1724–1743)Blarer von Wartensee, Franz Ignaz (1743)Blarer von Wartensee, Franz Jakob (1685)Blarer von Wartensee, Hans Jacob Ignaz (1651)Blarer von Wartensee, Hans Jakob (1631)Blarer von Wartensee, Jakob Christoph Philip (1626)Blarer von Wartensee, Jakob Christoph, Vogt zu Birseck

(1622–1642)Blarer von Wartensee, Johann Baptist , Domherr zu

Worms und Basel (1743)Blarer von Wartensee, Johann Bernhard, Domherr zu

Regensburg (1635)Blarer von Wartensee, Johann Jakob, Domherr zu Basel

(1717–1724)Blarer von Wartensee, Marx (1624)Blarer von Wartensee, Wilhelm Ferdinand, Kämmerer

(1631–1642)Blarer von Wartensee, Wilhelm, Probst von Basel und

St. Ursanne (1631–1632)Bodmann, Caspar Bernhard von (1721)Bodmann, Hans Conrad (1771–1781)Bodmann, Hans Conrad von (1580–1595)Bodmann, Hans Conrad, hinterlassene Kinder-Vor-

mundschaft (1629)Bodmann, Hans Franz von (1636–1641)Bodmann, Hans Georg von (1666–1668)Bod mann, Hans Ludw ig Ignaz von, Vog t zu Neu

Ravensburg (1684–1731)Bodmann, Hans Ludwig von (1580–1582)Bodmann, Hans von (1680)Bodmann, Johann Adam (1793)Bodmann, Johann Adam von (1723)Bodmann, Johann Bernhard von (1699)Bodmann, Johann Conrad von (1560–1579)Bodmann, Johann Joseph von (1774)Bodmann, Johann Ludwig Ignaz von (1739)Bodmann, Johann Ludwig von (1648–1657)Bodmann, Johann Rudolph Ignaz von (1718)Bodmann, Leodegar von (1740)Brandis, Johannes von, Vaduz (1468)Brandis, Ortlieb von, Vaduz (1468)Bubenhofen, Hans Caspar von (1576–1579)Carlinford, Conte de (1692)Caspar Johann (1632)Cesarini, Federigo, Herzog (1695)Collorcilo, Graf (1719)Collorcilo, Rudolf, Graf (1737)Enzberg, Maria Ursula Regina von (geb. von Hallwil)

(1744)Falkenstein, Franz Marquard Leopold von, Landkomtur

(1709)Falkenstein, Johann Christoph von (1559)Freyberg zu Eisenberg, Christoph Roman von (1715)

Freyberg zu Konolfingen, Simprecht von (1561)Freyberg zu Opfingen, Adam Joseph Christoph von (1735)Freyberg zu Opfingen, Michael Ludwig von (1735)Freyberg, Johann Christoph von (1750)Freyberg, Philipp von, Domdekan (1579)Fridtberg, Franz von, Graf (1689)Fridtberg, Maria Monica von, Gräfin von Königsegg

(1689)Froberg, Philipp von, Graf (1740)Fugger zu Innsbruck, Leopold (1648)Fugger, Anselm Victorian (1792–1798)Fugger, Anton (1529)Fugger, Anton Joseph von (1688)Fugger, Bonaventura (1674)Fugger, Joseph Maria, Graf (1746)Fugger, Maria Theresia, Gräfin (1717)Gallera, Conte di (1693)Gemmingen, Berolf von (1601)Gemmingen, Eberhard von (1601)Gemmingen, Schweikhart von (1601)Gemmingen, Wilhelm von (1601)Giel von Gielsberg, Baron (1743)Giel von Gielsberg, Christoph (1570–1576)Giel von Gielsberg, Franz Christoph Benedikt, kaiserl.

Leutnant (1734–1757)Giel von Gielsberg, Joachim Christoph (1689–1718)Giel von Gielsberg, Joachim Christoph, Obervogt von

Ochsenhausen (1624–1647)Giel von Glattburg, Werner (1486–1690)Giel, Gotthard (1489–1490)Giel, Sebastian (1365)Giulliani, Conte Guidobald (1715)Glandorf, Ernst Franz von (1710–1740)Glettenstein, Johann Baptist Öxel von (1740)Grandmont, Melchior Heinrich von (1688)Grimaldi, Silvestro (1691–1692)Gussich, Jobst Ferdinand von (1718–1728)Gussich, Maria Francisca von (1725–1738)Gussich, Otto Daniel von (1730–1741)Gussich, Siegfried von (1728–1747)Halden zu Neistberg, J. Franz von der (1721–1740)Hallberg, Gabriel Edler von (1725)Hallwil zu Freudenthal, Johann Franz von (1677)Hallwil zu Salenstein, Walther von (1595)Hallwil, Georg Friedrich von (1625–1630)Hallwil, Hans Walther von (1624–1655)Hallwil, Hugo von (1635)Hallwil, Johann Albrecht Anton von (1707–1709)Hallwil, Johannes von (1744)Hallwil, Maria von (1719)Hallwil, Marquard Rudolf Anton von (1721–1743)Hallwil, Wolf Dietrich von (1613)Hallwil, Wolf Dietrich von (1653–1683)Hallwil, Wolfgang Dominik von (1698)Hartig, Anton Graf von (1740)Hauser von Gleichenstorf, Anton (1723–1732)Helfenstein, Jörg B. von, Gundelfingen (1554)Hertlern, Karl Herter von (1740)Hewen, Friedrich von, Rat Abt Ulrichs von St. Gallen (1464)Hinwil, Hans von, Vogt zu Mörsburg (1529)Hoffmann Leichtenfels, Johann Lorenz (1762)Hoffmann, Caspar Bernhard von (1718–1721)

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123

Neuzeit im Kloster St.Gallen

Hoffmann, Johann Rudolf (1720)Hoffmann, Johann Rudolf Sigmund (1728)Hoffmann, Johann Sigmund von (1694–1695)Hoffmann, Karl Anton (1722)Hoffmann, Marcell, Major von Leuchtenstern (1762–1787)Hoffmann, Sigmund (1655–1689)Högger, Lorenz (1737)Hohen Geroldseck, Diepolt von (1490)Hohenberg, Karl Joseph von (1718)Hohenberg, Karl von, Graf, Markgraf zu Burgau, Landgraf

zu Nellenburg (1615–1616)Hohenems u nd Vadu z , Ja kob Ha nniba l von, Graf

(1687–1688)Hohenems, Caspar, Graf (1613–1618)Hohenems, Franz Karl von, Graf (1682–1689)Hohenems, Franz Rudolf von, Graf (1740)Hohenems, Franz Wilhelm von, Graf (1646–1655)Hohenems, Friedrich Karl von, Graf (1675)Hohenems, Hannibal von, Graf (1582)Hohenems, Karl Friedrich von, Graf (1646–1661)Hohenems, Marc Sittich von (1530)Hohenheim, Georg von (1559)Hohensax, Friedrich Ludwig von (1624–1625)Hohensax, Ulrich Philipp von (1560)Hornstein, Adam Bernhard von (1688–1690)Hornstein, Sigmund von (1559–1567)Hullin de la Vallorie, Cyrus Natalis (1734)Humpiss von Waltrams, Friedrich (1598–1614)Humpiss von Waltrams, Humprecht (1597–1598)Humpiss von Waltrams, Margaretha (1598)Humpiss von Waltrams, Wilhelm (1629–1630)Humpiss, Adam Ferdinand (1660)Humpiss, Anton Friedrich (1736–1743)Humpiss, Hans Conrad (1631)Humpiss, Hans Jakob (1648)Humpiss, Hartprecht (1640)Humpiss, Johann Werner (1652)Humpiss, Marquard Jacob (1709–1710)Humpiss von Waltrams, Anastasia (1563–1567)Humpiss von Waltrams, Dominicus Maria von, Ober-

vogt in Konstanz (1790)Humpiss, Anton Friedrich (1785)Humpiss, Franz Joseph (1786)Karpffen, Hans Dietrich von (1618–1631)Khäspis, Mathias von (1712)Kirchen, Marx von, Burger von Lindau (1540)Königsegg, Anton Eusebius von, Graf (1690)Königsegg, Leopold Wilhelm von, Graf (1680)Lamberg, Johann Wilhelm von (1685)Landenberg zu Ebringen, Gerwig von (1582)Landenberg, Georg Dietrich von (1621)Landenberg, Hans Gerwig von Hohen (1582)Landenberg, Haug Dietrich von (1595)Landsee, Johann Ernst von (1780)Landsee, Johann Franz von (1782)Landsee, Johann Friedrich von (1688–1689)Landsee, Johann Karl von (1782)Leganes, Marquez de, span. Gouverneur in Mailand

(1691–1695)Lodron, Nicolaus Graf von (1678–1692)Löwenstein-Wertheim, Max Karl von (1712)Mansfeld, Wolfgang von, Graf, General (1628)

Marmore, Delle (1691–1692)Metsch, Johann Adolf von, Graf (1740)Metternich, Wilhelm von, Graf (1651)Meuren, Johann Matthias von (1712)Meyer von Baldegg, Alphons Anton (1751)Meyer von Baldegg, Junker Lorenz (1790)Meyer von Baldegg, Maria Clara Christine (1770–1787)Montfort, Haug von, Graf, Vogt zu Feldkirch (1529–1559)Montfort und Rothenfels, Hug zu, Graf (1561)Montfort und Rothenfels, Ulrich zu, Graf (1559–1572)Montfort zu Tettnang, Haug zu, Graf (1600–1621)Montfort, Anton zu, Graf (1686–1725)Montfort, Ernst zu, Graf (1722–1753)Montfort, Franz Xaver (1763)Montfort, Hans zu, Graf (1600–1656)Montfort, Hugo Graf von, Vogt zu Feldkirch (1525–1529)Montfort, Johann zu, Graf (1657–1671)Montfort, Ursula zu, Gräfin (1596–1603)Mor, Karl Philipp von, Graf (1654–1656)Morenberg, Ignaz Thomas von, Graf (1741)Morenberg, Joseph Andreas von, Graf (1722–1723)Münchingen und Hochdorf, Friedrich Benjamin von

und zu (1641–1668)Münchingen und Hochdorf, Magnus von und zu (1652)Münchingen und Hochdorf, Philipp Christoph von und

zu (1618–1631)Muggenthal, Wolf Bernhard von, Graf (1674)Muntprat von Spiegelberg, H. Lienhart, Alt-Landeshof-

meister (1574)Muralt, Bernhard von, Gerichtsherr zu Heidelberg (1768)Muralt, Jean Conrad von (1732–1734)Neuenburg, Wohlgemuth von (1681)Neuenegg zu Glatt, Heinrich von (1576–1578)Newenthin, Hans Georg von (1658–1660)Nuland, Adrian Ernst von (1666–1670)Nu land , F. Heinrich Melchior von OSB, Abt von

Michaelsberg (1676)Olten, Ignaz Anton von (1712)Pagani, Marchere Cesare (1690–1695)Pappenheim, Karl Philipp von, Graf (1686)Pappus auf Trauchburg, Franz (1661–1712)Pappus von Tratzberg, Anton Remigius, Freiherr von Alt-

Laubenberg (1794)Pappus, Johannes Andreas, Vogteiverwalter in Bregenz

und Hohenegg (1713–1719)Payer zu Freudenfels, Christoph von (1574)Pfyffer von Heidegg, Johann Caspar Ludwig (1755)Plan, Ignaz von (1715)Plettenberg, Dietrich Heinrich von (1713)Prassberg, Albrecht von und zu (1631)Prassberg, Ignaz Amandus von und zu (1710–1733)Prassberg, Johann Albert von (1720–1737)Prassberg, Johann Georg Wilhelm von (1720–1739)Raischach, Johann Jakob von (1641)Raischach, Maria Katharina von (1668)Raitnau, Hans Gaudenz (1607)Ramschwag, Franz Christian Joseph von (1714–1740)Rassler von Gamerschwand, Franz Christoph (1685)Ratzenried, Albrecht von (1642–1643)Ratzenried, Georg Friedrich von (1654)Ratzenried, Johann Anton von (1740–1742)Ratzenried, Johann Ignaz Willibald von (1688–1707)

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

Ratzenried, Johann Ludwig von (1631)Ratzenried, Johann Philipp von (1768)Ratzenried, Joseph Ludwig von (1572–1584)Ratzenried, Salome von (1559)Ratzenried, Wolf von (1631)Ratzenried, Wolfgang von (1612–1620)Reding von Biberegg, von (1768)Reding, Rudolf, Ritter (1600)Reding, Rudolf, Ritter (1697)Reichenstein, Paul Niklaus, Graf zu (1728)Reichlin von Meldegg, Franz (1574)Reichlin von Meldegg, Franz Joseph, Herr zu Elmenschwiler (1733)Reichlin von Meldegg, Hans Joachim (1573)Reichlin von Meldegg, Jakob (1569–1573)Reichlin von Meldegg, Joseph Ludwig (1648–1656)Reichlin von Meldegg, Joseph Ludwigs Witwe (1731)Reichlin von Meldegg, Romanus (1747)Reichlin von Meldegg, Johann Christoph Anselm (1790)Reichlin von Meldegg, Johann Maria Karl (1768–1769)Reichlin von Meldegg, Karl (1753)Reichlin von Meldegg, Karl Joseph Maria, Herr zu Amtzell

und Gundelfingen (1765)Reichlin von Meldegg, Philipp (1740)Reinach, Johann von (1718)Riff genannt Welter, Ludwig (1545)Rink von Baldenstein, Balthasar (1676)Rink von Baldenstein, Christoph, Komtur zu Freiburg,

Statthalter auf Mainau (1672)Rink von Baldenstein, Franz Christoph (1672)Rink von Baldenstein, Georg Wilhelm (1706–1711)Rink von Baldenstein, Jakob (1688)Rink von Baldenstein, Johann Jakob (1626)Rink von Baldenstein, Joseph Wilhelm (1720–1741)Rink von Baldenstein, Wilhelm (1688)Rink von Baldenstein, Wilhelm Jakob (1666)Rink, Maria Regina (1715)Rinkheim, Oddo von (1688)Roll d’Elmenholz, Baron de Interprête du Roy (1740)Roll, Hans Walther von, Komtur St. Stephans Ordens,

Hauptmann, Gerichtsherr (1621–1640)Rosenbach, Adam Hector von (1616–1617)Rosenbach, Johann Conrad von, Prior der OH Komturei

Tobel (1639)Rudolphi, Anton Andreas von, kaiserl. Hofkammer-Rat

(1740)Rudolphi, Johann Andreas, Professor in Innsbruck

(1719–1725)Rudolphi, Johann Christoph von (1684)Rudolphi, Johann Joseph, Landschreiber in Bregenz

(1721–1741)Rudolphi, Marquard von (1693)Rudolphi, Sigmund von (1724–1737)Sailer, Franz von, vom Regiment von Kurmainz und Trier

(1740)Sailer, J. von, Reichsgraf und kaiserl. Ober-Hof kanzler

(1711–1714)Salazar, Giulio de (1695)Salis Marschlins, Herkules von (1732)Salis zu Mayenfeld, Elisabeth Bräggeri von (1710)Salis, Hieronymus von (1688–1690)Salis, Maria Anna von (1767–1776)

Salis, Peter von (1779–1782)Salis, Rudolf von (1694–1695)Salis, Rudolf von (1779–1782)Salmansegg, Franz Joseph von (1718)Schellenberg zu Hufingen und Thurberg, Arbogast von

(1572–1584)Schellenberg, Franz Christoph von (1682–1706)Schellenberg, Hans Christoph von (1623–1641)Schellenberg , Hans Jakob von, Freiherr zu K islegg

(1655–1661)Schellenberg, Hans Ulrich von (1553–1583)Schellenberg, Hans von (1587–1607)Schellenberg, Johann Jakob von (1667–1689)Schellenberg, Johann Ludwig von (1661)Schenk Graf von Castel, Marquard Willibald Anton

(1711–1736)Schenk von Castel zu Mammertshofen, Hans Caspar (1574)Schenk von Castel zu Oberbüren, Junker Hans Jakob

(1585)Schen k von Ca stel , Ha ns Ch ristoph, bischöf l ich

Baselscher Haushofmeister (1590–1630)Schenk von Castel, Hans Eberhard (1620)Schenk von Castel, Hans Hartmann (1645)Schenk von Castel, Hans Marx (1610–1620)Schenk von Castel, Heinrich (1650)Schenk von Castel, J.J. (1697)Schenk von Castel, Johann Willibald (1662–1695)Schenk von Castel, Marx Sebastian (1617)Schenk von Castel, P. Lorenz, St.Gallen (1684–1695)Schenk von Castel, Philipp Anton, Graf (1793)Schenk von Castel, Ulrich Christoph (1631–1649)Schenk von Castel, Wolf Franz (1656)Schenkin von Landegg, Verena (1509)Schenkli, Johann Georg von (1712–1717)Schertlin de Burtenbach (1720)Schlick, Leopold Graf (1710–1718Schmid de Bellikon, Franz Joseph (1743)Schmidt, Matthias Anton von, Innsbruck (1740)Schnell, Joseph von (1745–1746)Schnorf, Beat Anton von, Untervogt (1710)Schnyder von Wartensee, Johann Franz Ludwig (1719)Schönau, Balthasar Franz Anton von, Komtur von Tobel

(1743–1752)Schönau, Hans Dietrich von (1668–1680)Schönau, Marx Jakob von (1616–1632)Schönberg, Johann Andreas von (1718)Schönborn, Dulardle di (1740)Schönborn, Graf (1711–1718)Schowin, Maria Victoria von (1730)Schreckenstein, Hans Conrad Roth von (1640)Schröckenstein, Franz Eusebi Roth von (1704)Schroffenberg, Joseph Anton von (1736–1773)Schulthais de Sinderingen, Johann (1758)Schwarzenberg, von (1718)Schwendi, Maria Margaretha Johanna von (1689)Segesser Brugg, Maria Jacobe von (1649)Segesser von Brunegg, Caspar Jakob (1707)Segesser von Brunegg, Franz Werner, Domherr zu Basel

(1683)Seinsheim, Christian von (1644)Senger, Johann Eucharius, Komtur zu Altshausen (1689)Sengern zu Reutti, Franz Max von (1672–1683)

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Neuzeit im Kloster St.Gallen

Sfondrati, Barbara (1690–1694)Sfondrati, Clara (1691–1694)Sfondrati, Conte della Riviera (1688–1696)Sfondrati, Giuseppe (1694–1695)Sfondrati, Hercules, Conte di Riviera (1668)Sfondrati, Marchera di Borgemanero, Mutter von Abt

Cölestin I. (1656–1673)Sfondrati, Nicolo (1691)Sfondrati, Paulo (1691)Sfondrati, Sr. Elena della Riviera (1690–1695)Sikingen, Freiherr von, Kurpfälzischer Gesandter (1713)Sinzendorf, Rudolf von, Obersthofkämmerer (1711–1740)Sonnenberg, Carl von, Graf, Freiherr von Heindl (1783)Sonnenberg, Eustachius von (1652–1680)Sonnenberg, Franz von OH, Prior (1670)Speidl, Joseph von (1731)Starhemberg, Graf von (1712–1718)Starn, H. J. Anton von, Hofrat (1740)Staufenberg, Johann Wilhelm Schenk von (1711)Stauffen, Georg Leo von (1571)Stein, Heinrich, Freiherr von, St.Gallen (1655)Steinach, Friedrich Landschad von (1636)Stotzingen, Max von (1740)Studer von Winkelbach zu Roggwil, Hector (1622–1637)Studer von Winkelbach zu Sulzberg, Josua (1602)Studer von Winkelbach, David, Landeshofmeister (1603)Studer von Winkelbach, Joseph (1613)Studer von Winkelbach, Josua (1550)Sürgenstein der Ältere, Hans von (1609)Sürgenstein, Franz Johann Roman von (1704)Sürgenstein, Hans Jakob von (1636–1661)Sürgenstein, Jakob von (1551)Sürgenstein, Johann Christoph Rupert von (1740–1748)Sürgenstein, Johann Gottfried von (1663–1669)Sürgenstein, Johann Gotthart von (1743–1766)Sürgenstein, Johann Ulrich von (1533)Sürgenstein, Maria Antonia von (1768)Sürgenstein, Marquard von (1793)Sürgenstein, Sürg von (1529)Sumer, Jonas von (1730)Summerau zu Prasberg, Albrecht von Alt-, Vogt (1611)Sury de Bury, Jean Victor (1721)Sury de Bury, M. Cleophe (1721–1724)Sury de Bury, Sibilla (1747)Sury de Bussy, Baron (1718)Sury de Bussy, Frederic (1718)Sury de Bussy, Ursus (1675–1695)Thumb von Neuburg, Friedrich (1588–1595)Thumb von Neuburg, Hans Conrad (1551)Thumb zu Göppingen, ConradThumb zu Göppingen, Friedrich Thumbin, Ursula von (geb. Hutter) (1540)Thurn Valsassina, Joseph Ludwig von (1732)Thurn von Neuburg und Stetten, Johann Friedrich

(1602–1619)Thurn von Neuburg, Christoph (1602–1620)Thurn von Neuburg, Georg Wilhelm (1649)Thurn, Fidel Anton (1696–1723)Thurn, Franz Xaver von, Hofcavalier in Ellwangen (1768)Thurn, Friedrich Ludwig Heinrich Michael von (1773–1776)Thurn, Georg Fidel Balthasar von, Canonicus zu Münster

in Granfelden (1740)

Thurn, Gräfin von Hohenems, geb. von (1722–1727)Thurn, Johann Paul von, Graf, Domkapitular in Konstanz

(1790)Thurn, Johann von (1747)Thurn, Joseph Leodegar von (1742–1756)Thurn, Maria Clara Eleonore von (1706–1719)Thurn, Maria Claudia von (1784–1798)Thurn, Maria Franziska von (1775)Thurn, Narcissa von (1744–1746)Ulm und Griessenberg, Marx Antonin von (1678–1698)Ulm und Liebburg, Marx von, Landeshofmeister (1620–1652)Ulm, Hans Ludwig von (1620)Ulm, Johann Anton, Freiherr von (1688)Ulm, Maria Crescentia Rosa von (1689)Ulm, Maria Margaretha Johanna von (1688)Ulm, Werner von (1656–1665)Visconti, Antonio Marchese (1692–1693)Visconti, Cesare Maria Marchese (1690)Visconti, Nicolo Maria Marchese (1689–1692)Voinovisch von Sgentha, Joseph Dismas (1737–1738)Voinovisch, Johann Baro von (1725–1738)Waldorf, Wilderich von, Reichskanzler (1660)Walsegg, Graf von (1718)Westernach, Johann Karl von, Domprobst in Augsburg

(1751)Westernach, Maria Josepha von (1750)Willi, Franz Joseph von (1740)Wolfegg und Herr in Waldburg, Maximilian zu, Graf

(1646)Wolfegg und von Waldburg, Joseph Franz von, Graf

(1743–1768)Wolfegg, Ferdinand Maria von, Graf (1774–1777)Wolfegg, Ferdinand Ludwig zu, Graf (1700–1723)Wolfegg, Joseph Aloys von, Graf (1780)Wolfegg, Joseph Franz von, Graf (1736–1745)Wolfegg, Karl von, Graf (1792–1797)Wratislaw, Johann Wenzel von, Graf, oberster böhmi-

scher Kanzler (1710–1712)Wirz von Rudenz, J.B.M. (1740)Ymenhuser, Jakob, Vogt der Herrschaft Neuburg (1566)Zeil, Johann Jakob, Truchsess zu Waldburg (1673)Zeil, Sebastian Wunibald von, Erbgraf (1689)Zimbern, Froben Christoph von, Graf (1559)Zollikofer der Ältere von Altenklingen zu Ötlishausen,

Lorenz (1621)Zollikofer von Altenklingen, Dietrich (1798)Zollikofer von Altenklingen, Johann von, Statthalter

(1769)Zollikofer von Altenklingen, Tobias (1624–1625)Zollikofer von und zu Altenklingen, Niklaus (1740)Zollikofer zu Ötlishausen, Georg Leonhard (1655)Zollikofer, David Anton (1788)Zollikofer, Georg Joachim (1660)Zollikofer, Sebastian, Statthalter des Ritterhauses Tobel

(1600)Zwyer, J., Baron von (17. Jh.)

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

III. Briefe von Gelehrten und AgentenGelehrte und SchriftstellerAguirre, Joseph de (1666–1694)Arx, P. Ildefons von OSB, St.Gallen (1797)Bellarminus, Robert (1612)Bessel, Gottfried OSB, Abt von Göttweig (1724)Buxtorf, Johann, evang. Priester und Professor (1659)Buzelin, P. Gabriel OFMCap, Feldkirch (1629–1676)Cochläus, Johann (1545)Cölestin II., Sfondrati (1692–1693)Garampius, Joseph (1761)Gernler, Lucas (1670)Hauntinger, Niklaus (1727–1797)Herrgott, P. Marquard OSB, St. Blasien (1733–1739)Mabillon, Dom Jean OSB (1670–1688)Massuet, P. Renatus OSB (1710–1714)Neugart, P. Trudpert OSB (1789)Papebroch, Daniel, Antwerpen (1669)Pez, P. Bernhard OSB, Melk (1712)Querini, Angelo Maria OSB, Bibliothekar, Bischof von

Brescia (1728–1754)Ruinart, F. Theodericus OSB (1683)Schelstrate, Emanuel a (1691–1692)Scioppius, Caspar (1613)Spalatrusis, Johann PastriciusThomasius, Joseph Maria (1684–1693)Troger, Meinrad OSB, Abt von St. Blasien (1760)Tschudy, Aegidius (1529–1571)Tschudy, Joseph Anton (1739)Tschudy, Ludwig auf Gräpplang (1529)Walser, Gabriel (1732–1765)Welser, Marx (1613)Zollikofer, Georg Joachim, Altenklingen (1768–1771)

Agenten, Procuratoren, SekretäreAnger, Monsignore Georg, Sekretär des Bischofs von

Chur (1642)Antonius, Gallus Petrus (1655–1656)Approsi, G., römischer Hofagent (1791)Bender, P. Blasius (1708–1724)Bondiechi, Camillo (1691–1695)Bondiechi, Francesco (1688–1692)Casoni, Lorenzo, Agent, Rom (1687–1690)Casoni, Rom (1717)Closer, P. Benedikt (1709)David, Franciscus de (1778)Firmiani, Francesco Antonio Abbate, Rom (1687–1702)Fornero, Ambrosio (1604)Gampp, Johann Michael, Sekretär in Wien (1715–1721)Gentilibus, Joseph Calistus Abbas de (1725–1752)Hermann, Franz Joseph (1715–1736)Joanelli, Zeno Franz (1735–1743)Korrodi, Hans Jakob (1738)Lafata, Innozenz (1752)Landi, Franz (1713–1714)Landi, Remigius (1728–1730)Mareschall, von, kaiserl. Legationssekretär, Basel (1739–1740)Mariane, franz. Legationssekretär, Solothurn (1737–1741)Mörikofer, Johann Heinrich (1742–1754)

Müller, Johann Jakob von (1743–1748)Muralt, Beat Ludwig von (1734–1736)Orelli, Giovanni Enrico (1737–1738)Orelli, Giovanni Rodolfi (1693–1695)Orelli, Giovanni Ulrich (1695)Panonius, Favius (1630–1631)Picus, Alfonsus (1603–1605)Pozomani, Angelo (1690–1695)Reginus, Alexander (1594–1597)Reginus, Marc Anton (1595–1596)Saltarelli, Lorenzo (1717–1739)Schnorpf, Beat Anton, Baden (1694–1719)Stubenbach, Johann Michael von (1767–1791)Zimmermann, A. F., Agent in Wien (1732)

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Neuzeit im Kloster St.Gallen

Brot oder Neutralität: Der Dienst 1793 für SardinienZum Umfeld des Regiments Bachmann (Fürstabtei St.Gallen – kath. Glarus)

HuBert Foerster

Ein recht unbekanntes Kapitel innerhalb des fremden Dienstes sind die Verhältnisse im Kö-nigreich Sardinien-Piemont gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Das Königreich Sardinien-Piemont sah sich mit der Verbreitung eines revolutionären Gedankenguts und mit dem Ausbruch der Französischen Revolution 1789 von Seiten seines westlichen Nachbarn einem immer grösseren Druck ausgesetzt. Frankreichs Revolutionsarmee drohte und im Landes-inneren formierte sich die Opposition gegen den König von Sardinien-Piemont, König von Zypern und Jerusalem. Der Glarner Niklaus von Bachmann an der Letz, vormals Major im französischen Dienst, konnte ein Regiment mit der Billigung des Fürstabts von St.Gallen und von katholisch-Glarus aufstellen. Und nachdem schönste Archivalien dazu im Stiftsar-chiv St.Gallen lagern, soll das Umfeld dieser Regimentsgründung hier skizziert werden. Es ist nicht zu vergessen, dass mit der Aufhebung der Schweizer Regimenter 1789 in Neapel und 1792 in Frankreich viele arbeitslose Offiziere und Soldaten auf «Arbeitssuche» waren. Vertrug sich aber eine neue Dienstverpflichtung mit den Feinden von Frankreich, Sardinien und Spanien, mit der eidgenössischen Neutralität?

Alte und neue Schweizerregimenter Angesichts der Lage entschloss sich der König von Sardinien, Viktor Amedeus III., sein Heer zu verstärken. Da die Rekrutierung von regierungstreuen Einheimischen in grosser Zahl schwierig war, erhöhte er die Zahl seiner ausländischen Regimenter. Er besass zwar Ende des 18. Jahrhunderts mit der Schweizergarde, die 100-Schweizer, kommandiert von Uttinger (vormals Kalbermatten), und die Regimenter von Streng (vormals de Courten), von Stettler (vormals de Rochemondet), von Christ (vormals Niederer) und Schmid bereits Schweizer Truppen. Da der König zusätzliche Mittel suchte, schloss er im März und April 1793 eine Kapitulation zur Bildung von drei neuen Regimentern, Bachmann, Peyer im Hof und Zimmermann. Als erste Partner gaben am 27. März 1793 der Fürstabt von St.Gallen und das katholische Glarus ihr Einverständnis zur Rekrutierung des Regiments Bachmann. Das Regiment Zimmermann wurde mit Einverständnis von Luzern vom 11. April 1793 mit Werbungen namentlich im Thurgau, aber auch in den Gemeinen Vogteien gebildet. Das Regiment Peyer im Hof datiert vom Vertrag vom 19. April 1793. Es umfasst Kompanien aus Schaffhausen (2), Uri (1), Schwyz (2), Obwalden (1) und Zug (2). Betrachtet man die Herkunft der Regimenter, so stellt man fest, dass die alten Regimenter das Wallis (Courten), Bern (Stettler), Graubünden (Christ), den reformierten Kantonsteil Glarus und Appenzell Ausserrhoden (Schmid) als Rekrutierungsschwerpunkte aufwiesen. Die neuen deckten mit Bachmann die fürstäbtischen Lande von St.Gallen und katholisch-Glarus und mit Zimmermann Luzern und namentlich den Thurgau ab. Peyer verblieben so nur noch Schaffhausen und die Urschweiz (ohne Nidwalden). Die Bildung dieser drei neuen Regimenter ist auch noch unter einem anderen Gesichts-punkt zu sehen. Die Schweizer Truppen im französischen Dienst waren 1792 entlassen wor-den. Einige wenige Offiziere und Mannschaften verblieben im revolutionären Frankreich

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

und traten in den Dienst der Republik. Die Mehrheit der Schweizer kehrte jedoch in die Heimat zurück und war, ohne Engagement, arbeitslos. So bot der sardinische Dienst will-kommene Arbeitsplätze. Dazu kam, dass viele der Ehemaligen ihren Frust über die Ereig-nisse in Frankreich, den Verlust der Tuilerien am 10. August 1792, die Septembermorde, die erniedrigende Heimkehr im erneuten Kampf gegen Frankreich abreagieren konnten. «Ar-beit und Rache», Motive für die Annahme des piemontesischen Angebots! Lässt sich je-doch diese Theorie erhärten?

Das theoretische Reservoir aus dem neapolitanischen und französischen Dienst nach 1789/92

Stand KompanieinNeapelvor 1789

Kompanie in Frank-reich vor 1792

Regiment Kompanie neu für Sardinien1792/93

Regiment

ZH – 16 Steiner -

BE 16 Ernst -

LU 73

SonnenbergVigier

8/2 Zimmermann

UR 3 21

SonnenbergCastella

1* Peyer im Hof

SZ 3 - - 2* Peyer im Hof

NW 1 31

Salis-SamadenChâteauvieux

-

OW – 2 Salis-Samaden 1* Peyer im Hof

ZG 2 11

SonnenbergChâteauvieux

2* Peyer im Hof

GL kathol.

16 41

CastellaVigier

4/1 Bachmann

GL reform.

– 12

SonnenbergCastella

4/1 Schmid

BS – 42

Salis-SamadenChâteauvieux

FR – 32415

SonnenbergCastellaVigierChâteauvieuxDiesbach

SO – 223

Salis-SamadenSonnenbergCastella

SH – 11

VigierDiesbach

2* Peyer im Hof

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Neuzeit im Kloster St.Gallen

Stand KompanieinNeapelvor 1789

Kompanie in Frank-reich vor 1792

Regiment Kompanie neu für Sardinien1792/93

Regiment

IR (kathol.)

– 3 Diesbach

AR (reform.)

– 1 Châteauvieux 4/1? Schmid

GR 5 1216

Salis-SamadenDiesbachSalis-Marschlins

VS – 16 Courten

Abtei SG – 1112

Salis-SamadenCastellaVigierChâteauvieux

4/1 Bachmann

Stadt SG – 2 Vigier

NE – 11311

Salis-SamadenSonnenbergCastellaVigierDiesbach

Bischof BS – 16 Reinach

Mülhausen – 11

SonnenbergVigier

Genf – 32

ChâteauvieuxDiesbach

Ambulant – 21222

Salis-SamadenCastellaVigierChâteauvieuxDiesbach

Total 30 176 10 Regimenter 4 Regimenter

Ein Vergleich der Verträge für die drei neuen Regimenter zeigt deren Charakteristika. Es handelte sich um Partikularkapitulation auf das Risiko des Regimentsinhabers ohne Schutz der Kantone, aus deren Angehörigen das Regiment gebildet wurde. Die Dienstzeit betrug nur 15 Jahre. Es galt also nur einen «kurzfristigen» Einsatz zu gewährleisten. Dementspre-chend fehlten Pensionsregelungen. Das Regiment und die Kompanien waren «Eigentum» des Obersten und der Hauptleute. Sie, und nicht der König oder der Kanton, trugen das unternehmerische Risiko. Bei den Offizieren und namentlich den obersten Chargen waren Patrizier bzw. «freie Bürger» des betroffenen Kantons bevorzugt. Katholiken und Refor-mierte konnten gleichermassen angeworben werden. Angenommen wurden nur Schweizer und «Deutsche», vom Österreicher über Preussen bis zu Dänen und Schweden.

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

Jedes Regiment sollte 1’208 Mann zählen. Diese waren in zwei Bataillone zu je vier Kompanien eingeteilt. Aus den acht Füsilierkompanien wurden die Leute für zwei Grenadierkompanien ausgezogen. Alle Schweizer Regimenter, die alten wie die neuen, wurden nach dem Frieden Sardiniens 1796 mit Frankreich aus Kostengründen auf die Hälfte reduziert und mit der Be-setzung des Piemont 1798 durch Frankreich in den französischen Dienst übernommen.

Das Problem der Neutralität Die Frage nach der Neutralität im Zusammenhang mit den Werbungen für Sardinien und Spanien wurde von der gespannten Lage Frankreichs zur Eidgenossenschaft und deren Grenz-schutz in den Hintergrund gedrückt. Die Organisation des Grenzschutzes bei Basel und deren Ablösungen angesichts der Besetzung eines Teils des Fürstbistums Basel durch die französi-schen Truppen unter General Custine und die eidgenössische Militärhilfe für das von Frank-reich bedrohte Genf beherrschten das Tagesgeschehen. Die vom Berner Schultheissen Niklaus von Steiger im Vorfeld des ersten Koalitionskriegs gemachte Äusserung dem Vertreter von Preussen gegenüber zur Neutralität blieb grundlegend für die eidgenössische Politik: «Il était impossible que la Suisse prît aucune part au concert des puissances relatif à la France et cela vu ses traités avec cette couronne, les troupes qu’elle a à son service, le danger auquel elle s’expose-rait de voir son pays le théâtre d’une guerre, la nature de ses gouvernements; la qualité et la formation de ses troupes qui ne sont que des milices, à la vérité très disposées à défendre vigou-reusement ses foyers, mais qui n’avaient pas la même bonne volonté pour une guerre étrangère; vu encore la diversité d’opinion entre les cantons qui opérerait infailliblement une scission dans le louable Corps helvétique, la chose du monde la plus à redouter en tout temps, mais surtout dans le moment présent.» Diese Äusserung ist umso bemerkenswerter, da von Steiger ein hef-tiger Gegner des revolutionären Frankreichs war. Er stärkte damit die Haltung von Zürich und Basel und seines innerkantonalen Gegenspielers Karl Albrecht von Frisching als Exponenten einer strikten Neutralität. Von Steigers Haltung, Neutralität bei aller möglichen Gegnerschaft zu Frankreich, fand in Freiburg und Solothurn Gefallen und Unterstützung. Die Tagsatzung von Frauenfeld im September 1792 und 1793 nahm dann offiziell Stellung zur Neutralität. Dabei deklarierten die Stände die bewaffnete Neutralität unter Einschluss des Fürstentums Neuenburg und von Valangin, des Fürstbistums Basel und von Genf. Sie nahm im Juli 1793 auch Stellung zu den Vorwürfen von Aussenminister Pierre Marie Henri Lebrun-Tondu (1754–1793). Er hatte im Falle von Werbeerlaubnissen und der Benutzung der Alpenpässe durch die Rekruten den Ständen eine Neutralitätsverletzung vorgeworfen. Die Benutzung der angesprochenen Alpenpässe fiel aber unter die Kompetenz des Wallis und wurde an der Tagsatzung nicht angesprochen. Zur Rekrutierung für Sardinien und Spanien fiel die eidgenössische Stellungnahme recht trocken und sehr deutlich aus: «Jene Recrutierung sei als eine unvermeidliche Folge der plötzlichen Abdankung aller in Frankreich gestandenen Schweizertruppen anzusehen und man habe Mitbürger, Mitlandleute und freie Angehörige, die ihr Leben dem Kriegsberufe gänzlich gewidmet, nicht hindern können, eine unentbehrliche und sonst unerhältliche Ver-sorgung anderswo zu suchen und zwar umso weniger, da man auch gegen so viele ungeach-tet der Auflösung ihrer Regimenter in Frankreich zurückgebliebene Schweizersoldaten Nachsicht haben werde. Ausserdem fehle es nicht an häufigen Beispielen, dass eidgenössi-sche Stände in Kriegszeiten Privatwerbungen zugelassen und wirklich Capitulationen ohne Einwendungen auswärtiger Mächte geschlossen haben.»

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Neuzeit im Kloster St.Gallen

Der Vertragsbruch Frankreichs mit der Entlassung der eidgenössischen Truppen, die Toten vom 10. August anlässlich des Sturms auf die Tuilerien und die im September in den Pariser Gefäng-nissen Ermordeten, verbunden mit den Anfangserfolgen der in der ersten Koalition Alliierten liess die Front der neutral gesinnten Stände gerade auch unter der Berücksichtigung der arbeitslosen zurückgekehrten Soldaten und Offiziere bröckeln. Die Bildung der neuen spanischen Regimen-ter Jann 1792 und Courten 1795 und der Regimenter Schmid 1790/92, Bachmann, Peyer im Hof und Zimmermann 1793 im Dienste Sardiniens verhinderten ja auch innenpolitisch soziale Prob-leme oder gar Unruhen in den von den Kapitulationen betroffenen Ständen. Die Erhaltung der inneren Ruhe und Ordnung hatte auch ihren Preis. Und der Seitenhieb auf Frankreich mit seiner Übernahme von Schweizer Soldaten ohne Verbot durch die Stände war so klar, dass er der Fran-zösischen Republik in Erinnerung gerufen und nicht mehr wiederholt zu werden brauchte. Faktisch bedeuteten ja die für Sardinien und Spanien bewilligten neuen eidgenös sischen Trup-pen nur eine «moralische» Unterstützung und militärisch angesichts der gegen diese beiden Monarchien eingesetzten Truppenmassen des revolutionären Frankreich wenig. Spanien hatte 1793 rund 85’000 Mann und Sardinien 28’000 aufgestellt. Neben dem bestehenden Heer (1789 150’000 Mann) mobilisierte Frankreich 1792 doch 32’600 Freiwillige in Freiwilligenbataillonen und 50’000 zu den Linientruppen, zusätzlich am 24. Februar 1793 noch 300’000 Mann. Dass Frankreich aus politischen Überlegungen gegen die Werbungen protestierte, war im herrschenden Meinungs- und Pressekrieg nur logisch. Den praktischen Nutzen, den Frank-reich in diesen Jahren trotzdem aus der eidgenössischen Neutralität gezogen hat, bestätigte 1800 der französische Aussenminister Auguste de Talleyrand: «Il est juste de ne pas oublier que, quand nous étions encore sur la route de cette gloire militaire dont nous avons atteint le comble lors des premiers succès de la première coalition, il nous fut utile de voir toutes les parties faibles de nos frontières couvertes par le rempart de la neutralité helvétique.» Und Albrecht Stapfer konnte und durfte am 2. April 1802 Talleyrand gegenüber in Erinnerung rufen, die Schweiz habe mit ihrer Neutralität Frankreich gerettet.

… und heute?Zum Dienst in Sardinien ist wenig bekannt geworden. Deshalb werden die Gründungen der drei neuen Regimenter in den verschiedenen Geschichtszeitschriften vorgestellt. Die Schrif-tenreihe der vormaligen Eidgenössischen Militärbibliothek, heute «Bibliothek am Guisan-platz», wird im Laufe des Jahres einige Archivalien zum Regiment publizieren, um die dies-bezüglichen Quellentexte einer weiteren Leserschaft zu Verfügung zu stellen. Mit den Publi-kationen erhalten auch die Relikte dieser Regimenter einen historischen Rahmen. Vom Regi-ment Bachmann und Peyer im Hof sind die Fahne des Obersten und des Regiments erhalten, von Zimmermann fehlen beide. Während ein Porträt von Bachmann im Freulerpalast in Näfels zu bewundern ist, sind die der beiden anderen Obersten unbekannt. Es wäre erfreulich und ein Dienst am historischen Kulturgut aus der Militärgeschichte, wenn durch die Publika-tionen weitere schriftliche und ikonographische Quellen gefunden werden könnten. Zum Abschluss ist Stiftsarchivar Lorenz Hollenstein für seinen freundlichen Empfang, sei-ne kenntnisreiche Beratung und zuvorkommende Betreuung, die der Autor geniessen durf-te, recht herzlich zu danken. Möge er trotz Pensionierung an der Geschichte weiterhin inte-ressiert bleiben und Freude, sei es als Leser oder Forscher/Autor, daran haben.

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

Die Obersten­Fahne von Niklaus F. von Bachmann befindet sich im Historischen Mu­seum «Freulerpalast» in Näfels. Sie zeigt den Adler mit dem Savoyer­Wappen auf der Brust gemäss der «neuen» Ordonnanz von 1793. Da die Fahne hinter Glas gerahmt ist, wird hier eine Publikation aus der Turiner Fachzeitschrift «Armi Antiche» von 1971 publiziert.

Die Fahne (1928 x 2280 cm) des Regiments Bachmann im Dienste von Sardinien hängt im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen. Sie zeigt links geviert die Wappen der Fürstabtei (im 1. Feld der Bär der Fürstab­tei, im 2. das Lamm des Klosters Alt­St. Jo­hann, im 3. den Baum des fürstbischöflichen Wappens Anghern, im 4. die Dogge von Tog­genburg) und rechts den Heiligen Fridolin von Glarus. Darunter die Devise «RESURRE­XIT IDEM». Da die Fahne hinter Glas ge­rahmt ist, wird hier eine Publikation aus der Turiner Fachzeitschrift «Armi Antiche» von 1971 publiziert.

Quellen– StiASG, Rubr. 9, Fasz. 8.– StiASG, Rubr. 27, Fasz. 5.– StiASG, Bd. 828.– StiASG, Bd. 864.

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Neuzeit im Kloster St.Gallen

Karl scHmuKi

«Man soll derlei Novitates nicht anfangen ...» Der letzte «Job» von Pater Iso Walser (1722–1800): Statthalter von Rorschach

Den Tagebüchern der stift-st.gallischen Statthalter im Kloster Mariaberg oberhalb von Rorschach kommt in den Beständen des Stiftsarchivs St.Gallen vergleichsweise eine eher stiefmütterliche Rolle zu. Erhalten sind leider zwar nur wenige Bände, meist aus dem 18. Jahr-hundert, aber in ihrer Art sind sie – wie die wesentlich besser erforschten und erschlossenen Tagebücher der St.Galler Fürstäbte – interessante Quellen zum Amt und zum Aufgaben-feld des Statthalters, zum Alltagsleben jener Epoche wie auch da und dort zur persönlichen Denkweise der Statthalter. Da erfährt man beispielsweise etwas über die Schaffung eines neuen Hühnerhofs auf Mariaberg, da begegnet man einer Zusammen stellung der unmittel-bar zum Kloster gehörenden Rebberge in der näheren und weiteren Umgebung, dort der notwendig gewordenen Renovation des St.-Anna-Schlosses und den dazu zu treffenden Massnahmen. Dort äussert sich Pater Iso Walser in ausführlicher und sehr persönlich gefärb-ter Art und Weise zum Sterben und zu den Leistungen des seeleneifrigen, aber sehr umstrit-tenen Priesters Joseph Helg (1721–1787) oder, ebenso aus Anlass des Todes, zu seiner Zu-sammenarbeit mit dem Baumeister und Architekten Ferdinand Beer (1731–1789). Immer wieder findet man Eintragungen über die Weinlese, den Weinertrag und die Witterungsver-hältnisse, und hie und da trifft man auch Eintragungen an, in denen gar mehr oder weniger versteckte Kritik am eigenen Abt geübt wird. Wenn Iso Walser am 11. März 1792 zum 25-Jahr-Amtsjubiläum seines Abtes Beda schreibt: Wer in diese 25jährige Regierung zurück-siehet, kann zerschiedene Facta, Gesta et Fata, Bona et Mala, antreffen, oder wenn er klagt: Es kostet viel, wanne der Fürst gegenwärtig ist, wegen vielen Gästen und Ehrenspeisen, dann klingt doch eine gewisse Kritik an Fürstabt Beda Angehrn (1767–1796) durch.

Das Pflichtenheft des Statthalters auf MariabergDas Amt des Statthalters in Rorschach wurde vom St.Galler Fürstabt in der Regel einem älteren und erfahrenen Mönch übertragen. In der uns besonders interessierenden Zeit, im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, übten der Reihe nach die Patres Innozenz Herter (1713–1777; Statthalter von 1759 bis 1763), Honoratus Peyer im Hof (1710–1785; Statthalter von 1763 bis 1785), Iso Walser (1722-1800; Statthalter von 1785 bis 1795), Gerold Branden-berg (1733–1818; Statthalter von 1795 bis 1796) und Theodor Wick (1759–1839; Statthalter von 1796 bis 1797) dieses Amt aus. Die Statthalter waren für den Einzug der dem Kloster zustehenden Einkünfte in Rorschach und Umgebung zuständig. Sie übten auch die Ober-aufsicht über das Filialkloster Mariaberg und dessen Bewohner aus. Die Statthalterei Maria-berg pflegte dem jeweiligen St.Galler Abt und den Mönchen und Fratres des Gallusklosters in der wärmeren Jahreszeit auch als «Feriendomizil» (Recreation) und Kurhaus zu dienen. Fürstabt Beda Angehrn beispielsweise weilte im Herbst 1789 fast anderthalb Monate auf Mariaberg, um seine chiragrenische Hand (Gicht) kurieren zu lassen. Nebst einer grösseren Bedienstetenschar – diese wird weiter unten noch näher vorgestellt – lebten zwei weitere St.Galler Mönche auf Mariaberg: Einer war jeweils Pfarrer der Pfarrgemeinde Rorschach, der andere übte das Amt des Küchenmeisters aus.

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Statthalter Iso Walser – Sparsam und dem Neuen abhold Iso Walser war in seinen 26 Jahren als Offizial ein dezidierter «Aufklärungskritiker» (so hat ihn Hanspeter Marti in seinem Werk «Klosterkultur und Aufklärung in der Fürstabtei St.Gallen» aufgrund der gedruckten originalen Quellen und der Sekundärliteratur charak-terisiert), und dies blieb er auch nach seiner Versetzung ins Statthalteramt von Rorschach, das er von seinem 63. bis zu seinem 73. Lebensjahr ausübte. Mustergültig lässt sich dies durch manche Eintragungen in den Statthalter-Tagebüchern überprüfen. Das meiste Neue war ihm suspekt. Dezidiert pflegte er so und ähnlich anzumerken: Man solle derlei Novitates nicht anfangen. Dabei ging es ihm, der sich um die zunehmende Verschuldung seiner Abtei unter Abt Beda ernsthaft Sorgen machte, meist auch darum, den Finanzhaushalt der Statt-halterei möglichst ausgewogen und die Ausgaben in Grenzen zu halten. Grosse Festivitäten anlässlich von Namenstagen von Würdenträgern waren ihm zutiefst zuwider. Als sein eben-falls auf Mariaberg lebender Mitbruder Pius Nieriker (1746–1813), der Rorschacher Pfarrer, seinen Namenstag – der Namenstag wurde und wird in Klöstern wesentlich mehr gefeiert als der Geburtstag – etwas ausgedehnter mit Gästen feiern wollte, legte Pater Iso sein Veto ein. Er suchte deswegen gar in den Actis nach und fand heraus, dass es nicht gebräuchlich ist, dass man diesen Natal mit Gästen celebriere oder dass Herr Pfarrer Gäst einlade. Man habe auf Maria-berg sonst schon zu viel Gäste, deren Verköstigung und Unterbringung immer mit hohen Ausgaben verbunden sei. Man solle derlei Novitates nicht anfangen propter sequelas [aus Konse-quenzgründen]. Und so durften am Namenstag von Pater Pius Nieriker im Sommer 1791 nur zwei ausserordentliche Gäste an der Tafel der St.Galler Patres auf Mariaberg speisen: Der Rorschacher Kaplan und der Pfarrer von Steinach (der übrigens der Bruder von Iso Walser war), dies aber nicht wegen des Namenstages, sondern wegen anderen Ursachen, wie Iso Walser ins Statthalter-Tagebuch rechtfertigend schrieb. Auf keinen Fall wollte er ein Präjudiz ein-reissen lassen. Über seinen eigenen Namenstag klagte Pater Iso im Jahr 1792: Heute hab ich leider mein Namenstag ... geben müssen; 1794 wiederholte er sich: Heut musste ich meinen Natal geben, entschuldigend beifügend: ... seind 39 Personen an der Tafel gewesen, hab aber niemand eingeladen als welche mir gratuliert haben.

Kutschen in den Kreuzgängen von MariabergIn Grenzen hielt sich die Freude von Pater Iso offenbar auch an den neuen, zur Zeit von Abt Beda gebauten Strassen und den dadurch bewirkten Folgekosten für die Klosterhaushal-tung. Unter seinem Vorgänger, Pater Honoratus Peyer im Hof, seien die Zahl der Gäste auf Mariaberg und damit auch die Kosten für die Statthalterei stark angewachsen, nachdem die neuen Strassen zum Gutschenfahren sehr kommlich gemacht worden seien. Der zunehmende Kut-schenverkehr brachte auf Mariaberg überdies ein «Parkplatzproblem». Statthalter Beat Kel-ler (1705–1759; Statthalter 1754–1759) habe, schreibt Iso Walser am 21. Juli 1789 ins Statt-halter-Tagebuch, in den 1750er-Jahren einen Holzschopf bauen lassen; dieser sei damals aber nicht notwendig und dem Kloster wegen den Prozessionen sogar hinderlich gewesen. Wegen der Errichtung neuer und bequemerer Strassen auf dem Gebiet der Fürstabtei seien in letzter Zeit aber die Gutschen aufkommen. Weil wegen des Fehlens einer Einstellhalle diese Kutschen immer in den Kreuzgängen des Klosters herumgestanden wären, habe er den obgenannten Holzschopf abbrechen und an jener Stelle einen speziellen Kutschen-Schopf errichten las-sen. Die neuen Strassen und die Kutschen brachten – wie oben erwähnt – auch viele Gäste. Zu viele, nach Ansicht von Pater Iso, denn sie würden der Statthalterei viel Geld kosten.

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Manche Gäste seien der Statthalterey überlästig. Denn den Nutzen daraus würden nur die Be-diensteten ziehen; diese bekämen neben ihrem Jahrlohn von den Gästen immer wieder Trinkgeld. Aber weil das Dienstpersonal so eben für die Bedürfnisse der Gäste eingespannt werden müsse, würden die Bediensteten für die Statthalterei und das Kloster nichts mehr arbeiten, und diese hätten so den Schaden.

Das Dienstpersonal in der Statthalterei MariabergDie Bedienstetenschaft im Kloster Mariaberg war zahlenmässig ansehnlich gross: Im Rah-men seiner Klagen über die strenge [und kostspielige] Haushaltung in der Statthalterei im Jahre 1794 zählte Pater Iso diese Angestellten auf: der Beschliesser, der Koch, der Küfer, der Pfört-ner, der Beck, der Hausknecht, der Zehntknecht, der Kutscher, der Karrer, der Senn, der Gärtner, der Gartenjunge, der Unterkoch, die Beschliesserin, die Magd, bisweilen der Hir-tenbub. Aber ohne diese Dienst, 16 an der Zahl, könne die Statthalterei nicht existieren. Die-se würden auf Kosten des Klosters viel Most, Brot und Wein konsumieren, dazu hätten sie noch ihr jährliches Salarium und Essen. Das Hierarchiedenken – die Angehörigen der Klos-tergemeinschaft oben, das Dienstpersonal unten – war bei Pater Iso ausgeprägt. Es falle ihm schwer und fast unerträglich, dass das Gottshaus so viel Wein denen Diensten geben müsse. Die Dienstboten bekämen mehr Wein als die drei Herren Capitularen, die drei auf Mariaberg wir-kenden St.Galler Mönche. Und er rechnete hoch: Insgesamt müsse man den Diensten 2190 Mass Wein im Jahr abgeben. Woher kann man so viel Wein auftreiben? Wie kann ein Statthalter bestehen, klagte Pater Iso. Und nebenbei hätten alle Bediensteten noch täglich ein Pfund Brot und (neben freier Kost und Verpflegung) einen schönen Lohn zugute. Was sind dies für kostbahre Dienst!, rief Pater Iso im Tagebuch aus, und sind doch manche so faul! Ein Ausbund von Faulheit war offenbar Placidus Martinus Berther. Dieser war als Kammerdiener für den ehemaligen Abt des Klosters Disentis, Kolumban Sozzi, tätig (oder soll man eben sagen untätig). Pater Iso Walser kommentierte bei der Aufzählung der im Kloster Mariaberg lebenden Personen nicht sehr ehrenvoll: der den ganzen Tag nichts tut. Kolumban Sozzi lebte nach seinem Rück-tritt als Abt von Disentis (wegen wenig glücklicher Führung der finanziellen und personellen Belange des Klosters) als Gast des St.Galler Abtes Beda Angehrn während nicht weniger als 12 Jahren, von 1785 bis 1797, als Gast im Kloster Mariaberg, zusammen mit seinem Kammer diener und dies, wie Pater Iso anmerkt, ohne Kostgeld zu bezahlen.

Pater Isos Probleme mit dem DienstpersonalGrössere Probleme mit den Bediensteten hatte der mittlerweile 72-jährige Pater Iso Walser im Jahre 1794, wenige Monate vor seiner Abberufung durch Fürstabt Beda, und diese Pro-bleme setzten sich – sicherlich auch unter dem Einfluss der Ideen der Französischen Revo-lution – unter den Nachfolgern Gerold Brandenberg und Theodor Wick fort. Pater Iso zählte am 6. September 1794 in seinem Tagebuch Verstösse des Dienstpersonals gegen die Hausordnung auf, die offenbar in gehäufter Form auftraten. Sie würden beispielsweise ihre Betten nicht mehr selbst, sondern durch heimlich eingeführte Maitlen machen lassen, würden morgens nicht mehr in der Hauskapelle zum Morgengebet erscheinen und heimliche Zu-sammenkünfte halten. Pater Iso zitierte alle Bediensteten zu sich, liess ihnen die Hausord-nung vorlesen und ermahnte sie – unter Drohung der Entlassung –, sich an die Vorschriften zu halten. Die Unzufriedenheit unter der Bedienstetenschaft auf Mariaberg hielt an: Gerold Brandenberg berichtet im Februar 1796 über Ausschweifungen unter den Dienstleuten und hatte

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im September jenes Jahres bitteren Verdruss, weil sich einige Dienstleute erfrecht hätten, die Nacht über auszubleiben und damit massiv gegen die Hausordnung zu verstossen. Er entliess einen Bediensteten auf der Stelle und gab bekannt, dass er mit anderen Bediensteten gleich verfahren werde, sobald er einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden habe (so bald ich jemanden hab, der seine Stelle vertretten kann, ihn in die Länge nicht behalten).

Pater Iso Walser und die politische Situation um 1789/93Pater Iso Walser äussert im Statthalter-Tagebuch mehrmals seine persönlichen Gedanken zur Weltlage und dabei natürlich seine Ablehnung gegenüber den Ereignissen der Französischen Revolution, gegenüber der Umstossung der alten Hierarchien. Auf den Neujahrstag 1790 ver-merkte er in seinem politischen Tour d’Horizon, dass die Umstände in Europa gegenwärtig ziem-lich critisch seien. In Frankreich sei eine ganze Verwirrung. Die Gewalt des Königs werde dort unterdrückt, die sogenannte National-Versammlung in Paris trachte danach, neue Reichsgesetze zu errichten, um die ungeheuren Reichsschulden zu bezahlen. Die entsetzliche Un ordnung dauere jetzt schon lange und noch sei kein Ende in Sicht. Im Jahre 1793 wird Pater Iso Walser in seiner politischen Neujahrsbetrachtung heftiger und ausführlicher: Er hoffe, dass das neue Jahr 1793 glücklicher werde als das verflossene 1792, in welchem in Europa wegen der rebellischen Franzosen ein grosse Verwirrung ware und noch ist. Man hätte den König abgesetzt und ihn mit der Königin, dem Dauphin und seiner Schwester Elisabeth ins Gefängnis geworfen. Sie würden ihm den Prozess machen, um ihn zu töten. Es sei aber noch nicht geschehen. Der Adel und die Geist-lichkeit, Bischöfe und Priester seien zum Reich ausgejagt worden. Die catholische Religion liegt zu Boden. Die Franzosen wollten eine freye Republic haben, Freyheit und Gleichheit wollen sie allenthalben einführen. Diese Unchristen ohne Religion verderben Länder und verführen die Völker, die sie wider ihre Obrigkeiten aufwiegeln. Es werde sich anno 1793 zeigen, wie es diesen Bösewichten ergehe, da alle Potentaten wider sie aufstehen. Es sollte dann anders kommen ...

Französische und süddeutsche Emigranten in der Statthalterei MariabergEnde Januar 1793 hatte die Vertreibung des französischen Klerus auch für die Statthalterei Rorschach Konsequenzen: Die erschröckliche und gottlose Revolution und Rebellion in Frankreich vertrieb einen grossen Teil des Klerus aus dem Land, weil diese Geistlichen, so Pater Iso Walser, den Gottlosen den von ihnen von der Nation geforderten Eid nicht ablegen wollten. Viele tausend Kleriker verliessen ihre Heimat und flüchteten in andere, (noch) nicht von der Re-volution tangierte Gegenden. Viele müssten jetzt sehr arm leben, mehrere Ordensgeistliche seien aus Barmherzigkeit in Klöstern als exules propter religionem aufgenommen worden. Abt Beda habe zwei französische Benediktiner nach Mariaberg-Rorschach verordnet, die anjetzo bey uns wohnen und Victum gratis hätten. Zweieinhalb Jahre lebten diese zwei französischen Benediktinermönche im Kloster Mariaberg; einer von ihnen reiste im September 1795 weg. Pater Gerold Brandenberg kommentierte dies vielsagend: Ich hatte nicht Ursache, dessen Verlust zu bedauern, weil er ein zwar frommer, aber immer krankelicher und zu nichts brauchbarer Mann war. Als Reisegeld (Viaticum) gab er ihm 100 Gulden mit. In der Pfarrkirche von Rorschach wurde am 16. Februar 1793 in Anwesenheit von Statthalter Iso Walser auch ein feierliches Seelamt für den französischen König Ludwig XVI. gelesen, der am 21. Januar von seinen eigenen Unterthanen offentlich auf dem Schaffott durch den Henker enthaubtet worden war. Ganz Europa hätte sich, schreibt Iso Walser, über diesen Tod entsetzt gezeigt; dabei hätte

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der französische König sich schriftlich und mündlich als unschuldig erklärt und sei dann recht christlich gestorben. Ein Werk der, so formuliert es Iso Walser, entsetzlichen Revolution in Frankreich. Dieses mit vielen Wachsliechtern gehaltene Seelamt organisiert und finanziert hatte übrigens haupt-sächlich der französische Marquis Marc-Marie de Bombelles, der sich im Sommer 1791 als Emi-grant auf Schloss Wartegg niedergelassen und bereits am 15. Dezember 1791 das stift-st.gallisch adelige Gotteshausmannsrecht erhalten hatte. Als Asyl in grossem Stile dienten Statthalterei und Stadt Rorschach übrigens im Sommer und Herbst 1796: Fast 350 zumeist adelige Flüchtlinge mit Dienstpersonal aus Süddeutsch-land (Vorderösterreich und schwäbische Lande) wurden in Gaststätten von Rorschach, bei Privat-leuten im Städtchen, einige wenige auch im Frauenkloster St. Scholastika in Rorschach auf-genommen, und im Kloster Mariaberg wurden während einiger Monate zusätzlich zu Kolumban Sozzi auch sechs Prälaten beherbergt, die Äbte von Salem, Weingarten, Isny, Mehrerau, Schussenried und Weissenau, alle begleitet von zwei bis drei ihrer Patres, von je einem Kammerdiener sowie von einem bis drei weiteren Bediensteten; ebenso waren die Archive dieser Abteien und noch einige mehr ins Kloster Mariaberg in Sicherheit gebracht worden. Statthalter Theodor Wick ärgerte sich über das Verhalten vieler Flüchtlinge, der weltlichen wie der geistlichen. Die weltlichen Emigranten sollen sich lautstark in Rorschach über das Festhalten an den katholischen Bräuchen beklagt haben. Viele von ihnen seien laue Christen und hätten sich beispielsweise nicht an die Enthaltung des Fleischessens an den verbothenen Tagen oder die Anhörung der schuldigen heiligen Messe halten wollen. Alle Prälaten und Geistlichen hätten während bis zu drei Monaten auf Kosten des Klosters St.Gallen und der Statthalterei Rorschach gelebt und dafür gar nichts bezahlt. Allein der Fürstabt von Salem hätte sich mit Worten und mit der Gewährung eines Darlehens (grosse Summa Gelts) für das in schweren finanziellen Nöten steckende Kloster St.Gallen erkenntlich gezeigt. Den fünf übrigen Prälaten, die uns so theüer zu stehen kamen, hätte man gerne eine glückliche Rückreise gewünscht. St.Gallen werde bey dieser Zeit ohnehin durch ungeheure Schulden ganz zu Boden ge-drückt.

Das Findelkind Carolus Agricola VanzweckAm 4. November 1790 fand ein Bleicherknecht im Steingrüebli, unweit des Klosters Maria-berg, in einer Hütte einen vielleicht drei Wochen alten Säugling ausgesetzt, bekleidet mit einem Hemdlein und mit einem Häublein auf dem Kopf. Die Kunde über den Fund kam sofort auch Statthalter Iso Walser zu Ohren. Er liess Nachforschungen anstellen, woher dieser Knabe stammen könne, und auf seinen Befehl wird der Kleine schon am nächsten Morgen in der Rorschacher Pfarrkirche auf den etwas seltsamen Namen Carolus Agricola Vanzweck getauft. Die beiden Vornamen erinnern an die beiden Tagesheiligen des Fundtages Karl Borromäus und Marcus Agricola; was der Name Vanzweck genau besagen will, ist unklar. Als Mutter konnte schon bald ein in Konstanz lebendes Meminger Weibsbild identifiziert werden, die den Knaben in ein Kissen gepackt von Konstanz via St.Gallen nach Rorschach gebracht hatte. Dort legte sie ihn heimlich in die kleine Bleicherhütte und ging nach Konstanz zurück. Weitere Erkundigungen von Iso Walser in diesem Fall versandeten in Konstanz. Der Junge blieb zwei Wochen beim Oberbleicher, dessen Knecht das Kind ent-deckt hatte, dann nahm ihn Iso Walser mit Erlaubnis von Abt Beda Angehrn in die Statt-halterei Rorschach, wo er ihn im Mägdehaus unterbringen und von den darüber sehr erfreu-ten Hausmägden betreuen liess. Als das Gerücht auftauchte, dass der Vater des Knaben ein

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Protestant aus der Stadt St.Gallen sei, gab Iso Walser unmissverständlich bekannt, dass er den Kleinen wegen dessen Seelenheil in keinem Fall den Eltern zurückgeben werde. Dazu herrsche auch keine Veranlassung, denn die Mutter habe das Kind mit der Aussetzung ja verstossen und in Lebensgefahr gebracht. Der Knabe wuchs auf Mariaberg auf; Iso Walser hatte ihn – gewissermassen als «Ersatzenkel» – in sein Herz geschlossen und berichtet noch zweimal im amtlichen Statthalter-Tagebuch über Carolus Agricola Vanzweck. 1793 schreibt er anlässlich des dritten Jahrestags der Auffindung des Kleinen, dass man immer noch nicht erfahren habe, woher und von wem das Kind seye. Es würde im Mägdehaus ernährt, sei wohlauf, wachse kräftig, könne bereits seit mehr als einem Jahr gehen und auch sprechen. Der Knabe sei sehr witzig und habe ein wunderbahrliche Gedächtnis. Und auch am vierten Jahrestag seiner Auffindung (4. November 1794) kommt Iso Walser auf das Büeblein Carolus Agricola zu sprechen. Der Knabe sei sehr kräftig, wohl gewachsen und witzig. Offenbar bereits im Be-wusstsein um seinen baldigen Rücktritt empfahl er dieses Kind, so ich aus Barmherzigkeit als eine creaturam Dei aufgenommen, empfehle ich meinem H. Successori pro amore Dei et pro salute animae. Die Spuren des Carolus Agricola Vanderzweck verlieren sich, nachdem ihn Pater Gerold Brandenberg, der Nachfolger von Iso Walser, anlässlich der Amtsübergabe noch als zum Haushalt der Statthalterei gehörende Person aufgezählt hat. Wie es ihm, dem damals achtjährigen Knaben, nach der Aufhebung des Klosters St.Gallen gegangen ist und welches sein weiteres Lebensschicksal war – wir wissen es nicht.

Die letzten Jahre von Pater Iso WalserNachdem Fürstabt Beda Angehrn den für damalige Verhältnisse mittlerweile recht betag-ten und kranken Pater Iso Walser am 11. Mai 1795 vom Amt des Statthalters abberufen hatte, kehrte dieser nach St.Gallen zurück. Allerdings fühlte er sich dort nicht sehr wohl, und er erhielt auf seine Bitten vom Abt die Erlaubnis, wieder ins Kloster Mariaberg zurück-zukehren, diesmal ohne spezielle Funktion. Kurze Zeit später findet man Iso Walser wieder in St.Gallen, seine Altersgebrechen waren schlimmer geworden. Im April 1793 war er noch als Rorschacher Statthalter von einer Hemiplexia auf der rechten Körperseite (Lähmung) befallen worden; seine Zunge sei schwer, die rechte Hand ohne Kraft geworden, doch habe er keine Schmerzen verspürt, schreibt er ins Statthalter-Tagebuch. Die Schrift des Statthal-ters wirkt bei der Niederschrift unbeholfen, man merkt, dass er in seinen Bewegungen ein-geschränkt ist. In den Räumlichkeiten seines Klosters erlebte er den Anfang vom Ende der Abtei St.Gallen mit, als gebrechlicher und nicht mehr transportfähiger Mann. 1799 war für ihn ein spezieller Krankenpfleger tätig; die eigentlich von der Regierung des Kantons Säntis geplante Verlegung von Pater Iso ins Kapuzinerinnenkloster Notkersegg konnte nicht statt-finden, weil er so schwach war, dass er das Kutschenfahren nicht hätte ertragen können. Am 3. Juni 1800 starb Pater Iso Walser im 78. Lebensjahr.

Quellen – Tagebücher der Statthalter von Rorschach: StiASG, Bde. 1278–1283.

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Pläne für die Spinnerei im Kloster St.Gallen

marKus Kaiser

Ende 2005 kam im Staatsarchiv St.Gallen ein Grundriss des Klosters zum Vorschein, einge-faltet in einem Band des Helvetischen Archivs. Das Werk aus dem Jahr 1800 stellt die erste massstäbliche Aufnahme des barocken Stiftsbezirks dar. Sachlich zu den Gründungsakten der Spinnerei im Klostergebäude gehörend, ist seine Bedeutung nur dem Fund von Spinnma-schinen-Plänen derselben Zeit im Kantonsschulkeller vergleichbar. Solche Entdeckungen gehören zum Erfreulichsten im Berufsleben eines Archivars. Es sei vor allem Neugierde, die dazu führe, pflegt Stiftsarchivar Lorenz Hollenstein zu sagen – mit voller Berechtigung.

Eine unbekannte FundgrubeDer gedruckte Archivkatalog über die helvetische Periode (1798–1803) hatte die rund 300 Amtsbücher als reine Nummernpositionen aufgeführt. Neugierde war der Antrieb, sie beim Übertrag ins Computerregister genauer zu untersuchen und zu beschreiben. Dabei erwiesen sich 28 schwarzbraun gebundene Bände als eigentliche Fundgruben. Die helvetischen Ver-waltungskammern hatten hier Dossiers zur Inventarisierung und Verwaltung der nationali-sierten Klostergüter gesammelt. Die Einkünfte daraus waren für den finanzarmen helveti-schen Staat zentral. 1805 bis 1813 dienten die Unterlagen auch der Stiftsliquidation. Staatsar-chivar Peter Ehrenzeller gab den Bänden um 1840 summarische Rückentitel. Ab 1865 be-nützte sie Gallus Jakob Baumgartner für seine Kantonsgeschichte. Seither liegen sie brach, trotz des Reichtums an Daten, welche die Akten des Stiftsarchivs fortführen und ergänzen.

Die Klostergebäude in der HelvetikEin grosser Teil dieser Akten betrifft das Schicksal der Klostergebäude. Am 6. Mai 1798 hatten französische Truppen St.Gallen besetzt und sich am 12. Mai wieder zurückgezogen. Das reichte, um die helvetische Revolution auch hier durchzusetzen. Fürstabt Pankraz Vors-ter und die meisten Mönche waren geflohen, unter Mitnahme der Kostbarkeiten, des Ar-chivs und der wertvollen Teile der Bibliothek. Das Stift, der grösste Gebäudekomplex der Ostschweiz, stand weitgehend leer. Einen Teil der Räume belegten die Behörden des neuen Kantons Säntis. Alles nicht mehr Benötigte kam auf die Gant, Mobiliar, Ausstattung und Vorräte. Das weltliche Personal wurde entlassen, die Druckerei, Apotheke, Metzg, Küferei und andere Klosterwerkstätten verpachtet. Obereinnehmer Joseph Zuber mietete die Abts-wohnung, nachdem eine Küche eingebaut war. Im Festsaal der neuen Pfalz fanden französi-sche Offiziersbälle statt. Privatanlässe hingegen lehnte man ab, um die Wirte der Stadt nicht zu konkurrieren. Im Herbst 1798 marschierten die Armeen zum Zweiten Koalitionskrieg auf. General Masséna besetzte die Ostschweiz mit 30’000 Franzosen, verstärkt durch helvetische Trup-pen. Das Stift St.Gallen diente als Hauptquartier, Unterkunft und Lazarett. Dieses befand sich im Musäum, dem grossen Aufenthaltssaal der Mönche im ersten Geschoss des Schul-flügels. Als die Österreicher Ende Mai 1799 bis Zürich vorstiessen, kehrte Fürstabt Pankraz in sein Kloster zurück. Es befand sich in lamentablem Zustand. Selbst das Gebäu ware alles

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verderbt, die Zimmer zerrissen, die Wände eingeschlagen, in dem Convent und Musèo, wo das französische Lazaret gemacht worden, war ein solcher Gestank und Morast, von Stroh, Blut und Unrath, dass man ihn mehrere Täge mit Gabel und Schaufel ausmisten und mit Kärren fortführen musste, bei 14 Täge hatten 20 Weibspersonen zu buzen, waschen und fegen, entrüstete sich Schwester Wiborada Zislin in der Glattburger Klosterchronik. Der Fürstabt liess um 20’000 Gulden renovieren und neu ausstatten, musste aber im September endgültig fliehen. Erneut wurden Möbel, Betten, Bettzeug, Gerät, Weinvorräte und anderes vergantet. Im Juli 1800 beendig-ten französische Siege den Krieg, auch in der Ostschweiz.

Die Spinnereigesellschaft «Mule Twist» im KlosterDer Friede förderte die wirtschaftliche Entwicklung, wie die Dossiers über die Gründung einer Spinnerei im Kloster St.Gallen zeigen. 1798 hatte der Waadtländer Kaufmann und Politiker Marc Antoine Pellis (1753–1809) dem helvetischen Finanzministerium ein Projekt vorgelegt, die Schweiz mit Spinnmaschinen zu versehen. Hiezu hatte er zwei englische Mechaniker angeworben, John Heywood und James Longworth. St.Galler Investoren, vor allem das Kaufmännische Directorium, brachten das Kapital auf. Am 25. August 1800 er-teilte der helvetische Exekutivrat in Bern die Konzession, im Kloster St.Gallen eine Baum-wollspinnerei unter dem Namen «Mule Twist» einzurichten. Hiezu räumte man Pellis auf sieben Jahre das Musäum und sieben Räume im Erdgeschoss des heutigen Schulflügels ein – kostenlos und steuerfrei, zum Leidwesen der Verwaltungskammer des Kantons Säntis. Nachdem die Engländer die Prototypen der Maschinen als Muster zum Nachbau aufge-stellt hatten, setzte im Musäum die Garnproduktion ein (Pellis teilte im folgenden März mit, seit mehreren Monaten werde gesponnen). Es war ein Vorgang epochaler Bedeutung: im Spätsommer 1800 begann im Kloster St.Gallen die Industrialisierung der Schweiz.Anfang März 1801 stellten die Ausserrhoder Textilfabrikanten ein gemeinsames Gesuch um Räume für Magazine, um die hohen Gebühren der Stadt zu umgehen. Dagegen wehrten sich die Spinnerei-Aktionäre. Der Zulauf von Händlern und Fabrikanten enthülle das Pro-duktionsgeheimnis, störe die Arbeitenden, gefährde die Waren und mindere die Feuersicher-heit. Am 9. März ersuchte Pellis den Finanzminister Johann Heinrich Rothpletz (1766–1833), ihm das ganze innere Kloster samt Dekanats- und Bibliotheksflügel zu überlassen, ausser dem Platz für die wenigen Bücher, die sich dort noch befänden. Mit der erweiterten Konzes-sion vom 15. Mai 1801 entsprach der Exekutivrat Pellis’ Wünschen. Heywood und Long-worth erhielten Patente auf ihre Maschinen. Fortan liefen im Kloster 26 Spinnmaschinen (Spinning Mules) mit zugehörigen Karden, Vorspinn- und Tiragemaschinen, arbeiteten rund 120 Personen, meist Frauen und Kinder, und im Hof zwischen Kirche und Kloster wurde Baumwolle gewaschen und getrocknet. Nach den vereinbarten sieben Jahren erlosch die Fa-brikkonzession. In die Räume zog das neue katholische Kantonsgymnasium ein.Gerne hätte Pellis auch den Bibliothekssaal benützt. Minister Rothpletz schrieb schon am 10. März 1801, falls die Unternehmung den schönen Bibliotheksaal zu miethen wünscht, sie durchaus anzuhalten wäre, eine Gattung Einfriedung oder eine Bretterwand im Umkreise herumzuziehen, wo-durch die Säulen, Kästen und Geländer vor Annäherung der Arbeiter geschirmt würden. Die Kon-zession vom 15. Mai übertrug Pellis den Bibliotheksflügel in so weit der Staat sich ihn nicht zu eigener Verfügung vorbehält. Dazu präzisierte der Minister: Ich wünsche, dass der Saal der schönen Bibliothek und das Naturalien Cabinete unbewohnt bleiben und zu mehrerer Sicherheit die Saalthüre mit Bretteren gesperrt werde. Die Verwaltungskammer liess zusätzlich das Archiv verschliessen

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und meldete, das Refektorium (heute Musiksaal) sei Unterkunft helvetischer Truppen und stehe nicht zur Verfügung.Wem verdanken wir die Schutzmassnahmen? In erster Linie ist Karl Müller-Friedberg (1755–1836) zu nennen. Dem erfahrenen Verwaltungsmann der Fürstabtei war das Kloster St.Gallen vertraut. Nun war er Chef der helvetischen Domänenabteilung in Bern und un-terzeichnete Rothpletz’ Anordnungen mit. Im Fall der Stiftsbibliothek nahm er zweifellos Einfluss auf seinen jungen Vorgesetzten und wurde so zum Retter des Bibliothekssaals.

Niklaus Ehrat und der Grundriss des Stiftsbezirks In der Konzession vom 25. August 1800 hatte die helvetische Regierung verlangt, es seien Pläne und saubere Zeichnungen einzureichen. Der im Dossier erhaltene Grundriss des Stifts-bezirks entspricht dieser Forderung. Leider fehlt jede Bezeichnung ausser Windrose und Massstab. Den Namen des Autors nennt das Protokoll der Verwaltungskammer des Kan-tons Säntis: Der Bürger Erath von Arbon legt seine zwey Risse von dem hiesigen Kloster-Gebäude vor und macht dafür eine Bezahlungs-Forderung von 17 Louisdors, was dem Wert von fünf Kühen entsprach. Dies fand man überspannt und bot für den ersten Plan 10 Louisdor, für die Kopie 2½. Das Ende des Geschäfts ist nicht protokolliert. Von beiden Plänen blieb in St.Gallen wohl die einfachere Kopie erhalten. Der Verbleib des andern Exemplars ist unbekannt.Der in Wil 1746 geborene Niklaus Ehrat, ein hervorragender Feldmesser und Kartograph, war einer der wichtigsten Beamten der Fürstabtei. Er trat 1772 als Fiskal in ihren Dienst und war ab 1774 Lehenvogt, mit Amtssitz in dem von Abt Beda Angehrn erbauten Schützen-haus (später Gemeindehaus) in St.Fiden. Seine Ausbildung kam seinem Amt zustatten; sein Rorschacher Atlas im Stiftsarchiv gehört zu den schönsten und wertvollsten Kartenwerken der Nordostschweiz. 1789 wurde er Obervogt der St.Galler Besitzung Neuravensburg en-net dem Bodensee. Im Jahr 1800 befasste er sich von Arbon aus mit Familienangelegenhei-ten in Wil und bearbeitete den St.Galler Auftrag. Bei der Säkularisation der geistlichen Territorien im Reich 1803 kam Neuravensburg in den Besitz der Fürsten von Dietrichstein. Ehrat trat in ihren Dienst und verwaltete die Herrschaft bis zu seinem Tode 1825.

Der Einbruch der ModerneNur wenige historische Epochen zeitigten in St.Gallen tiefgreifendere Wirkungen als der Wandel an der Wende zum 19. Jahrhundert. Abrupt endete die über tausendjährige Fürst-abtei und abrupt brach die Moderne ins ehrwürdige Kloster, mit neuen Institutionen und Industrialisierung. Die Radikalität spiegelt sich bis heute in der Archivlage: die Bestände des Stiftsarchivs enden Anfang Mai 1798, jene des Staatsarchivs beginnen im selben Monat. Auch den Zeitgenossen war der Wechsel gravierend, aber vieles blieb vertraut. In der Öf-fentlichkeit arbeiteten alte Beamte: Müller-Friedberg, Ehrat und viele andere. Der neue Staat bezog dieselben Zehnten, wofür er die alten Archive benötigte. Und vor allem blieb das bauliche und kulturelle Erbe, dem man heute Weltgeltung zuspricht. Jenen, die es uns überlieferten, verlieh «Ostschweiz»-Chefredaktor Hermann Bauer einst den Ehrentitel «Hüter und Mehrer st.gallischer Kultur». Dazu zählte er auch die Stiftsarchivare, von Ilde-fons von Arx bis Paul Stärkle. Wir können die Reihe getrost fortführen – bis zu Lorenz Hollenstein, dem dieser Beitrag gewidmet ist.

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Niklaus Ehrat: Grundriss des Stiftsbezirks St.Gallen, 1800

Lavierte Federzeichnung, 52 x 75 cm, Massstab ca. 1:400. StASG, KPP/St.Gallen 1.

Der Grundriss bildet ausschliesslich den Stiftsbezirk ab, rechts begrenzt von der Aussen-mauer gegen die Moosbruggstrasse, links von der Schiedmauer gegen die Stadt. Die Haupt-gebäude sind dieselben wie heute: Stiftskirche (1), die drei Flügel des Konventgebäudes mit Bibliothek (2), Schul und Krankenhaus (3), Dekanatsflügel (4) und Kreuzgang, der Hofflügel (5) mit der Abtswohnung (6) und die Neue Pfalz (7). Mit Ausnahme der Schmitte (8) am Karlstor

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existieren auch die Nebenbauten am rechten Rand noch (von oben nach unten): der Marstall (9) in der äussersten Ecke (heute Kantonspolizei), das Karlstor (10), der ehemalige Wagenschopf (11), der Runde Turm(12) mit der Stadtmauer (13) sowie das winklige Türmlihaus (14) rechts unten. Der Klostergarten (15) im Kreuzgang dient heute der Kantonssekundar-schule als Sport- und Pausen platz, und noch immer ist der Achteckbrunnen (16) von 1683 ein Pol im grossen Klosterhof.Im 19. Jh. verschwanden mit der Schiedmauer links auch die Wirtschaftsbauten am Rand des Klosterhofs, ausser dem Gartenhaus (17), vor dem ein Barockgarten mit Springbrunnen (18) lag. Längs der Mauer reihten sich folgende Gebäude (von oben nach unten): Zwischen der Neuen Pfalz und dem frei stehenden Klosterwirtshaus (19) befand sich die schiefwinklige Küferei (20). Daneben stand das Schul- und Mägdehaus (21), dessen Stelle heute das Stifts-archiv einnimmt. Beidseits des Klostertors (22) in der Mitte (in Verlängerung der Kugelgasse) lehnten sich hölzerne Kramläden (23) an die Wand. Auf der andern Torseite folgten der lang-gezogene alte Marstall (24) und das nahezu quadratische Brüderhaus (25). Die Kleinbauten im Hof dazwischen dienten als Buchbinderei (26) und Barbiererei (27). In einem schmalen, geson-derten Hof standen das Waschhaus (28) und die Metzg (29). Von hoher Bedeutung war die runde, 1764 erbaute Schutzengelkapelle (30) neben der Stiftskir-che. Ihr Durchmesser wird hier erstmals fassbar: 8.7 Meter aussen, 7 Meter innen. Der Ab-bruch von 1807 ist der grösste bauliche Verlust im Stiftsbezirk. Mit roter Tinte trug Ehrat die Grundrisse der Innenräume in den ersten Stockwerken ein. Leider sind die meisten Zellen und Gemächer nicht identifizierbar. Neben der Haupttreppe im Südflügel beansprucht das Musäum (31) eine ganze Gebäudehälfte, beheizt durch einen mächtigen Ofen. Der grosse Saal mit Innenmassen von 26 x 9 x 3,2 Metern ist seit 2008 als Verkaufsladen der Stiftsbibliothek wieder zugänglich. Leicht verwischt erscheint in der heutigen bischöflichen Kapelle (32) der Altar. Der grösste Raum im Mittelrisalit der Neuen Pfalz (33) weist zwei Öfen auf. Hier tagte wohl der Pfalzrat, ab 1803 das Kantonsgericht, bei Win-tersessionen auch der Grosse Rat, dessen Saal unheizbar war.

Das Stift St.Gallen von Norden, um 1790Um 1790 radierte der Rorschacher Kupferstecher Franz Anton Roth (1731–1798) nach Zeichnung von Hof bildhauer Franz Anton Dirr (1724–1801) einen Gesellenbrief der Handwerksmeister im Fürstenland.Das Bild illustriert Niklaus Eraths «Grundriss» hervorragend, trotz mancher Ungenauig-keiten. Vor der bildbeherrschenden Stiftskirche erhebt sich in der Hofecke die runde Schutzengelkapelle. Ihr folgen an der unregelmässig verlaufenden Schiedmauer die Neben-bauten der Klosterbetriebe. Der Hofflügel ist als Pendant zur Neuen Pfalz dargestellt, in gleicher Höhe und mit Mittelrisalit. Ob es sich dabei um ein Aufstockungs- oder Neubau-projekt handelt oder aber um zeichnerische Freiheit der Künstler, bleibt unbekannt. Reizvoll und aufschlussreich sind viele Details, darunter der Barockgarten mit seinem Spring brunnen hinter der Neuen Pfalz oder der Schmuck der Klostertore: Am Klausurtor im Hofflügel stehen Gallus und Otmar auf Säulen beidseits Mariens, am Tor gegen die Stadt hingegen flankieren die beiden Heiligen das fürstliche Wappen sitzend (zerstört 1798).

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Gesellenbrief der Handwerksmeister in der fürstlich st.gallischen Landschaft. Radierung von Jo­hann Franz Roth nach Zeichnung von Franz Anton Dirr, 38 x 53 cm.

Vor den Kloster- und Stadtmauern prägen die Leinwandbleichen im Talgrund die Land-schaft. St.Gallen und seine Vorstädte fehlen, ein Hinweis auf die Konkurrenz zwischen den Fürstenländer Handwerkern und den städtischen Zünften. Dafür sind das ehemalige Klos-ter St.Leonhard im Westen und St.Fiden im Osten vor die Stiftsmauern gerückt. In St. Fiden fallen die 1778 vollendete Kirche auf, der Gefängnisturm und das Gast- und Gerichtshaus «Hirschen». Oberhalb des Dorfs steht der grosse Kornspeicher der Abtei, dahinter der Grossacker mit deutlich erkennbarer Wölbackerstruktur. Noch weiter oben ist das Kloster Notkersegg abgebildet.

«Spinning Mule» – englische Spinnmaschine im Kloster St.Gallen, um 1800Der Plan gehört zu einer Serie von ursprünglich sicher 24, heute nur noch 9 Zeichnungen einer historischen Mappe: Spinn-, Waterspinn-, Vorspinn- und Zwirnmaschinen. 8 Blätter stammen von «Vonwiller Vater» (wohl der 1812 im St.Galler Adressbuch genannte Mechaniker Leonhard Vonwiller), eine Detailzeichnung von «Vonwiller Sohn» (Initialen IVW). Aufgrund von Papier, Schrift und Zeichnungsart ist eine Entstehungszeit zwischen 1799 und 1810 anzunehmen; die Zeit der Spinnereigründung im Kloster passt am besten.Die Serie ist Teil einer grossen Anzahl von qualitätvollen Architektur- und Ingenieurplä-nen sowie Vorlagewerken. Diese entdeckte das Staatsarchiv 1991 samt einer technischen Bibliothek im Kantonsschulkeller. Das Material hatte zuerst in der Industrieschule, später in der Technischen Abteilung als Unterrichtsgrundlage in Architektur, Technik und im Technischen Zeichnen gedient. Der hervorragende Lehrer dieser Fächer, Konrektor Gangolf Delabar (1819–1884), hatte die Sammlung ab 1842 zusammengetragen.

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Lavierte Federzeichnung von «Vonwiller Vater», um 1801. 41 x 96 cm, Massstab ca. 1:15. StASG, Sammlung Delabar.

Die «Spinning Mule» (Maultier), von Samuel Crompton 1779 in England erfunden, war 40 Fuss lang, 20 Fuss breit und 5 Fuss hoch (12 x 6 x 1,5 m). Sie wurde von 4 bis 5 Arbeitern angetrieben. Die 204 Spindeln ersetzten ebenso viele Handspinnerinnen. Die abgebildete Maschine besteht aus zwei Teilen. Auf dem festen Gestell hinten sind 204 mit Vorgarn ge-füllte Spulen aufgesteckt, auf dem Balken darunter die Streckwerke für die Fäden montiert. Die Vor- und Rückbewegungen des Wagens vorn lösen die Spinnvorgänge aus. Die Spindeln auf dem Wagen liess der Zeichner der Einfachheit halber weg bis auf drei, die neben der Trommel ganz rechts versteckt und klein sichtbar sind.

Quellen und Literatur – StASG HA B III 25 CC und B III 26 L.– Vollziehungsrat der Helvetischen Republik: Industriepatente der Baumwoll-Spinnerei-Gesellschaft in

St.Gallen, 1801, in: StASG Misc.W 51.16.– Gallus Jakob Baumgartner, Geschichte des schweizerischen Freistaates und Kantons St.Gallen I,

St.Gallen 1868, S. 435–437.– Hermann Wartmann, Industrie und Handel des Kantons St.Gallen I, St.Gallen 1870–1875, S. 210–217.– Lorenz Hollenstein, Höfe und Güter im alten Tablat, in: Tablat und Rotmonten, zwei Ortsgemein-

den der Stadt St.Gallen, St.Gallen 1991.– Lorenz Hollenstein, Einst weltliche Oberbeamte im Klosterstaat – dann führende Politiker im Kan-

ton St.Gallen, in: Fürstabtei St.Gallen – Untergang und Erbe, St.Gallen 2005, S. 77–78.– Markus Kaiser, Es werde St.Gallen! Revolution, Helvetik, Mediation und Kantonsgründung,

St.Gallen 2003.– Markus Kaiser, Schwester Wiborada Zislins Chronik der Revolutionszeit 1794–1806, in: Benediktine-

rinnen-Abtei St.Gallenberg in Glattburg bei Oberbüren, St.Gallen 2004, S. 166.

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Vom Nutzen des Stiftsarchivs Pfäfers für die historische Forschung

Fritz rigendinger

Im Rahmen eines Forschungsprojekts zum Thema «Der Herrschaftsraum Sarganserland vom 13. bis zum 15. Jahrhundert» bin ich von 2002 bis 2005 der breit gestreuten Überliefe-rung zur sarganserländischen Geschichte in verschiedenen Archiven nachgegangen. Das Stiftsarchiv Pfäfers spielte dabei aus zwei Gründen eine hervorragende Rolle. Zum einen, weil es für das Gebiet zwischen Tamina und Walensee den grössten zusammenhängenden Quellenbestand umfasst, und zum anderen, weil ich bei meinen Arbeiten die fachliche und persönliche Unterstützung dreier Generationen von Stiftsarchivaren erfahren durfte. Werner Vogler selig hat sich mit meinem Lehrer Roger Sablonier erfolgreich für ein drei-jähriges Nationalfondsstipendium eingesetzt, sein Nachfolger Lorenz Hollenstein und des-sen Stellvertreter und designierter Nachfolger Peter Erhart haben mir den Zugang zum Fonds Pfäfers im Stiftsarchiv St.Gallen eröffnet und meine Arbeiten unterstützt. Allen drei bin ich in kollegialer Freundschaft verbunden.Mit den grundherrschaftlichen Höfen in Ragaz, Mels und Quarten, dem Grundbesitz im Tamina- und Calfeisental, den Kollaturrechten in Ragaz, Vilters, Wangs, Mels, Walenstadt und Quarten, dem Wildbad Pfäfers und der Rheinfähre Ragaz-Maienfeld war die Abtei Pfäfers bis ins 18. Jahrhundert grösster Grundbesitzer und kirchlicher Hegemon im Sarganser land. Der Urkundenbestand des Stiftsarchivs Pfäfers, erschlossen durch die Reges-ten von Karl Wegelin, enthält einen fast unerschöpflichen Fundus an Informationen zum lokalen und regionalen Herrschaftsgefüge im ehemals niederrätischen Gebiet. Als beson-ders hilfreich erwiesen sich zudem die Vorarbeiten für den dritten Band des Urkundenbuchs der südlichen Teile des Kantons St.Gallen, insbesondere die Transkriptionen der Pfäferser Urkunden bis 1400 von alt Stiftsarchivar Franz Perret. Aus dem umfangreichen Wirtschafts- und Verwaltungsschriftgut des Klosters, namentlich aus den Rödeln und den urbarialen Einträgen im Liber viventium, die bis zum Jahr 1340 unter dem Titel «Wirtschaftsquellen der Abtei Pfävers» im zweiten Band des Urkunden-buchs der südlichen Teile ediert sind, lassen sich Rückschlüsse auf die Herrschaftspraxis des Klosters ziehen. Besonders ergiebig ist es, die Wirtschaftsquellen mit Hilfe von Orts-, Flur- und Personennamen oder aufgrund sachlicher Zusammenhänge in Beziehung zu setzen zu den urkundlichen Zeugnissen. Gleiches gilt für die bekannten Hofoffnungen im Goldenen Buch (Liber aureus), die je nach Hof ganz unterschiedliche materielle und formelle Merk-male aufweisen. Im 15. Jahrhundert wurden die zeitlich verschieden anzusetzenden lateini-schen Offnungen im hinteren Teil des Goldenen Buchs in deutscher Übersetzung, aber geänderter Reihenfolge von einer Hand nochmals aufgeschrieben. Demgegenüber sind gut ein Dutzend Pergamentrödel aus dem 14. und 15. Jahrhundert bis anhin weitgehend unbe-kannt und von der Forschung unbeachtet geblieben (Sablonier/Zangger, Inventar Wirt-schafts- und Verwaltungsquellen, Nr. 101–112). Besondere Beachtung verdient ein Hofrodel von Ragaz vom Ende des 13. Jahrhunderts. Es handelt sich um eine Offnung der Gerichts- und Vogteireichte, die neue, d.h. bisher nicht bekannte Informationen über die Vogteiverhältnisse im 13. Jahrhundert liefert. Inhaltlich

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Archiv und Bibliothek des Klosters Pfäfers

stellt das Stück einige bisher als von P. Karl Widmer (1659) gefälscht geglaubte Angaben in ein neues Licht. Unklar ist, weshalb dieser Rodel weder in der älteren Historiographie ( Simon, Hardegger) erwähnt wird noch im Urkundenbuch der südlichen Teile des Kantons St.Gallen oder im Inventar der Wirtschaftsquellen im Stiftsarchiv St.Gallen. Es handelt sich um einen Pergamentrodel von 15 x 70 cm, dessen regelmässige Buchschrift paläographisch eindeutig ins 13. Jahrhundert gehört (StiA Pfäfers, Iuridica et oeconomica). Ebenda befindet sich ein Rodel 17 x 96 cm mit der wörtlichen Abschrift des ersten Rodels in einer um 1350 datierbaren Schrift. Die Vermutung, es könnte sich um einen von P. Karl Widmer gefälsch-ten Rodel (vgl. Wegelin Reg. 144) handeln, erweist sich bei Überprüfung am Original und bei einer genauen Schriftanalyse als völlig unbegründet. Inhaltlich stechen neben den auch aus andern Quellen bekannten Punkten: Gerichtsbarkeit in Ragaz, Maiengericht, Twing und Bann, Mühlen und Tavernen, die Genosssame, Sonderleute, Fronhof, Hubenzins, Vogt-steuer und Reichsfreiheit – vor allem drei Dinge heraus: 1. Die explizite Nennung der Vogtei, die das rich Saxern hie vor hatt versetzt und die von den Gebrüdern Albrecht und Ulrich von Sax in eine «untere und obere» Vogtei geteilt wurde, 2. Die Erwähnung eines Gerichtstages zu Marschlins, an dem Graf Hugo von Werdenberg «der Alte» (Hugo I. von Werdenberg-Heiligenberg, erw. 1254–+1280) als Landrichter dem Abt Konrad von Wolfurt (1265–1277) alle Bastarden als Sonderleute des Klosters zuerkannt hat, und 3. Die Nennung von Marchen, in denen kein Graf von der Grafschaft wegen und kein Vogt von der Vogtei wegen sich in Twing und Bann des Abtes einmischen soll (dazu Rigendinger, Sarganserland im Spät-mittelalter, S. 43–44). Diese Punkte kommen auch in gefälschten Urkunden und im Transsumptenbuch von P. Karl Widmer von 1659 vor. So hielt Wegelin die Unterscheidung in die obere und die untere Vogtei im gefälschten Schiedsspruch vom 10. April 1279 über die Vogtei Pfäfers als «am meisten verdächtig», ohne offenbar die Bestimmung des Ragazer Hofrodels von 1300 gekannt zu haben (Wegelin Reg. 102, S. 19; UBSüd I, n. 696, S. 477, Z. 38–39). Während die ältere Forschung und Franz Perret im Urkundenbuch der südlichen Teile des Kantons St.Gallen davon ausgingen, es handle sich bei Widmers Produkten nicht nur um formelle, sondern auch um inhaltliche Fälschungen, so hat beispielsweise Joseph Hardegger bei ein-zelnen Stücken eine inhaltliche Fälschung in Frage gestellt oder gar verneint (Hardegger, Pfäfers im Spätmittelalter, S. 40). Widmers Fälschungen wurden vor allem in Bezug auf die frühen Papst- und Kaiserurkunden untersucht, nicht aber bei den Privaturkunden (Stengel 1931 und Mendelsohn 1934). Ähnlich wie schon Mendelsohn ging auch Hardegger davon aus, dass Widmer einzelne Stücke zwar formell gefälscht, dies aber aufgrund von bisher als verschollen geglaubten Originalen bzw. in freier Konjektur dennoch mit sachlich «richti-gen» Angaben getan habe. Angesichts des Ragazer Rodels von 1300 muss diese These bei einzelnen Stücken erneut geprüft und zur Diskussion gestellt werden (Vogler, Rezeption der Pfäferser Fälschungen, S. 721–726. Zu den die Vogteiurkunden vgl. F. Perrets Anmerkun-gen zu UBSüd I 646* [1276], 696* [1279], 981* [1306]. Den gefälschten Rodel über die Rech-te und Freiheiten der Abtei von 1329 [Wegelin Reg. 139] hat Perret nicht ins Urkundenbuch aufgenommen).Von den 22 Urbarien des Klosters aus der Zeit bis zur Säkularisierung (1838) stammen im-merhin vier aus dem Mittelalter – Liber viventium, Liber aureus, Lehenbuch Abt Friedrichs von Reitnau (1447–1478) und Urbar Abt Melchiors von Hörnlingen (1495) – sieben aus dem 16./17. Jahrhundert und elf aus dem 18./19. Jahrhundert, ohne die Kirch- und

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Kapellurbare sowie Hofrödel des 18./19. Jahrhunderts (vgl. Scherrer, Bücherverzeichnis Pfäfers). Im Katalog der Handschriften der Abtei Pfäfers bleiben die Urbarbücher jedoch ohne Begründung ausgespart (Jurot/Gamper, Katalog S. 29), während Bruckner sich in den Scriptoria Medii Aevi auf die äussere Beschreibung beschränkte und nicht auf den Inhalt einging (Bruckner, Scriptoria, S. 87). Besondere Aufmerksamkeit verdient das Lehenbuch Friedrichs von Reitnau. Zum einen, weil hier zum ersten Mal in der Pfäferser Überlieferung nicht nur Güter und Rechte festgeschrieben, sondern systematisch auch die entsprechenden Abgaben und Lehenszinse fixiert wurden. Zum andern aufgrund seiner Entstehungszeit unmittelbar nach dem Alten Zürichkrieg (1436–1450), in dessen Verlauf die Eidgenossen zwar die österreichischen Positionen im Sarganserland (Walenstadt, Nidberg, Freudenberg) vorübergehend erobert haben, diese aber nach ihrem Sieg in der Schlacht von Ragaz (1446) nicht halten konnten. Das Lehenbuch Friedrichs von Reitnau dokumentiert den Übergang zur kapitalintensiven Gülten- und Pfänderwirtschaft und den damit einhergehenden Herr-schaftswandel. Interessant ist beispielsweise die Bestimmung im Erblehen-Formular auf der ersten Seite, dass einer das zu Erblehen empfangene Gut zuerst dem Kloster anbieten müsse, wenn er dieses veräussern wolle, und es ainem Churwälschen eher geben solle als jemandem anders. Im Lehenbuch sind aber nicht nur die Pfäferser Erblehen zwischen Tuggen und Chur verzeichnet, sondern auch ganz unerwartete Nachrichten enthalten. So erfährt der aufmerksame Leser, dass Anfang Juni 1454 der Wasserstand des Rheins so tief war, dass der Fluss zu durchreiten war. Schon am 15. Juni desselben Jahres gab es jedoch einen Kälteein-bruch, bei dem das Vieh wegen Schneefall von den Alpen getrieben werden musste. Viele Tiere verendeten dabei an Frost und Hunger. Wegen Sommerschnee und anhaltend kalter Witterung verloren die Ragazer 1456 an die 300 Schafe, Pferde und Kühe (StiA Pfäfers, Hs. 40, p. 181). An anderer Stelle findet sich ein Entschlackungs-Rezept zur Purgacion der Mön-che. Ihnen wird empfohlen, während eines Jahres auf den Verzehr von gesottenen Speisen, Gemüse und Obst zu verzichten und sich stattdessen ausschliesslich von gebratenem Fleisch und Fisch zu ernähren sowie jeden Abend drei Scheiben Rettich zu essen, ohne dazu etwas zu trinken. Sollte es dabei zu Völlegefühl oder Verstopfung kommen, rät das anonyme Re-zept zum Trunk von warmem Wasser mit Olivenöl, um anschliessend mit Hilfe einer mit Öl bestrichenen Gänsefeder den Brechreiz auszulösen, das machet usswerffen. Das Vorgehen mutet im Vergleich zu heutigen Fastenkuren recht rabiat an. Aber allein die Vorstellung, welchen Effekt das allmorgendliche Knoblauchessen auf das zwischenmenschliche Klima im Konvent gehabt haben mochte, macht es reizvoll, sich zu überlegen, ob die Mönche die-sen Ratschlag tatsächlich befolgt haben, oder ob es sich nicht eher um eine normative Vor-stellung von wirksamer Entschlackung handelt (StiA Pfäfers, Hs. 40, p. 180). Der Eintrag zur Purgation ist von gleicher Hand wie die Einträge p. 167–173 beziehungsweise p. 181 (zu 1424 bzw. 1454), woraus sich die ungefähre Datierung um 1450 ergibt.In der Untersuchung über den Herrschaftsraum Sarganserland sah ich mich einer dreifa-chen Problemstellung gegenüber: Erstens die heterogene Herrschaftstopographie auf rela-tiv kleinem Raum, die sich auch in der Überlieferungssituation niedergeschlagen hat, zwei-tens die Komplexität des spätmittelalterlichen Territorialisierungsprozesses und die zahlrei-chen Herrschaftswechsel im dynastischen Umfeld der Grafen von Werdenberg-Sargans und den benachbarten Herrschaftsräumen (Gaster-Walensee, Rheintal, Vorarlberg, Chur) und schliesslich die fehlenden landesgeschichtlichen Grundlagen, die im Rahmen der Studie erst zu erarbeiten waren. Die Darstellung orientiert sich an der zweigliedrigen Struktur des

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Archiv und Bibliothek des Klosters Pfäfers

Herrschaftsraums mit den lokalen Herrschaften und der Grafschaft Sargans als landesherr-licher Einheit. Der erste Teil untersucht die lokalen Herrschaftsgebilde unterhalb der landes-herrlichen Ebene, der zweite Teil ist der Entwicklung der Herrschaft der Grafen von Werdenberg-Sargans bis 1400 gewidmet, und im dritten Teil geht es um die landesherr-schaftliche Verdichtung der Grafschaft Sargans zu einem territorialen Gebilde im 15.  Jahrhundert.

Quellen und Literatur– Albert Bruckner, Scriptoria Medii Aevi Helvetica. Denkmäler Schweizerischer Schreibkunst des

Mittelalters, Bd. I: Schreibschulen der Diözese Chur, Genf 1935.– Joseph Anton Hardegger, Beiträge zur spätmittelalterlichen Geschichte der Benediktinerabtei

Pfävers (Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte, Beiheft 22), Freiburg 1969.– Romain Jurot unter Mitwirkung von Rudolf Gamper, Katalog der Handschriften der Abtei Pfäfers

im Stiftsarchiv St.Gallen, Zürich-Dietikon 2002. – Heinz Mendelsohn, Die Urkundenfälschungen des Pfäferser Konventualen P. Karl Widmer, in: Zeit-

schrift für Schweizerische Geschichte 14 (1934), S. 129–204 und 257–283.– Fritz Rigendinger, «Ir hertz und sinn stuond fast gen Zürich». Der Alte Zürichkrieg aus der regiona-

len Perspektive des Sarganserlands, in: Ein «Bruderkrieg» macht Geschichte. Neue Zugänge zum Alten Zürichkrieg, hg. von Peter Niederhäuser/Christian Sieber (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 73), Zürich 2006, S. 111–124.

– Fritz Rigendinger, Das Sarganserland im Spätmittelalter. Lokale Herrschaften, die Grafschaft Sargans und die Grafen von Werdenberg-Sargans, Zürich 2007.

– Roger Sablonier/Alfred Zangger, Inventar spätmittelalterlicher Wirtschafts- und Verwaltungs-quellen im Stiftsarchiv St.Gallen, Zürich 1989.

– Roger Sablonier, Verschriftlichung und Herrschaftspraxis: Urbariales Schriftgut im spätmittelalterli-chen Gebrauch, in: Pragmatische Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur, hg. von Christel Meier et al., München 2002, S. 91–120.

– Gustav Scherrer, Verzeichnis der Bücher-Handschriften des Stiftes Pfävers, Manuskript-Band im Stiftsarchiv, St.Gallen 1881.

– Richard Simon, Rechtsgeschichte der Benediktinerabtei Pfäfers und ihres Gebietes, Ragaz 1918.– Edmund Stengel, Karl Widmers Pfäverser Fälschungen, in: Festschrift Albert Brackmann, 1931,

S. 591–602.– Urkundenbuch der südlichen Teile des Kantons St.Gallen (Gaster, Sargans, Werdenberg), 2 Bde., bearb.

von Franz Perret, St.Gallen 1962–1982.– Werner Vogler (Hg.), Das Goldene Buch von Pfäfers (Liber aureus), Faksimile und Kommentar,

Graz 1993. – Werner Vogler, Zur Rezeption der Pfäferser Fälschungen von Pater Karl Widmer, in: Fälschungen im

Mittelalter (MGH Schriften, Bd. 33, Teil III), Hannover 1988, S. 711–726.– Karl Wegelin, Die Regesten der Benedictiner-Abtei Pfävers und der Landschaft Sargans (770–1520),

(Regesten der Archive in der schweizerischen Eidgenossenschaft, Bd. 1, 4. Heft), Chur 1850.

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

Klaus amann

Das Pfäferser Passionsspielfragment und die Pfäferser Liturgie

Die Bestände des Stiftsarchivs Pfäfers, die heute im Stiftsarchiv St.Gallen aufbewahrt werden, umfassen auch die Reste der im Jahre 1665 durch einen Brand weitgehend zerstörten, einstmals reichhaltigen Pfäferser Klosterbibliothek. Wie sehr diese mehr oder weniger zufällig erhaltenen Stücke dennoch tiefe Einblicke in das klösterliche religiöse und kulturelle Leben der Mitte des 8. Jahrhunderts gegründeten und 1838 aufgehobenen Abtei erlauben, erhellt aus dem Beispiel des aus dem frühen 14. Jahrhundert stammenden Pfäferser Passionsspielfragments. Es handelt sich dabei um ein Doppelblatt aus Pergament, das die Zeiten als Vorsatzblatt des Codex Fabariensis (Cod.Fab.) XI überdauert hat, der im 10. oder 11. Jahrhundert angefertigt worden war. Bei der Ablösung vom Codex wurde der Text leider stark beschädigt, so dass er heute teilweise nur noch schwer lesbar ist. Dazu kommen umfangreichere Textverluste besonders in der Mitte des Doppel-blattes sowie am Ende. Dennoch sind gut 400 Verse erhalten, die Einblick in ein beeindruckendes Drama vom Leiden und der Auferstehung Jesu mit einer ausführlichen sogenannten Salbenkrä-merszene erlauben. Das Fragment ist als das zweitälteste deutschsprachige Passionsspiel (nach dem Benediktbeurer Passionsspiel um 1230) generell ein wichtiges Stück schweizerischer Literatur-, Kultur- sowie Theatergeschichte und darüber hinaus für den gesamten deutschen Sprachraum von eminenter Bedeutung. Es weist neben den deutschen Anteilen, die teilweise im damaligen Dialekt des St.Galler Rheintals gehalten sind, umfangreiche lateinische Passagen auf: In erster Linie handelt es sich dabei um liturgische Gesänge, die auch bei den entsprechenden kirchlichen Osterfeiern vorgetragen wurden. Und als inmitten der liturgischen Tradition des Klosters Pfäfers stehend – jedes Bistum und jedes Kloster war in der Gestaltung der jeweiligen Liturgie im Mittel-alter ja weitgehend frei – muss man sich auch das von dort stammende Passionsspiel vorstellen.Das Spiel zerfällt in zwei Teile, nämlich einen Passionsspielteil und einen Osterspielteil. In Ersterem werden die Ereignisse des Leidens und Sterbens Jesu dargestellt. Er beginnt beim Einzug in Jerusalem und endet bei seinem Tod und der anschliessenden Grablege, wobei vor allem auf die biblischen Berichte und daneben auch auf apokryphe Traditionen als Quellen zurückgegriffen wurde. Der zweite Teil behandelt die Ereignisse des Ostermorgens, als Maria Magdalena, Maria Jacobi und Maria Salome zum Grab gehen und dieses leer vorfin-den. Darin eingewoben ist die schon erwähnte Salbenkrämerszene, in der die drei Marien von einem Händler wohlriechende Öle erwerben, mit dem sie den Leichnam Jesu einbalsa-mieren wollen. Diese Szene besticht durch volkstümlich-derbe Komik, die in reizvollem Gegensatz zum geistlichen Gehalt des übrigen Spiels steht.Franz Perret und Werner Vogler zufolge, beide als Stiftsarchivare von St.Gallen die Vorgän-ger Lorenz Hollensteins, ist «der religiös-kulturelle Aufschwung der Abtei im Spätmittelal-ter» bisher stark vernachlässigt worden, und in der Tat wird in der Forschungsliteratur meist der wirtschaftliche und vor allem personelle Niedergang der Abtei in dieser Zeit beschrie-ben. Es ist in erster Linie Abt Konrad von Ruchenberg (1282–1324), der von der gleichna-migen Burg nahe Trimmis stammte, zu verdanken, dass sich trotz widriger äusserer Umstän-de neben dem ökonomischen auch das kulturell-geistliche Leben in Pfäfers nach einer Krise im späten 13. Jahrhundert wieder entfalten konnte. Auf seinen Verdiensten baute dann der

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grosse Abt des 14. Jahrhunderts, Hermann von Arbon (1330–1361), auf, zerstörte vielleicht unwissentlich aber auch manches wieder – und rettete es möglicherweise gerade dadurch. Hermann ging nämlich als grosser Erneuerer der Pfäferser Liturgie in die Geschichte ein, da er zwischen 1336 und 1342 die Choralnotation mit Hilfe der Neumen abschaffte und diese durch die modernere guidonische Notenschrift, die mit unserer vergleichbar ist, ersetzen liess. Die lateinischen Passagen des Pfäferser Passionsspiels sind nun mit zahlreichen Neu-men versehen (ein Beweis dafür, dass sie gesungen wurden), weswegen vermutlich die Hand-schrift, die das Spiel enthalten hatte, als veraltet makuliert wurde. Das erhaltene Fragment wurde in den Cod.Fab. XI eingeklebt und so vor dem endgültigen Untergang bewahrt.Doch auch die Bemühungen Konrads von Ruchenberg um die Liturgie dürfen nicht ver-nachlässigt werden. Im Cod.Fab. 106a, der Materialsammlungen und Vorentwürfe für Au-gustin Stöcklins Geschichtswerk Antiquitates Fabarienses (Cod. Fab. 106, 17. Jahrhundert) enthält, finden wir die Notiz, dass im Jahre 1316 (tatsächlich lässt sich dieses Datum nicht halten) alle Altäre des Klosters (neu) geweiht worden seien. Vermutlich lag der Grund dafür in einem Erlass des Generalvikars des Bistums Chur, Rudolf von Montfort, demzufolge es fortan verboten war, auf Altären, die aus Mörtel statt aus Steinen errichtet waren, die Messe zu lesen. Deshalb mussten beispielsweise im Kloster Marienberg im Vintschgau mehrere Altäre abgebrochen und im Jahre 1315 neu geweiht werden. Dieses Verbot hat vermutlich auch den Pfäferser Abt bewogen oder gar gezwungen, einen ähnlichen Schritt zu setzen und daher die Altäre neu errichten und konsekrieren zu lassen. Möglicherweise hängt damit eine teilweise Neuordnung der Liturgie zusammen, die vom Schwyzer Kloster Einsiedeln beeinflusst war und ihren Niederschlag in einem Pfäferser Prozessionale vom Anfang des 14. Jahrhunderts gefunden hat. Die neuzeitliche Kopie dieser Prozessionsordnung ist im Cod.Fab. XXVII, einer weiteren Materialsammlung Augustin Stöcklins, erhalten.Nun ist dieses Prozessionale von Pfäfers nicht nur ein bedeutendes und bisher leider wenig ge-würdigtes Zeugnis der Pfäferser Liturgie, sondern auch im vorliegenden Zusammenhang über-aus wichtig, weil es die sogenannte Pfäferser Visitatio sepulchri überliefert. Dabei handelt es sich um ein lateinisches Osterspiel, das enge textliche Parallelen mit dem Pfäferser Passionsspielfrag-ment aufweist und zweifellos dessen Vorlage gewesen ist. Die lateinische Pfäferser Feier ihrerseits fusst auf einer Osterfeier aus Einsiedeln, die aus dem 12. oder 13. Jahrhundert stammt und ähn-liche Stücke aus den Klöstern Engelberg (13. Jh.) und Rheinau (Ende 14. Jh.) beeinflusst hat.Aber nicht nur die lateinische Osterfeier, sondern auch die Vorschriften des Prozessionale für die Pfäferser Palmsonntagsprozession dürften für das Spiel Quellencharakter haben. Mehrere Antiphonen (geistliche Wechselgesänge) kommen hier wie dort vor, besonders beachtenswert ist aber eine Abweichung vom römischen Ritus, die auch das Spiel aufgreift: Der alte Hymnus Gloria laus et honor tibi sit, Rex Christe, Redemptor (Ruhm, Lob und Ehre sei dir, König Christus, Erlöser), der auf Theodulf von Orléans († 821) zurückgeht, war bei der Prozession als Lobge-sang auf den in Jerusalem einziehenden Jesus zu singen. Danach wurde die Antiphon Pueri hebreorum vestimenta prosternebant in via (die Kinder der Hebräer breiteten Kleider auf dem Weg aus) intoniert, eine Antiphon, die nach römischem Ritus vor dem Hymnus Gloria laus et honor zu singen war. Diese abweichende Anordnung kennt auch das Pfäferser Passionsspiel, wo-durch sich wieder der Quellencharakter der Pfäferser Liturgie für dieses Spiel erweist.Besonders reizvoll ist es daher, sich den konkreten Ablauf des Spiels vorzustellen, das vielleicht in Pfäfers selbst als Stationenspiel inszeniert wurde, wie wir das etwa auch aus Frankfurt am Main kennen. Das Prozessionale gibt nämlich über den Verlauf der Prozession recht genau

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Auskunft: Zuerst ging es von der Klosterkirche zur damaligen Pfäferser Leut- oder Pfarrkirche St. Evortius, der heutigen Friedhofskapelle von Pfäfers, die allerdings nicht mehr an ihrer alten Stelle steht. Dort (In Ecclesia sancti Euortij) wurden die Palmzweige gesegnet und die Antiphon Collegerunt pontifices (die Hohenpriester versammelten sich; vgl. Joh 11,47) gesungen, die auch im Spiel vorkommt und hier die eigentliche dramatische Handlung eröffnet. Die weitere Pro-zession ging dann von der Kirche St. Evortius usque ad Locum Stationis (bis zum Zielort), womit vermutlich die Klosterkirche gemeint ist. Ganz ähnlich könnte auch das Spiel aufgeführt wor-den sein; sicher sein können wir zwar nicht, die weitgehenden Übereinstimmungen zwischen der Pfäferser Liturgie und dem Passionsspiel machen es aber sehr wahrscheinlich.Eine weitere interessante Parallele zwischen der örtlichen Liturgie und dem Spiel ergibt sich aus der ungewöhnlichen Figur des Vorredners. Mittelalterliche Spiele werden ganz generell von einem sogenannten Präkursor eröffnet, der im Normalfall eine Inhaltsangabe gibt, den Zweck des Spiels nennt sowie das Publikum zu Ruhe und Aufmerksamkeit mahnt. Sehr oft ist dieser Vorredner namentlich nicht genannt, in anderen Fällen handelt es sich um einen alttestamenta-rischen Propheten, meist um Jesaja. Im Pfäferser Spiel nun kommt dem Propheten Jeremia diese Funktion zu, und das gibt es in der deutschsprachigen Spieltradition sonst nirgends. Doch diese Einzigartigkeit lässt sich ebenfalls hinreichend aus der liturgischen Situation in Pfäfers er-klären. Der Cod.Fab. III enthält ein Lektionar des 11. Jahrhunderts, also ein Verzeichnis jener Bibelstellen, die im Laufe des Kirchenjahres als Lesungen vorzutragen waren. Kurz vor Ostern, nämlich am Freitag und am Samstag vor dem Palmsonntag, wurden in der Messe Stellen aus Jeremia gelesen. Am Samstag vor dem Palmsonntag war die Lesung aus Jer 18,18–23 an der Reihe, in der von einem Komplott der Obrigkeit gegen den Propheten die Rede ist. Diese Stel-le muss ganz klar als Vorausdeutung des Plans der Hohenpriester gegen Jesus aufgefasst werden, umso mehr, als sowohl in der römischen als auch in der Pfäferser Liturgie der Text der Vulgata zur Verdeutlichung und mit klar antijüdischem Impetus abgeändert wird. Während es im Bi-beltext der Vulgata heisst: et dixerunt venite et cogitemus contra Hieremiam cogitationes (Da sagten sie: Auf, lasst uns Anschläge gegen Jeremia planen!), sieht die Stelle in der Liturgie folgendermassen aus: Dixerunt impii Judæi ad invicem … (Da sagten die ungläubigen Juden zueinander …). Zum dritten Male schliesslich wird in der Messe des Dienstags der Karwoche die Lesung aus dem Buch Jeremia bestritten, und zwar die Stelle Jer 11,18–20. Auch hier ist eine Präfiguration erkennbar, denn Jeremia weiss sich verfolgt und vergleicht sich mit einem ahnungslosen Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird (Jer 11,19), ein Bild, das traditionellerweise für Jesus übernommen wurde. Dem folgt die Lesung der Passionsgeschichte nach Markus. Hier ist die Funktion des Jeremia als liturgischer «Vorredner» für die Karwoche am deutlichsten angelegt und könnte für das Spiel Quellencharakter gehabt haben. Dass diese Lektionen auch in Pfäfers vorgesehen waren, ist durch ihre Vorschreibung im Cod. Fab. III gesichert.Es ist nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass das Pfäferser Passionsspiel überhaupt noch fragmentarisch erhalten ist. Einstmals jedoch spielte es im klösterlichen Leben eine bedeutende Rolle und war zusammen mit anderen Texten der Klosterbibliothek integraler Bestandteil der Liturgie dieser bedeutenden Benediktinerabtei. Einblicke in diese gewähren uns noch heute zahlreiche Pfäferser Handschriften, deren genauere Untersuchung sich loh-nen würde. Sorgfältig verwahrt und bestens konserviert sind sie interessierten Forscherinnen und Forschern im Stiftsarchiv St.Gallen jederzeit zugänglich.An dieser Stelle sei es mir gestattet, Lorenz Hollenstein für die perfekte Betreuung während der Zeit, als ich im Stiftsarchiv St.Gallen das Pfäferser Passionsspielfragment und so manch

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andere Handschrift im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe nehmen durfte, sehr herz-lich zu danken. Über mehrere Tage und Wochen waren er und sein Stellvertreter Peter Erhart anregende und sehr interessierte Gesprächspartner, ohne die mein Forschungsunterfangen nicht möglich gewesen und nicht so angenehm verlaufen wäre.

Literatur– Klaus Amann, Das Pfäferser Passionsspielfragment. Edition, Untersuchung, Kommentar. Diss. Inns-

bruck 2006 (im Druck).– Klaus Amann, Zwischen Barcelona und St.Gallen: Europäische Literaturbeziehungen am Beispiel frü-

her ‹deutscher› Passions- und Osterspiele. In: Estudios Filológicos Alemanes 11 (2008), S. 377–388.– Ludwig Conrad Bethmann, Handschriften des Klosters Pfäffers im Stiftsarchiv zu St.Gallen, in:

Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 9 (1874), S. 593–599.– Heinrich Büttner, Zur frühen Geschichte der Abtei Pfäfers. Ein Beitrag zur rätischen Geschichte

des 8./9. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 53 (1959), S. 1–17.– Paul Diebolder, Aus dem Kulturleben der Benediktinerabtei Pfäfers im Mittelalter und deren Bezie-

hungen zu Liechtenstein, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 31 (1931), S. 23–63.

– Josef Anton Hardegger, Beiträge zur spätmittelalterlichen Geschichte der Benediktinerabtei Pfä-vers (Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte, Beihefte 22), Freiburg 1969.

– Rudolf Henggeler, Schicksale von Pfäferser Handschriften. Ein Beitrag zur Gründungsgeschichte der Abtei Pfäfers, in: Heimatblätter aus dem Sarganserland 2 (1932), unpag.

– Karl Jordan, Die älteren Urkunden des Klosters Pfäfers, in: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 15 (1935), S. 1–40.

– Romain Jurot/Rudolf Gamper, Katalog der Handschriften der Abtei Pfäfers im Stiftsarchiv St.Gallen, Zürich 2002.

– Paul Lehmann, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Erster Band. Die Bistümer Konstanz und Chur, ND München 1968.

– Iso Müller/Carl Pfaff, Thesaurus Fabariensis. Die Reliquien-, Schatz- und Bücherverzeichnisse im Liber viventium von Pfäfers. Mit einer Einführung von Werner Vogler (= Separatdruck aus St.Galler Kultur und Geschichte 15), St.Gallen 1985.

– Franz Perret/Werner Vogler, Die Abtei Pfäfers. Abriss der Geschichte. Kurzbiographien der Äbte, St.Gallen 1986.

– Franz Perret/Werner Vogler, Art. «Pfäfers», in: Helvetia Sacra. Abt. III: Die Orden mit Bene-diktinerregel. Band I: Frühe Klöster, die Benediktiner und Benediktinerinnen in der Schweiz. 2. Teil. Re-digiert von Elsanne Gilomen-Schenkel, Bern 1986, S. 980–1033.

– Erwin Rothenhäusler, Die Kunstdenkmäler des Kantons St.Gallen. Band I: Der Bezirk Sargans. Unter Mitarbeit von Dora Fanny Rittmeyer/Benedikt Frey, Basel 1951.

– Georgette Streiter, Das Lektionar von Pfäfers. Untersuchung von MS III des Stiftsarchivs St.Gallen (Fonds Pfäfers), in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 78 (1984), S. 11–109.

– Urkundenbuch der südlichen Teile des Kantons St.Gallen (Gaster, Sargans, Werdenberg). I. Band: 2./3. Jh.–1285. II. Band: 1285–1340, bearb. von Franz Perret, Rorschach 1961–1982.

– Werner Vogler, Die Abtei Pfäfers. Geschichte und Kultur. Ausstellungskatalog, St.Gallen 1983.– Werner Vogler, Art. «Pfäfers», in: Lexikon des Mittelalters, Bd. VI, Studienausgabe Stuttgart 1999, Sp. 1992.

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Johannes Heider: Der erste Stiftsarchivar von Pfäfers

JaKoB Kuratli HüeBlin

Erst mit der Erschliessung erhalten Archivschätze ihren Wert: Wenn sie geordnet, verzeich-net und benutzbar sind. Das Stiftsarchiv St.Gallen hat den Auftrag, die Überlieferung der Abteien St.Gallen und Pfäfers zu erschliessen, um deren historischen Wert nutzbar zu ma-chen – sei das nun für die universitäre, regional-, familien- oder sprachgeschichtliche For-schung, um nur eine Auswahl zu nennen. Das Kloster Pfäfers, um das es in diesem Beitrag geht, bewahrte seine Urkunden und übrigen Rechtsdokumente freilich nicht bloss aus his-torischem Interesse auf. Für die Abtei hatte die Überlieferung auch einen ganz handfesten juristischen Wert. Im Archiv waren die Rechte und Freiheiten festgeschrieben, die das Kloster gegenüber den Untertanen sowie anderen Herrschaften beanspruchte. Allerdings war man sich in Pfäfers um den hohen Wert des Archivs nicht zu jeder Zeit genügend be-wusst, so dass man die Pflege der Überlieferung vernachlässigte. Erst als das Kloster seine einstigen Freiheiten bereits weitgehend eingebüsst hatte, begann es sich wieder an seine Pri-vilegien zu erinnern und eine Sammlung seiner Rechtsdokumente zu erstellen. Zu spät: Die Eidgenossen hatten im Sarganserland bereits politische Realitäten geschaffen, die das Kloster nicht mehr rückgängig zu machen vermochte.Im Jahr 1460 eroberten die Eidgenossen die österreichischen Herrschaften Nidberg und Freudenberg sowie das Städtchen Walenstadt. 1483 vereinigten sie diese Eroberungen mit der um 15’000 Gulden erworbenen Grafschaft Sargans zu einer Gemeinen Herrschaft der VII Orte Zürich, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus und Zug, zur Landvogtei Sargans. Damit änderten sich die Herrschaftsverhältnisse im Sarganserland für immer – auch für das Kloster Pfäfers, das bis dahin neben seiner spirituellen durchaus auch eine poli-tische Rolle in der Region gespielt hatte. Ungeachtet der Tatsache, dass Pfäfers eine Fürstab-tei war, fassten die Eidgenossen das Kloster bisweilen ziemlich unsanft an. Zwar sprachen sie den Abt noch bis ins 18. Jahrhundert als hochwürdigen fürsten und herren an; allein das hielt die Eidgenossen nicht davon ab, sich wiederholt kräftig in die Angelegenheiten des Klosters einzumischen und sogar in dessen innere Verwaltung einzugreifen. Es ist unbestritten, dass es um die wirtschaftliche und geistliche Verfassung der Abtei nicht immer zum Besten stand. Dennoch musste das Kloster die Bevormundung damals als unerhörten Einschnitt in seine von alters hergebrachten Rechte und Freiheiten empfinden.Bereits 1479 kam es zu einer ersten offenen Auseinandersetzung zwischen dem Kloster Pfäfers und den Eidgenossen. Abt Johannes Berger weigerte sich, einen von den Eidgenos-sen zur Wahl vorgeschlagenen Wohlener Kirchherrn in das Kloster aufzunehmen. Das Recht des Konvents, seine Mitbrüder selber aussuchen zu dürfen, verteidigte Berger mit Hilfe einer Urkunde aus dem 9. Jahrhundert, deren Abschrift er den Eidgenossen präsentier-te. Das Diplom verbot es jeder geistlichen und weltlichen Macht, Herrschaft über das Klos-ter auszuüben und sich in die Angelegenheiten der Mönchsgemeinschaft einzumischen. Die Eidgenossen liessen sich von solchen alten Freiheitsbriefen jedoch wenig beeindrucken. Schon Bergers Nachfolger, Abt Georg von Erolzheim, musste seit 1486 regelmässig Rechenschaft über die klösterliche Rechnungsführung ablegen. Zwei Jahre später wurde es

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dem Abt zudem untersagt, ohne die Einwilligung der eidgenössischen Vögte Zinsen, Zehn-ten und Güter des Klosters zu verändern oder zu verkaufen. Damit hatten die Eidgenossen die klösterliche Souveränität weitgehend ausser Kraft gesetzt. Bereits wenige Jahre nach der Errichtung der Vogtei Sargans war es ihnen gelungen, den Pfäferser Abt aus seiner politi-schen Machtstellung zu verdrängen. Nach dem Tod Abt Georgs versuchten sich die Eidge-nossen sogar über das klösterliche Recht der freien Abtwahl hinwegzusetzen und einen Berner an die Spitze des Klosters zu heben. Dagegen wehrten sich die Pfäferser Konventua-len jedoch vehement. Sie setzten ihren eigenen Kandidaten durch und wählten den Feldkircher Melchior von Hörnlingen zum Abt.Gestützt auf die klösterlichen Urkunden warf Abt Melchior im Oktober 1498 den eidge-nössischen Boten anlässlich der Rechnungsablage vor, die von alters hergebrachten Rechte der Abtei zu verletzen. Die Boten reagierten empfindlich auf diese Anklage und nahmen dem Abt das Beweismaterial kurzerhand weg. Die Pfäferser Freiheitsbriefe wurden, ebenso wie das Konventsiegel, in einen Turm auf Schloss Wartenstein eingeschlossen und der Schlüssel einem von den Eidgenossen eingesetzten Hofmeister übergeben, der fortan die weltlichen Geschäfte des Klosters überwachte. In den folgenden Jahrzehnten waren ver-schiedene eidgenössische Hofmeister in Pfäfers tätig. Während der Reformation liessen die religiösen und kirchenpolitischen Wirren die Auseinandersetzungen zwischen der Abtei und den Eidgenossen bzw. deren Vögten und Hofmeistern jedoch in den Hintergrund tre-ten. Das Kloster erhielt von den katholischen Orten sogar dringend benötigte Unterstüt-zung bei der Verteidigung seiner Rechte gegenüber den zum neuen Glauben übergetrete-nen Untertanen.Gleichwohl hatte die Reformation das Kloster in eine schwerwiegende Krise gestürzt, aus der es nur langsam wieder herausfand. Erst 1580, mit der Bestellung des aus Wil stammen-den Konventualen Johannes Heider als Klosterverwalter, setzte wieder ein spiritueller und wirtschaftlicher Aufschwung ein. Mit der Durchsetzung der Tridentinischen Reform erneu-erte Heider das benediktinische Leben in seinem Kloster, und auch die finanziellen Proble-me packte er entschlossen an. Mit Erfolg: Schon 1580 musste der damals amtierende eidge-nössische Hofmeister Pfäfers verlassen und Heider die alleinige Sorge um die klösterliche Wirtschaft überlassen. Heider, der 1587 zum Abt gewählt wurde, setzte sich jedoch nicht nur für die Verbesserung der kirchlichen sowie der wirtschaftlich-finanziellen Lage seines Klosters ein. Mit ihm begann in Pfäfers auch eine Zeit der Rückbesinnung auf alte Rechte. Heider war sich darüber im Klaren, dass eine langfristige ökonomische Stabilität nur mög-lich sein würde, wenn es dem Kloster gelang, seine Rechte und Privilegien durchzusetzen, und zwar nicht nur gegenüber den Untertanen, sondern auch gegenüber den Eidgenossen. Der Abt musste jedoch feststellen, dass nicht einmal das Kloster selber seine tatsächlichen Rechte kannte. Wie hätte es diese da auch einfordern sollen? Das Kloster verfügte zwar über ein Archiv; dieses war jedoch nicht erschlossen, und es gab auch keine systematische Übersicht oder Sammlung der kaiserlichen und päpstlichen Freiheitsbriefe, noch nicht ein-mal der wichtigsten. Bisher hatten die Pfäferser Äbte in Streitigkeiten jeweils auf einzelne, schnell verfügbare Urkunden aus dem Archiv zurückgegriffen und diese der Gegenpartei entweder als beglaubigte Abschrift oder aber im Original vorgewiesen. Das Beispiel Melchiors von Hörnlingen, dem die Eidgenossen die Beweisstücke wegnahmen und weg-sperrten, hatte dem Kloster jedoch drastisch vor Augen geführt, wie gefährdet die wert-vollen Originaldokumente waren.

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Um die Pfäferser Rechtsüberlieferung zu sichern, liess Abt Johannes 1590 ein Kopialbuch anfertigen, den sogenannten «Vidimus Heider». Dieser zählt dank seiner reichen und sorg-fältigen künstlerischen Ausstattung zu den schönsten Pfäferser Handschriften. Heiders Vidimus enthält die Abschriften von Urkunden, welche das Kloster seit seiner Gründung von verschiedenen weltlichen und kirchlichen Herrschern erhalten hatte. Die Rechtssamm-lung sollte jedoch mehr sein als nur eine «Sicherungskopie» der Pfäferser Originaldiplome, sie war für den konkreten Gebrauch bestimmt. Im Vorwort schreibt Heider, er wolle mit seinem Werk die Pfäferser Rechte und Privilegien wieder in Erinnerung rufen, die in den vergangenen Wirren in Vergessenheit geraten seien. Insbesondere die eidgenössischen Hof-meister hätten dem Kloster aus Eigennutz und unter Missachtung des gültigen Rechts er-heblichen Schaden zugefügt. So seien der Abtei innerhalb von nur einem Menschenalter Besitzwerte von 60’000 Florin verloren gegangen. Mit dem Vidimus sollte dem Kloster ein Mittel an die Hand gegeben werden, um seine Rechte und Ansprüche wieder erfolgreich verteidigen und durchsetzen zu können.Wie hoch Heider die Bedeutung seiner Rechtssammlung einschätzte, zeigt sich neben der auf-wendigen künstlerischen Ausgestaltung auch in der Wahl des Beschreibstoffs. Obwohl Ende des 16. Jahrhunderts üblicherweise bereits auf Papier geschrieben wurde, liess Heider für seinen Vidimus das teurere, luxuriöse Pergament verwenden. Das prunkvolle Erscheinungsbild sollte dazu beitragen, die Symbol- und damit auch die Rechtskraft der Sammlung zu erhöhen. Gerade bei der Kommunikation von Recht «gegen unten», also gegenüber den Untertanen, war das materielle und symbolische Äussere eines Rechtsschriftstücks bisweilen nämlich genauso wich-tig wie sein Inhalt, den die Bauern ja ohnehin nicht lesen konnten. Neben den repräsentativen Originalurkunden von Päpsten, Kaisern und Königen hatten deshalb auch eindrückliche Ab-schriftensammlungen durchaus gute Chancen auf breite Anerkennung, denn diese Objekte prägten sich in das Gedächtnis der Bevölkerung ein. Für die Akzeptanz eines Rechtsschrift-stücks war es förderlich, wenn sich die Untertanen an frühere Gebrauchssituationen erinnern konnten, in denen auch schon aus dem entsprechenden Dokument vorgelesen wurde. Ob sie jedes Mal den exakt gleichen Wortlaut zu hören bekamen, war wohl weniger zentral – und auch weniger kontrollierbar – als die Tatsache, dass der Rechtstext aus einem bereits bekannten, mög-licherweise schon von den Vorfahren akzeptierten Schriftstück verlesen wurde.Heiders Rechtssammlung wandte sich jedoch nicht nur an die Untertanen des Klosters, sondern vor allem auch an dessen herrschaftliche Konkurrenten, insbesondere natürlich die Eidgenossen. Gegenüber anderen Herrschaftsträgern, die in der Regel ebenfalls mit Schrift-lichkeit argumentierten, traten die inhaltliche Auswahl von Heiders Vidimus sowie der ei-gentliche Wortlaut der Texte stärker in den Vordergrund als bei der Rechtssicherung «ge-gen unten». Da die weltlichen Gerichte Ende des 16. Jahrhunderts bereits weitgehend in der Volkssprache verhandelten, fügte Heider den lateinischen Abschriften deutsche Überset-zungen bei, welche auch von den eidgenössischen Boten und Vögten verstanden wurden. Um die Echtheit und damit die Verbindlichkeit der Urkundenkopien zu untermauern, liess Heider zudem deren Siegel sorgfältig nachzeichnen. Zur Behauptung der klösterlichen Rechte war es jedoch nicht nur nötig, echte Urkunden vorlegen zu können; wichtig war auch der Nachweis einer langen und ungebrochenen Rechtstradition. Zum Beweis der Kon-tinuität der Pfäferser Rechte versammelte Heider in seinem Werk Urkunden bis zurück ins 9. Jahrhundert. Er stellte damit klar, dass die Pfäferser Rechtstradition sehr viel älter war als die Vogtei der Eidgenossen, die das Kloster bedrängte.

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Mit seinem Vidimus hatte Heider ein schlagkräftiges und leicht zu verwendendes Mittel zur Behauptung der Pfäferser Rechtsansprüche geschaffen. In Auseinandersetzungen musste das Kloster seine Rechtstitel nicht mehr einzeln im Archiv zusammensuchen; es genügte der Rückgriff auf das Kopialbuch, von welchem sicherheitshalber gleich zwei Abschriften verfertigt wurden. Da Heider zum Nachweis der Kontinuität der Pfäferser Rechtstradition sehr viele Rechtstexte in seinem Vidimus versammelte, können wir sein Werk als das älteste Urkundenbuch bzw. Quellenwerk der Abtei Pfäfers bezeichnen. Natürlich hat der Vidimus noch wenig mit modernen wissenschaftlichen Urkundenbüchern gemein, und natürlich war auch der Entstehungs- und Verwendungszweck von Heiders Sammlung noch ein ganz an-derer. Gleichwohl war Heider der Erste, der mit seinem Werk einen leichteren Zugang zu den Pfäferser Originalquellen geschaffen hat. Wir dürfen ihn damit als den ersten Pfäferser Klosterarchivar bezeichnen. Noch heute gehört die Erschliessung der klösterlichen Überlie-ferung mit zu den wichtigsten Aufgaben der St.Galler Stiftsarchivare, die mit Johannes Hei-der einen bemerkenswerten Vorgänger in ihren Reihen haben.

Quellen und Literatur– StiAPf, Cod. Fab. 15: «Vidimus Heider».– StiAPf, Cod. Fab. 16: Abschrift «Vidimus Heider».– StiAPf, Cod. Fab. 16a: Abschrift «Vidimus Heider».– Die Regesten der Benedictiner-Abtei Pfävers und der Landschaft Sargans, bearb. v. Karl Wegelin,

Chur 1850.– Eidgenössische Abschiede: Amtliche Sammlung der älteren eidgenössischen Abschiede, Bd. II, III/1,

III/2, Luzern 1858–1869.– Joseph Anton Hardegger, Beiträge zur spätmittelalterlichen Geschichte der Benediktinerabtei Pfä-

vers, Mels 1969.– P. Rudolf Henggeler, Professbuch der Benediktinerabteien Pfäfers, Rheinau, Fischingen, Zug 1932.– Romain Jurot/Rudolf Gamper, Katalog der Handschriften der Abtei Pfäfers im Stiftsarchiv

St.Gallen, Dietikon-Zürich 2002.– Franz Perret/Werner Vogler, Die Abtei Pfäfers. Abriss der Geschichte; Kurzbiographien der

Äbte, St.Gallen 1986.– Werner Vogler, Das Ringen um die Reform und Restauration der Fürstabtei Pfävers 1549–1637,

Mels 1972.

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Klaus amann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik der Universität Innsbruck und Herausgeber des Pfäferser Passionsspielfragments.

Karl Heinz Burmeister war von 1971 bis 2001 Direktor des Vorarlberger Landesarchivs sowie Professor für europäische Rechtsgeschichte an den Universitäten Zürich (1975) und St.Gallen (1995).

Peter erHart ist seit 2003 Stellvertreter und ab April 2009 Nachfolger von Stiftsarchivar Lorenz Hollenstein.

urs eugster war Praktikant im Stiftsarchiv von August 2006 bis Januar 2007 und studiert derzeit Biologie an der Universität Bern.

moritz Flury-rova ist Kunsthistoriker und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Denk-malpflege des Kantons St.Gallen.

HuBert Foerster arbeitete rund 40 Jahre im Staatsarchiv Freiburg, davon 10 als Staats-archivar, unterbrochen vom Militärdienst (Major der Festungsartillerie und Chef des historischen Dienstes).

tHomas FucHs ist teilzeitlich Konservator am Museum Herisau sowie frei erwerbender Historiker und Archivar.

rudolF gamPer ist Bibliothekar der Vadianischen Sammlung der Ortsbürgergemeinde in St.Gallen.

steFan gemPerli ist Staatsarchivar des Kantons St.Gallen.

dieter geuenicH war bis 2008 Professor für Geschichte des Mittelalters an der Universität Duisburg-Essen.

raFFaella gustaPane war 2002 Praktikantin im Stiftsarchiv und arbeitet derzeit als Archivarin bei der Soprintendenza archivistica per il Veneto.

marKus Kaiser war Archivar im Staatsarchiv St.Gallen von 1981 bis 2009 und interes-siert sich für zahlreiche Aspekte der St.Galler Geschichte, u.a. für die Revolutions- und Mediationsperiode, für kunst-, architektur- und landschaftsgeschichtliche Themen (Rhein) sowie Personen- und Industriegeschichte.

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Autorenverzeichnis

Jost KircHgraBer war bis zu seiner Pensionierung Deutschlehrer an der Kantonsschule Wattwil. Kulturgeschichte beschäftigt ihn nach wie vor.

JaKoB Kuratli HüeBlin ist seit April 2009 stellvertretender Leiter des Stiftsarchivs St.Gallen.

annina lanFranconi ist Kunsthistorikerin und arbeitet seit 2007 bei der ibid Altbau AG in Winterthur.

miriam lendFers arbeitet je teilzeitlich als Gerichtsschreiberin am Versicherungsgericht des Kantons St.Gallen und als Rechtsanwältin im Kanton Thurgau.

PHiliPP lenz arbeitet als Handschriftenkatalogisator in der Stiftsbibliothek St.Gallen und verfasst im Rahmen eines Nationalfondsprojekts unter der Leitung von Stiftsbibliothekar Ernst Tremp eine Dissertation zum Kloster St.Gallen unter dem Pfleger und Abt Ulrich Rösch (1457–1491).

uwe ludwig ist ausserplanmässiger Professor für Geschichte des Mittelalters an der Universität Duisburg-Essen.

marK mersiowsKy ist bei den Monumenta Germaniae Historica, München, für die Diplomata-Serie zuständig und lehrt an der Universität Stuttgart Mittelalterliche Ge-schichte, Vergleichende Landesgeschichte und Historische Hilfswissenschaften.

clemens müller ist Griechisch- und Lateinlehrer an der Kantonsschule am Burggraben in St.Gallen und beschäftigt sich mit der lateinischen Literatur St.Gallens mit Schwerpunkt auf der Zeit von Humanismus und Barock.

Helena müller studiert Latein und Germanistik an der Universität Basel, ist Teilzeitmitar-beiterin am Stiftsarchiv St.Gallen und beschäftigt sich im Rahmen ihrer Baccalaureatsarbeit mit dem ‹Elogium› von Pater Hermann Schenk.

Peter müller ist Historiker, Altphilologe und Journalist in St.Gallen.

Paul oBerHolzer studierte Theologie in Innsbruck und Rom sowie Geschichte in Innsbruck und Freiburg i.Ue. 1995 bis 2000 war er Praktikant und Mitarbeiter im Stifts-archiv und Amt für Kultur St.Gallen, 2001 folgte der Eintritt in den Jesuitenorden. Von 2003 bis 2008 war er Provinzarchivar und -bibliothekar in Zürich und seit 2008 ist er am Institutum Historicum Societatis Iesu in Rom tätig.

Fritz rigendinger ist Leiter der Hauptabteilung Kultur und Landesarchivar des Kantons Glarus.

Karl scHmuKi ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Stiftsbibliothek St.Gallen.

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Schatzkammer Stiftsarchiv St.Gallen

norBert scHnetzer ist stellvertretender Direktor der Vorarlberger Landesbibliothek und Leiter der Abteilung für Sondersammlungen und Buchpflege.

steFan sonderegger (i) ist emeritierter Professor für germanische Philologie der Universität Zürich.

steFan sonderegger (ii) ist Stadtarchivar der Ortsbürgergemeinde St.Gallen, Privat-dozent an der Universität Zürich und Bearbeiter des Chartularium Sangallense.

doris stöcKly ediert die Thurgauer Rechtsquellen und arbeitet als wissenschaftliche Archivarin am Staatsarchiv Thurgau.

ernst tremP ist Stiftsbibliothekar von St.Gallen und nebenamtlicher Titularprofessor für Geschichte des Mittelalters an der Universität Freiburg i.Ü.

manFred tscHaiKner arbeitet als wissenschaftlicher Archivar am Vorarlberger Landes-archiv und lehrt an der Universität Wien.

raFael wagner war Praktikant im Stiftsarchiv von September 2008 bis Februar 2009 und möchte ab Herbst 2009 an der Universität Frankfurt a.M. Geschichte studieren.

BernHard zeller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien und gemeinsam mit Peter Erhart und Karl Heidecker Mitherausgeber der St.Galler Urkunden des 9. Jahrhunderts im Rahmen der Chartae Latinae Antiquiores.

Verzeichnis der AbkürzungenStAAR Staatsarchiv Appenzell AusserrhodenStASG Staatsarchiv St.GallenStATG Staatsarchiv ThurgauStAZH Staatsarchiv ZürichStiASG Stiftsarchiv St.GallenUBSG Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen I–II, ed. Hermann Wartmann, Zürich 1863/1866.

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