16
DAS MAGAZIN FÜR SCHULE IN SACHSEN 2 / 2013 Lehrer auf Probe Ein Tag im Leben eines Referendars SCHWERPUNKT Gute Aussichten Über das Lehrersein auf dem Land

Zeitschrift KLASSE 2/2013

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Dass in Sachsen Lehrer gebraucht werden, ist kein Geheimnis. Bis zum Jahr 2030 werden 75% der derzeit unterrichtenden Lehrer in den Ruhestand gehen. Sachsen steht also vor der Herausforderung, diese Lücke zu füllen. Viele der Lehramtsstudenten und Referendare sehen sich derweil vor der Entscheidung, ob sie für Praktika oder das Referendariat in eine andere Stadt gehen oder in den ländlichen Raum. Die Entscheidung ist nicht leicht zu fällen. Die KLASSE-Redaktion hat sich deshalb fernab vom Stadtlärm ins beschauliche Erzgebirge begeben und nachgehakt, was junge Lehrer beziehungsweise solche, die es werden wollen, dazu bewegt, sich in den ländlichen Regionen Sachsens niederzulassen. Welche Vorteile das Unterrichten auf dem Land für sie bringt und welche Erlebnisse sie mit dem ländlichen Raum verbinden, können Sie ab Seite 6 nachlesen. Doch nicht nur die Referendare stehen vor großen Aufgaben. Auch die Mentoren. Schließlich tragen sie enorm zur Ausbildung des Nachwuchses bei. Die Redakt

Citation preview

DAS M AGA ZI N FÜR SCH U LE I N SACHSEN

2 / 2013

Lehrer auf Probe Ein Tag im Leben eines Referendars

SCHWERPUNKTGute AussichtenÜber das Lehrersein

auf dem Land

2 / 20132

Bei Spritpreisen von 1,60 Euro pro Liter und steigenden Lebens-haltungskosten bleibt immer weniger Geld im Portemonnaie der Studenten. Geht es dann um die Suche nach Schulpraktika, wird der  ländliche Raum vom Lehrernachwuchs eher gemieden. Die Schulen an den Ausbildungsstandorten  in Leipzig und Dresden sind aber durch die semesterbegleitenden Praktika bereits ausge-lastet. »Wir müssen ein Konzept entwickeln, den Markt an Prak-tikums- und Ausbildungsplätzen in Sachsen komplett zu erfassen und für den Nachwuchs verfügbar zu halten«, ist sich Alexander Biedermann,  Geschäftsführer  vom  Zentrum  für  Lehrerbildung und Schulforschung, sicher. Das Portal www.praktikumsportal-sachsen.uni-leipzig.de soll deshalb nun um die Rubrik Gastzim-mer erweitert werden und so den Studenten helfen.

Oft entscheiden sich die Studenten vor allem aus wirtschaftlichen Gründen gegen die ländlichen Orte. »Der Lebensmittelpunkt des Lehrernachwuchses hat  sich während des Studiums nach Leip-zig und Dresden verlagert«, so der Geschäftsführer. Vielen Stu-denten sei es wegen ihres geringen Einkommens nicht möglich, jeden Tag zwischen Wohn- und Arbeitsort zu pendeln oder sich länger  in  Unterkünfte  einzumieten.  Auf  der  Internetseite  des 

Praktikumsportals  werden  nun  neben  den  Angeboten  für  ein Schulpraktikum auch gleich vorhandene Gastzimmer angezeigt. Hat der Student den Platz verbindlich gebucht, bekommt er die Kontaktdaten der Gastgeber. 

»Die Initiative räumt Barrieren aus dem Weg, schafft neue Pers-pektiven und sollte zu einer bleibenden Maßnahme werden«, so Christoph Genzel vom Leipziger Studentenrat. Die Lehramtsstu-dierenden werden dabei auch aus den Reihen der Studenten un-terstützt, um für den Erhalt der Initiative zu sorgen, bekräftigt Genzel.

Das Zentrum für Lehrerbildung sucht nun Gastgeber. Vor allem für  März  und  September,  wenn  das  Blockpraktikum  ansteht. Es  werden  ausschließlich  Gastzimmer  vermittelt,  in  denen  Logis kostenfrei oder sehr günstig ist. Möglich ist fast alles, ob ein Zimmer im Haus der Familie oder Ferienwohnungen. Anfang 2014 sollen erste Gastzimmer vermittelt werden. 

Weitere Infos: www.praktikumsportalsachsen.uni-leipzig.de

B I L D U N G S N E W S

IMPRESSUM Herausgeber: Sächsisches  Staatsministerium  für  Kultus  (SMK),  Referat  Presse-  und  Öffentlichkeitsarbeit,  Carolaplatz  1,  01097  Dresden  | Redaktion: Kornelia Gellner (V. i. S. d. P. ), Telefon: (0351) 564 25 13, E-Mail: [email protected]; Anikó Popella, Peter Stawowy, stawowy media | Mitarbeit in dieser Ausgabe: Beate Diederichs, Julia Oliver-Vollmer, Maria Feldmann, Sebastian Martin | Fotos: André Forner, Anja Jungnickel, Mike Hillebrand, Daniel Scholz, Photo-K -Fotolia.com (S. 2) | Gestaltung: stawowy media | Auflage: 40.000 Exemplare | Druck: Druckerei Vetters GmbH & Co. KG | Verteilerhinweis: Die Informationsschrift wird von der Sächsischen Staatsregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlhelfern zum Zwecke der Wahlwer-bung verwendet werden.

Ab aufs Land – Gastzimmeraktion des Zentrums für Lehrerbildung der Universität Leipzig

QR-Code, um direkt auf die Website zu kommen

2 / 2013 3

Liebe Leserinnen und Leser,

dass in Sachsen Lehrer gebraucht werden, ist kein Geheimnis. Bis  zum  Jahr  2030  werden  75%  der  derzeit  unterrichtenden Lehrer in den Ruhestand gehen. Sachsen steht also vor der Her-ausforderung, diese Lücke zu füllen. Viele der Lehramtsstuden-ten und Referendare sehen sich derweil vor der Entscheidung, ob sie für Praktika oder das Referendariat in eine andere Stadt gehen oder in den ländlichen Raum. Die Entscheidung ist nicht leicht zu fällen. 

Die KLASSE-Redaktion hat sich deshalb fernab vom Stadtlärm ins beschauliche Erzgebirge begeben und nachgehakt, was junge Lehrer beziehungsweise solche, die es werden wollen, dazu be-wegt, sich in den ländlichen Regionen Sachsens niederzulassen. Welche Vorteile das Unterrichten auf dem Land für sie bringt und welche Erlebnisse sie mit dem ländlichen Raum verbinden, können Sie ab Seite 6 nachlesen. 

Doch nicht nur die Referendare stehen vor großen Aufgaben. Auch die Mentoren.  Schließlich  tragen  sie  enorm  zur Ausbil-dung  des  Nachwuchses  bei.  Als  Begleiter  und  Berater  ist  es ihre  Aufgabe,  den  zukünftigen  Lehrern  ein  Feedback  über ihre Lehrtätigkeit zu geben und mit Tipps und Erfahrung die Unterrichtsplanung  und  -durchführung  ihrer  Schützlinge  zu verbessern.  Eine  verantwortungsvolle  Aufgabe,  die  nicht  nur Know-how, sondern auch Zeit erfordert. Wir haben mit einer Mentorin gesprochen, die uns erzählt, wie sie zu ihrer Mento-rinnentätigkeit gekommen ist, welchen Herausforderungen sie sich stellen muss und was ihr diese Tätigkeit bringt (S. 5). 

Viel Vergnügen beim Lesen der aktuellen KLASSE Ausgabe,

Ihre  -Redaktion

E D I T O R I A L / I N H A LT

Bildungsnews: Projekte und Meldungen – Seite 2

Meldungen aus dem Ministerium – Seite 4

Referendare bringen neue Impulse. Eine sächsische Mentorin erzählt – Seite 5

Unterrichten, wo andere Urlaub machen. Warum es junge Lehrer aufs Land zieht – Seite 6

Ein Tag in Bildern. Tony Ali, Referendar am BSZ Ernährung Chemnitz – Seite 10

Aus Studentensicht. Warum ich Lehramt studieren wollte – Seite 11

Sprachliche Bildung in der Schule. Über die Situation an sächsischen Schulen und Möglichkeiten zur Verbesserung – Seite 12

Recht und Ordnung. Neuerungen in der Studienorganisation – Seite 14

Mein Lehrer. Im Gespräch mit einem angehenden Lehrer über seine Erfahrungen in der Schule und darüber was er anders machen will – Seite 15

Inhalt

»10

»06

2 / 20134

Rentner helfen Kindern

Dass Oma und Opa immer einen guten Ratschlag zur Hand ha-ben, ist wohl unumstritten. Die Seniorpartner in School Sachsen e.V. machen sich jetzt diese Fähigkeit zu eigen, indem sie Kom-petenzen bündeln. Seniorpartner in School bringen Kindern und »Großeltern in Spe« zusammen. Kinder können Zeit mit älteren Menschen verbringen und mit  ihnen ihre Sorgen und Wünsche teilen und Senioren können  ihre Erfahrungen kindgerecht wei-tergeben. Dabei werden sie zu Schulmediatoren ausgebildet, um kompetent  und  zielgerichtet  auf  die  Probleme  der  Kinder  ein-gehen zu können. Eingesetzt werden diese Mediatoren dann  in Schulen.  Damit  tra-gen  die  Senioren nicht  nur  zu  einem besseren  Schulklima bei,  sondern  auch zu  einer  zivilisierten Konfliktkultur. 

Generationswechsel in Lehrer-

zimmern beginnt Sachsens  Kultusministerium  kann  zum  kommenden  Schuljahr 510 unbefristete  Stellen  für Lehrkräfte neu besetzen. Darüber hinaus  werden  83  Stellen  entfristet  und  250  befristete  Stellen neu besetzt. Bereits im Februar zur Schuljahresmitte waren 101 Stellen  vorrangig  mit  Absolventen  des  einjährigen  Vorberei-tungsdienstes  besetzt  worden.  »Mit  den  Einstellungen  werden alle  Spielräume  des  Stellenplans  zum  kommenden  Schuljah-resbeginn voll  ausgeschöpft. Damit knüpfen wir an die hohen Einstellungen des vergangenen Schuljahres an«,  sagte die Kul-tusministerin.  Die  Neueinstellungen  sind  zum  größeren  Teil  Ersatzeinstellungen  für  ausgeschiedene  Lehrer.  Aber  es  gibt auch ein Stellenplus. Dadurch steigt die Zahl der Lehrerstellen zum neuen Schuljahr von 27.231 auf 27.488. 

4

M E L D U N G E N

Sommerakademie 2013: Lernkultur statt Wissenskult

Im Mittelpunkt der diesjährigen Sommerakademie vom 15. bis 17. Juli 2013 steht die Frage, welche Anforderungen die Wissens- und Informationsgesellschaft an Schule heute stellt und wie ein kompetenter Umgang mit Wissen entwickelt werden kann. In Vorträ-gen, Foren und Workshops setzen sich die Teilnehmer mit diesen Themen auseinander. Anhand praktischer Beispiele aus verschiedenen Fächern, Schularten und Erfahrungs-bereichen lernen die Teilnehmenden unterschiedliche Formen des aktiven Umgangs mit Wissen kennen.

Wer Fragen zum Lehrerberuf in Sachsen hat, kann sich jetzt an eine  Beratungshotline  wenden.  »Mit  der  Hotline  schaffen  wir ein neues Serviceangebot für alle am Lehrerberuf interessierten Schüler, Studierenden und Bewerber. Die persönlichen Interes-senslagen sind meist so individuell, dass Hilfe und Beratung nur in  einem  direkten  Telefongespräch  zufriedenstellend  geleistet werden können. Wir wollen nicht nur zielgerichtet informieren, sondern auch helfen, die richtigen Entscheidungen zu  treffen«, beschreibt Béla Bélafi, Direktor der Sächsischen Bildungsagen-tur, die Intention seiner Behörde.

Die  Experten  der  SBA  sind  dienstags  von  15  bis  17  Uhr  und donnerstags  von  10  bis  12  Uhr  unter  der  Telefonnummer  0800 - 000 44 97 erreichbar. Das Serviceangebot ist kostenfrei. Alle Anfragen werden vertraulich behandelt.

Beratungshotline für Lehrerberuf

Sie können kostenlos abonnieren. Dazu genügt eine E-Mail mit Angabe Ihrer Adresse an [email protected]. Ansprechpartner für Ihre Hinweise, Meinungen und Themenvorschläge für die kommenden Ausgaben der ist das Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden, Telefon: (0351) 564 25 11, E-Mail: [email protected] (kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte Dokumente).

0800 - 000 44 97

Weitere Informationen:

www.sbi.smk.sachsen.de

/

download/download_sb

i/

flyer_soma_2013.pdf

Weitere Informationen:

www.sis-sachsen.de

Gute Nachricht für viele Grundschullehrerinnen

Ab 1. August 2013 können alle Lehrkräfte mit vollständiger Ausbildung als »Lehrer unterer Klassen« nach DDR-Recht gemäß Entgelt-gruppe 11 bezahlt werden. Das betrifft rund 1.400 sächsische Lehrerinnen und ist ein Ergebnis der Haushaltdiskussion im Sächsischen Landtag Ende letzten Jahres. Bisher gehörten viele Grundschullehrkräfte zur Entgeltgruppe 10. Sie werden im neuen Schuljahr ebenso viel verdienen wie ihre tarifbeschäftigten Kollegen in den Grundschulen der anderen Bundesländer.

2 / 2013 5

Bereits  als  kleines  Mädchen  im  Alter  von fünf  Jahren  wollte  ich  Lehrerin  werden. Ich  bin  in  einem  Pädagogenhaushalt  auf-gewachsen, meine Oma ist Erzieherin, bei-de Eltern  Pädagogen,  so  stand  der Berufs- wunsch schon lange fest. Nur einmal nach dem Abitur überlegte ich kurz, ob ich nicht doch  Rechtswissenschaft  studieren  sollte, blieb dann aber dem Lehrerberuf treu. Nach meinem  Referendariat  in  Brand-Erbisdorf bin ich seit 2005 Lehrerin am Gymnasium Olbernhau  für  Geschichte  und  Gemein-schaftskunde,  Rechtserziehung  und  Wirt-schaft. So ist doch etwas von der Juristerei hängengeblieben. Neben meiner Lehrtätig-keit arbeite ich als Oberstufenberaterin und Vertrauenslehrerin.  Ein  volles  Programm also.

Seit dem letzten Jahr bin ich nun das erste Mal  als  Mentorin  für  einen  »einjährigen« 

Referendar verantwortlich. Bis dahin hatte ich schon einige Referendare im Fach GRW betreut. Ich lerne die jungen Absolventen als unheimlich  motiviert  und  mit  viel  Freude am Lehren und Lernen kennen. 

Vor allem Praxiserfahrung wollen die jungen Referendare sammeln, sie wollen endlich als Lehrer vor der Klasse stehen und ihren Be-ruf ausüben. Die neue Generation der Refe-rendare,  »die  einjährigen  Referendare«  er-

werben aber im Studium schon mehr Praxis, als dies früher der Fall war. 

Der Austausch mit den Referendaren bringt mir  tolle neue  Impulse.  Ich verliere  so den Anschluss an neue Methoden nicht und es entstehen spannende Diskussionen. Oft sit-ze  ich mit meinen  jungen Kollegen zusam-men und wir sprechen über neue Ansätze in der Pädagogik und der Unterrichtsorganisa-tion. So bleibt mein Blick weit geöffnet und es schleift sich keine Routine ein.

Als  schwierig  empfinde  ich  manchmal  die Organisation  und  Vernetzung  mit  meinen Schützlingen. Ich habe, wie andere Kollegen auch,  immer  mehr  mit  außerunterricht-lichen  Sachen  zu  tun  und  so  fehlt  manch-mal die Zeit für eine tägliche Betreuung. Da die Referendare mit einjähriger Ausbildung mitten  im  Schuljahr  an  die  Schulen  kom-

men,  ist  es  mitunter  schwierig, die  Stundenpläne  zu  koordinie-ren.  Der  Stundenplan  des  Men-tors  steht  schon  seit  Beginn  des Schuljahres fest. Die Absolventen finden niemals den idealen Men-tor  mit  dem  optimalen  ausge-glichenen Stundenplan zwischen Sekundarstufe 1 und 2.

Für  die  Zukunft  wünsche  ich  mir  interes-sante  neue  Impulse  von  unserem  Lehrer-nachwuchs.  Das  tut  unserem  gestandenen Lehrerkollegen und vor allem den Schülern gut.  So bleibe  ich mit  ihnen  jung und ver-passe keine neue Entwicklung. Hoffentlich wollen  weiterhin  viele  junge  Menschen  in Sachsen  Lehrer  werden.  Vielleicht  auch schon seit sie ein kleines Mädchen oder ein kleiner Junge waren.

B E R I C H T

»Referendare bringen neue Impulse« Manuela Kunath erzählt von ihren Aufgaben als Mentorin,

den Schwierigkeiten in der Stundenplanabstimmung und

ihren Wünschen für die Zukunft.

PROTOKOLL: JULIA OLIVER-VOLLMER,  - REDAKTION

»DEN IDEALEN MENTOR MIT PERFEKTEM STUNDEN-PLAN GIBT ES NICHT.«

Um Lehrer in ihrem Vorhaben, Men-tor zu werden, zu unterstützen, bie-tet  das  Sächsische  Bildungsinstitut im Auftrag des Sächsischen Staats-ministeriums  für  Kultus  ein  im  Jahr 2010 entwickeltes und seitdem wei-terentwickeltes  Fortbildungskonzept für potentielle Mentoren an. Das Fortbildungskonzept sieht folgende Angebote vor:

Bereich  I: Mentor/Mentorin sein  in der LehrerausbildungBereich II: Beratung und BegleitungBereich III: UnterrichtsbeobachtungBereich  IV:  Fachdidaktische  Ange-boteBereich V: Ergänzende Angebote

Im Bereich I werden die Teilnehmer für ihre Aufgaben in der Begleitung, Betreuung, Beurteilung und Innova-tion sensibilisiert.  In den Bereichen II  und  III  erfolgt eine Vertiefung zu den  Themen  »Beratung  und  Be-gleitung«  sowie  »Unterrichtsbeob-achtung«.  Fach-  und  berufsfeld-didaktische Angebote des Bereichs IV  ermöglichen  die  Kompetenzer-weiterung  hinsichtlich  fachwissen-schaftlicher  bzw.  fachdidaktischer Aspekte. Hinzu kommen ergänzen-de Angebote zu ausgewählten pä-dagogischen oder psychologischen Themen im Bereich V.

Fortbildung zur Begleitung der Mentorentätigkeit

Manuela Kunath, Mentorin am Gymnasium Olbernau

2 / 20136

R E P O R TA G E

Unterrichten, wo andere Urlaub machenDie Lehramtsanwärterin Isabel Müller hat es nach ihrem Studium zurück ins

Erzgebirge verschlagen. Neben der reizenden Landschaft gibt es für sie noch mehr

Gründe, warum sie nach ihrem Referendariat bleiben will.

VON SEBASTIAN MARTIN,   - REDAKTION

Für manch einen Lehramtsstudenten wäre der Brief  eine mitt-lere Katastrophe gewesen, für Isabel Müller hätte dessen Inhalt kaum besser sein können. Quasi ein Sechser im Lotto, sagt die junge Frau und streicht sich mit der rechten Hand eine blonde Strähne  aus  dem  Gesicht.  Sie  könne  ihr  Referendariat  an  der Grundschule  in Auerhammer absolvieren,  teilte  ihr die Sächsi-sche Bildungsagentur im Sommer 2011 mit. Eine Stelle in ihrer Wunschregion. Sie stammt aus Aue und wollte wegen ihrer Fami- lie und Freunden nach dem Studium in Halle unbedingt wieder zurück. »Und ich habe die Entscheidung nicht bereut«, sagt sie.Die heute 24-Jährige sitzt im Lehrerzimmer der Grundschule in 

Auerhammer und beginnt zu erklären, warum sie in einer länd-lichen Region wie dem Erzgebirge ihr berufliches Glück gefun-den hat.  Ihr heutiger Unterrichtstag sei eigentlich das perfekte Beispiel.  Den  ganzen  Vormittag  war  sie  mit  den  Erstklässlern draußen, um mit ihnen zu lesen und später noch die Natur zu entdecken. Weit laufen musste sie mit den Schülern nicht. Rings um den gelben Dreigeschosser am Stadtrand von Aue blüht und grünt es reichlich. Die Vögel zwitschern. Ein paar Meter weiter gibt es zudem einen Flussgraben, an dem sich zum Beispiel das Thema Wasser anschaulich behandeln lässt. Man könnte sagen: die Gegend ist ein grünes Klassenzimmer im Großformat. 

Das Referendariat in der Wunschregion Erzgebirge: »Ich habe die Entscheidung nicht bereut«, sagt Isabel Müller.

2 / 2013 7

Schon allein wegen der naturnahen Umgebung und den vielen Lernmöglichkeiten im Freien unterrichte sie gern an der Grund-schule  in  Auerhammer,  sagt  Isabel  Müller  schließlich.  Außer-dem sei die Ausstattung perfekt, die Klassen klein, der sprach-integrative Ansatz der Schule interessant und die Kollegen sehr nett. Auch abends könne  sie  ihre Mentorin anrufen, wenn  sie eine Frage für die Unterrichtsvorbereitung hat, erklärt die Lehr-amtsanwärterin. Alles in allem ein Volltreffer eben.

Optimal, günstig und schön

Optimale Verhältnisse sind  laut dem Sächsischen Kultusminis-terium auf dem Land alles andere als selten. »Wir haben insbe-sondere unter den kleinen und mittleren Kommunen viele sehr engagierte Schulträger, die beste Bedingungen für Schüler und Lehrer an ihren Schulen geschaffen haben«, sagt Staatsministe-rin Brunhild Kurth. »Neuankömmlinge können zudem schnell Kinderbetreuungsplätze  und  Wohnraum  in  einem  günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis finden.« 

Das ist auch in Aue so, einer Stadt mit rund 17.000 Einwohnern. Die Kosten für den Lebensunterhalt sind vergleichsweise gering. Dem  inoffiziellen  Mietspiegel  der  Wohnungsinfobörse  GmbH zufolge liegt der aktuelle Quadratmeterpreis für eine Zweiraum-wohnung  bei  4,53  Euro.  Sachsenweit  kostet  er  5,75  Euro,  im Bundesdurchschnitt 8,46 Euro. Aues Oberbürgermeister Hein-rich Kohl verweist zudem auf die schöne Umgebung. »Wir leben dort, wo andere Urlaub machen«, sagt er. 

Die Landschaft war neben der Familie und den Freunden auch für Isabel Müller ein Grund, warum sie nach dem Studium zu-rück  nach  Aue  ging.  Sie  schwärmt  vom  Erzgebirge.  Von  den Wäldern  zum  Wandern,  Mountainbiken  und  Skifahren.  Von Schneeberg mit seinen vielen engen Gassen und dem Schloss so-wie  dem  Weihnachtsmarkt  im  Dezember.  »Das  Erzgebirge  ist zur Weihnachtszeit einfach traumhaft durch die vielen Lichter.« Davon habe sie auch ihren Kommilitonen in Halle erzählt, sagt sie und lässt ihren Blick aus dem Fenster auf die hügelige Land-schaft in Auerhammer schweifen. 

Viele Studierende wissen gar nicht, was die ländlichen Regionen alles zu bieten haben. »Deshalb ist es uns wichtig, dass Lehramts-studierende  im  Rahmen  von  Praktika  oder  auch  Exkursionen  

die Möglichkeit haben, die verschiedenen Re-gionen Sachsens und ihre Schulen kennenzulernen«, sagt Staats-ministerin Brunhild Kurth. »Hier setzt die Praktikumsbörse und die Gastzimmerinitiative der Universität Leipzig an. Außerdem suchen wir die Zusammenarbeit mit den Landkreisen.« 

Angeschlossen an die Welt

Aber  was  ist  mit  Dingen,  die  jungen  Menschen  auch  wichtig sein  könnten?  Theater,  Konzerte,  Kneipen?  Die  Möglichkei-ten  zum  Ausgehen  seien  natürlich  weniger  als  in  einer  Groß-

stadt,  sagt  Isabel  Müller.  Sie  vermisse  schon  die Bars,  Discos  oder  kleinen  Cafés  direkt  vor  der  Tür. Zwar  gibt  es  in  Aue  ein  Kino,  ein  Schwimmbad und  viele  Sportmöglichkeiten.  Wer  aber  zum  Bei-spiel  nach  »Party«  und  »Aue«  googelt,  der  findet auf der ersten Trefferseite eine Oldie-Nacht und eine  Ü-50-Party. Viel mehr nicht. Jetzt müsse sie halt häu-fig ins Auto steigen, wenn sie abends weggehen wolle, 

sagt die Referendarin. Die Welt sei aber von Aue gut erreichbar. 40 Kilometer sind es nach Chemnitz. Eine gute Stunde braucht man nach Dresden oder Leipzig – in die sächsischen Städte, in die es die meisten jungen Lehrer zieht. 

Die Leiterin der Grundschule in Auerhammer weiß, wie schwie-rig es ist,  junge Leute auf s Land zu locken. Wer nicht aus der Region  stammt,  wird  sich  kaum  eine  Zukunft  im  Erzgebirge aufbauen, sagt  Ingrid Süß – eine erfahrene Pädagogin mit viel Herzblut für ihren Beruf. Immer wieder beugt sie sich nach vorn und  gestikuliert  mit  den  Händen,  wenn  sie  von  ihren  Erfah-rungen als Schulleiterin erzählt. Auch bei der Geschichte über Isabell Müllers Vorgängerin. Die damalige Lehramtsanwärterin kam aus Thüringen. Schon während des Referendariats sei für sie aber klar gewesen, dass sie anschließend nicht im Erzgebirge bleiben wird, sagt Ingrid Süß. Heute lebe sie in Bayern.

Dabei braucht Sachsen dringend Nachwuchs in den Lehrerzim-mern. Bis zum Jahr 2020 werden mehr als 8.000 der gut 30.000 sächsischen Lehrer in den Ruhestand gehen, bis 2030 sogar 75  Prozent. Eine gewaltige Aufgabe für den Freistaat. »Als Staatsre-gierung haben wir den Anspruch, dass für die Schülerinnen und Schüler in Sachsen flächendeckende und in allen Schularten und

R E P O R TA G E

Mitten im Grünen: Die Grundschule in Auerhammer im Herzen des Erzgebirges. 

»HIER GIBT ES UNZÄHLIGE LERNMÖGLICHKEITEN IM FREIEN.« ISABEL MÜLLER, REFERENDARIN AN DER GRUNDSCHULE AUERHAMMER

2 / 20138

Fächern hochwertige Bildungsangebote zur Ver-fügung  stehen«,  sagt  Kultusministerin  Brunhild  Kurth.  »Das heißt, wir werden  in den nächsten  Jahren nicht nur Gymnasi-allehrer für Dresden und Leipzig benötigen, sondern vor allem Grundschullehrer,  Mittelschullehrer  und  Sonderpädagogen. Und dies insbesondere jenseits der Großstädte: beispielsweise in Löbau, Eilenburg und Aue.« 

Gute Jobchancen

Um dem drohenden Lehrermangel zu begegnen und Nachwuchs zu gewinnen, hat der Freistaat die Initiative »Lehrer werden in Sachsen« gestartet. Landesweit wurden die Kapazitäten für An-fänger  eines  Lehramtsstudiums  um  700  auf  1.700  erhöht.  Ab Herbst werden auch an der TU Chemnitz wieder Grundschulleh-rer ausgebildet. Aus Sicht von Ingrid Süß von der Grundschule in Auerhammer ist das eine große Chance für die Region. Denn dadurch könnten Lehramtsstudenten aus Westsachsen besser in der  Umgebung  gehalten  werden,  sagt  die  60-Jährige.  Sie  setzt vor allem auf einheimischen Nachwuchs, der sie und ihre Kol-legen eines Tages im Lehrerzimmer beerben wird. Deshalb hat sich die Grundschule  in Auerhammer dieses  Jahr  auch  an der Woche  der  offenen  Unternehmen  beteiligt.  Einen  Tag  wurden die Räume am Gutsweg 2 präsentiert und für den Lehrerberuf geworben. Ingrid Süß scheint in ihren 40 Dienstjahren eine na-hezu unendlich lange Liste mit Argumenten für eine Karriere im Klassenzimmer  gesammelt  zu haben. Kreativer Beruf,  sicherer Job,  gutes  Gehalt,  geregelte  Arbeitszeiten,  Aufstiegschancen, und, und, und. Aber man müsse für den Beruf geboren sein, sagt sie mit fester Stimme. Wichtig sei das Herz für Kinder, denn nur mit  dem  könne  man  die  Schüler  erfolgreich  begleiten  und  auf einen positiven Lebensweg schicken. 

Ein gutes Gefühl im Umgang mit Kindern hat auch Isabel Mül-ler, die junge Referendarin, die nach dem Studium zurück in die Heimat wollte und sich im Erzgebirge wohlfühlt. Wer sie beim Unterrichten  in der Grundschule Auerhammer beobachtet, der merkt schnell, dass sie mit ihrer aufgeschlossen Art ihre Schüler problemlos begeistern kann. Mit den Erstklässlern ist sie inzwi-schen noch einmal rausgegangen. Denn die Sonne scheint nach wie vor und an der frischen Luft lassen sich die Kinder immer besonders gut motivieren, sagt sie. Im Schulgarten werden jetzt 

Zwiebeln  gesteckt. Nebenbei  lässt  die Lehramtsanwärterin  je-den Abc-Schützen regelmäßig etwas zählen, damit auch Mathe nicht zu kurz kommt. Sie mache ihren Job super und sei für alle eine große Bereicherung, lobt Schulleiterin Ingrid Süß. Nicht nur für die Kinder. Denn auch die älteren Kollegen würden vom fri-schen  Wind  profitieren,  den  junge  Menschen  mitbringen.  Auf der anderen Seite profitieren sie von der pädagogischen Erfah-rung. »Die Mischung macht’s«, sagt Ingrid Süß. 

Nach  ihrem Referendariat wird Isabel Müller allerdings kaum an  der  Grundschule  in  Auerhammer  bleiben  können  –  auch, wenn  sie  gern  würde.  Der  Bedarf  fehlt  derzeit.  Im  nächsten Schuljahr wird es eine Klasse weniger geben und niemand der neun Lehrer wird in den Ruhestand gehen. Die beiden ältesten Kollegen sind 60, fünf zwischen 40 und 59. Die Jüngste im Team ist Jutta Döhler. Sie ist seit drei Jahren im Dienst. 

Auch  die  30-Jährige  hat  sich  nach  dem  Studium  bewusst  für das Erzgebirge entschieden. Ihre Wurzeln liegen im Zwickauer Land, eine halbe Stunde von Aue entfernt, sagt sie. Das tägliche Pendeln stört Jutta Döhler nicht. Im Gegenteil. Auf dem Heim-weg könne sie im Auto sehr gut abschalten, erklärt sie. Außer-dem habe sie sich in den vergangenen Jahren gut an das Pendeln gewöhnt. Schon als Referendarin war sie täglich unterwegs. In Schwarzenberg  hat  sie  nach  dem  ersten  Staatsexamen  ihr  pä-dagogisches  Handwerk  gelernt.  Zuvor  hatte  sie  zwei  Praktika in Dresden absolviert, wo sie studierte. Das seien auch schöne Schulen gewesen, erinnert sich Jutta Döhler. 

Entspannte, freundliche Leute

Die  sächsische  Landeshauptstadt  vermisst  sie  bis  heute.  Alle drei,  vier Wochen  fährt  sie  an die Elbe,  um Freunde  zu besu-chen. Aber zurückziehen wird sie nicht. Jutta Döhler sieht ihre Zukunft im Erzgebirge. Schon allein wegen der Menschen. Das Arbeitsklima  sei  klasse.  Jeder  helfe  jedem,  sagt  sie.  Und  auch auf der Straße seien die Menschen gelassener. Das bestätigt auch Lehramtsanwärterin  Isabell  Müller.  »In  Halle  waren  viele  ir-gendwie  ruppig«,  erinnert  sie  sich  an  ihre  Studienzeit.  In  Aue gehe es dagegen freundlicher, fast familiär zu. Deshalb hofft sie nun noch einmal auf einen Volltreffer. In ihrer Bewerbung für eine Stelle als Lehrer ab dem nächsten Schuljahr hat sie wieder die Region Aue-Schwarzenberg angegeben. Die Chancen stehen gut.

R E P O R TA G E

 Ingrid Süß, Jutta Döhler und I

sabel Müller (v.l.n.r.) 

im Gespräch mit KLASSE Reda

kteur Sebastian Martin.

2 / 2013 9

R E P O R TA G E

»ICH SEHE MEINE ZUKUNFT IM ERZGEBIRGE. ALLEIN WEGEN DER MENSCHEN.« JUTTA DÖHLER, LEHRERIN AN DER GRUNDSCHULE IN AUERHAMMER

2 / 201310

E I N TA G I N B I L D E R N

Im  Lehrerzimmer  hat  Tony  seinen  eigenen Arbeitsplatz.  An  seinem  Schreibtisch  geht er  noch  einmal  den  anstehenden  Unterricht durch. Oft  aber  korrigiert  er  dort  auch  Klas-senarbeiten oder fertigt Präsentationen an. 

In  der  schuleigenen  Lehrküche  lässt  sich  der junge Referendar neueste Kreationen zeigen. Kochlehrling Lukas Sander ist bereits am Ende des dritten Lehrjahres. Er bereitet sich auf seine Abschlussprüfung vor. 

Mit Mentorin Katrin Schardt bespricht Tony Ali das Konzept  seines Unterrichts. Vor allem  im ersten Referendariatsjahr  ist die Mentorin die wichtigste Ansprechpartnerin bei allen Fragen und Problemen im Schulalltag. 

Zwischen Tafel und Küche

Apfelkuchen!  Und  Plinsen  mit  Schoko-ladensoße!  Der  Geburtstagswunsch  des 6-jährigen  Mädchens  ist  der  Auftakt  zu Tony  Alis  heutigem  Konzeptunterricht. Seine Klasse angehender Köche darf nun das Konzept für das Catering erstellen.Seit  2012  ist  Ali  Referendar  am  Berufs-schulzentrum für Ernährung, Gastgewer-be und Gesundheit in Chemnitz. Studiert hat  er  Lebensmittel-,  Ernährungs-  und Hauswirtschaftswissenschaft  auf  Lehr-amt in Dresden. Dienstags und donners-tags ist Tony Ali am BSZ für Ernährung, montags  und  mittwochs  am  BSZ  für Technik 2. Dort unterrichtet er angehen-de  Fachkräfte  für  Abwassertechnik  in Fächern wie »Klärschlamm-Behandlung« und  »Erstellen  eines  Umweltkonzeptes«. Freitags kann der 28-Jährige  in Dresden bleiben – um im Seminar selbst Pädago-gik,  Didaktik  und  Schulrecht  zu  lernen. Im August  beginnt  sein  zweites  Jahr  als Referendar. Die  Erlaubnis,  allein  zu  un-terrichten, hat er allerdings schon in der Tasche. 

Jeden Dienstag und Donnerstag un-

terrichtet Lehramtsstudent Tony Ali

unter anderem angehende Köche

am BSZ für Ernährung in Chemnitz.

KLASSE hat den jungen Referendar

einen Tag lang begleitet.

2 / 2013 11

AU S S T U D E N T E N S I C H T

Rundumpaket: Das Studium Sonderpädagogik Die Zukunftsaussichten im Beruf der Sonderpädagogik

sind vielversprechend. Marsha Richarz studiert Son-

derpädagogik in Leipzig. KLASSE hat sich mit ihr ge-

troffen und sie nach ihren Motiven, Zielen und Wün-

schen gefragt.

VON MARIA FELDMANN,  - REDAKTION

Immer wieder muss Marsha Richarz  (21) an die geistig behin-derten Mädchen denken, die sie in Indien kennenlernte. Sie hos-pitierte dort an einer Sonderschule für »mentally challenged stu-dents«  –  also  geistig  behinderte  Schüler.  Gemeinsam  mit  einer anderen Praktikantin unterrichtete sie die Zehnjährigen in Ma-thematik. »Am Ende der Woche konnten einige der Mädchen tat-sächlich subtrahieren«, erinnert sich Marsha Richarz. »Ich war beeindruckt davon, was diese Kinder alles leisten konnten.« Der sechsmonatige Aufenthalt  in  Indien hinterließ  tiefe  Spuren.  Sie hatte gerade erst ihr Abitur beendet und wollte im Ausland eine kurze Auszeit nehmen. Sich sammeln. Überlegen, wie ihr Leben nach der Schule weitergehen sollte. »In Indien wurde mir schnell klar, dass die Arbeit an einer Sonderschule genau das Richtige für  mich  ist«,  sagt  sie.  Als  sie  aus  Indien  zurückkam,  bewarb sie sich an der Universität Leipzig für den Lehramtsstudiengang Sonderpädagogik – und wurde angenommen. 

Inzwischen  studiert  Marsha  Richarz  im  zweiten  Semester.  Sie wählte die Förderschwerpunkte emotionale, soziale und geistige Entwicklung und Deutsch. »Neben der didaktischen Ausbildung haben wir Vorlesungen und Seminare in Soziologie und Psycho-logie. Dort lernen wir, warum die Kinder so sind, wie sie sind. Das  Studium  ist  wie  ein  Rundumpaket«,  schwärmt  sie.  Wäh-rend des fünfjährigen Studiums wird Marsha Richarz noch drei Praktika an Sonderschulen absolvieren. Doch schon jetzt hat sie oft Umgang mit geistig behinderten Menschen. Einmal im Jahr begleitet  sie  für  einen  Reiseveranstalter  Erwachsene  mit  Lern-schwierigkeiten. Nicht  immer  gab  es  solche  Reiseveranstaltungen  oder  Sonder-schulen,  für die Marsha Richarz  jetzt zur Lehrerin ausgebildet 

wird. Im Nationalsozialismus wurden im Zuge des »Euthanasie-programms« behinderte Menschen in Heimen und Krankenhäu-sern zu Versuchsobjekten degradiert und zwangssterilisiert.  Im Nachkriegsdeutschland wurden Ärzte  zwar  aufgrund des »Eu-thanasieprogramms« verurteilt, die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte« (1948) schloss behinderte Menschen dennoch nicht  ein. Erst 1990 wurden Kinder mit Behinderungen  in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen berücksichtigt. 1994 wurde das Verbot der Benachteiligung von Menschen auf-grund von Behinderung  im Grundgesetz verankert.  In Sachsen besuchen Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf entweder eine Regelschule und werden dort entsprechend  ihrer Möglichkeiten individuell gefördert oder aber sie besuchen eine allgemeinbildende  Förderschule.  Entscheidend  ist,  wo  sie  sich am besten entwickeln und den höchstmöglichen Schulabschluss erreichen können. Deshalb gibt es für Sonderpädagoginnen wie Marsha Richarz viele verschiedene Einsatzmöglichkeiten.

»In Indien sah ich, wie viel geistig behinderte Menschen lernen können, wenn man ihnen nur die Möglichkeit dazu gibt«, sagt Marsha Richarz. »Der Gedanke, dass Behinderte früher in Psy-chiatrien gesperrt wurden, macht mich traurig und wütend zu-gleich.« Auf dem Stellenmarkt zeichnet sich ab, dass sie eventuell nicht  in  ihrem Fachbereich Deutsch unterrichten können wird. »Vielleicht  werde  ich  auch  für  Biologie  eingesetzt.  Das  spielt für mich aber  eine untergeordnete Rolle«,  so Marsha Richarz. »Wichtig  ist  für mich, den Kindern einen guten Start zu geben und sie bestmöglich auf das Leben nach der Schulzeit vorberei-ten.«

Marsha Richarz, Lehramtsanwärterin für Sonderpädagogik

»IM  STUDIUM  HABEN  WIR  AUCH  SOZIOLOGIE UND PSYCHOLOGIE UND  LERNEN, WARUM DIE KINDER SIND, WIE SIE SIND.«

2 / 201312

B E R I C H T

Bildungssprache als Schlüssel zum Schulerfolg Sprache ist in der heutigen Wissensgesellschaft sehr wichtig. Doch zu viele Kinder und Jugendliche

haben sprachliche Defizite oder schöpfen ihr sprachliches Potential nicht genug aus. Sprachförderung

ist deshalb sinnvoll, um den Heranwachsenden zu helfen, sich in jeder Situation angemessen und

nuancenreich auszudrücken oder ihre Mehrsprachigkeit stärker zu nutzen.

VON BEATE DIEDERICHS,  - REDAKTION

Wenn  Antonia  die  Schule  nach  dem  Abitur  verlässt,  wird  sie nach ein paar Tagen Durchatmen die Koffer packen, um wäh-rend der Sommermonate ein Praktikum in einem internationa-len Kindergarten  in Paris  zu  absolvieren.  Im Oktober beginnt sie, Französisch und Englisch auf Lehramt zu studieren. Antonia hat sich bereits  informiert und weiß, dass die Universität Plät-ze  für  den ERASMUS-Studentenaustausch  anbietet.  Sie  plant, sich für ein Semester in Kanada zu bewerben, weil sie dort bei-de Fremdsprachen vertiefen kann. An welcher Schule sie später eingesetzt wird, weiß sie natürlich noch nicht. Doch  ihr Vater lehrt an einem beruflichen Gymnasium, das eine Partnerschule im  indischen  Mumbai  hat.  Als  eine  Gruppe  indischer  Schüler zu Gast in ihrer Heimatstadt war, hat Antonia Jamal kennenge-lernt. Seitdem skypen sie regelmäßig. Noch ist Jamals Englisch besser als ihres, doch das soll sich bald ändern. 

Antonia gibt es eigentlich nicht. Oder doch? Unsere gegenwär-tige  Welt  kennt  viele  Antonias,  junge  Menschen,  die  in  einer internationalen Umgebung aufwachsen und sich darin so selbst-

verständlich bewegen, wie es vor zwei, drei Generationen für die Masse  der  Menschen  noch  undenkbar  war.  »Unsere  moderne Welt, das Arbeiten in internationalen Teams und die weltweiten privaten Kontakte erfordern eine bewusste Entwicklung sprach-

licher Fähigkeiten«, sagt Gabriele Weber aus dem Referat Inter-nationale  Angelegenheiten,  Sprachenförderung  und  Migration im Sächsischen Staatsministerium für Kultus (SMK). »Wir müs-sen  jedoch über die bloße Förderung hinausgehen, die oft nur punktuell  Schwächen  beheben  kann«,  betont  Gabriele  Weber. Notwendig ist, dass ein Konzept sprachlicher Bildung umgesetzt wird, das im frühen Kindesalter beginnt und die Mädchen und Jungen  idealerweise  begleitet,  bis  ihre  schulische  Ausbildung endet. So sollen Sprachdefizite gar nicht erst entstehen und die Schüler ein Sprachniveau erreichen, mit dem sie anspruchsvolle Aufgabenstellungen und Texte verstehen. »Sachsen ist dabei auf einem guten Weg«, sagt Gabriele Weber. 

Diesem hohen Anspruch muss nicht jeder gerecht werden. Doch auch  bei  einfacheren  beruflichen  Tätigkeiten  brauchen  die  Bewerber heute mehr sprachliche Flexibilität als früher. Aber oft klagen Unternehmen, dass die sprachliche Bildung der Jugend-lichen nicht ausreiche, sie sich schlecht in Rechtschreibung und Grammatik  auskennen  und  einen  geringen  Wortschatz  haben. 

Parallel dazu erreichen Schüler mit Mig-rationshintergrund immer noch einen ge-ringeren Bildungserfolg als Schüler ohne Migrationshintergrund.  Anspruch  und Realität klaffen also auseinander. 

Die  Zahl  der  Kinder  und  Jugendlichen mit sprachlichen Defiziten steigt. »Kinder 

lernen vom zweiten bis zum sechsten Lebensjahr mehrere  tau-send Wörter hinzu. Bei dieser erstaunlichen Leistung passieren natürlich Fehler im Lernprozess, die anfangs wichtig und rich-tig sind, später allerdings auch zu Problemen führen können«, 

»KINDER LERNEN BIS ZUM SECHSTEN LEBENSJAHR MEHR ALS TAUSEND WÖRTER.« JEANNETTE MÄTZOLD, PSYCHOLOGISCHE PSYCHOTHERAPEUTIN

2 / 2013 133

B E R I C H T

erläutert Jeannette Mätzold, psychologische Psychotherapeutin und Leiterin des  InVivo-Instituts Dresden. »Wenn Kinder und Jugendliche  keine  Gelegenheiten  haben,  sich  mit  der  eigenen Sprache  auseinanderzusetzen,  sie  zu  nutzen,  können  dadurch eingespeicherte  Sprachauffälligkeiten  entstehen.  Das  passiert, wenn sie wenig angesprochen werden, es wenig Austausch gibt und sie selten anderen beim Sprechen zuhören können.« Solche Kinder und Jugendliche erreichen dann auch nicht das Niveau einer Bildungssprache, mit der sie anspruchsvolle Aufgabenstel-lungen oder Fachtexte verstehen, wofür die Alltagssprache nicht genügt. 

Um  die  sprachliche  Bildung  von  Kindern  und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu ver-bessern,  nahm  Sachsen  von  2005  bis  2009  am Modellprogramm  »FörMig«  teil.  Im  Rahmen eines Transferprogramms kommen die Erkennt-nisse  daraus  nun  der  Sprachbildung  aller  säch-sischen Heranwachsenden zugute. Dazu gehören unter anderem Fortbildungen für Kita-Erzieher, die  ihnen helfen, die Kinder  im Kita-Alltag bei der Sprachent-wicklung zu unterstützen. An einigen Leipziger Kitas geht man noch einen Schritt weiter: Hier wurden mehrere Erzieherinnen mit vietnamesischem Migrationshintergrund eingestellt, um mit den vielen Kindern, deren Herkunftssprache Vietnamesisch ist, diese Sprache  zu üben. »So entlasten  sie  auch die anderen Er-zieherinnen«,  sagt  Gabriele  Weber.  An  Grundschulen,  Mittel-schulen und Gymnasien wird für Kinder mit Migrationshinter-grund Unterricht  in  ihrer Herkunftssprache angeboten. »Denn oft  sprechen  sie  zum  Beispiel  Vietnamesisch  oder  Russisch  zu Hause, schreiben es aber kaum«, erklärt Gabriele Weber. Damit diese Schüler möglichst bildungssprachliches Deutsch erreichen, gibt es in Sachsen das Unterrichtsfach Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Wie gut die Mädchen und Jungen schon Deutsch können, wird  mit  den  »Niveaubeschreibungen  Deutsch  als  Zweitspra-che« erfasst, die ebenfalls bei dem »FörMig«-Modellprogramm entstanden. Dieses Beobachtungsinstrument ist wissenschaftlich geprüft und bewährt sich in der Praxis. Es kann allen Schülern helfen, sich die Bildungssprache anzueignen, und unterstützt so den Erfolg in Schule, Ausbildung oder Studium. 

In  Sachsen  wurden  fünf  Kompetenzzentren  Sprachlicher  Bil-dung  in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Görlitz und Freiberg ge-gründet. Sie sollen Anlaufstellen in puncto Sprachbildung sein. Zu Sprachberatern  geschulte Lehrer und Lehrerinnen arbeiten mit  Kitas  und  Schulen  zum  Thema,  beraten  auch  Eltern.  Die Kompetenzzentren  sind an  fünf Mittelschulen angegliedert.  In den Zentren finden Kurse, Fortbildungen und Beratungen statt. Cornelia Hartig und Uta Reichel von der 101. Mittelschule  in 

Dresden haben die Fortbildung zum Sprachberater von 2011 bis 2012 absolviert und bauen seit einem Jahr das Dresdner Kom-petenzzentrum auf. Uta Reichel  lehrt Englisch, Geografie und Deutsch als Zweitsprache und ist ebenso wie ihre Kollegin einige Stunden  weniger  im  regulären  Unterricht  eingesetzt,  um  ihrer Tätigkeit  als  Sprachberaterin gerecht werden zu können. »Wir arbeiten eng mit den Fachlehrern und Fachberatern für Deutsch als Zweitsprache zusammen und werden die Kooperation später auf die Herkunftssprachlehrer und andere Partner ausweiten«, erzählt Uta Reichel. Das Leipziger Kompetenzzentrum existiert schon  länger.  Auch  in  den  alten  Bundesländern  gibt  es  solche Zentren. 

Aller zwei Jahre trifft bei der Fachtagung des »FörMig«-Trans-ferprogramms in Dresden das geballte Wissen zur sprachlichen Bildung  in  Kita  und  Schule  aufeinander.  Dieses  Jahr  war  der Schwerpunkt »Vom Bilderbuch zur Bildungssprache«. 150 Teil-nehmer  sind  für die Tagung  jeweils  zugelassen, da der Konfe-renzsaal in der Sächsischen Aufbaubank nicht mehr fasst. »Min-destens doppelt so viele würden gern kommen«, weiß Gabriele Weber. Das wichtige Thema Sprachbildung stößt also auf großes Interesse. Gut so.

»VOR ALLEM DURCH SPRACHE KÖNNEN WIR UNS DIE WELT ERSCHLIESSEN.« 

GABRIELE WEBER, SÄCHSISCHES STAATSMINISERIUM FÜR KULTUS

Links zum Thema:

www.foermig.uni-hamburg

.de 

www.schule.sachsen.de/17

52.htm

 www.psychologen-dresde

n.de

2 / 201314

R E C H T U N D O R D N U N G

Mit der Wiedereinführung des Staatsexamens im Jahr 2012 sind jetzt die einzelnen Lehramtsstudiengänge gezielt auf eine spezi-fische Schulart mit ihren unterschiedlichen beruflichen Anforde-rungen zugeschnitten. Durch die Präzisierung der Studieninhalte konnten  die  Regelstudienzeiten  für  die  Lehramtsstudiengänge Grund- und Mittelschule auf 8 bzw. 9 Semester verkürzt werden. Für  die  Lehramtsstudiengänge  Gymnasium,  Sonderpädagogik und Berufsbildende Schulen bleibt es bei einer Regelstudienzeit von 10 Semestern. 

Studieninhalte  sind  regulär  die  Bildungswissenschaften,  beste-hend aus Erziehungswissenschaft und pädagogischer Psycholo-gie,  individuell  zu  wählende  Fächerkombinationen  mit  der  da-zugehörigen  Fachdidaktik  sowie  verschiedene  schulpraktische Studien.  Beim  Lehramt  Sonderpädagogik  sind  zusätzlich  zwei Förderschwerpunkte  zu  wählen.  Abgeschlossen  werden  alle Lehramtsstudiengänge  mit  einer  Staatsprüfung.  Diese  besteht aus  einer  wissenschaftlichen  Arbeit,  mündlichen  Prüfungen  in den  studierten Fächern bzw. den  sonderpädagogischen Förder-schwerpunkten und einer schriftlichen Prüfung in den Bildungs-wissenschaften.  Lehramtsstudiengänge  werden  in  Sachsen  an der Universität Leipzig, der TU Dresden und ab dem kommenden Wintersemester auch an der TU Chemnitz angeboten.  Kennzeichnend  für die  sächsischen Lehramtsstudiengänge  sind die hohen  schulpraktischen Anteile bereits während des  Studi-ums.  Dadurch  können  die  Studierenden  frühzeitig  Erfahrun-gen  an  Schulen  vor  Ort  sammeln.  Der  starke  Praxisbezug  des Studiums  ermöglicht  es,  den  sich  daran  anschließenden  Vor-bereitungsdienst auf ein Jahr zu begrenzen.  In dieser Zeit sind die künftigen Lehrerinnen und Lehrer vier Tage pro Woche an  einer Schule tätig und werden dort von erfahrenen Lehrkräften betreut. Die  theoretische Ausbildung an einem Tag pro Woche findet in einer der Ausbildungsstätten der Sächsischen Bildungs-agentur statt. Dabei stehen bildungswissenschaftliche Inhalte so-wie Didaktik und Methodik mit konkreten praktischen Bezügen zu  den  studierten  Schularten  und  Fächern  im  Mittelpunkt.  In der  Zweiten  Staatsprüfung  zum  Abschluss  des  Vorbereitungs-dienstes  werden  Theorie  und  Praxis  verbunden:  Sie  setzt  sich zusammen aus  Lehrproben,  mündlichen Prüfungen und  einem Gutachten  des  Schulleiters.  Mit  der  Zweiten  Staatsprüfung  

erhalten die Absolventen ihre Lehrbefähigung und können sich für den Schuldienst in Sachsen oder einem anderen Bundesland bewerben.  Zur  gegenseitigen  Anerkennung  der  Lehramtsab-schlüsse haben die Kultusminister der Länder Rahmenvereinba-rungen abgeschlossen. Und wie steht es um den schulart- und fächerspezifischen Bedarf in Sachsen? Es werden vor allem Lehrkräfte an Mittelschulen, Grundschulen  und  Förderschulen  gebraucht.  Nach  Auskunft der sächsischen Bildungsagentur zeichnet sich dabei für die wei-terführenden Schulen folgender längerfristiger Trend in den Fä-chern ab:

Lehrer  für  die  Fächer  Mathematik,  Biologie,  Chemie, Physik  und  Informatik  und  WTH  (Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales) werden im großen Umfang benötigt. 

In  den  beruflichen  Fachrichtungen  werden  durch  die  Berufsbildenden Schulen insbesondere gewerblich-techni-sche Fächer nachgefragt.

Auch für fast alle Sprachen einschließlich Deutsch gibt es Bedarf. (Eine Ausnahme bildet nur Russisch.) 

Ein  deutlicher  Bewerberüberhang  ist  in  den  Fächern  Geschichte,  Gemeinschaftskunde  und  Geografie  zu  ver-zeichnen.  

Am besten können Bewerber, die mindestens ein Fach mit einem hohen Stundenanteil in den Lehrplänen unterrich-ten können, an Schulen vermittelt werden. 

Das Lehramtsstudium wandelt sich Um die Lehrerausbildung besser an die künftigen Anforderungen des Berufes

und den Lehrerbedarf in Sachsen anzupassen, wurden in den letzten Jahren

einige wichtige Neuerungen umgesetzt.

VON KORNELIA GELLNER,  - REDAKTION

Nähere Informationen

zu den Lehramtsstudien-

gängen und Fächern finden

sie auf: www.lehrer-w

erden-in-sachsen.de

2 / 2013 15

Z U FA L L S P O R T R A I T

Michael Jahr ist ein junger Dresdner Absolvent des ersten Staatsexa-

mens für Lehramt Gymnasium Geschichte, Ethik und Gemeinschafts-

kunde. Im Interview sprach er mit uns über »gute« und »schlechte«

Lehrer und wie er den Lehrerberuf sieht.

INTERVIEW: ANIKÓ POPELLA,  - REDAKTION

»Lehrer sind Vorbilder«

Schulzeit, schönste Zeit? Wie sind Ihre Erinnerungen?Wenn ich an die Schule zurückdenke, denke ich vor allem an die Freunde, die ich tagtäglich ohne Verabredung regelmäßig gese-hen habe. Das gab es seitdem nie wieder so intensiv. Die Klausu-ren, Referate und der Unterricht mussten natürlich auch gemacht werden, aber das fiel mir zum Glück nicht allzu schwer. 

An welche Lehrer erinnern Sie sich und warum?Im Englischunterricht gab es einen Lehrer, an den ich gern zu-rückdenke. Er war ein cooler Typ, sehr fair. Den hatte ich drei Jahre lang, leider dann nicht mehr in der Oberstufe. Er war kol-legial und ziemlich kompetent, sowohl fachlich als auch sozial. Er  hatte  nicht  den  Habitus  eines  alten  Schulmeisters,  wie  Ad-orno  sagen  würde.  Das  besondere  an  ihm  war  seine  Fairness. Ich hatte nie das Gefühl, dass er bestimmte Schüler bevorzugt oder  benachteiligt.  In  der  Oberstufe  war  es  dann  anders.  Die Lehrerin vertrat dann doch eher das klassische Lehrerbild.  Sie hat  es  in  meinen  Augen nicht verhindern können, dass  in  der  Klasse  ein Gefälle  in  Leistung  und Loyalität  ihr  gegenüber entstand und sich zuneh-mend  verhärtete.  Beispielsweise  war  einer  meiner  Mitschüler immer bei Hausaufgaben dran, obwohl sie wusste, dass er seine Schwierigkeiten hatte. So wurde er regelrecht vorgeführt. Beson-ders wichtig im Verhältnis mit den Lehrern waren mir Fairness, Wertschätzung und gegenseitiger Respekt als oberste Prinzipien, sogar noch vor der fachlichen Kompetenz. 

Haben Sie Lehrer in Ihrer Berufswahl beeinflusst?Für mich war recht früh klar, dass ich studieren wollte. Im Gro-ben war auch die Richtung der Gesellschaftswissenschaften für mich schnell ausgemacht. Allerdings gab es neben dem Lehrer-beruf nie  einen Berufswunsch, der große Konkurrenz gewesen wäre. Ich glaube, einer der Impulse, die mich zum Lehrerwerden motiviert haben, sind die Erfahrungen mit bestimmten Lehrern. Sowohl die »guten« als auch die »schlechten« Lehrer. Bei denen dachte mir, man darf solchen Menschen nicht das Feld überlas-sen. 

Was verbinden Sie mit dem Lehrerberuf?Es zieht mich in diesen Beruf, nicht aus dem Grund, wie Schu-le  derzeit  ist,  sondern  wie  sie  grundsätzlich  sein  kann  und  in manchen Fällen bereits ist. Mancherorts zeigt sich Schule noch immer als kalte und bürokratische Sozialisations- und Selekti-onsagentur, deren Personal seine vorrangige Aufgabe darin sieht, die Schülerinnen und Schüler mittels Drill, Druck und Angst an eine Ellbogen- und Konkurrenzgesellschaft anzupassen. An  immer mehr Orten zeigt  sich Schule hingegen als kreativer und geschützter Freiraum, in dem Demokratie, Solidarität, Ver-trauen  sowie Selbst- und Umwelterkenntnis die höchsten Ziele sind. Dort ist man als Lehrer auch in einer anderen Rolle. Lern-begleiter  statt  Lehrer  beschreibt  meine  Vorstellung  wohl  ganz gut. Lernen an sich betrachte ich mehr als aneignenden Prozess. Deshalb  finde  ich  es  wichtig,  sich  von  alten  Vorstellungen  des Lehrerberufs zu lösen hin zu einem Lehrer, der Schule offen und mit den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen gestaltet. So 

möchte ich den Lehrerberuf sehen und es gibt immer mehr Schu-len, die genau dieses Potential von Schule erkennen und dieser Idee nachgehen. Diese Schulen sind dann keine »Lehrfabriken« mehr wie die Schulen  früherer Tage,  sondern wirkliche »Lern-stätten«, in denen Erfahrung und Wissen nicht etwa passiv ver-mittelt, sondern aktiv gemacht und erschlossen werden.

Wie sind Ihr Pläne für das kommende Jahr?Ich  werde  dieses  Jahr  mein  Erweiterungsfach  Ethik  beenden,  parallel arbeite ich noch als studentische Hilfskraft. Mit meinem Referendariat möchte ich frühestens im nächsten Jahr beginnen, wenn nicht noch andere Pläne dazwischen kommen. Bis dahin werde ich erfreulicherweise die Möglichkeit haben, wöchentlich ein paar Stunden an einer freien Schule Gemeinschaftskunde zu unterrichten. 

»Fairness, Wertschätzung und gegen-seitiger Respekt als oberste Prinzipien.«

Kurzpraktika bieten Lehramtsstudierenden die Chance, Schulen in ganz Sachsen kennenzulernen. Werden Sie Gastgeber und helfen Sie mit, Lehrernachwuchs für Ihre Heimatregion zu gewinnen!

Die Gastzimmerinitiative der Universität Leipzig

0341- 97 30 480 (werktags 8 – 16.30 Uhr)www.uni-leipzig.de/zls

Das Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung (ZLS) der Universität Leipzig freut sich über Ihr Interesse und berät Sie gern.

Freie Zimmer melden: