260
MYP MAGAZINE

myp MAGAZINE #11

Embed Size (px)

DESCRIPTION

myp MAGAZINE Ausgabe #11, Thema "Mein Souvenir" myp MAGAZINE issue #11, topic "My Souvenir"

Citation preview

Page 1: myp MAGAZINE #11

M Y P M A G A Z I N E

Page 2: myp MAGAZINE #11
Page 3: myp MAGAZINE #11

SANDE R

Page 4: myp MAGAZINE #11

leuchtet das Lebenhindurch.

Monde und Jahre vergehen, aber ein schöner Moment

FRANZ GRILLPARZER

Page 5: myp MAGAZINE #11

leuchtet das Lebenhindurch.

Monde und Jahre vergehen, aber ein schöner Moment

Page 6: myp MAGAZINE #11

MeinSouvenir

AUSGABE #11

Page 7: myp MAGAZINE #11
Page 8: myp MAGAZINE #11

Wenn meine Erinnerung verblassen will und Gedanken vergehen, muss ich mein Herz nur in deine schützenden Hände legen.

Denn dort hilfst du ihm, nicht zu vergessen.

Du bist mein Souvenir.

Page 9: myp MAGAZINE #11

Wenn meine Erinnerung verblassen will und Gedanken vergehen, muss ich mein Herz nur in deine schützenden Hände legen.

Denn dort hilfst du ihm, nicht zu vergessen.

Du bist mein Souvenir.

Page 10: myp MAGAZINE #11

ELISA SCHLOTT

JONATHAN KLUTH

WINCENT WEISS

TIEMO HAUER

JASMIN LIEBETRAU

NIRAV SOLANKI

JOA HERRENKNECHT

KAKKMADDAFAKKA

ANJA BALSSAT

ISABELLA PIKART

INA & SANDER JAIN

JULIAN HEUN

SARAH NEUENDORF

JANNIK SCHÜMANN

SOPHIE EULER

PHILIPP BLOCH

NATAŠA VUČKOVIĆ

FÁBIO MIGUEL ROQUE

ROBIN KATER

TANJA FREUDENTHALER

HENRIKE OTT

JULIAN SCHIEVELKAMP

JONAS MEYER

LUKAS LEISTER

DANKE

IMPRESSUM

INSPIRATION

14

34

40

46

72

78

84

102

126

132

138

148

154

160

192

198

204

210

216

222

228

234

240

246

254

256

258

Inhalt

Page 11: myp MAGAZINE #11

Inhalt

Page 12: myp MAGAZINE #11

Gewidmet allem,das uns erinnern lässt.

Page 13: myp MAGAZINE #11

Gewidmet allem,das uns erinnern lässt.

Page 14: myp MAGAZINE #11

SchlottElisa

ELISA SCHLOTT IST 19 JAHRE ALT,

SCHAUSPIELERIN UND LEBT IN LONDON.

WWW.DIE-AGENTEN.DE

Page 15: myp MAGAZINE #11

SchlottElisa

Page 16: myp MAGAZINE #11
Page 17: myp MAGAZINE #11
Page 18: myp MAGAZINE #11

INTERVIEW & TEXT: JONAS MEYER

FOTOS: DAVID PAPROCKI

Das Schönste, was man von Berlin mitnehmen

kann, ist der Sommer. Jahr für Jahr aufs Neue

flutet er die Straßen mit einem Meer aus Sonnen-

strahlen und gibt allen Wärmehungrigen jenes

unbeschwerte Lächeln zurück, das man im ewig

dunklen und unerbittlichen Berliner Winter für

immer verloren geglaubt hatte.

Der Kalender zeigt den achtzehnten Juni, also

wird der Sommer offiziell erst in ein paar Tagen

in der Hauptstadt erwartet. Doch er ist jetzt

schon da – er konnte einfach nicht länger warten:

Zu karg und eisig waren die letzten Monate, zu

groß die Sehnsucht der Menschen nach Licht und

Leichtigkeit.

Und so sitzen wir gemeinsam mit dem Sommer

und der jungen Schauspielerin Elisa Schlott im

verwunschenen Garten von Clärchens Ballhaus.

Genau 100 Jahre ist es nun her, als Fritz Bühler

und seine Frau Clara Habermann das Tanzlokal

in der Auguststraße in Berlin-Mitte eröffneten. In

guten wie in schlechten Tagen feierte man hier

und tanzte, entfloh dem grauen Alltag und genoss

sein Leben – damals wie heute, ein ganzes Jahr-

hundert lang.

Es gibt also einiges, was die alten Mauern zu

erzählen hätten. Bis zum Rand sind sie gefüllt

mit unzähligen Erinnerungen, die sich Jahr für

Jahr wie unsichtbare Baumringe in ihr steiner-

nes Gedächtnis schreiben. Und so lauschen sie

auch heute aufmerksam der jungen Schauspiele-

rin, die mit dem Sommer gerade fröhlich um die

Wette strahlt.

Elisa Schlott ist eigentlich Berlinerin durch und

durch. Im Märkischen Viertel geboren und in

Pankow aufgewachsen, hat sie im Oktober 2012

für ein Jahr der deutschen Metropole den Rücken

gekehrt und ist nach London gezogen.

Heute ist sie trotzdem in Berlin, denn am Abend

stehen einige Nachsynchronisationen in einem

Studio in der Chausseestraße an. Die 19-jährige

Schauspielerin ist also auf Kurzbesuch in ihrer

Heimatstadt. Und weil ein Tag nicht wirklich viel

ist, werden in Clärchens Ballhaus prompt Wiener

mit Kartoffelsalat geordert – ein Stück Zuhause,

das es in London nicht gibt.

Sommerspiel

Page 19: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Du bist im Herbst letzten Jahres nach London ge-

zogen. Gab es dafür einen bestimmten Grund?

Elisa (grinst):

Naja, nach dem Abi sind plötzlich alle meine

Freunde ins Ausland gegangen und haben sich

auf der ganzen Welt verteilt. Nach Costa Rica,

Südafrika oder Frankreich hat es sie verschlagen.

Da habe ich mich gefragt, was ich selbst eigent-

lich noch hier mache.

Nein, ganz im Ernst: Ich bin nach London ge-

gangen, weil ich dort einige Schauspielkurse

absolvieren wollte – es gibt dort einfach so viele

Möglichkeiten.

Jonas:

Und diese Möglichkeiten gibt es in Berlin bzw.

Deutschland nicht?

Elisa:

Nein, nicht wirklich. In London ist man viel näher

dran am internationalen Markt. Außerdem ist es

cool, so etwas mal in einer anderen Sprache zu

machen – eine wirklich neue Erfahrung!

Ich bin mir auch noch gar nicht so ganz sicher,

ob ich in Zukunft die Schauspielerei überhaupt

professionell betreiben will. Wenn es so kommen

sollte, will ich auf jeden Fall in der Lage sein, in-

ternational arbeiten zu können. Daher bin ich

auch froh, so viel gemacht zu haben in London.

Jonas:

Welches Programm hast du denn in den letzten

Monaten absolviert?

Elisa:

Als ich nach London kam, bin ich zu einer Gast-

familie gezogen und habe zwei Monate eine

Sprachschule besucht, um ein halbwegs gefes-

tigtes Englisch zu haben. Danach habe ich mich

am Actors Center beworben – eine von Schau-

spielern, Regisseuren und Produzenten gegrün-

dete Institution für Ihresgleichen, wo man diverse

Kurse belegen und sich weiterbilden kann. Man

zahlt eine Jahresgebühr von etwa 50 Pfund und

zusätzlich je nach Kurs einen entsprechenden

Betrag, der aber extrem niedrig ist.

Nachdem ich am Actors Center angenommen

wurde, habe ich im Laufe der Monate verschie-

dene Kurse belegt. So war ich beispielsweise in

einem „Method Acting“-Workshop, der von einem

sehr imposanten amerikanischen Schauspieler

namens Sam Douglas geleitet wurde. Und ich

habe einen Kurs von Scott Williams belegt, in

dem ich mir die sogenannte „Meisner-Technik“

aneignen konnte: Dabei geht es darum, beim

Spielen seine Aufmerksamkeit nicht auf die

eigene Person zu richten, sondern voll und ganz

auf sein Gegenüber. So soll erreicht werden, dass

man Spielsituationen emotional besser begreifen

und erfassen kann, weil man als Schauspieler

immer der Gefahr ausgesetzt ist, zu sehr in den

eigenen Gedanken gefangen und dadurch in ge-

wisser Weise blockiert zu sein.

Ich habe in den letzten Monaten viel gelernt und

bin daher gespannt, ob ich dieses Wissen mal

praktizieren kann. Das hängt ja davon ab, ob ich

tatsächlich hauptberufliche Schauspielerin werde

oder nicht.

Page 20: myp MAGAZINE #11
Page 21: myp MAGAZINE #11
Page 22: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Welcher Beruf käme denn neben der Schauspie-

lerei noch für dich in Frage?

Elisa:

Ich habe total Lust, irgendetwas zu studieren.

Daher habe ich mich auch für das kommende Win-

tersemester an der HU und FU für Theaterwis-

senschaften und Kunstgeschichte beworben. Im

September komme ich ja eh zurück aus London.

Mal sehen, ob ich angenommen werde.

Vorher freue ich mich aber total auf den Juli, weil

ich dann an der Guildhall School einen vierwö-

chigen Schauspiel-Sommerkurs belegen werde.

Ich glaube, dass mir dieser Kurs extrem dabei

helfen wird, mich zu entscheiden, welche Rich-

tung ich in meinem Leben einschlagen werde.

Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder

komme ich komplett verzaubert aus dem Kurs

heraus und weiß, dass ich Schauspielerei noch

intensivieren und studieren will, oder ich merke,

dass es nur ein Hobby ist und ich beruflich noch

etwas anderes tun muss.

Jonas:

Dabei kannst du bereits jetzt eine gewisse Berufs-

erfahrung vorweisen, schließlich hast du schon in

jungen Jahren mit der Schauspielerei begonnen.

Erinnerst du dich noch an dein erstes Projekt?

Elisa:

Ja, das war ein Werbespot für „Kellogg’s Frosties“

auf Teneriffa. Da war ich ungefähr zehn oder elf

Jahre alt. Ich hatte auch mal ein Musical-Casting,

durch das ich aber ziemlich schnell gemerkt habe,

dass Singen gar nichts für mich ist – obwohl ich

es liebe, selbst Musik zu machen.

Nach dem Musical-Casting war ich ziemlich ent-

täuscht und habe mich deshalb ohne Wissen

meiner Eltern im Internet bei einer Schau-

spielagentur beworben, die Kindercastings für

junge Rollen durchführen. Die Leute von der

Agentur haben sich auch tatsächlich gemeldet –

und so bin ich dann irgendwie in die Schauspie-

lerei reingerutscht.

Jonas:

Und welcher war der erste Film, in dem du mit-

gewirkt hast?

Elisa:

Das war „Das Geheimnis von St. Ambrose“, in

dem ich mit Ulrich Mühe spielen durfte. Wir haben

damals insgesamt sechs Wochen in Schottland

gedreht, das habe ich total genossen.

Jonas:

Wusstest du nach diesem ersten Film bereits,

dass du so etwas öfter machen willst?

Elisa:

Eigentlich war ich ja immer jemand, der ziemlich

schüchtern ist und sich nicht gerne in den Vor-

dergrund drängt. Aber als damals zum ersten

Mal die Kamera auf mich gerichtet war, war diese

Schüchternheit komplett vergessen. Ich hatte das

Gefühl, plötzlich in einer anderen Welt zu sein.

Richtig klick gemacht hat es aber erst bei dem

zweiten Film, in dem ich mitspielen durfte: „Die

Frau vom Checkpoint Charlie“ mit Veronica Ferres

in der Hauptrolle. Das war eine coole Zeit! Wir

haben in Rumänien, Helsinki und Leipzig gedreht,

das hat damals alles so viel Spaß gemacht. Durch

dieses Projekt hat es mich gepackt und ich wusste,

dass ich das unbedingt weitermachen will.

Eigentlich war ich ja immerjemand, der ziemlich schüchtern ist undsich nicht gerne in den Vordergrund drängt.

Page 23: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Und das hat alles einfach so neben der Schule

funktioniert?

Elisa:

Irgendwie schon. Bei meinen ersten Projekten

war ich ja auch noch in der Grundschule, da war

das nicht so wild. Außerdem hatte ich dort zum

Glück supertolle Lehrer, die mich sehr unterstützt

haben.

Als ich aufs Gymnasium kam, wurde es aller-

dings etwas komplizierter. Die Lehrer hatten eine

sehr strenge Haltung und gaben mir klar zu ver-

stehen: „Wenn du fehlst, fehlst du. Dann musst

du schauen, wie du dir den Stoff aneignest. Wenn

du zurückkommst, erwarten wir, dass du auf

dem gleichen Stand bist wie die anderen.“ Das

war im ersten Moment hart, aber ich hatte auch

diesmal wieder Glück: Meine Klassenkameraden

haben für mich mitgeschrieben, mir das Material

zukommen lassen und mich total unterstützt. Im

Endeffekt habe ich gar nicht so viel verpasst, denn

gedreht habe ich meistens während der Ferien.

Dabei war nicht nur meine Mutter sehr darauf be-

dacht, dass ich nicht zu viele Fehltage habe: Mir

selbst war es mindestens genau so wichtig, nicht

abgehängt zu werden. Und wenn ich ehrlich bin,

bin ich auch gerne zur Schule gegangen.

Jonas:

Als du auf dem Gymnasium warst, hast du auch

deinen ersten Kinofilm gedreht.

Elisa:

Genau, das war der Debutfilm „Draußen am See“

von Felix Fuchssteiner. Wir haben damals im Jahr

2009 in meinen Sommerferien gedreht, insge-

samt gab es 35 Drehtage.

Ich habe ein 14-jähriges Mädchen gespielt, das

zusehen musste, wie seine Mutter ein kleines

Baby umbringt. Diese Tat hat das Mädchen inner-

lich total zusammenbrechen lassen.

Der Dreh damals war hart. So habe ich zum ersten

Mal gemerkt, dass Schauspielerei wirklich rich-

tige Arbeit ist. Vorher war das für mich ja alles

mehr oder weniger nur ein Spaß.

Nach den 35 Drehtagen war ich daher auch ziem-

lich erschöpft und hatte einige Zeit daran zu knab-

bern. Aber im Endeffekt hat sich die Arbeit total

gelohnt: Als ich den fertigen Film gesehen habe,

war ich total glücklich.

Elisa lächelt. Ihr freundliches und offenes Wesen

wirkt gerade so unerschütterlich wie die alten

Gemäuer des Ballhauses, die seit einem Jahr-

hundert allen Widrigkeiten trotzen und damit ein

klares Bekenntnis zum Optimismus ablegen.

Der Sommer sitzt nach wie vor mit uns am Tisch

und verfolgt gespannt, was Elisa zu erzählen

hat. Als hätten sie sich vorher abgesprochen,

werfen sie sich gegenseitig die Bälle zu: Lächelt

sie ihn an, kontert er mit Sonnenstrahlen. Taucht

er den Himmel in sein leuchtendes Blau, funkeln

ihre Augen in derselben Farbe zurück – wie zwei

Schauspieler, die gerade auf der Bühne stehen

und auf das Spiel des jeweils anderen reagieren.

Page 24: myp MAGAZINE #11
Page 25: myp MAGAZINE #11
Page 26: myp MAGAZINE #11

Ich finde es immer komisch, wenn Schauspieler erzählen, wie viel sie sich bei anderen abgeschaut haben.

Jonas:

Fällt es dir leicht, dich von solchen komplexen und

intensiven Rollen wieder zu lösen?

Elisa:

Ich glaube, dass ich das recht gut kann. Trotzdem

nehmen einen manche Rollen natürlich mehr mit

als andere. Als ich zum Beispiel vor drei Jahren

„Fliegende Fische müssen ins Meer zurück“ ge-

dreht habe, hatte ich eine Regisseurin, die mich

emotional sehr gefordert hat.

Außerdem war ich damals erst 16 Jahre alt

und zum ersten Mal in meinem Leben für sechs

Wochen komplett von zuhause weg – ohne Fa-

milie und Freunde allein in einem kleinen Dorf

in der Schweiz, wo wir gedreht haben. Wenn ich

abends endlich in meinem Bett lag, war ich ziem-

lich fertig. Die intensive Rolle und das Alleinsein

waren in gewisser Weise eine doppelte Heraus-

forderung für mich.

Jonas:

Vor kurzem feierte der Kinofilm „Das Wochen-

ende“ Premiere, in dem du die Rolle der Doro

spielst. War es für dich eine besondere Erfahrung,

neben Größen wie Katja Riemann, Barbara Auer

oder Sebastian Koch zu spielen?

Elisa:

Lustigerweise wusste ich in der ersten von ins-

gesamt drei Castingrunden noch gar nicht, dass

dieser Film ein so großes Ding wird. Umso größer

war dann natürlich die Überraschung, welche

großen Namen für den Streifen besetzt sind. Es

war toll, mit diesen Schauspielern drehen zu

dürfen.

Jonas:

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman

von Bernhard Schlink und thematisiert die RAF-

Vergangenheit von vier Personen, die nach knapp

zwanzig Jahren wieder aufeinandertreffen und

ein gemeinsames Wochenende in einem Land-

haus verbringen. Wie hast du dich auf dieses

politisch wie gesellschaftlich immer noch heikle

Thema RAF vorbereitet?

Elisa:

Ich hatte aus der Schule eine gewisse Grund-

kenntnis. Darüber hinaus habe mich aber

natürlich auch ein wenig eingelesen und mir bei-

spielsweise den Film „Der Baader-Meinhof-Kom-

plex“ angeschaut.

Allerdings ist „Das Wochenende“ in erster Linie

kein politischer Film, sondern stellt die zwi-

schenmenschlichen Beziehungen und Proble-

matiken der Akteure in den Vordergrund. Das

unterscheidet das Drehbuch auch im Wesentli-

chen vom Roman, wo die politische Komponente

viel stärker im Fokus steht. So ging es der Regis-

seurin und Autorin Nina Grosse im Wesentlichen

um die Charaktere an sich: Sie wollte zeigen, was

sich in deren Köpfen im Laufe der Zeit verändert

hat – und was nicht.

So haben wir uns im Rahmen der Vorbereitung

auch alle in dem Haus getroffen, in dem wir

später gedreht haben, und dort tatsächlich vorab

ein gemeinsames Wochenende verbracht.

Page 27: myp MAGAZINE #11

Wir haben in den zwei Tagen viel gelesen, wich-

tige Szenen durchgenommen und auch schon mit

den Proben begonnen. Das war enorm hilfreich,

weil wir uns dadurch alle kennenlernen konnten,

bevor der Dreh überhaupt losging.

Jonas:

Man hat das Gefühl, in den 98 Filmminuten alle

zwischenmenschlichen Konflikte zu erleben, die

man so aus dem wahren Leben kennt. Macht das

die Vorbereitung auf die Rolle in solch einem Film

einfacher? Man muss ja eigentlich nur wahres

Leben spielen...

Elisa:

Ja, vielleicht. Für mich war es aber eher wichtig,

sich den Kopf nicht so sehr über die Materie an

sich zu zerbrechen, sondern einfach zu spielen

und zu sehen, wie es sich entwickelt.

In dem Zusammenhang war es gut, vorher schon

mit allen Darstellern zusammengesessen zu

haben. So konnten wir darüber reden, welche

Intention eine Szene hat, wo sie uns hinführt, wo

wir vor der Szene waren und wo wir als Figur hin-

wollen. Dadurch hat sich dann in der Szene selbst

einfach sehr viel ergeben, das Spiel wirkte wahr-

haftig und sehr authentisch.

Jonas:

Hast du von deinen Kollegen schauspielerisch

etwas mitgenommen?

Elisa:

Ich finde es immer komisch, wenn Schauspieler

erzählen, wie viel sie sich bei anderen abgeschaut

haben und dadurch jetzt wissen, wie die das so

machen. Ich finde, jeder sollte seine ganz eigene

Art und Weise entwickeln, wie er spielt und an

seine Rolle herantritt.

Insgesamt war es aber natürlich toll, mit diesen

außergewöhnlichen Schauspielern in „Das Wo-

chenende“ zusammenzuarbeiten, weil alle so

glaubwürdige Darsteller waren.

Wir unterbrechen unsere Unterhaltung für einige

Minuten und machen uns langsam auf den Weg in

Richtung Naturkundemuseum, wo wir Elisa foto-

grafieren wollen.

Von den alten Mauern des Ballhauses verab-

schieden wir uns mit dem Versprechen, recht

bald wiederzukommen, um ihre unsichtbaren

Baumringe der Erinnerung wieder ein kleines

Stückchen wachsen zu lassen.

Gemütlich schlendern wir die Auguststraße ent-

lang, stets begleitet vom Berliner Sommer, der

uns nicht aus den Augen lässt. Schließlich biegen

wir in die Oranienburger Straße ein, kaufen Eis

und bleiben für eine Weile stehen. Der kühle

Nachtisch will schnell verzehrt werden, schließ-

lich schaut uns der Sommer gerade direkt über

die Schulter und bringt das Eis zum Schmelzen.

Page 28: myp MAGAZINE #11
Page 29: myp MAGAZINE #11
Page 30: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Im September kommst du zurück nach Berlin. Wie

war es, fast ein Jahr von seiner Heimatstadt ge-

trennt zu sein?

Elisa:

Komisch. London ist ja vollkommen anders als

Berlin und doppelt so vollgepackt mit Menschen.

Die Stadt ist irgendwie viel geschäftiger, alle Leute

sind total konsumorientiert und shoppen rund um

die Uhr. Zudem ist London viel internationaler –

wenn man will, kann man innerhalb der Stadt in

seinem eigenen Land wohnen.

Das war zwar am Anfang alles recht spannend,

aber mittlerweile bin ich richtig müde von dem

Leben dort. Nichts ist von Dauer in London, man

erlebt ein ständiges Kommen und Gehen. Ich war

so froh, als ich mir einen gewissen Freundeskreis

aufgebaut habe, der aber leider nicht lange hielt:

Nach drei Monaten waren alle Leute wieder weg.

Die Zeit in London habe ich schon sehr genossen,

aber ich freue mich auch, wenn ich wieder zurück

nach Berlin komme – und viele schöne Erinne-

rungen im Gepäck habe.

Jonas:

Was an Berlin hast du denn in London am meisten

vermisst?

Elisa:

Meine Familie und meine Freunde. Ich bin ein

Mensch, der einfach von vielen Freunden um-

geben sein muss. Ansonsten werde ich sehr

schnell einsam.

Jonas:

Du findest also dein Zuhause eher in bestimmten

Personen als an bestimmten Orten?

Elisa (schweigt für einen Moment):

Ja, das könnte man so sagen.

Jonas:

Dann kannst du ja überall auf der Welt zuhause

sein...

Elisa (lacht):

Ja, aber nur, wenn dort alle meine Lieben bei mir

wären. Aber eigentlich fühle ich mich in Berlin

am ehesten zuhause. Die Stadt hat einfach einen

gewissen Flair, den ich sehr mag: Auf der einen

Seite ist Berlin eine Metropole, auf der anderen

Seite gibt es Viertel, die wie kleine Dörfer wirken.

Ich liebe es daher total, in meinem Kiez in Pankow

unterwegs zu sein. Ich treffe da einfach so viele

Menschen, die ich mag. Und dieses Miteinander

dort ist viel schöner als die Anonymität Londons.

Page 31: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Dein persönliches Berliner Souvenir sind also

deine Erinnerungen an den Pankow-Kiez...

Elisa:

Ganz genau, das ist mein Andenken.

Dicht gefolgt vom Sommer spazieren wir über

die Chausseestraße und biegen in die Invaliden-

straße ein. Nach wenigen Metern erhebt sich vor

unseren Augen ein imposanter Komplex aus his-

torischen Gebäuden. Wo im 19. Jahrhundert noch

die Königliche Eisengießerei zu Berlin angesiedelt

war und massive Schätze für die Ewigkeit gefer-

tigt wurden, stellen heute Naturkundemuseum

und Institut für Biologie der Öffentlichkeit ihr

kostbares Wissen zur Verfügung.

Gerade unterziehen sich die ehrwürdigen Ge-

mäuer einer kleinen Schönheitskur: Ihre Fassade

wird behutsam renoviert, denn sie soll gewappnet

sein für das, was sich Zukunft nennt – und die Er-

innerung lebendig halten an eine andere Zeit.

Elisa Schlott und der Berliner Sommer betreten

die Bühne – und erneut beginnt das Spiel der

beiden gut gelaunten Protagonisten:

Auf Elisas Lächeln und funkelnde Augen reagiert

der Sommer mit einem Meer aus Sonnenstrahlen

und absoluter Wolkenlosigkeit.

Was würde man nur darum geben, einige der

Sonnenstrahlen einzufangen und in den unerbitt-

lichen Winter zu tragen, der in wenigen Monaten

das frische Blau zu tristem Grau verwandeln wird.

Wie ein kleines Souvenir müsste man die Strahlen

einfach in die Tasche stecken können. So hätte

man immer ein Andenken an die wundervolle Ju-

niwärme bei sich, wenn es draußen wieder nass

ist und kalt.

Elisa hält für einen Moment inne, schließt die

Augen und lächelt. Sanft breitet sich die Nachmit-

tagssonne auf ihrem Gesicht aus.

Das Schönste, was man von Berlin mitnehmen

kann, ist der Sommer.

Man muss ihn nur im Herzen tragen.

Dann bleibt er auch im Winter.

Ich bin ein Mensch, der einfach von vielen Freunden

umgeben sein muss. Ansonsten werde ich sehr schnell einsam.

Page 32: myp MAGAZINE #11
Page 33: myp MAGAZINE #11
Page 34: myp MAGAZINE #11

KluthJonathan

Page 35: myp MAGAZINE #11

JONATHAN KLUTH IST 25 JAHRE ALT,

SINGER-SONGWRITER UND LEBT IN BERLIN.

WWW.JONATHAN-KLUTH.DE

KluthJonathan

Page 36: myp MAGAZINE #11
Page 37: myp MAGAZINE #11
Page 38: myp MAGAZINE #11

Schöner

Die Stadt ist wie ein Spiegel, in den man jeden

Tag schauen muss. So lange ich da bin, erzählen

mir die quadratischen Backsteine abgekühlte und

brennende Geschichten über meine Seele.

Einmal im Jahr, wenn der Jungbusch blüht,

kriecht die Hitze guter Freunde, der Schweiß und

der Geruch von Bier und Zigaretten in die Klamot-

ten und setzt sich fest.

Lieb mich und akzeptier mich. Eine Selbstaufgabe

hat immer die Folge der noch höheren Unzufrie-

denheit mit der Gesamtsituation.

Wenn ich an die Zeit in Mannheim denke, werde

ich kühl und unruhig, gleichzeitig emotional und

nostalgisch. All die Jahre haben meine Geigensai-

ten gehalten, das raue Pferdehaar und Kolopho-

nium haben sie überstanden, Sonne und Regen,

viele Winter und Sommer. Ein Jahr ist es her, dass

ich nach Berlin gezogen bin. Ich öffne den Koffer

meiner Violine und stelle fest, dass eine Saite

gerissen ist. Wenn Dinge sich auflösen, werden

sie woanders zu etwas Neuem.

Ich höre „Starwars“ von Pohlmann und trällere

„Train yourself to let go...“. Es ist ein schöner

Morgen.

TEXT: JONATHAN KLUTH

FOTO: ROBERTO BRUNDO

Morgen

Page 39: myp MAGAZINE #11
Page 40: myp MAGAZINE #11

WeissWincent

Page 41: myp MAGAZINE #11

WINCENT WEISS IST 20 JAHRE ALT,

MUSIKER UND LEBT IN MÜNCHEN.

WWW.WINCENTWEISS.DE

WeissWincent

Page 42: myp MAGAZINE #11
Page 43: myp MAGAZINE #11
Page 44: myp MAGAZINE #11

Ich bin nie alleine. Denn überall wo ich bin, ist sie

bei mir: Meine Gitarre! Seit 16 Monaten ist sie

chronisch an meiner Seite. Zusammengefunden

haben wir im Internet, in einem Online-Shop.

Als ich ihr kleines Foto sah, wusste ich: Die

muss ich haben - sofort! Denn sie sah nicht nur

unglaublich schön aus, sondern war auch ein

echtes Schnäppchen: Nur 500 Euro hat sie gekos-

tet. Das Geld dafür habe ich mir trotzdem hart

zusammengespart und dafür Dinge wie meine

Playstation verkauft.

Ja, so war das damals. Und heute erinnert sie

mich an alles, was ich in der letzten Zeit erlebt

habe: Reisen in die Karibik, Ausflüge nach Berlin,

Köln, Hamburg. Und Ans Meer.

Wenn ich auf ihr spiele, habe ich Bilder in meinem

Kopf. Meistens sehr schöne. Von Freunden, die ich

gerade nicht sehen kann. Ich sehe sogar Lieder.

Lieder, die ich liebe, oder solche, die ich längst

nicht mehr hören kann.

Sie erinnert mich auch an Zuhause, denn da

wohne ich jetzt nicht mehr. Um Musik zu machen,

habe ich gerade meine Heimat Eutin in Schleswig-

Holstein verlassen.

Mit einem Koffer in der Hand. Und meiner Gitarre

auf dem Rücken.

München ist jetzt meine neue Stadt. Eigentlich ist

das ist ein sehr schöner Ort - aber leider einer

ohne Meer. Das hatte ich früher direkt vor der

Tür. Und jetzt trennen mich und das viele salzige

Wasser der Ostsee mehrere hundert Kilometer.

Das gleiche gilt für meine Familie. Sie ist jetzt

ebenfalls ganz weit weg von mir.

Aber meine Gitarre ist ja noch da. Und wenn ich

auf ihren sechs Saiten spiele, sehe ich das Meer

und meine Familie vor mir. Ich schmecke die sal-

zige Luft. Und sehe die Gesichter der Menschen,

die ich mag.

Auf den Gitarren-Hals habe ich mir übrigens den

Namen meiner kleinen Schwester geschrieben.

Aber die Gitarre selbst hat keinen Namen!

Warum? Ich habe schon oft überlegt, wie ich sie

nennen könnte. Otto, Claudia, Johnny?

Nein - kein Name dieser Welt kann sagen, was sie

für mich ist...

TEXT: WINCENT WEISS

FOTO: SASCHA WERNICKE

SalzigeLuft

Page 45: myp MAGAZINE #11
Page 46: myp MAGAZINE #11

HauerTiemo

Page 47: myp MAGAZINE #11

HauerTiemo

TIEMO HAUER IST 23 JAHRE ALT,

MUSIKER UND LEBT IN STUTTGART.

WWW.TIEMO-HAUER.DE

Page 48: myp MAGAZINE #11
Page 49: myp MAGAZINE #11
Page 50: myp MAGAZINE #11
Page 51: myp MAGAZINE #11

Im ewigen Kalender der Jahreszeiten gibt es

wohl kaum etwas Entspannteres zwischen zwei

Berliner Wintern als die ersten Tage im Juni:

Die ungemütlichen Eisheiligen hat man aus dem

Haus komplimentiert und kann nun ungestört

eintauchen in das Meer warmer Sonnenstrah-

len, das sich erfahrungsgemäß in nur wenigen

Wochen zu einem zähen Brei aus Gluthitze ver-

wandeln wird.

Doch so weit ist es noch nicht. Dieser freundliche

und unaufgeregte Mittwochnachmittag ist wie

geschaffen dafür, die Seele baumeln zu lassen.

Und Kaffee zu trinken. Aber wo?

Das Areal um den Hackeschen Markt im Herzen

Berlins gehört im Allgemeinen nicht unbedingt zu

den ersten Adressen, wenn es darum geht, fried-

lich und fernab jeder Hektik zusammenzusitzen.

Im Allgemeinen.

Denn die Gleise der S-Bahn scheinen hier eine

unsichtbare Trennwand zu errichten, die den

breiten Menschenstrom nach Norden lenkt und

die Südseite dafür zu so etwas wie einer Ruhe-

zone erklärt. Dort am Litfaßplatz lässt es sich

entspannt aushalten.

Nur wenige Menschen verlaufen sich zu diesem

Ort, der eigentlich zu den zentralsten der Haupt-

stadt gehört.

Es ist kurz vor 17 Uhr. Wir haben also noch ein

wenig Zeit, bis wir Tiemo Hauer treffen. Der

23-jährige Musiker wird übermorgen sein Live-

Album „Zweihundertvierzigtausend“ veröffentli-

chen und ist daher für einige Tage von Stuttgart

nach Berlin gereist.

Während wir uns in einem kleinen Café auf einer

gemütlichen Sitzecke niederlassen mit und uns

mit Wasser, Kaffee und Kuchen eindecken, lassen

wir unseren Blick über den Litfaßplatz schweifen.

Einige Meter entfernt von uns sitzt ein junger

Mann, der mit seiner dunklen Sonnenbrille und

Gitarre neben sich so unaufgeregt wirkt wie

dieser sonnige Junitag.

Ein freundliches Lächeln breitet sich auf dem

Gesicht des Mannes aus, der nach seiner Gitarre

greift und zielgerichtet auf uns zukommt. Das ist

er also. Nach einem kräftigen Händedruck nimmt

der Musiker auf unserer kleinen Sitzecke Platz

und greift zu seiner Sonnenbrille, hinter der zwei

strahlend blaue Augen zum Vorschein kommen.

Herzlich willkommen, Tiemo Hauer!

INTERVIEW & TEXT: JONAS MEYER

FOTOS: MAXIMILIAN LEDERER

Junitag

Page 52: myp MAGAZINE #11
Page 53: myp MAGAZINE #11
Page 54: myp MAGAZINE #11
Page 55: myp MAGAZINE #11
Page 56: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Die Gelegenheiten, sich mal in aller Ruhe mit

deinen Freunden hinzusetzen und gemütlich

einen Kaffee zu trinken, sind bestimmt selten

geworden in deinem Leben – immerhin warst du

in den letzten Monaten ziemlich viel unterwegs...

Tiemo:

Ach, eigentlich gar nicht. Ich finde diese Frei-

räume im Alltag immer noch recht oft. Bei mir

läuft ja auch alles eher nach Phasen ab: Mal ist

mein Terminkalender über längere Zeit komplett

vollgepackt, mal gibt es wieder Zeiten, wo wenig

oder gar nichts ansteht. Und dadurch, dass ich

noch in Stuttgart wohne, wo auch die meisten

meiner Freunde leben, können wir uns doch recht

häufig sehen und etwas unternehmen.

Jonas:

Sollte man dieses „noch“ besonders hervorhe-

ben? Planst du, deine Heimatstadt Stuttgart zu

verlassen?

Tiemo:

Ich weiß noch nicht so recht. Ich mag Stuttgart

wirklich total gerne und freue mich sehr, hier

diesen Fixpunkt zu haben, an den ich nach dem

vielen Unterwegssein immer wieder zurückkeh-

ren und in mein gewohntes Umfeld eintauchen

kann.

Aber so ein wenig zieht es mich auch weg. Ich

weiß zwar nicht, was in den nächsten Jahren in

meinem Leben so passiert, aber auf Dauer werde

ich wahrscheinlich nicht in Stuttgart bleiben.

Jonas:

Was würdest du dir denn von einem Tapeten-

wechsel erhoffen?

Tiemo:

Ich muss ja immer irgendetwas erleben. Mir ist in

den letzten Jahren ganz massiv aufgefallen, dass

es zwar cool ist, ständig auf Tour zu sein und in

diesem Rhythmus „Musik produzieren – vor Publi-

kum spielen – wieder Musik produzieren – wieder

vor Publikum spielen“ zu leben. Dabei erlebe ich

aber immer wieder mehr oder weniger dieselben

Thematiken und daher auf Dauer nichts wirklich

Neues mehr.

Wenn ich merke, dass ich ganz viele Songs über

ein und dieselbe Situation schreiben könnte, weiß

ich, dass es Zeit ist, etwas zu verändern. Und ein

Tapetenwechsel kann durchaus hilfreich sein,

mal ganz neue Dinge zu erleben, andere Men-

schen kennenzulernen und nicht im gewohnten

Trott zu verharren.

Jonas:

Du hast im Jahr 2006 begonnen, selbst zu kom-

ponieren und eigene Texte zu schreiben. War dies

ein besonderer Punkt in deinem Leben, der dir in

Erinnerung bleibt?

Tiemo:

2006 war für mich tatsächlich ein besonderes

Jahr und in gewisser Weise auch ein Wende-

punkt. Ich hatte bis dahin nur in einer englisch-

sprachigen Band gespielt, wo ich mit den Texten

nicht wirklich viel zu tun hatte. Dann bin ich aber

zu einer deutschsprachigen Band gewechselt

und hatte plötzlich die Möglichkeit, selbst an den

Texten mitzuschreiben und mich überhaupt mit

der Sprache auseinanderzusetzen. Dadurch habe

ich gemerkt, dass mir das irgendwie total liegt

und ich mir viele Dinge von der Seele schreiben

kann, die mich beschäftigen. Außerdem hat es

auch richtig viel Spaß gemacht.

Page 57: myp MAGAZINE #11

Dass ich dann in der Konsequenz auch meine

eigenen Songs geschrieben und am Klavier ver-

tont habe, lag einfach daran, dass ich irgendwann

nicht mehr in dieser Band gespielt habe, sondern

erst einmal alleine unterwegs war.

Jonas:

Die deutsche Sprache hat also für dich eine ganz

besondere Bedeutung?

Tiemo:

In den Anfängen noch nicht wirklich, da habe ich

gar nicht darüber nachgedacht, wozu Sprache in

Songtexten fähig ist. Ich habe einfach nur aufge-

schrieben, was mich bewegt. Das hat sich aber

über die letzten Jahre sehr verändert.

Inzwischen sehe ich das Schreiben als eine echte

Herausforderung, weil mir aufgefallen ist, wie kri-

tisch die Leute bei deutschen Texten sind – viel

kritischer übrigens als bei englischen. Im Allge-

meinen sind zwar die deutschen Mainstream-

pop-Texte auch nicht wirklich toll, aber sobald

man nicht diese Schiene fährt und für sich den

Anspruch entwickelt hat, mit seiner Musik die

Menschen auch in gewisser Weise zum Nachden-

ken zu bringen, wird man ganz besonders kritisch

beäugt und auf Qualität geprüft.

Jonas:

Würdest du die These unterstützen, dass man mit

der deutschen Sprache tatsächlich auf den Punkt

genau jedes Gefühl und jede emotionale Situation

ausdrücken kann, wenn man nur tief genug in

diesem riesigen Wortschatz sucht?

Tiemo:

Ich bin sicher, dass es Menschen gibt, die das

können. Ich würde mir allerdings nicht anma-

ßen, das von mir selbst zu behaupten – aber ich

habe ja auch meine Musik als Stütze: Meine Songs

schreibe ich eigentlich meistens über Themen,

über die ich so von Person zu Person gar nicht

reden würde. Ob es jetzt beispielsweise ganz all-

gemein um Dinge wie Trennungen geht oder eher

um zutiefst private und persönliche Thematiken,

ich könnte mich nie vor jemanden hinsetzen und

anfangen, mir das einfach so von der Seele zu

reden. Wenn ich das alles in einen Songtext verar-

beite und über den Sound transportiere, fällt das

wesentlich leichter.

Und mittlerweile glaube ich, dass ich mit meiner

Musik die Botschaft und das Gefühl dahinter eher

noch intensivieren kann. Einfach nur jemandem

zu erzählen, wie es mir geht, hätte da nicht den-

selben Effekt.

Jonas:

Das hört sich so ähnlich an wie bei Schauspielern,

die zu jemand anderem werden, sobald sie in ihr

Kostüm schlüpfen. Ist deine Musik in gewisser

Weise das, was für Schauspieler das Kostüm ist?

Tiemo:

Nein, nicht ganz. Im Gegensatz zu einem Schau-

spieler, der ja versucht, durch die Rolle ein ande-

rer zu werden, will ich in meiner Musik ganz ich

selbst sein. Ich glaube allerdings, dass ich in der

Musik vielleicht einen anderen Mut aufbaue, der

es mir ermöglicht, jene Dinge auszusprechen, die

ich ohne Musik nicht mitteilen würde.

Meine Songs schreibe ich eigentlichmeistens über Themen, über die ich so

von Person zu Person gar nicht reden würde.

Page 58: myp MAGAZINE #11
Page 59: myp MAGAZINE #11
Page 60: myp MAGAZINE #11
Page 61: myp MAGAZINE #11
Page 62: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Mut war in den letzten Jahren auch in anderer

Hinsicht ein wichtiges Thema in deinem Leben

– schließlich erfordert es eine gewisse Portion

davon, wenn man beabsichtigt, sich von einem

Majorlabel zu trennen und etwas Eigenes auf die

Beine zu stellen.

Tiemo:

Für mich war dieser Schritt sehr wichtig. Mein

damaliges Label hatte mich zwar nicht wirk-

lich eingeschränkt und insgesamt finde ich auch

nicht, dass Majorlabels für Künstler schlecht sind,

trotzdem war mir persönlich dieses klitzekleine

Bisschen an Eingriff schon zu viel. Und da ich

mich nun wohler fühle als vorher, weiß ich, dass

es der richtige Weg war.

Zwar ist es jetzt natürlich auf der einen Seite

immer so, dass ich ganz alleine dafür verantwort-

lich bin, wenn ich mal auf die Schnauze falle. Auf

der anderen Seite habe ich aber die Gewissheit,

dass meine Musik von innen heraus funktioniert,

wenn ich erfolgreich bin. Und das ist ein tolles

Gefühl.

Jonas:

Bist du außerhalb der Musik auch so pragma-

tisch?

Tiemo:

Ja, ich glaube schon. Ich bin jemand, der sich von

bestimmten Dingen relativ schnell distanziert,

wenn er merkt, dass sie nicht so richtig passen.

Das ist zwar nicht unbedingt immer hilfreich, aber

es fühlt sich besser an.

Tiemo schweigt für einen Moment und lässt

seinen Blick über den Litfaßlatz wandern. Dabei

wirkt es, als würde sich seine innere Haltung

auf den ganzen Körper übertragen und ihm eine

gewisse physische Aufrichtigkeit verleihen, mit

der er die Bedeutung seiner Botschaft unter-

streicht.

Die wunderbare Nachmittagssonne schenkt uns

gerade ihr schönstes Licht, also beschließen

wir, ein wenig die Umgebung zu erkunden. Wir

verlassen das kleine Café und laufen Richtung

Museumsinsel.

Am Säulengang vor der Alten Nationalgalerie

machen wir Halt und nutzen die Kulisse der erha-

benen Gemäuer, um einige Fotos zu schießen.

Tiemo lässt sich zwischen zwei Säulen nieder

und stellt seine Gitarre ab. Wie ein stiller Beglei-

ter wartet sie geduldig und lauscht den Worten

ihres Besitzers.

Jonas:

War Musikmachen in Deiner Familie eigentlich ein

großes Thema?

Tiemo:

Nein, irgendwie gar nicht. Mein Vater hat nie ein

Musikinstrument gespielt, lediglich meine Mutter

vor etlichen Jahren mal ein wenig Gitarre.

Page 63: myp MAGAZINE #11

Tatsächlich Musik gehört haben wir nur, wenn

wir mit dem Auto in Urlaub gefahren sind oder

so. Dieses hundertprozentige Interesse für Musik

gab es in meiner Familie daher nur bei mir.

Jonas:

Gibt es Musik, die dich gerade besonders inspi-

riert?

Tiemo:

Ja, zur Zeit ist das die isländische Band „Sigur

Rós“. Die machen unfassbar geile Musik, ich ver-

ehre sie sehr. Sie transportieren durch ihre Musik

eine unglaubliche Melancholie, erzeugen einer-

seits viele ruhige Momente und sind andererseits

total dynamisch – dann lassen sie es krachen bis

zum Gehtnichtmehr.

Ich höre aber auch gerne deutsche Musik, die in

die Richtung „Element of Crime“ geht. Und ich

mag Gisbert zu Knyphausen, seine Texte schätze

ich wirklich sehr.

Wir ziehen weiter zum Lustgarten und wandern

am Kupfergraben vorbei bis zur Monbijoubrü-

cke. Tiemo lehnt sich an die Brüstung und richtet

seinen Blick auf das Wasser des Kanals.

Einige Ausflugsschiffe schleichen dort so lang-

sam den Seitenarm der Spree entlang, als

würden sie ihren Passagieren den jungen Stutt-

garter Musiker als Berliner Attraktion präsen-

tieren. Einige Leute knipsen Erinnerungsfotos,

andere winken.

Tiemo lächelt und grüßt freundlich zurück. Dann

greift er seine Gitarre und wir spazieren weiter.

Jonas:

Die Klickzahlen einiger deiner Videos bei YouTube

kratzen an der Millionengrenze. Siehst du die Ver-

breitung deiner Musik über soziale Netzwerke als

wichtige Komponente deiner Arbeit, oder spielt

das für dich gar keine so große Rolle? Immerhin

wäre es noch vor zehn Jahren nicht so ohne Wei-

teres möglich gewesen, in so kurzer Zeit ein so

breites Publikum zu erreichen.

Tiemo:

Ich nehme das schon wahr, was da passiert, und

finde es immer wieder beeindruckend, welche

Macht so etwas entwickeln kann. Aber es gibt

natürlich auch negative Seiten daran: Durch die

Tatsache, dass Musik immer, überall und für

jeden verfügbar ist, geht in gewissem Maße auch

die Wertigkeit verloren. Man denkt ja einfach

nicht mehr darüber nach, wie viel Arbeit eigent-

lich dahinter steckt, wenn man so einen Song

schreibt, produziert und eventuell noch ein schö-

nes Video dazu macht.

Früher habe ich total gerne eine Schalplatte

genommen und von vorne bis hinten durchgehört.

Heute klickt man einfach nach einigen Sekunden

weiter, wenn’s nicht gefällt. Das finde ich irgend-

wie schade.

Heute klickt man einfach nach einigen Sekunden weiter, wenn’s nicht gefällt.

Das finde ich irgendwie schade.

Page 64: myp MAGAZINE #11
Page 65: myp MAGAZINE #11
Page 66: myp MAGAZINE #11
Page 67: myp MAGAZINE #11
Page 68: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Trotzdem muss deine Musik ja eine gewisse

Relevanz für etliche Menschen haben und sie an

einem bestimmten Punkt abholen, sonst wären

die Klickzahlen nicht so hoch.

Tiemo:

Das ist ja wiederum ein Aspekt, den ich daran

sehr mag: Ich kann in gewisser Weise in Klickzah-

len messen, wie gut oder schlecht meine Musik

ankommt. Allerdings ist das nicht vergleichbar

mit dem Feedback, das ich während eines Live-

Auftritts erhalte: Wenn ich während eines Kon-

zerts in die Gesichter der Menschen blicke und

dort genau ablesen kann, was meine Musik in

ihnen bewirkt und was sie gerade fühlen, ist das

etwas ganz Anderes.

Ab und zu passiert es, dass man im Publikum ein

Schniefen hört oder jemandem die Tränen run-

terkullern, weil ihn einer meiner Songs in seinem

tiefsten Inneren berührt hat. Eigentlich will ich

ja niemanden zum Weinen bringen - aber dieses

Feedback auf meine Musik ist dann so intensiv,

unmittelbar und authentisch, dass ich das in der

Form auf YouTube auch mit einer Million Klicks

nie erhalten könnte.

Jonas:

Sind diese intensiven Momente und Reaktionen

des Publikums auch mit ein Grund, warum du dich

dazu entschieden hast, ein Live-Album herauszu-

bringen?

Tiemo:

Ja, auf jeden Fall. Diese Momente, die man

gemeinsam mit dem Publikum erlebt, sind ein-

fach einmalig.

Bei Live-Alben spürt man die besondere Atmo-

sphäre beim Auftritt, das macht diese Platten ein-

fach magischer und auch ein Stückchen cooler als

Studioalben.

Jonas:

Wann ist die Entscheidung gefallen, ein Live-

Album zu produzieren?

Tiemo:

Als wir im Herbst 2012 unsere letzte Tour gespielt

haben, gab es irgendwann die Idee, eine Live-DVD

zu produzieren. Da so eine DVD aber wahnsin-

nig kostenintensiv ist und wir so etwas in dem

Moment gar nicht stemmen konnten, haben wir

uns als Alternative für ein Live-Album entschie-

den und schließlich das Konzert in Stuttgart mit-

geschnitten.

Jonas:

Das Album trägt den Titel „Zweihundertvierzig-

tausend“. Wie kam es zu diesem Namen?

Tiemo:

Wir waren in den letzten vier Jahren wirklich viel

unterwegs und hatten in der Zeit unzählige Miet-

wagen genutzt. Bei den Abrechnungen kann man

ja genau sehen, wie viele Kilometer man mit dem

jeweiligen Auto zurückgelegt hat.

Also haben wir uns mal den Spaß gegönnt, alle

Strecken zu addieren, und heraus kam diese ver-

rückte Zahl. Als wir uns dann irgendwann später

mal im Tourbus über diese riesige Summe unter-

halten hatten, kam plötzlich die Idee auf, dass

man dem Live-Album diesen Titel geben könnte.

Wenn meine Songs andere Menschen aufbauen, ist das die schönste Bestätigung, die ich mir vorstellen kann.

Page 69: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Du sagst von dir selbst, dass du ein Mensch bist,

der emotional Achterbahn fährt und diese extre-

men Gefühlshöhen und –tiefen irgendwie ausdrü-

cken muss. Gibt es einen Song von dir, der diese

Achterbahnfahrt in besonderer Weise beschreibt?

Tiemo:

Ich glaube, dass man meine Achterbahnfahrt der

Gefühle weniger an einem einzelnen Song ablesen

kann. Wenn man aber alle meine Stücke zusam-

men betrachtet, erkennt man sie schon eher. Die

meisten meiner Songs habe ich geschrieben,

wenn ich gerade ein Tief hatte und besonders gut

reflektieren konnte. Bei emotionalen Hochs war

ich eigentlich eher mit Freunden unterwegs und

hatte weniger das Bedürfnis, einen neuen Song zu

kreieren.

Interessanterweise hat das Schreiben aber

immer geholfen, von einem Tief wieder in ein

Hoch zu kommen, und hat so gewissermaßen die

Achterbahn nach oben getrieben.

Jonas:

Erfährst du von deinen Fans ähnliche Feedbacks?

Haben deine Stücke das Potenzial, Menschen von

einem Tief in ein Hoch zu schießen?

Tiemo:

Derartige Feedbacks erhalte ich immer wieder,

vor allem über das Internet. Dafür ist dieses

Medium ja wiederum ideal, weil es eine unmit-

telbare und spontane Reaktion auf meine Musik

erlaubt. Wenn meine Songs andere Menschen

aufbauen, ist das die schönste Bestätigung, die

ich mir vorstellen kann.

Gerade in Momenten, wo ich mir mal wieder nicht

sicher bin, ob ich das alles nur für mich mache,

oder ob auch andere irgendetwas davon haben,

treiben mich solche Feedbacks an, immer weiter-

zumachen mit meiner Musik. Und das macht mich

glücklich.

Wieder halten wir an und genießen mit Blick

auf den Kanal die letzten warmen Sonnenstrah-

len. Unbeirrbar fließt das Wasser an uns vorbei,

immer nach vorne, immer geradeaus.

Es kann gar nicht anders.

Tiemo lehnt an einem Geländer und schweigt. Für

einen Moment scheint er eins zu werden mit den

Jahrhunderte alten Bauwerken um ihn herum,

die unzählige Geschichten vom Leben erzählen

könnten. Man müsste ihnen nur aufmerksam

zuhören.

Ein zufriedenes Lächeln breitet sich auf dem

Gesicht des jungen Musikers aus, seine hell-

blauen Augen funkeln im Licht der Nachmittags-

sonne.

Manchmal braucht es nur einen entspannten Tag

zwischen zwei Wintern, um glücklich zu sein.

Mit einem Meer warmer Sonnenstrahlen.

Und guter Musik.

Page 70: myp MAGAZINE #11
Page 71: myp MAGAZINE #11
Page 72: myp MAGAZINE #11

LiebetrauJasmin

JASMIN LIEBETRAU IST 32 JAHRE ALT,

INTERIOR DESIGNERIN UND LEBT IN BERLIN.

WWW.MUSKAT18.DE

BE BERLIN DESIGN-SOUVENIR AWARD

Page 73: myp MAGAZINE #11

LiebetrauJasmin

Page 74: myp MAGAZINE #11
Page 75: myp MAGAZINE #11
Page 76: myp MAGAZINE #11
Page 77: myp MAGAZINE #11

Souvenir

Ein Menschenleben stelle ich mir als eine große

Collage von Momenten vor. Besondere Momente

passieren einfach und werden irgendwann zu

Erinnerungen. Zeit spielt dabei eine große Rolle.

Es kann ein Jahr, ein Monat, ein Tag oder nur

ein einziger Augenblick sein, den ich als bloße,

gedankliche Erinnerung in meinem Kopf fest-

halten kann.

Mit kleinen Objekten und Dingen jedoch gebe ich

persönlichen Erlebnissen eine sichtbare Form.

Steine, Holzstücke, Miniaturen oder Figuren,

bewahren für mich symbolisch das Andenken an

einen bestimmten Ort, ein wichtiges Ereignis und

diese Zeit.

Jedes Souvenir ist zugleich auch ein wertvolles

Fundstück, das in selbstgebauten Holzkästchen

seinen Platz findet und meinen Erinnerungen zu

einer besonderen Kollektion werden lässt.

TEXT: JASMIN LIEBETRAU

FOTO: MAXIMILIAN KÖNIG

Sammlung

Page 78: myp MAGAZINE #11

SolankiNirav

Page 79: myp MAGAZINE #11

NIRAV SOLANKI IS A 31-YEAR-OLD PHOTOGRAPHER

LIVING IN LONG BEACH, CALIFORNIA.

WWW.NIRAVSOLANKI.COM

SolankiNirav

Page 80: myp MAGAZINE #11
Page 81: myp MAGAZINE #11
Page 82: myp MAGAZINE #11

The Colors

I recently visited Flagstaff, Arizona to shoot a

wedding for a client of mine and since Flagstaff is

well over 8 hours from where I reside, I decided to

go exploring while I was there.

Arizona is truly a magnificent state that has so

much natural beauty that one can appreciate,

especially for a photographer.

This particular photo was taken at the Sunset

Crater Volcano National Monument Park. I was

moved by the texture and the colors of earth.

In the background, the mountains add depth to the

entire image. I stood for a few minutes embracing

this magnificent sight that is not seen everyday.

This sight was only one of many I had witnessed

on my journey.

TEXT & PHOTO: NIRAV SOLANKI

of Earth

Page 83: myp MAGAZINE #11
Page 84: myp MAGAZINE #11

HerrenknechtJoa

JOA HERRENKNECHT IST 30 JAHRE ALT,

PRODUKT- UND GRAFIKDESIGNERIN UND LEBT IN BERLIN

WWW.JOA-HERRENKNECHT.COM

BE BERLIN DESIGN-SOUVENIR AWARD

Page 85: myp MAGAZINE #11

HerrenknechtJoa

Page 86: myp MAGAZINE #11
Page 87: myp MAGAZINE #11
Page 88: myp MAGAZINE #11

Entdeckungs-

INTERVIEW & TEXT: JONAS MEYER

FOTOS: MAXIMILIAN KÖNIG

reise

Wer offen ist für fremde Städte, Länder und

Kulturen, der weiß, dass die wahren Schätze

meist abseits allgemeiner Trampelpfade liegen.

Es bedarf nur etwas Mut und Neugier, um die

gewohnten Wege zu verlassen und einzutauchen

in die unbekannte Welt der Seitenstraßen und

Hinterhöfe. Hier verstecken sich die spannend-

sten Geschichten, die nur darauf warten, gefun-

den und gehört zu werden.

Doch um wirklich Neues zu entdecken, muss man

gar nicht in die Ferne reisen: Oft genügt bereits

ein kurzer Abstecher in die Nachbarschaft. Oder

in den Berliner Stadtteil Friedrichshain.

Hier, wo sich die Frankfurter Allee wie eine pul-

sierende Hauptschlagader durch die Häuserrei-

hen gräbt, scheint die Geburtsstätte aller

geheimnishütenden Hinterhöfe zu sein. Nur

wenige Schritte braucht es von der U-Bahnsta-

tion Samariterstraße, um den Lärm der großen

Straße abzuschütteln und eine Oase der Ruhe zu

betreten.

In dieser Hinterhofoase hat sich vor einem Jahr

Joa Herrenknecht eingerichtet. Ihr Studio für

Grafik- und Produktdesign liegt im ersten Stock

eines stimmungsvollen Backsteinbaus. Hohe

Decken und große Fenster schaffen hier großzü-

gig Platz und Licht, um Gedanken fliegen und

Ideen wachsen zu lassen.

Mit einem freundlichen Lächeln empfängt uns

die junge Designerin an der Tür und gewährt

uns Einlass in ihr Reich. Wie kleine Kinder in

einem Süßwarenladen wissen wir gar nicht, wo

wir zuerst hinschauen sollen: In jeder Ecke des

hellen und großzügigen Studios türmen sich

Kleinode aus Entwürfen, Mustern, Skizzen, Pro-

totypen und Produkten. Man könnte hier Stunden

verbringen und Tage – und hätte immer noch

nicht alle Schätze entdeckt.

Auf einem Tisch in der Mitte des Raums ist gerade

ein überdimensionaler Berliner Stadtplan ausge-

breitet – eine Tischdecke, die Joa entworfen und

gemeinsam mit ihrem Praktikanten Sep umge-

setzt hat, um sie beim beBerlin Design-Souvenir

Award einzureichen. Es wird ein neues Andenken

für Berlin gesucht, das mehr Charakter hat als

die üblichen Kitschprodukte der zahllosen Sou-

venirläden der Stadt. Die junge Designerin gehört

zu den 20 Nominierten, die es mit ihren Ideen in

die letzte Wettbewerbsrunde geschafft haben.

Page 89: myp MAGAZINE #11
Page 90: myp MAGAZINE #11
Page 91: myp MAGAZINE #11
Page 92: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Du bist in Kanada geboren und hast bereits in

Städten wie Mailand, New York oder Sydney

gelebt – deine Vita liest sich wie eine kleine Wel-

treise.

Joa (lächelt):

Ja, das stimmt. Schon als Kind durfte ich viele

verschiedene Ecken der Welt kennenlernen, weil

meine Eltern oft und gerne gereist sind. Dieses

Gen habe ich wohl geerbt. Die meiste Zeit meines

Lebens habe ich aber tatsächlich in Süddeutsch-

land verbracht: Ich bin in unmittelbarer Nähe zur

französischen und schweizer Grenze aufgewach-

sen und habe später dann an der HfG in Karlsruhe

Produktdesign studiert.

Jonas:

Erinnerst du dich noch, warum du dich gerade für

Produktdesign entschieden hast?

Joa:

Eigentlich wollte ich zuerst Architektur studie-

ren und habe deshalb auch vor dem Studium ein

Praktikum bei einem Architekten gemacht. Der

hat mir aber dringend davon abgeraten, weil man

als selbständiger Architekt nicht wirklich viel

bauen kann, und meinte, dass Design viel interes-

santer und kreativer wäre.

Ich wollte immer etwas erschaffen, daher habe ich

mich für Produktdesign entschieden. Im Endef-

fekt war diese Entscheidung auch super, weil mir

das Studium total Spaß gemacht hat und es an

der HfG auch viele Freiheiten, eine tolle Werkstatt

und gute Profs gab.

Nur bleibt nach dem Studium natürlich fast nie-

mand dort, die meisten ziehen weg in größere

Städte.

Jonas:

Dich selbst hat es ja auch nicht in Karlsruhe

gehalten: Nach deinem Abschluss bist du direkt in

die USA gegangen.

Joa:

Ich wollte einfach ins Ausland und bin daher für

einige Zeit nach New York gezogen. Von dort ging

es dann weiter nach Sydney, wo ich noch ein

Grafikstudium drangehängt habe – und wo ich

eigentlich auch bleiben wollte.

Jonas:

Aber?

Joa:

Ein Freund von mir wollte sich gemeinsam mit

mir in Berlin selbständig machen, also bin ich

letztes Jahr zurück nach Deutschland gekommen.

Die Idee mit der Selbständigkeit war immer da:

Mit 30 ist man für so einen Schritt im besten Alter.

Und so langsam sollte man eh mal in die Puschen

kommen, wenn man später eine eigene Family

will.

Aber aus unserem gemeinsamen Plan wurde

nichts. Und ich habe mir gedacht: Wenn ich ja eh

schon hier bin, kann ich das auch einfach alleine

machen.

Ich versuche schöne Dinge zu erschaffen, andenen sich andere Menschen erfreuen oder etwas damit anfangen können.

Page 93: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Das hört sich alles sehr nach „easy going“ an.

Joa (lacht):

Ist ja auch alles nicht so schwer: Man besorgt sich

ein Ticket und fliegt einfach.

Aber im Ernst: So „easy going“ ist der Schritt

in die Selbständigkeit natürlich nicht, ganz im

Gegenteil: Das ist eine wirklich große und wich-

tige Entscheidung im Leben. Letztendlich bin ich

diesen Weg gegangen, weil ich nach wie vor etwas

erschaffen wollte und es dazu für mich keine

bessere Möglichkeit gab. Nach meinem ersten

Jahr in der Selbständigkeit kann ich guten Gewis-

sens sagen: richtige Entscheidung, super Job!

Jonas:

Zu deinem Team gehören mittlerweile zwei Prak-

tikanten und ein Freelancer. War es schwierig, für

dein Studio gute Leute zu finden?

Joa:

Nein, ganz im Gegenteil. Ich erhalte richtig viele

Anfragen für Praktika. Und so blöd es sich auch

anhören mag: Die momentane Wirtschaftskrise

in vielen europäischen Ländern treibt die talen-

tiertesten und motiviertesten jungen Leute nach

Berlin. Die Stadt zieht einfach magisch an – wäre

ich in Karlsruhe ansässig, wären die Anfragen

wohl nicht so zahlreich.

Jonas:

Dieser Berlin-Faktor ist also für dein Studio ein

Bonus?

Joa:

Absolut. Das Gute an Berlin ist, dass es einem

eine so immense Freiheit lässt – alleine durch

die Tatsache, dass das Leben hier günstig ist und

man nicht im Verkehrschaos versinkt. Das wäre in

New York oder London so nicht denkbar. Ich kann

hier entspannt arbeiten und dabei trotzdem den

internationalen Markt bedienen, meine Kunden

kommen aus aller Welt.

In Berlin findet man diese besondere Kombination

aus neu-deutscher Lässigkeit und urdeutscher

Verlässlichkeit, das funktioniert ziemlich gut.

Insgesamt steckt eine unglaubliche Kraft und

Energie in der Stadt, das ist echt toll.

Jonas:

Wer sich selbständig macht, sieht ja irgendwo

einen Bedarf, auf den er mit seinem Angebot

reagieren will. Wie sieht das bei dir aus?

Joa:

Es ist nicht so, dass die Welt unbedingt noch

einen weiteren Stuhl bräuchte – das ist mir dur-

chaus bewusst. Aber darum geht es mir auch gar

nicht. Meinen Beruf verstehe ich mehr als ein

Geben und weniger als ein Nehmen. Ich versuche

schöne Dinge zu erschaffen, an denen sich andere

Menschen erfreuen oder etwas damit anfangen

können. Meine Leuchten sind dafür ein gutes

Beispiel, so etwas mache ich echt gerne – und

bisher klappt es.

Page 94: myp MAGAZINE #11
Page 95: myp MAGAZINE #11
Page 96: myp MAGAZINE #11
Page 97: myp MAGAZINE #11
Page 98: myp MAGAZINE #11

Wir unterbrechen für einen Moment, denn Joa

hat vorgeschlagen, unser Gespräch im Freien

fortzusetzen. Wir greifen unser Equipment und

begleiten die Designerin durch eine Tür zu einer

Treppe, die in die oberen Etagen des Backstein-

baus führt. Joas Kollegen fahren ihre Rechner

runter und folgen uns mit Gläsern und Geträn-

ken. Es ist 18:00 Uhr, sozusagen Feierabend.

Oben angekommen öffnet man uns die Pforte ins

Freie: Wir betreten eine kleine Dachterrasse, die

uns einen wundervollen Blick über die Haupt-

stadt schenkt.

Jonas:

Du warst schon an so vielen Orten auf der Welt.

Wie beeinflussen diese Reisen dein Design?

Joa:

Alles, was du gestern, heute oder morgen erlebst,

geht in irgendeiner Art und Weise in deine Ent-

würfe ein. Denn überall, wo du auf der Welt

unterwegs bist, siehst du Dinge, die du richtig gut

findest und bei denen du dich fragst, wie du sie

am besten in einer neuen Idee verarbeiten kannst.

Das Problem ist eigentlich nur, dass die ganzen

Eindrücke und Erlebnisse eine riesige Bildersam-

mlung in deinem Kopf erzeugen, die du erst einmal

ordnen musst. Am Anfang eines neuen Projekts

steht nämlich immer ein großes Fragezeichen –

und du brauchst das passende Bild aus deiner

Erinnerung, um dich inspirieren zu lassen das

Fragezeichen aufzulösen.

Jonas:

Deine Kreativität wird also aus einer Vielzahl von

Erinnerungen befeuert...

Joa:

Ja, in gewisser Weise schon. Deshalb mag ich

auch unsere Idee mit dem Berliner Stadtplan in

Form einer Tischdecke so, mit dem wir uns beim

Design-Souvenir Award beworben haben. Es ist

einfach eine schöne Vorstellung, gemeinsam am

Küchentisch zu sitzen und sich gegenseitig die

vielen Orte der Stadt zu zeigen, an die man ganz

bestimmte Erinnerungen und Erlebnisse knüpft –

das ist wie eine kleine Entdeckungsreise!

Wir haben die Tischdecke übrigens ganz bewusst

von Hand gezeichnet und sie nicht klinisch rein

gehalten, damit man darauf rumkritzeln oder eine

Stelle einkringeln kann. In Berlin wird ja auch an

jeder Ecke getagged und gesprüht.

Jonas:

Du hast die Stadt in den letzten Monaten sicher

auch ausführlich erkundet. Stößt du hier auf viele

Orte oder Dinge, bei denen du das Gefühl hast,

dass sie dringend verbessert oder verschönert

werden müssten?

Joa:

Ja, das passiert tatsächlich öfter. Man glaubt ja

nicht, wie sehr ein Charakter von seiner Form

beeinflusst wird – und welche Stimmungen diese

Form erzeugen kann.

Man muss sich nur folgende drei Situationen vor-

stellen: Man steht in einer Bruchbude, im Super-

markt oder in einem Spa. Wenn man sich jetzt zu

allen drei Orten eine Stimmung überlegen müsste,

wäre dies bei jedem Ort total verschieden.

Wenn draußen auf der Straße so viel los ist, braucht man einfach einen Rückzugsort, an dem man sich wohlfühlt.

Page 99: myp MAGAZINE #11

Die Stimmung lässt sich variieren, indem man

die Atmosphäre eines Raums verändert. Und das

passiert im Wesentlichen über Formen, Farben

und Licht.

Das ist übrigens dasselbe wie bei Kleidung, im

Prinzip ist es alles eins. Man muss dabei nur auf-

passen, dass man selbst nicht zu oberflächlich

wird und beispielsweise darüber richtet, wie

gut oder schlecht jemand zu Hause eingerichtet

oder gekleidet ist, denn der Mensch dahinter ist

natürlich immer wichtiger als die Fassade. Schön-

heit schützt nicht vor einem schlechten Charakter,

aber das ist ja klar.

Bei meiner Arbeit geht es mir auch nicht darum,

unbedingt die teuersten Gegenstände in einem

Raum zusammenbringen zu müssen. Mir ist ein-

fach wichtig, das Umfeld positiv zu beeinflussen:

Wenn ich jemandem dabei helfen kann, seine

Wohnung ein Stückchen schöner zu machen,

freue ich mich total.

Denn wenn draußen auf der Straße so viel los ist,

braucht man einfach einen Rückzugsort, an dem

man sich wohlfühlt. Ästhetik kann man auch mit

geringen finanziellen Mitteln schaffen - aber das

Interesse dafür ist wichtig.

Jonas:

Hast du eine Vision, in welche Richtung sich dein

Studio entwickeln soll?

Joa:

Ich will in Zukunft auf jeden Fall mehr selbst pro-

duzieren. Oft stehen wir vor dem Problem, dass

wir einen Prototypen haben, der erfolgreich in

der Presse ist, aber den wir nicht schnell genug

als Endprodukt raushauen können, weil entweder

ein vernünftiger Produzent fehlt oder die Einzel-

produktion zu teuer ist.

Daher will ich in Zukunft mehr mit Produktion-

spartnern und an Wegen zur direkten Vermark-

tung arbeiten. Wenn jemand mich anruft und sagt,

das und das will ich haben, dann will ich in der

Lage sein zu sagen ‘Ja, hier gibt es das... und der

Preis ist auch okay’ - Außerdem will ich gerne ein

Café oder Restaurant einrichten, überhaupt wird

Inneneinrichtung immer wichtiger.

Jonas:

Hast du selbst eigentlich ein Lieblingsstück?

Joa:

Als Kind hatte ich immer eine Decke, die ich so

geliebt habe, dass ich mir sicher war, später mal

mit ihr begraben zu werden. Und wer weiß, viel-

leicht interpretiere ich irgendwann mal diese

Decke neu und produziere sie - es wäre über-

haupt ein sehr schönes Ziel, ein Lieblingsstück für

jemanden zu entwerfen.

Wir stoppen das Aufnahmegerät. Für einige

Minuten lassen wir unseren Blick über die zahl-

losen Dächer Berlins wandern.

Wie viele Seitenstraßen und Hinterhöfe mag es

noch geben in dieser Stadt? Und wie viele Schä-

tze mögen dort wohl darauf warten, endlich ent-

deckt und gehoben zu werden?

Joa dreht ihr Gesicht in die Abendsonne und

lächelt zufrieden. Ihre Entdeckungsreise hat

gerade erst begonnen.

Dazu braucht sie keinen Stadtplan.

Aber vielleicht eine Tischdecke.

Page 100: myp MAGAZINE #11
Page 101: myp MAGAZINE #11
Page 102: myp MAGAZINE #11

maddafakkaKakk

Page 103: myp MAGAZINE #11

AXEL UND PÅL VINDENES SIND MITGLIEDER DER BAND

KAKKMADDAFAKKA UND LEBEN IN BERGEN, NORWEGEN.

WWW.KAKKMADDAFAKKA.COM

maddafakkaKakk

Page 104: myp MAGAZINE #11
Page 105: myp MAGAZINE #11
Page 106: myp MAGAZINE #11
Page 107: myp MAGAZINE #11

Alle

Die Orte, an denen man die Zeit vergessen kann,

sind rar geworden in Berlin. Aus allen Ritzen des

jungen Hauptstadtbetons drückt sich mittler-

weile ein klebriges Höherschnellerweiter, das

wie Baumharz an Fingern und Kleidung haftet.

Unterlegt von einem ewig-wummernden Beat

kriecht es langsam die zahllosen neuen Glasfas-

saden herab, um sich wie ein Klebefilm über die

Straßen zu legen und auch die letzten Bastionen

der Zeitlosigkeit zu erobern.

Ein Entkommen scheint kaum möglich – es sei

denn, man ist mobil. Und so treibt es Rosmarie

Köckenberger mit ihrem „Kjosk“ von Saison zu

Saison in eine andere Ecke Berlins, die noch nicht

von dem klebrigen Höherschnellerweiter erfasst

wurde. Der „Kjosk“, das ist eigentlich ein Doppel-

decker-Bus, gebaut im Jahr 1965 und die meiste

Zeit seines Lebens im Dienste der Berliner Ver-

kehrsbetriebe unterwegs.

Doch das war einmal. Mittlerweile genießt der

Best Ager in vollen Zügen seinen Ruhestand. Und

erlebt gleichzeitig seinen zweiten Frühling. Vor

kurzem hat das rollende Hierdarfstduglücklich-

sein einen neuen Standort erobert und bietet in

der Cuvrystraße im Nordosten Kreuzbergs alles,

was das Herz begehrt: Kaffee, Bier, Eis am Stiel,

Nintendo-Games aus den Neunzigern und lecker

Kuchen mit Sahne oder ohne. Alles liebevoll. Und

unaufgeregt.

Hier wollen wir heute Nachmittag Axel und Pål

Vindenes treffen, die quasi als Repräsentanten

ihrer Band Kakkmaddafakka aus dem schönen

Bergen nach Berlin gereist sind.

Gott sei Dank, will man fast sagen, denn es wäre

mit dem kompletten Aufgebot der insgesamt fünf

Musiker und drei Backgroundtänzer wohl etwas

eng geworden in dem kleinen Bus.

Wir sind eine halbe Stunde zu früh. Unser Foto-

graf Maximilian König hat also alle Zeit der Welt,

um das Equipment aufzubauen und die Location

zu inspizieren. Als wir uns wenig später im Erd-

geschoss des „Kjosk“ einen kleinen Vorabkaffee

gönnen wollen, schallt aus der ersten Busetage

plötzliches Gelächter. Neugierig steigen wir die

schmale Treppe nach oben und entdecken Axel

und Pål, die ausgelassen an den alten Nintendo-

Konsolen rumdaddeln.

Vorbildlich, die Beiden sind schon da! Herzlich

willkommen in Berlin. Und herzlich willkommen

im „Kjosk“.

INTERVIEW & TEXT: JONAS MEYER

FOTOS: MAXIMILIAN KÖNIG

Zeit der Welt

Page 108: myp MAGAZINE #11
Page 109: myp MAGAZINE #11
Page 110: myp MAGAZINE #11
Page 111: myp MAGAZINE #11
Page 112: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Seit heute ist euer neues Album „Six months is

a long time“ offiziell erhältlich. Wie geht’s euch

damit, dass euer drittes Baby nun endlich das

Licht der Welt erblickt hat?

Axel:

Das fühlt sich absolut großartig an! Wir haben

ziemlich lange an dieser Platte gearbeitet und

sind daher total froh, dass wir den Leuten wieder

viele neue Kakkmaddafakka-Songs vorstellen

können.

Jonas:

Erinnert ihr euch, wann die allererste Idee zu

diesem Album entstanden ist?

Pål:

Wir haben eigentlich schon direkt mit dem Release

unseres zweiten Albums „Hest“ damit begonnen,

neue Songs zu schreiben – und das auch seitdem

kontinuierlich getan.

Jonas:

Ihr habt in den letzten zwei Jahren so viele

Konzerte und Festivals gespielt, dass ihr quasi

„always on the road“ gewesen seid. Wie ist es

euch gelungen, da noch das Songschreiben

dazwischenzuschieben?

Pål:

Wir gönnen uns selbst nicht wirklich viel Frei-

zeit und arbeiten hart, egal ob wir gerade unter-

wegs sind oder zuhause in Bergen sitzen. Es gibt

Leute, die uns das gar nicht abnehmen. Wenn sie

unsere ausgelassenen Shows sehen, glauben sie,

dass alles so easy ist, wie es auf der Bühne wirkt.

Welche Kraftanstrengung hinter dem Ganzen

steht, davon haben sie leider keine Ahnung.

Jonas:

Ihr setzt in eure Auftritte ein enormes Maß an

Kraft und Energie, die ihr auf das Publikum über-

tragt. Woher nehmt ihr eure Power?

Axel:

Wenn du nicht wirklich liebst, was du da tust,

funktioniert es nicht. Dann wärst du nach wenigen

Tagen einfach total fertig. Uns macht diese Arbeit

richtig Spaß und wir haben uns vor langer Zeit

dazu entschieden, unsere gesamte Aufmerksam-

keit auf die Musik zu richten. Wir wissen, dass wir

für eine gute Sache arbeiten, und das treibt uns

an. Außerdem könnten wir eh nicht lange stillsit-

zen, ohne irgendetwas zu tun.

Jonas:

Wie würdet ihr den Sound eures neuen Albums

beschreiben? Was hat sich verändert?

Page 113: myp MAGAZINE #11

Pål:

Insgesamt gibt es gar keine so großen Verände-

rungen im Kakkmaddafakka-Sound, die Songs

sind einfach nur etwas ruhiger. Der größte Unter-

schied zu „Hest“ ist wohl, dass wir diesmal die

Platte in einem wesentlich besseren Studio auf-

nehmen konnten.

Axel:

Ich würde es mal so formulieren: Während wir

durch „Hest“ erst nach und nach gelernt haben,

wie man gute Songs schreibt, konnten wir das bei

„Six months is a long time“ von Anfang an prak-

tizieren. Alle Tracks auf der neuen Platte sind

mit der gleichen Technik entstanden wie nur die

besten auf „Hest“.

Jonas:

Hilft es euch beim Songschreiben, dass ihr alle

eine klassische Musikausbildung habt?

Pål:

Für mich persönlich spielt das keine große Rolle.

Ich schreibe Songs eher instinktiv und überlege

nicht wirklich, wie ich systematisch die Sache am

besten angehen könnte.

Axel:

Das stimmt. Sie hilft uns auch nicht bei der Art

und Weise, wie wir unsere Instrumente spielen.

Aber trotzdem hat diese klassische Musikausbil-

dung einen entscheidenden Vorteil:

Wir sind bereits in sehr jungen Jahren mit Musik

in Berührung gekommen, die dadurch schon recht

früh ein wichtiger Teil unseres Lebens wurde.

Man entwickelt so eine ganz bestimmte Art und

Weise, mit Musik umzugehen, und lernt viel über

die Bedeutung und Wirkung z.B. von Melodien.

Trotzdem machen wir immer noch Popmusik

und verfolgen daher einen ganz anderen Ansatz:

Es geht uns nicht in erster Linie darum, die Ins-

trumente perfekt zu beherrschen. Wir wollen

vielmehr eine Geschichte erzählen. Ich würde

übrigens auch nie von uns selbst behaupten, dass

wir die allerbesten Sänger oder Gitarrenspieler

sind – obwohl uns viele Leute sagen, dass wir gut

seien. Das schätze ich wirklich sehr.

Pål (lacht):

Die haben wahrscheinlich auch noch nie einen

richtig guten Sänger oder Gitarrenspieler gehört.

Unser Vater beispielsweise hat eine klassische

Gitarrenausbildung, der ist wirklich extrem gut.

Aber er übt auch jeden Tag zwei bis drei Stunden,

und das mit seinen 45 Jahren.

Aber ganz im Ernst: Natürlich ist es ein Kom-

pliment, wenn einem die Leute sagen, man sei

gut. Ich selbst würde dieses Kompliment aber in

erster Linie auf unseren Pianisten Jonas Nielsen

beziehen, der beherrscht sein Instrument näm-

lich absolut großartig.

Es geht uns nicht in erster Linie darum, die Instrumente perfekt zu beherrschen.

Wir wollen vielmehr eine Geschichte erzählen.

Page 114: myp MAGAZINE #11
Page 115: myp MAGAZINE #11
Page 116: myp MAGAZINE #11
Page 117: myp MAGAZINE #11
Page 118: myp MAGAZINE #11

Bei uns ist alles mehr oder weniger wie am ersten Tag, es gibt nur eine einzige Regel: die „rule of being cool“.

Jonas:

Gibt es auf dem neuen Album einen Song, der

euch besonders beschäftigt hat?

Axel:

Oh ja, das ist der Song „Saviour“. Ich habe echt

seit vielen Jahren versucht, ein Stück wie dieses

zu schreiben, aber ich habe es nie hinbekommen.

Ich hatte eigentlich schon aufgegeben – aber

zack! Plötzlich war der Song da. Ich dachte: Das

kann doch nicht wahr sein! Warum klappt das mit

einem Mal so einfach, was seit Ewigkeiten nicht

klappen wollte?

Vielleicht lag es daran, dass wir wild gefeiert

hatten und am Tag darauf total im Off waren.

Jedenfalls war der Song danach von jetzt auf

gleich in meinem Kopf.

Jonas:

Bringen sich alle Bandmitglieder in ähnlicher Art

und Weise ein, wenn es darum geht, neue Songs

zu schreiben? Oder habt ihr da eine gewisse Hie-

rarchie?

Pål:

Jeder bringt sich ein und trägt Ideen vor. Wenn

eine Idee gut ist und funktioniert, ist es egal, von

wem sie kam. Es zählt dann nur das Ergebnis,

einzig und allein der Song entscheidet.

Wir entscheiden uns, die Treppen nach unten zu

steigen und im Freien einige Fotos zu schießen.

Vor dem Bus sind liebevoll einige Holzbänke auf-

gebaut, auf denen man stundenlang verweilen

könnte.

Axel und Pål machen es sich gemütlich und

lassen sich geduldig von Max fotografieren. Auch

wenn ihr Terminkalender heute randvoll ist mit

Interviews und Promo-Terminen, wirken sie

gerade, als hätten sie alle Zeit der Welt.

Jonas:

Ihr habt mit „Restless“ vor wenigen Jahren einen

Song geschaffen, der mittlerweile fester Bestand-

teil der Indie-Kultur ist und dort bereits jetzt als

Klassiker gelten kann. Dementsprechend verbin-

den unzählige Menschen diesen Track mit ganz

bestimmten Situationen oder Gefühlen. Gibt es in

eurem Leben auch derartige, besondere Songs?

Axel:

Dass du „Restless“ als Klassiker bezeichnest, ist

echt schön zu hören. Vielen Dank dafür! Es ist ja

auch tatsächlich unser Bestreben, zeitlose Musik

zu machen. Und wenn dadurch wirklich ein oder

mehrere Klassiker entstehen sollten, ist das

natürlich toll.

Richtige Klassiker sind übrigens auch unsere

wichtigste Inspirationsquelle, man nehme nur so

großartige Songs wie „Africa“ von Toto oder „Dan-

cing Queen“ von Abba. Und natürlich gibt es auch

für uns ganz bestimmte Lieder, die mit besonde-

ren Stimmungen und Gefühlen verknüpft sind.

Jede Stimmung hat quasi ihren eigenen Song.

Jonas:

Und für welche Stimmung ist die Kakkmaddaf-

akka-Musik gemacht?

Page 119: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Und für welche Stimmung ist die Kakkmadda-

fakka-Musik gemacht?

Pål:

Wir versuchen, in unserer Musik in erster Linie

diejenigen Lebenssituationen zu beschreiben und

zu verarbeiten, die wir selbst erlebt haben – und

die sind sehr, sehr unterschiedlich. Ich glaube

daher, dass wir für sehr viele Stimmungen den

jeweiligen Song parat haben.

Jonas:

Ihr habt euch bereits im Jahr 2004 gegründet. Hat

sich seitdem etwas innerhalb eurer Freundschaft

verändert?

Axel:

Nein, überhaupt nicht. Ich erkenne keinen Unter-

schied zwischen damals und heute. Aber eigent-

lich denken wir auch nicht wirklich über so etwas

wie Zeit nach. Bei uns ist alles mehr oder weniger

wie am ersten Tag, es gibt nur eine einzige Regel:

die „rule of being cool“.

An einer Häuserwand im Hintergrund prangt ein

überdimensionales 198 Streetart-Painting, das

wie ein Mahnmal wirkt gegen jenes ewige Höher-

schnellerweiter, das diese wunderschöne Ecke

Berlins bisher Gott sei Dank verschont hat. Ein

Geschäftsmann ist dort dargestellt, gesichts- und

namenlos. An beiden Händen trägt er schwere

Uhren aus Gold, die ihn in Ketten legen und für

immer die Zeit ketten.

Jonas:

Hattet ihr auch von Anfang an das Gefühl, musika-

lisch gut zueinander zu passen?

Pål:

Wir haben alle eine sehr, sehr ähnliche Einstel-

lung, was die Musik aber auch den Spaß angeht.

Es liegt auch irgendwie etwas ganz Besonderes

in der Luft, wenn wir zusammen auf der Bühne

stehen und spielen – und diese Energie spüren

auch die Leute im Publikum.

Axel:

Wir haben in unserem Leben ja auch noch nie

mit jemand anderem gespielt und kennen daher

gar nichts anderes. Für uns ist dieses Besondere

eigentlich total normal.

Jonas:

Wie und wo habt ihr eigentlich eure drei männli-

chen Backgroundsänger aufgegabelt? Die Jungs

sind ja mittlerweile ein echtes Markenzeichen

eurer Band.

Axel:

Ach, die waren plötzlich einfach da, das muss

wohl um das Jahr 2006 gewesen sein.

Wir wollten ursprünglich nur mit mehr Leuten

abhängen, wenn wir unterwegs oder auf Tour

waren, und dadurch die Band etwas größer

machen. Die Jungs standen irgendwann einfach

mit auf der Bühne und sind quasi dort geblieben.

Das ist die ganze Story. Unglücklicherweise hat

sich vor kurzem einer der Drei verletzt, aber er

spielt jetzt unsere Percussions und die anderen

beiden tanzen weiter.

Page 120: myp MAGAZINE #11
Page 121: myp MAGAZINE #11
Page 122: myp MAGAZINE #11

Bei Musik geht es nicht darum,ein guter Musiker zu sein. Bei Musik geht esdarum, dass sie echt ist. Und von Herzen kommt.

Page 123: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Ihr lebt alle nach wie vor in Bergen. Ist das ein

guter Ort, um kreativ arbeiten zu können?

Pål (grinst):

Ja, absolut! Es regnet einfach so viel, dass einem

gar nichts anderes übrig bleibt, als zuhause zu

sitzen und irgendetwas zu machen.

Aber im Ernst: Bergen ist richtig toll. Die Land-

schaft ist unglaublich schön, man kann alles zu

Fuß erreichen und wir haben ein tolles Studio

dort. Auch viele andere Bands tummeln sich in

der Stadt.

Jonas:

Und welches Andenken an eure Heimatstadt tragt

ihr mit euch, wenn ihr gerade irgendwo auf der

Welt unterwegs seid? Welche Bilder habt ihr im

Kopf?

Pål:

Ich würde auf jeden Fall sagen, dass ich an das

Meer und die Berge denke – absolut spektakulär!

Axel:

Das stimmt, Bergen ist untrennbar mit dieser

schönen Naturkulisse verbunden. Ich mag es

außerdem, dass es da so hanseatisch und inter-

national zugeht. Es macht mich total stolz, diese

offene Stadt in der Welt repräsentieren zu dürfen.

Und ich hoffe, dass Bergen auch ein wenig stolz

auf uns ist – auch wenn wir nicht überragend sind

in dem, was wir tun.

Wir lieben es einfach, Musik zu machen, und

freuen uns riesig, wenn uns die Leute sagen, dass

wir tolle Songs schreiben.

Und darauf kommt es doch eigentlich an, oder?

Bei Musik geht es nicht darum, ein guter Musiker

zu sein. Bei Musik geht es darum, dass sie echt ist.

Und von Herzen kommt.

Langsam müssen wir uns verabschieden, denn

in wenigen Stunden fliegen die beiden Musiker

zurück nach Bergen.

Für einen kurzen Moment wirkt es, als hätte man

aus der bemalten Häuserwand im Hintergrund

ein lautes Seufzen gehört. Vielleicht wäre er ja

gerne mitkommen, der große Gefangene der Zeit.

Aber er kann einfach nicht, denn er ist gefesselt

an die Uhr. Und das zähe Höherschnellerweiter

klebt schon viel zu lange an ihm.

Axel und Pål lässt das gänzlich unbeeindruckt,

auf ihren Gesichtern breitet sich das zufrie-

denste aller Lächeln aus. Und dabei scheint es,

als ob auch dem „Kjosk“ gerade ein leichtes Grin-

sen über die Motorhaube fahren würde.

Alle sind sich einig: Wer ein Rezept braucht

gegen das klebrige Harz des Höherschnellerwei-

ter, muss einfach zeitlos sein. Und einen Klassi-

ker erschaffen.

Bei den einen ist das ein Bus. Und bei den ande-

ren ein Song.

Dann hat man alle Zeit der Welt.

Page 124: myp MAGAZINE #11
Page 125: myp MAGAZINE #11
Page 126: myp MAGAZINE #11

BalssatAnja

ANJA BALSSAT IST 36 JAHRE ALT,

KOMMUNIKATIONSDESIGNERIN UND LEBT IN KÖLN.

WWW.TECHTICK.DE

Page 127: myp MAGAZINE #11

BalssatAnja

Page 128: myp MAGAZINE #11
Page 129: myp MAGAZINE #11
Page 130: myp MAGAZINE #11

Die

TEXT & FOTO: ANJA BALSSAT

Sekunde

Ich weiß nicht.Wer alles bestimmt.

Wem was gehört.Was mir gehört.

Aber ich habe einen Platz.Einen Platz.

Auf dem ich sitzen darf.Ein Stein.

Ein Stein unter einem Baum.Ein Baum.

Dessen Geäst grüngesiebte Lichter bricht.Von wohlwollenden Wolken umsäumt.

In diesem Moment gehört mir eine Sekunde.Eine Sekunde.

Voll Licht.Eine Sekunde.

Für mich.

Nun gehört mir ein Stein.Er ist mein Thron.

Mir gehört ein Baum.Der mir ein Sombrero sein will.

Er dient mir.In der Sekunde meines Besitzes.

Die wohlwollenden Wolkentupfen.Akzentuieren den Moment.

Der mir gehört.Mir Sitzenden.

Unter einem Baum.

Umgeben von schillernden Lichtern.Bin ich unendlich reich.

Für immer gehört sie mir.Die Sekunde.

Page 131: myp MAGAZINE #11
Page 132: myp MAGAZINE #11

Isabella

Page 133: myp MAGAZINE #11

ISABELLA PIKART IST DESIGNERIN

UND LEBT IN BERLIN.

WWW.VAPORETTA.ORG

PikartIsabella

Page 134: myp MAGAZINE #11
Page 135: myp MAGAZINE #11
Page 136: myp MAGAZINE #11
Page 137: myp MAGAZINE #11

Mariana Magtaz, Kuratorin und Galeristin der

„Escola de Arte e Metal“ in São Paulo, bat mich zur

Eröffnung meiner Ausstellung, etwas auf Deutsch

auf eine grosse Wand mit Kreide zu schreiben. So

entstand über meine Arbeit mein Andenken an

diesen Moment:

Eine Reise in den Süden - „L‘Histoire de Mimi Cri“

São Paulo, 23.8.2012

Ein paar Steine auf der Straße, Sand der aus

Meiner Tasche rieselt, das Blau der Kacheln eines

Schwimmbads.

Erinnerungen an einen Sommertag, ein flüchti-

ger Moment, der ein Gefühl lässt, das bleibt. Es

klopft ein paar Jahre später an und ist wieder da.

So wird aus einem Kieselstein, einer Welle, einem

Sandkorn eine Zeichnung, ein Bild, eine Skulptur.

Meine Skulpturen wurden kleiner und tragbarer.

Sie wurden zu Schmuck, den wir an uns tragen

können.

Kleine Kreaturen, Lebewesen, ihre Namen sind

„Ouro Branco“, „Pool Blue“ und „Bicho“.

TEXT: ISABELLA PIKART

FOTO: ROBERTO BRUNDO

KleineKreaturen

Page 138: myp MAGAZINE #11
Page 139: myp MAGAZINE #11

JainSander

Ina &

INA JAIN IST 28 JAHRE ALT, SCHRIFTSTELLERIN UND

FREIE JOURNALISTIN UND LEBT IN BONN

SANDER JAIN IST 27 JAHRE ALT, FOTOGRAF UND

FOTOJOURNALIST UND LEBT IN BONN UND IN TOFINO, CANADA.

WWW.SANDERJAINPORTFOLIO.COM

Page 140: myp MAGAZINE #11
Page 141: myp MAGAZINE #11
Page 142: myp MAGAZINE #11

wir bringen fischen das fliegen bei

pinsel aus sternscherben rahmen wir welt

gebrannte kinder spucken kein feuer

wir schmelzen gleichzeit im werdewachs

warum wir

lichttropfen halten am feuerglas

wenn es dunkel bleibt

falte die nacht

wandler verglühen im werdegang

du bist nicht allein

im flachland keimt licht

alle farben weiß knüpfen die netzhaut

es schneit auf der lichtung aus glas

lichter irren nicht

wir sehen uns wieder

fliege mit fischen

sie kennen den weg

TEXT: INA JAIN

FOTO: SANDER JAIN

FliegendeFische

Page 143: myp MAGAZINE #11
Page 144: myp MAGAZINE #11

Andenkengegenüber

S: :-)

I: :-) Was bringt Dich zum Lachen?

S: Die Realität ist lustig an sich. Wenn ich es

schaffe, die Dinge für das zu sehen, was sie sind,

dann muss ich einfach schmunzeln.

I: Und jetzt?

S: Frage oder Antwort?

I: Frage.

S: Antwort?

I: Wohin gehst Du?

S: Ich gehe immer weiter zu mir selbst.

I: Woran orientierst Du Dich?

S: Ich folge bewusst und unbewusst meinem

Herzen, indem ich mich von meinen Träumen

leiten lasse und dem stelle oder ausweiche, was

mich quält. Ich laufe mir selbst entgegen.

Ich brauche das Gefühl zu wachsen und niemals

damit aufzuhören. Mich inspiriert unendliches

Werden.

I: Im Fluss oder auf der Flucht?

S: Mein Ideal ist, mit dem Weg zu fließen, mein

Weg zu sein, in und mit jedem Moment. Aber oft

bleibe ich hängen und habe das Gefühl, alles

rauscht vorbei. Es ist ein Wechselspiel, durch das

ich mir immer bewusster werde. Mein Weg ist die

einzige Zuflucht, die einzige Orientierung.

I: Was bedeutet Ruhe für Dich?

S: Wenn ich es schaffe, zu sein und keine Gedan-

ken und Erwartungen zu kreieren, die mich vom

Wesentlichen ablenken würden. Zu viele Gedan-

ken und Erwartungen verstellen die klare Sicht.

Im inneren Frieden fühle ich mich lebendig,

erfahre mich als liebender Mensch - bin im Fluss.

I: Momente der Ruhe?

S: Ich habe selten Ruhe. Aber ein Moment der

Ruhe ist, wenn ich in der Präsenz eines Menschen

bin, den ich liebe und einfach nur sein kann. Oder

wenn ich draußen in der Wildnis von Natur umge-

ben bin und die Elemente spüre, mich selbst

erfahre. Das inspiriert und heilt mich. Und Medi-

tation ist ein Werkzeug für mich, um auch ganz

bewusst zu mir zu kommen, wenn ich mich mal

verlassen habe. Und für Dich?

TEXT: INA & SANDER JAIN

Page 145: myp MAGAZINE #11

I: Ich glaube, ich habe gar keine so große Sehn-

sucht nach Ruhe.

Mir macht Ruhe oft Angst. Sie ist für mich mit

Stillstand verbunden. Momente der inneren Ruhe

sind oft Momente, die außen gar nicht ruhig sind.

Ein schöner Moment mit jemandem, in dem ich

ausgelassen bin, lache, spiele, dann fühle ich

mich innerlich ruhig, weil er erfüllt ist. Neben

einem Pferd herzugehen und zu merken, dass der

Takt stimmt, das Meer anzusehen... Auch da stellt

sich Ruhe ein.

S: Ruhe ist wohl oft mehr Sein als Denken.

I: Was ist ein Andenken für Dich?

S: Es ist etwas, das mich an mich selbst erin-

nern kann, an bewusst erlebte Momente meines

Weges; an Elemente, die Teil von mir gewor-

den sind. Es ist sozusagen ein Tool, mit dem ich

Zugang Momenten finde, die mit Sinn gefüllt sind/

waren. Ein Andenken soll mich fühlen lassen.

Man nimmt aus vielen wahren Momenten Souve-

nirs mit, aus der Angst heraus, dass die Momente

vergehen oder vielleicht auch weil man sie nicht

ganz bewusst erlebt hat. Dabei sind wir eigent-

lich unser eigenes Andenken, denn die Erfahrung

selbst ist das Souvenir. Sie ist Teil von einem, hat

einen zu dem gemacht, was man gerade ist.

Auch wenn ich die Idee von materiellen Anden-

ken romantisch finde, fällt es mir selber manch-

mal schwer, sie anzunehmen, weil ich weiß, dass

eigentlich das Selbst sein bestes Andenken ist.

Dem sollte man vertrauen. Andenken an ange-

nehme Erlebnisse können mir Hoffnung und Vor-

freude auf weitere bewusste Momente machen.

Menschen können einander Andenken an sich

selbst sein. Bestenfalls erinnert man jemanden

durch sein eigenes Sein an sich selbst und umge-

kehrt.

I: Andenken sind eine Erinnerung an die Zukunft...

Zukunft oder Vergangenheit?

S: Zukunft. Und die Zukunft ist das Jetzt. Zeit ist

eine Illusion für mich, die nur Relevanz hat, wenn

ich nicht im Moment bin. Alles was ich mir wün-

sche zu finden, liegt Hier und Jetzt. Meine Zukunft

ist das Jetzt. Mich an Träumen zu orientieren, mir

der vollen Realität des Jetzt bewusst zu werden.

I: Was träumst Du?

S: Alles. Momente. Ich glaube, man kann nur

Momente träumen.

I: Das ist die Schönheit von Träumen.

S: Konkrete Träume sind aber auch der Hinter-

grund, auf dem ich im Jetzt bleibe, um genau dort

anzukommen. Und wenn ich es schaffe, einen

Moment hier und jetzt zu träumen, dann wird

er auch real werden, weil ich schon den ersten

Schritt damit getan habe. Irgendwann finde ich

mich dann in meinem eigenen Traumbild wieder

und erkenne, dass ich sehend dahin gereist bin.

Page 146: myp MAGAZINE #11
Page 147: myp MAGAZINE #11

I: Kann man Träume abbilden?

S: Ich schöpfe Träume aus dem Hier und Jetzt und

versuche sie in Momentaufnahmen einzufangen.

Deshalb fotografiere ich. Diese sind dann meine

Andenken an mich selbst und können mich und

hoffentlich auch viele andere wiederum inspi-

rieren und zum Träumen anregen. Hast Du einen

konkreten Traum?

I: Der Traum wandelt sich mit mir in jedem

Moment.

Ich habe ein Gefühl dafür, wie sich Träume anfüh-

len aber selten eine konkrete Vision. Vielleicht

mal mit einem Auto einfach nur unterwegs sein

und da anhalten können, wo ich möchte, mal

mit den wichtigsten Menschen zusammen in

einer Community leben. Mal auch einfach nur in

meinem Bett liegen, geborgen sein. Die Träume

sind ganz abhängig vom Moment... Träume sind

alles für mich, und meine Antwort darauf wirkt so

banal. Eigentlich kann die Antwort auf die Frage

gar nicht spektakulär genug sein. So wichtig fühlt

es sich für mich an, zu träumen.

S: Du fühlst also, dass die Realität ein Traum ist...

I: Realität und Traum gehören für mich untrenn-

bar zusammen und inspirieren sich.

Was inspiriert Dich?

S: Wahre Momente. Etwas ganz Neues, etwas

wirklich Authentisches und Zauberhaftes kann

für mich nur aus dem puren Moment entstehen.

Im Moment liegt die magische Möglichkeit alles

durch nichts und nichts durch alles zu finden, weil

ich dort die größte Freiheit und Unvoreingenom-

menheit habe. Wollte ich beispielsweise ein Fisch

werden, dann dürfte ich mich noch nicht einmal

über meinen Körper definieren :-)

Bestenfalls schafft man es, das pure Bewusstsein

zu sein. Nichts zu versuchen und alles zuzulas-

sen. Dann zeigt sich die Magie im Moment. Und

wenn nicht, dann ist man gerade in Gedanken.

Woran denkst Du?

I: Meistens an den nächsten Schritt.

Ich gehe mit den Gedanken nicht zu weit in die

Zukunft, weil ich nicht glaube, dass man den

Weg durch Denken alleine finden kann. Und ein

Stück weit sind meine Gedanken immer bei den

Menschen, die mir wichtig sind. Schön sind die

Momente, in denen ich träume, abschweife - in

die Welten in mir. Das sind die Welten, aus denen

heraus ich schreibe. In ihnen fühle ich mich zu

Hause.

S: Oft sind wir uns nicht bewusst, dass wir selber

unser größtes Rätsel sind. Das mag ich am kreati-

ven Arbeiten. Du erkundest Dich selbst und kom-

munizierst mit anderen.

I: Deshalb ist es so faszinierend,

wenn ich mich in einem Kunstwerk wiederfinde,

weil ich dadurch an mich selbst erinnert werde.

Das ist oft ganz unerwartet. Es ist genauso

besonders, mich in dem zu sehen, was ich selber

schreibe, wie mich in Kunst anderer wiederzuse-

hen. Das finde ich oft sogar noch magischer.

S: Für mich ist eine künstlerische Arbeit dann

besonders, wenn sie die Offenheit besitzt, als

Schlüssel zum Träumen zu dienen. Erst der

Betrachter macht sie vollkommen, real, zu einem

lebendigen Andenken, indem er sie mit sich selbst

füllt.

Forts.

Page 148: myp MAGAZINE #11
Page 149: myp MAGAZINE #11

HeunJulian

JULIAN HEUN IST 24 JAHRE ALT, SLAM POET

UND AUTOR UND LEBT IN BERLIN.

WWW.JULIANHEUN.DE

Page 150: myp MAGAZINE #11
Page 151: myp MAGAZINE #11
Page 152: myp MAGAZINE #11

Eine indische Rupie

TEXT: JULIAN HEUN

FOTO: ROBERTO BRUNDO

in einer Dose

Ich weiß nicht mehr, wie es genau geschah, aber

ich stand in Bangalore neben einem Straßenstand

für gebratene Eingeweide und hatte kein Geld

mehr. Eine unglückliche Mischung aus gestrich-

enen Flügen und fehlgeschlagenen Überweisun-

gen trug Schuld.

Also ging ich tagelang immer wieder zum Geld-

automaten durch die Slums und hasste die Stadt

mit ihrem Smog und der fettigen Luft, die einen

Schmierfilm auf die Haut legte. In Indien kann man

Essen für Kleinstbeträge kaufen, aber irgend-

wann war die letzte Münze weg und sogar die

verbrannten Schafsinnereien unerschwinglich.

Das Blickfeld quoll über vor blauer Plastikplanen

der sich aneinanderdrängenden Behausungen

aus Altmetallstücken, Pappfronten, Paletten-

kisten und immer wieder jenen blauen Plastik-

planenfetzen. Hügel aus Müll wie Vorgärten. Aber

alles Interesse für die Fremde war überdeckt von

meiner Kraftlosigkeit und Aggressivität. Nichts

essen können, nichts tun können, nur warten und

schwitzen. Dann die unwirklichen Shoppingcen-

ter voll geleckter Bars und Läden für IT-Yuppies,

an deren Fassaden der Blick ausrutschte und

gegen reiche Inder prallte, die in den unterkühlten

Glasgängen ihre seltsame Neigung für Schlagho-

sen befriedigten.

Bankautomat für Bankautomat, doch es gab kein

Geld. Meist war ich zu schwach, die Bettler anzus-

chauen. Bis irgendwann auf halbem Weg zu den

Bankautomaten in einem Slum ein kleiner Junge

vor mir stand in einer Wand aus Geruch. Er war

von seinen Eltern zum Betteln verkleidet worden

als der Affengott Hanuman. Mit der einen Hand

formte er eine Essgeste und mit der anderen hielt

er seinen lila Affenschwanz. Aber diesmal konnte

ich nicht weggucken und was blieb mir, außer zu

sagen, dass ich nichts habe, gar nichts.

Da lächelte er, fasste in ein Beutelchen und reichte

mir daraus eine Rupie. Die Rupie hat wie jede

einen Wert von 1,7 Cent und ich bewahre sie in der

abgebildeten Dose auf. Sie ist mir heilig. Deshalb

möchte ich sie auch nicht fotografieren. Wenn

man es versuchte, entstünde eine digitale Rück-

kopplung, die Linse splitterte. Sicherlich käme ein

lila beschwanzter Trockennasenaffe herbeigeeilt,

der - bevor das Glaskonfetti zu Boden gefallen

wäre - dem Photograph die Kamera entrisse und

sie kreischend am Sockel einer großen Hanuman-

Skulptur opferte.

Page 153: myp MAGAZINE #11
Page 154: myp MAGAZINE #11

NeuendorfSarah

Page 155: myp MAGAZINE #11

SARAH NEUENDORF IST 23 JAHRE ALT,

GRAFIKDESIGNERIN UND LEBT IN BERLIN.

WWW.SARAH-NEUENDORF.DE

NeuendorfSarah

WWW.SARAH-NEUENDORF.TUMBLR.COM

Page 156: myp MAGAZINE #11
Page 157: myp MAGAZINE #11
Page 158: myp MAGAZINE #11

Ein Stück

Kunst ist mein Souvenir

Wenn ich zeichne, reise ich. Der erste Strich bringt

mich auf den Weg in die Welt. Ich reise nicht mit

Bahn und Bus - ich reise schneller. Tusche bringt

mich zu den Walen, Fineliner in den Schnee der

Arktis und das raue Aquarellpapier ist die Haut der

Inuit. Aufnehmen und Erleben, hören und sehen,

tasten und schmecken und ich kann zurück ohne

jedes Souvenir. Aschenbecher in Walfischform,

Schlüsselanhänger mit Babyrobbenfell und die

Tüte getrockneter Narwalhaut bleiben zurück.

Ich habe andere Andenken.

Illustrationen spiegeln einen Teil des Künstlers

wieder, etwas, das tief im Verborgenen liegt.

Hat sich in der Arbeit nun Schmerz, Freude,

Trauer oder Glück manifestiert, oft bleibt es dem

Betrachter auf den ersten Blick verborgen. Öffnet

sich der Beobachter, ist er bereit, einzutauchen in

das Werk, spürt er die Gefühle, so wird er die Welt

des Künstlers bereisen. Oder er erlebt sein eige-

nes Entdecken und nimmt seinen Teil des Anden-

kens mit, dass nur ihm gehört.

Für mich enthält jede Arbeit ein Stück von mir

und wird als visuelles Andenken an das jeweilige

Gefühl bleiben.

TEXT & ILLUSTRATION: SARAH NEUENDORF

von mir

Page 159: myp MAGAZINE #11
Page 160: myp MAGAZINE #11

SchümannJannik

Page 161: myp MAGAZINE #11

JANNIK SCHÜMANN IST 20 JAHRE ALT,

SCHAUSPIELER UND LEBT IN BERLIN.

WWW.JANNIKSCHUEMANN.COM

SchümannJannik

Page 162: myp MAGAZINE #11
Page 163: myp MAGAZINE #11
Page 164: myp MAGAZINE #11

INTERVIEW & TEXT: JONAS MEYER

FOTOS: STEPHEN GWALTNEY

Damals regnete es, das weiß man noch. Zwar

erst etwas mehr, dann wieder weniger. Aber es

regnete.

Und draußen war es grau, nichtssagend grau:

Man musste Schutz suchen in einem Café im

Prenzlauer Berg und sich mit dem leuchtenden

Orange vieler kleiner Lampen verbünden, um

gegen dieses elende Grau anzukämpfen - und

um eine interviewwürdige Atmosphäre für einen

jungen Schauspieler zu erschaffen.

Damals, das war im Mai 2011. Und der junge

Schauspieler, das war Jannik Schümann. Erst

wenige Monate vorher war der gebürtige Ham-

burger nach Berlin gezogen, um sich ganz und

gar seinem Beruf zu widmen. Um sich freizu-

schwimmen und zu wachsen. An der Stadt, am

Leben und an sich selbst.

Als Kind wurde Jannik von seiner heutigen Agen-

tin entdeckt – in einer Tankstelle beim Süßigkei-

ten kaufen. Aus purem Zufall. Und so kam es,

dass er Schauspieler wurde und wir an jenem

Nachmittag im Mai 2011 zum Interview verabre-

det waren. Damals flüchteten wir vor dem Grau

in das Café mit dem orangenen Licht. Wir rede-

ten über sein Leben, seine Wünsche, Träume und

Sehnsüchte. Und über seine große Leidenschaft

für die Schauspielerei.

Zwei Jahre ist es also her, dass wir uns zum

ersten Mal gegenübersaßen. Und wie damals

treffen wir Jannik auch heute an irgendeinem

Tag im Mai zum Interview. Nur dass es diesmal

nicht Berlin ist. Sondern New York.

Der 21-jährige ist für einige Wochen in der großen

Stadt, weil er sich eine kleine Auszeit nimmt und

für einen Moment verschnaufen will. Er hat viel

gearbeitet in den letzten Monaten, in den letzten

Jahren.

Unser heutiger Treffpunkt heißt Ecke 8th Avenue

/ West 40th Street, Jannik wartet bereits. Es ist

gerade einmal 9:30 Uhr, doch während das hei-

matliche Berlin um diese Uhrzeit erst zöger-

lich erwacht, ist New York schon längst auf den

Beinen - oder vielleicht immer noch? Wer weiß

das schon.

Wir beginnen den Tag eher unamerikanisch mit

Kaffee und Croissant und lassen uns von dem

geschäftigen Menschenstrom aufsaugen, der

entlang der 8th Avenue fließt.. Der Strom treibt

uns nach Norden Richtung Times Square – jenem

Ort, der wohl wie kein zweiter als Sinnbild für

das niemals schlafende, aufgeregte und exzes-

sive New York steht.

Lichterder Stadt

Page 165: myp MAGAZINE #11
Page 166: myp MAGAZINE #11
Page 167: myp MAGAZINE #11
Page 168: myp MAGAZINE #11
Page 169: myp MAGAZINE #11
Page 170: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Du bist bereits zum zweiten Mal innerhalb eines

Jahres zu Besuch in New York. Wird die Stadt ir-

gendwann zur Routine?

Jannik:

Ganz und gar nicht! Als ich vor drei Wochen

nach New York reingefahren bin und die Skyline

wieder vor Augen hatte, war die Aufregung genau

so groß wie beim ersten Besuch vor einem Jahr

- mein Herz ist quasi aus dem Körper herausge-

sprungen. Irgendwie ist es jedes Mal wieder ein

total beeindruckendes Gefühl, weil die Stadt einen

magisch anzieht.

Jonas:

Gibt es denn eine Ecke in New York, die dich be-

sonders reizt?

Jannik:

Ja, tatsächlich hat der zentrale Theaterdistrikt

rund um den Times Square eine absolute Mag-

netfunktion für mich. Letztes Jahr habe ich es

erst nach vier Tagen geschafft, mich von dieser

Gegend zu lösen und mal weiter downtown zu

fahren, wo es diese typischen Straßenraster nicht

mehr gibt.

Ich fand es im Nachhinein total schade, dass

ich nicht früher auf größere Entdeckungsreise

im East und Village gegangen bin, weil ich die

Gegend dort ebenfalls total mag. In den kleinen

und beschaulichen Straßen kann man sich total

verlieren, weil New York einen auch gerade dort

in seinen Bann zieht. Da ich die Stadt aber noch

besser kennenlernen wollte, habe ich diesmal

meine Fühler weiter ausgestreckt und mir auch

andere Ecken genauer angesehen.

Trotzdem war auch bei diesem zweiten New York-

Aufenthalt wieder der Theaterdistrikt die erste

Anlaufstelle.

Jonas:

Bereits vor zwei Jahren hattest Du uns mit glän-

zenden Augen verraten, wie sehr dein Herz für

Musicals schlägt. Diese Leidenschaft scheint also

ungebrochen...

Jannik:

Oh ja - in New York verging bisher kein Abend, an

dem ich nicht in einer Broadway-Show war! Meine

große Leidenschaft ist und bleibt einfach das Mu-

sical, daran hat sich nichts geändert.

Jonas:

Leider wird in Deutschland das Genre des Musi-

cals im Gegensatz zu den USA eher stiefmütter-

lich behandelt.

Jannik:

Das stimmt. In den Staaten haben die Menschen

ein ganz anderes Gefühl für diese Kunstform. Und

überhaupt hat das Musical hier einfach ein viel hö-

heres gesellschaftliches Standing. Als Darsteller

kann man einfach nicht weiter aufsteigen als am

Broadway zu spielen. Das ist das Höchste der Ge-

fühle, denn der Broadway ist weltweit Nummer

eins.

Es ist unglaublich, wie hoch die Qualität ist, die

einem hier auf den Bühnen geboten wird.

Wer einmal erlebt hat, wie die Stars hier in den Musicals gefeiert werden, der versteht, warum der Broadway das Nonplusultra ist.

Page 171: myp MAGAZINE #11

Alles ist auf den Punkt genau: Jede Bewegung

sitzt, jede Stimme ist perfekt, jeder Ton wird ge-

troffen und sogar die Tonmischung ist genial.

Daher war für mich bisher jeder Abend in New

York ein Highlight.

Und auch das Publikum ist ein ganz anderes als

in Deutschland: Im Theater und in den Shows

sieht man wesentlich mehr junge Menschen als

bei uns. Das liegt wahrscheinlich daran, dass hier

für die meisten Vorstellungen wenige Stunden

vor Beginn Tickets zum Discountpreis verkauft

werden. Das macht die oft sehr teuren Karten für

Schüler und Studenten erschwinglich.

Vielleicht sollten die deutschen Theater und Mu-

sicals auch mal überlegen, ob sie nicht verstärkt

solche Last-Minute-Tickets anbieten wollen. Dann

wären die Häuser bestimmt nicht so leer.

Es gibt übrigens noch einen weiteren Unterschied

zu Deutschland: Während bei uns hauptsächlich

mit den Stücken selbst geworben wird, stehen in

den USA vor allem die Stars im Vordergrund, mit

deren Gesichtern und Namen man die Show ver-

kauft. Dementsprechend reagiert auch das Pub-

likum ganz anders, wenn bekannte Darsteller die

Bühne betreten.

Sobald beispielsweise am Broadway im Musical

„Phantom der Oper“ das Phantom zum ersten Mal

in Erscheinung tritt, wird frenetisch applaudiert

und gejubelt.

Das passiert bei uns eher selten. Wer einmal

erlebt hat, wie die Stars hier in den Musicals ge-

feiert werden, der versteht, warum der Broadway

das Nonplusultra ist - und warum jeder Darstel-

lers auf das Ziel hinarbeitet, hier irgendwann

einmal aufzutreten.

Vor dem Port Authority Bus Terminal machen

wir Halt und drehen unsere Köpfe nach rechts:

Blitzartig springt uns die Stein, Glas und Farbe

gewordene Reizüberflutung des Times Square

ins Gesicht - ein permanentes Zuviel, das sich

aus jeder Wandpore drückt.

Fasziniert von dieser übermächtigen Imposanz

werfen wir uns in den bunten Ameisenhaufen.

Gigantische Broadway-Werbeplakate hängen

wie Ikonenbilder an den Fassaden der Häuser-

schluchten und präsentieren die Antlitze der

Musical-Stars.

Ziemlich große Bühne für die große Bühne.

Jannik strahlt über beide Ohren, in seinen Augen

spiegeln sich die Lichter der großen Stadt. Links

und rechts von uns reiht sich ein Theater an das

andere, ständig buhlend um die Gunst des Zu-

schauers und um die Krone der besten Show.

Hier liegen sie also, die Bretter, die die Welt be-

deuten.

Jonas:

Als wir uns im Mai 2011 zum ersten Mal trafen,

hattest Du gerade „Homevideo“ abgedreht.

Danach hat sich bei dir ziemlich viel getan...

Jannik:

Ja, dieses Projekt hat mir beruflich einen kräf-

tigen Schub gegeben: Nach „Homevideo“ habe ich

richtig viel gearbeitet und tolle Rollen gespielt. Ich

bin total glücklich darüber, wie sich alles entwi-

ckelt hat.

Page 172: myp MAGAZINE #11
Page 173: myp MAGAZINE #11
Page 174: myp MAGAZINE #11
Page 175: myp MAGAZINE #11
Page 176: myp MAGAZINE #11

Rückblickend kann ich sagen: Es gab für mich noch nie eine so große Herausforderung wie „Spieltrieb“.

Jonas:

Eines der bemerkenswertesten Projekte ist dabei

zweifelsohne der Film „Spieltrieb“, in dem du für

eine der Hauptrollen besetzt wurdest.

Jannik:

Absolut! Zwar gab es die Anfrage für den Film

sowie die erste Castingrunde bereits, bevor wir

uns im Mai 2011 zum Interview trafen, allerdings

wurde das Projekt aufgrund diverser Finanzie-

rungsfragen erst einmal wieder auf Eis gelegt.

Nachdem ich lange Zeit nichts mehr davon gehört

hatte, gab es Ende 2011 plötzlich grünes Licht

und es ging weiter.

Ich wurde zur zweiten und dritten Castingrunde

Anfang Januar 2012 eingeladen, weil dort ver-

schiedene Darsteller-Konstellationen ausprobiert

wurden. Danach habe ich zwei qualvolle Wochen

mit Warten verbracht, bis endlich der erlösende

Anruf kam und ich die Zusage hatte, für die Rolle

des Alev besetzt zu sein. Ich bin in die Luft ge-

sprungen und habe geschrien vor Glück! Und im

Mai 2012 haben wir dann in München angefangen

zu drehen.

Jonas:

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman

von Juli Zeh – ein wundervolles und fesselndes

Buch, das sich den Theorien Nietzsches ver-

schreibt und durch das man sich im wahrsten

Sinne des Wortes durcharbeiten muss. Man stößt

in dem Buch auf so viele wichtige Sätze, die sehr

viel Zeit und Raum brauchen. Wie bringt man

diese Informationsgewalt in einem Film unter?

Jannik:

Das Buch ist eigentlich nicht verfilmbar, nicht nur

wegen der besonderen Sprache und der vielen

schwerwiegenden Nietzsche-Sätze. Das Thema

ist einfach ziemlich heikel, schließlich geht es um

das Ziel des 18jährigen Alev, Macht über andere

Menschen auszuüben und sie zu kontrollieren.

Er ist fest davon überzeugt, dass alle Menschen

manipulierbar sind, wenn man nur die entspre-

chenden Weichen stellt und an den entschei-

denden Rädchen dreht. Es geht ihm nicht um Gut

oder Böse, sondern um die Logik der Dinge - das

ist seine sogenannte Spieltheorie.

Alev ist gerade erst auf eine neue Schule ge-

wechselt, wo er sich prompt neue Opfer sucht:

So stiftet er seine Mitschülerin Ada dazu an, den

Sportlehrer Smutek zu verführen – und Ada gibt

sich aus Liebe zu Alev diesem perfiden Plan hin.

Als ich das Buch im Rahmen der Castingvorbe-

reitungen zum ersten Mal gelesen hatte, dachte

ich nur: Ach du heilige Nuss, wie soll ich das

bloß spielen, wenn ich die Rolle bekomme? Und

wie bringe ich das meinen Eltern bei, was ich da

mache? Ich habe im echten Leben noch nie einen

Menschen kennengelernt, der ansatzweise so

wäre wie Alev.

Jonas:

Die Frage ist ja, ob es überhaupt einen Menschen

gibt, der so ist wie Alev.

Jannik:

Ich weiß es nicht. Jedenfalls kann ich es mir nicht

vorstellen. Selbst einer so fiesen Figur wie der

des Henry aus „Homevideo“ ist man ja irgend-

wann schon einmal in seinem Leben begegnet

oder hat von ihr gehört.

Page 177: myp MAGAZINE #11

Alev unterscheidet sich dagegen von allem, was

ich bisher kannte – alleine schon durch seine

Sprache. Eigentlich redet er nie „normal“, sondern

nur in bedeutungsschweren Sätzen und Zitaten.

Das zieht sich konstant durch das gesamte Dreh-

buch und somit auch durch den kompletten Film.

Bevor die Dreharbeiten losgingen, hatte ich ab-

solut keine Ahnung, wie ich um Himmels Willen

diese Texte über die Lippen bekommen soll,

sodass es für das Publikum glaubhaft ist.

Und selbst während der Dreharbeiten haben wir

uns manchmal gedacht: Ob das alles in allem

so funktioniert? Ich hatte anfangs echt ziemlich

Muffensausen, aber letztendlich hat es doch ge-

klappt. Rückblickend kann ich sagen: Es gab für

mich noch nie eine so große Herausforderung wie

„Spieltrieb“.

Jonas:

Wie ist es euch gelungen, die 600 Seiten und rund

zwei Jahre erzählte Zeit des Romans in 90 Mi-

nuten Film zu packen?

Jannik:

Man muss den Film als ein eigenes Werk be-

trachten: Um das Wesentliche dieses 600-Seiten-

Buchs in einem 90-Minuten-Film unterbringen zu

können, ließ man beispielsweise Alev direkt in der

ersten Filmszene auftreten, obwohl er im Roman

erst viel später und nach einer erzählten Zeit von

etwa einem Jahr die Bühne betritt. Man wollte die

Handlung der 90 Filmminuten konsequent auf das

Dreieck Alev, Ada und Smutek maßschneidern.

Daher wurde etwa die Hälfte aller Roman-Figuren

gestrichen. Und während man beispielsweise auf

der einen Seite Personen wie Alevs Eltern oder

seine Zimmergenossen im Internat stärker be-

leuchten musste, fielen dafür auf der anderen

Seite Rollen raus, die im Buch hauptsächlich die

Figur der Ada berühren und somit für die Drei-

ecksbeziehung Alev-Ada-Smutek keine unmittel-

bare Bedeutung haben.

Jonas:

Wie hast du dich dem Drehbuch genähert und dich

auf diese komplexe Rolle vorbereitet?

Jannik:

Ich habe das Drehbuch schlicht und einfach aus-

wendig gelernt, weil es mir sonst nicht möglich

gewesen wäre, diese schwerwiegenden Sätze

so zu sprechen, als wären sie normale Alltags-

sprache.

Außerdem war es sehr hilfreich, dass im Dreh-

buch die einzelnen Seiten nur auf der Vorderseite

bedruckt waren. Wenn ich es also aufgeschlagen

habe, gab es zwei Hälften: Der rechte Teil war be-

schriftet, der linke dagegen frei. Dort konnte ich

meine Anmerkungen und Analysen zu jedem ein-

zelnen Satz meiner Rolle aufkritzeln.

Davor musste ich aber erst einmal Nietzsche

verstehen und mich mit seinen Theorien ausein-

andersetzen, sonst wäre es mir wahrscheinlich

nicht gelungen, Alevs Sätze so umfangreich zu

analysieren und für mich persönlich zu deuten.

Ohne Nietzsche hätte ich Alev nicht verstanden.

Das ist ja auch überhaupt das Abgefahrene an der

Schauspielerei: Dass man sich durch die Vorbe-

reitung auf Rollen mit Themen auseinandersetzt,

mit denen zumindest ich mich eher nicht mal so

eben auseinandergesetzt hätte oder mich in ab-

sehbarer Zeit detailliert befassen würde.

Page 178: myp MAGAZINE #11
Page 179: myp MAGAZINE #11
Page 180: myp MAGAZINE #11
Page 181: myp MAGAZINE #11
Page 182: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Ist Nietzsche etwas, das sich in dir manifestiert

hat und über die Rolle hinaus präsent geblieben

ist?

Jannik:

Natürlich entwickelt man sich durch die Ausein-

andersetzung mit einer solchen Problematik auch

intellektuell ein Stückchen weiter und nimmt das

über die Rolle hinaus für sein Leben mit, trotzdem

muss man zu den Gedanken und Vorstellungen

Alevs eine klare Grenze ziehen. Alev und ich, wir

beide haben nichts gemeinsam.

Jonas:

Hattest du denn mit Alev etwas gemeinsam, als

du die Rolle gespielt hast?

Jannik:

Ich würde sagen, dass ich Alev war.

Jonas:

War es für dich schwierig, dich von dieser Rolle

wieder zu trennen, mit der du so verwachsen

warst?

Jannik:

Ehrlich gesagt hat mir das Kostüm ziemlich dabei

geholfen, die Rolle wieder loszuwerden. Wie im

Buch fällt Alev auch im Film durch seine teure

und exzentrische Kleidung auf, durch die er sich

von seinen Klassenkameraden in krasser Weise

unterscheidet: Er trägt Designeranzug, spitze Le-

derschuhe und Burberry-Mantel.

Wenn ich morgens in den Anzug geschlüpft bin,

war ich plötzlich nicht mehr Jannik. Als wäre

plötzlich ein Hebel umgelegt worden, dachte ich

wie Alev, bewegte mich wie Alev, redete wie Alev.

Und umgekehrt konnte ich abends wieder Jannik

sein, wenn ich den Anzug abgestreift habe.

Jonas:

Hattest du nicht die Befürchtung, dass das tiefe

Eintauchen in diese Rolle dein eigenes Werte-

system beeinflussen könnte?

Jannik:

Nein, ganz im Gegenteil. Ich würde sagen, dass ich

durch „Spieltrieb“ eine gewisse Wachsamkeit ent-

wickelt habe. Es werden einem viele Dinge klarer,

vor allem in Bezug auf das menschliche Handeln

und die Gefahr der Manipulierbarkeit.

Jonas:

Hast Du bei der Analyse deiner Rolle versucht

herauszufinden, wie Alev überhaupt zu dem Men-

schen werden konnte, der er ist?

Jannik:

Naja, Alev ist ein eiskalter Mensch, der nichts für

die Gefühle anderer übrig hat und selbst auch

keine Emotionen zulässt – bis auf wenige Mo-

mente. Und in genau diesen wenigen Momenten

scheint er mit seinen Gefühlen total überfordert

zu sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass in seiner

Kindheit irgendetwas Schlimmes passiert sein

muss, das dafür verantwortlich ist.

Im Buch wie im Film bleibt dieser Aspekt aber

absolut offen. Daher muss sich jeder Zuschauer

ein eigenes Bild machen und für sich selbst eine

mögliche Erklärung finden. Mir jedenfalls hat es

sehr geholfen, zu Alev eine fiktive Biographie an-

zulegen, durch die ich halbwegs nachvollziehen

konnte, warum dieser Mensch so ist, wie er ist.

Jonas:

Wie werden deiner Meinung nach die Zuschauer

auf „Spieltrieb“ reagieren?

Wenn ich morgens in den Anzug geschlüpftbin, war ich plötzlich nicht mehr Jannik.

Page 183: myp MAGAZINE #11

Jannik:

Ich glaube, dass dieser Film sehr provozieren

wird. Es gibt viele beklemmende, traurige und

teils schockierende Szenen, bei denen ich mir vor-

stellen kann, dass die Zuschauer großen Schmerz

empfinden werden.

Wenn das passieren würde, wäre ich sehr zu-

frieden – denn dann wüsste ich, dass ich als

Schauspieler funktioniert hätte. Einige der Szenen

sind so sogar so abstoßend, dass den Zuschauern

gar nichts anderes übrig bleiben wird als mich zu

hassen. Das wäre großartig, denn dann hätte ich

als Schauspieler wirklich gewonnen.

Überwältigt vom Farb- und Lichtermeer des

Times Square setzen wir unsere kleine Reise

durch Manhattan fort und laufen einige Zeit den

Broadway entlang Richtung Süden. Irgendwie

brauchen wir mehr Luft, mehr Freiheit, mehr

Sonne: Hier in den tiefen Häuserschluchten ver-

irrt sich einfach zu wenig natürliches Licht auf

den Boden. Am Herald Square entscheiden wir

uns daher kurzerhand, in die U-Bahn zu steigen

und downtown zu fahren. Und so geht es im F-

Train ruppig, aber zügig unter dem East River

hindurch nach Brooklyn.

In der U-Bahn sitzen wir uns schweigend gegen-

über, schauen einander an, beobachten andere.

Während Janniks hellblauen Augen durch den

Wagon wandern und unauffällig die nähere

Umgebung abtasten, hüllen die schummrigen

Deckenleuchten und das matte Metall der Wand-

verkleidung den Innenraum in zartes Gold.

Der F-Train hat mittlerweile den East River pas-

siert und ruckelt an der York Street ein. Wir

finden, dass wir genug Zeit im Untergrund ver-

bracht haben, verlassen die U-Bahn und streben

Richtung Ausgang.

Kaum sind wir die Treppen hinaufgestiegen,

begrüßt uns die hohe Mittagssonne mit ihrem

grellsten Weiß.

Wir schauen uns um: Das also ist Brooklyn. Ir-

gendwie schön hier, alles wirkt so ruhig und

beschaulich. Zufrieden schlendern wir zum

Brooklyn Bridge Park, lassen uns auf einer

großen Wiese nieder und bestaunen die Skyline

von Manhattan, die direkt vor unseren Füßen

liegt.

Jonas:

Am 15. September wirst du im Berliner Tatort zu

sehen sein, wo Du einen jugendlichen U-Bahn-

Schläger spielst, der verdächtigt wird, eine Person

zu Tode geprügelt zu haben – ebenfalls eine Rolle,

die die Zuschauer eher hassen als lieben werden.

Jannik:

Ja, das stimmt. Dieser Tatort basiert auf einer

wahren Begebenheit aus dem Jahr 2009. Am

Münchener S-Bahnhof Solln wurde der 50-jäh-

rige Familienvater Dominik Brunner ermordet,

weil er einige Schüler vor jugendlichen Schlägern

beschützen wollte. Im Berliner Tatort, den wir vor

kurzem abgedreht haben, ist die Handlung aber

etwas abgewandelt. Trotzdem geht es um Zivil-

courage und die Tatsache, dass die Leute eher

wegsehen als eingreifen.

Ich bin total dankbar, dass ich diese Rolle spielen

durfte. Ich mag es einfach, wenn ich Charaktere

darstellen kann, die meilenweit entfernt sind von

meiner eigenen Persönlichkeit. Ich übernehme

zwar auch ganz gerne mal eine Rolle, in der ich

der Schwarm der Schule bin und mich alle lieben,

aber das andere ist für mich doch irgendwie eine

größere Herausforderung.

Page 184: myp MAGAZINE #11
Page 185: myp MAGAZINE #11
Page 186: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Wie verlief der Dreh?

Jannik:

Der Dreh war in zweierlei Hinsicht eine außerge-

wöhnliche Erfahrung. Zum einen hatte ich wäh-

rend der gesamten Produktion mit einem richtig

starken grippalen Infekt zu kämpfen, weshalb ich

mich immer noch wundere, wie ich diesen Dreh

überstehen konnte. Zum anderen war es aber

natürlich trotzdem toll, mit Dominic Raacke und

Boris Aljinovic zu drehen. Der Tatort ist ja eine

solche Institution im deutschen Fernsehen, dass

man anfangs dachte, man würde tatsächlich vor

den Kommissaren Ritter und Stark stehen.

Daher war ich im ersten Moment schon ein wenig

eingeschüchtert, was sich aber nach kurzer Zeit

gelegt hat. Es macht sehr viel Spaß, mit den

beiden zu drehen und zu arbeiten.

Jonas:

Du beginnst gerade mit den Vorbereitungen

für deine Rolle im Film „LENALOVE“, bei dem

Grimme-Preisträger Florian Gaag Regie führen

wird. Dieser Film stellt ebenfalls einen starken

Bezug zur Realität her - worum geht es genau?

Jannik:

Der Titel „LENALOVE“ bezieht sich auf den Nick-

name der jugendlichen Lena, die im Chat gemobbt

wird und daraufhin flieht. Ich spiele den 18-jäh-

rigen Tim, der der große Schwarm von Lena ist

und sie am Ende rettet.

„LENALOVE“ ist interessanterweise der erste

Kinofilm, der sich dem Thema Cybermobbing

widmet. Die Dreharbeiten dazu beginnen im Ok-

tober.

Jonas:

Da spielst du aber ausnahmsweise mal keinen

Bösewicht...

Jannik:

Nein. Tim ist zwar auch nicht der nette Junge

von nebenan, immerhin vertickt er Drogen und

wohnt im Heim. Aber er ist auch keine Figur, die

irgendwelche Menschen umbringt. Diese Rolle

ist wieder etwas komplett anderes, auch was die

Vorbereitung angeht. Zwar werde ich auch wie

sonst auf die Straßen gehen und nach bestimmten

Menschentypen schauen, aber diesmal wohl nach

ganz anderen Charakteren. Darauf freue ich mich

sehr.

Der Mittag ist ein gutes Stück älter geworden, die

Sonne steht tiefer. Wir machen uns wieder auf

den Weg zurück nach Manhattan, denn es zieht

uns ins Greenwich Village – jener Gegend, in der

Jannik sich so gerne verliert und fallen lässt.

Wir wandern also die Promenade der Brooklyn

Heights entlang und steigen an der High Street

in den A-Train, der uns an der 14 Street auspuckt.

Es Zeit ist für einen großen Americano. Und so be-

treten wir einen kleinen Coffeeshop am Jackson

Square Park, wo wir uns an den großen Fenstern

des Cafés niederlassen.

Mich begleiten immer die Gedanken an meine Freunde und die Gewissheit, sie alle wiederzusehen, wenn ich nachhause komme.

Page 187: myp MAGAZINE #11

Janniks Augen tasten schon wieder ihre Um-

gebung ab, unauffällig wandern sie durch das

kleine Café. Für einen Moment verharren sie bei

einem Gast, ziehen nach wenigen Sekunden zum

nächsten weiter und verlieren sich irgendwann

im bunten Treiben auf der anderen Fensterseite

des Coffeeshops.

Jonas:

Ist das Beobachten von Menschen grundsätzlich

Teil deiner Vorbereitung auf Rollen?

Jannik:

Ja, allerdings ist es mir als Schauspieler wichtig,

nicht einfach das Verhalten anderer Menschen zu

kopieren, sondern eher ihre Gestik und Mimik in

bestimmten Situationen zu studieren. Vor allem

wenn sie sich unbeobachtet fühlen, offenbaren

sich die interessantesten Details, z.B. wenn

jemand im Café sitzt, liest und sich am Kopf kratzt.

Und diese Details sind es, nach denen ich suche.

Jonas:

Sind diese Details in New York andere als in

Berlin?

Jannik:

Ne, in New York ist alles nur etwas schneller und

wirkt wie vorgespult. Alles ist irgendwie wie mal

zwei. Aber davon abgesehen funktionieren Men-

schen in bestimmten Dingen auf der ganzen Welt

mehr oder weniger gleich.

Jonas:

Welche Erkenntnisse bringst du außerdem aus

New York mit, wenn du in wenigen Tagen wieder

nach Berlin zurückfliegst?

Jannik:

Ich war jetzt vier Wochen hier, das ist eine irr-

sinnig lange Zeit. Ich habe das Gefühl, in diesen

Wochen wieder ein Stückchen gewachsen zu sein

in meinem Leben und finde es total schön, dass

mein Reise-Stickeralbum um einige Andenken

reicher geworden ist.

Letztes Jahr war ich noch als Tourist hier und bin

in acht Tagen von Freiheitsstatue zu Empire State

Building gehetzt. Jetzt jogge ich morgens durch

den Central Park, schlendere durch die Gassen im

Village und sauge die Häuserschluchten in mich

auf - wie ein echter New Yorker. So fühlt es sich

zumindest an. Und dabei ist der „places to be

before you die“-Schatz in meinem Kopf wieder ein

Stück größer geworden.

Jonas:

Gab es ein Andenken an Berlin, das du mit nach

New York gebracht hast?

Jannik:

Es ist eigentlich egal, wohin ich reise: Mich be-

gleiten immer die Gedanken an meine Freunde

und die Gewissheit, sie alle wiederzusehen, wenn

ich nachhause komme.

Page 188: myp MAGAZINE #11
Page 189: myp MAGAZINE #11
Page 190: myp MAGAZINE #11

Ich glaube nicht an Zufälle. Alles, was im Leben passiert, hat irgendeinen Sinn und Zweck. Sogar die kleinsten Kleinigkeiten haben eine Bedeutung und lassen einen wachsen – und darauf kommt es an.

Page 191: myp MAGAZINE #11

Jonas:

Erinnerst du dich noch an den Moment, als deine

Agentin dich vor vielen Jahren durch Zufall in

einer Tankstelle entdeckt und angesprochen hat?

Jannik:

Ja, das habe ich noch sehr deutlich vor Augen.

Jonas:

Hast du dich jemals gefragt, wie dein Leben wohl

verlaufen wäre, wenn es diesen Zufall nicht gegen

hätte?

Jannik:

Ich glaube nicht an Zufälle. Alles, was im Leben

passiert, hat irgendeinen Sinn und Zweck. Sogar

die kleinsten Kleinigkeiten haben eine Bedeutung

und lassen einen wachsen – und darauf kommt

es an.

Wir verlassen das kleine Café und steuern den

Jackson Square Park auf der anderen Seite der

Straße an. Nachdem wir dort einige Portraits ge-

schossen haben, packen wir unser Equipment

zusammen und winken ein vorbeifahrendes Taxi

herbei.

Wir wollen den Tag im Central Park ausklingen

lassen, jener grünen Lunge, die New York vor

dem Ersticken bewahrt.

Und so liegen wir irgendwann einfach da und

atmen tief die Luft der großen Stadt ein, die so

friedlich vor uns liegt. Oder wir vor ihr.

Wir beobachten, wie das sanfte Licht des New

Yorker Abends allmählich den Central Park in

das gleiche zarte Gold hüllt, das uns mittags in

der U-Bahn begegnet ist.

Jannik schweigt und richtet seinen Blick auf

die imposante Skyline. Vergnügt lässt er seine

strahlend blauen Augen von Wolkenkratzer zu

Wolkenkratzer tanzen. Als sie den höchsten

Punkt erreichen, ziehen sich die Mundwinkel des

jungen Schauspielers weit nach oben – genau

wie damals an jenem Nachmittag im Mai 2011.

Als es regnete und er das Grau besiegt hat.

Nur mit einem Lächeln.

Page 192: myp MAGAZINE #11

EulerSophie

Page 193: myp MAGAZINE #11

SOPHIE EULER IST 31 JAHRE ALT, TEXTILDESIGNERIN

UND SIEBDRUCKERIN UND LEBT IN BERLIN.

WWW.DAWANDA.COM/SHOP/KRAMURIKISTE

EulerSophie

BE BERLIN DESIGN-SOUVENIR AWARD

Page 194: myp MAGAZINE #11
Page 195: myp MAGAZINE #11
Page 196: myp MAGAZINE #11

SantaMonica

Ein Andenken verbinde ich immer mit plastischen

Souvenirs aus dem Ausland, die, zurück in der

Heimat, meistens ihre Funktion als Staubfänger

einwandfrei erfüllen oder ziemlich schnell in der

Altkleidersammlung landen, weil sie doch nicht

so tragbar und cool sind, wie sie es am Strand

von _____ waren. Wäre ich nicht in Los Angeles

gewesen, könnte ich diesen Text bereits wieder

beenden...

Im März 2009 flogen meine beste Freundin und

ich nach Santa Monica, eine Stadt in L.A. County,

deren Strand-Pier man vor allem in diversen ame-

rikanischen Fernsehsendungen sehr oft zu sehen

bekommt. Anfangs kam mir vieles künstlich vor

und ich war irritiert von den vielen Unbekannten,

die alle sehr überschwänglich wissen wollten,

wie es mir geht. Für mich waren das Gute-Laune-

Terroristen, die alle gleichzeitig mit den Waffen

der „daily happiness“ Amok liefen. Eine Überfor-

derung für eine grantige Österreicherin wie mich.

An einem sonnigen Tag beschlossen wir, uns

Räder auszuborgen und am Strand entlang zu

fahren. Für 10 Dollar die Stunde erhielt ich ein

amerikanisches Cruiser Bike. Im Nachhinein

hätte ich für dieses Vergnügen auch das Dop-

pelte bezahlt: So wie ich mich gefühlt habe, als

ich mit ca 10 km/h auf der Strandpromenade

entlang gecruist bin, müssen sich Harley David-

son Fahrer mit 200 Sachen auf der Landstraße

fühlen (assoziierte ich wahrscheinlich aufgrund

des tiefliegenden, großen Sitzes und der breiten

Lenkstange, denn außer dem Mitfahrgefühl einer

Vespa 50 Speciale, hatte ich keinen Vergleich).

Genau dieses Gefühl wollte ich zu Hause in Berlin

auch haben! Unbeschwert, lässig, entspannt. Es

war für mich ganz klar, ich musste ein Cruiser

Bike kaufen, aber eines, das kalifornischen Sand

im Reifenprofil hat, eines mit Charakter!

In der 3rd Promenade klapperte ich alle Fahrrad-

geschäfte ab. Alle hatten nur Neuware für einige

100 Dollar. Niemand wusste von einem „Second

Hand Cruiser“ Shop. Niemand außer Dave! Dave

arbeitete bei einer amerikanischen Version von

Intersport in der Radabteilung und gab mir den

entscheidenden Tipp. Gleich in der Nähe des Piers

sei ein Fahrradverleih. Offiziell würden dort keine

Räder verkauft, aber ich solle danach fragen und

„Grüße von Dave“ bestellen.

TEXT & FOTO: SOPHIE EULER

Page 197: myp MAGAZINE #11

Eine Stunde später war ich Besitzerin eines

gebrauchten schwarzen Cruiser Bikes mit rosa

Felgen und einem Fahrradkörbchen. Kosten: 40

Dollar! Ob Dave was davon abbekam, blieb ein

Geheimnis.

Für meinen Rückflug nach Berlin musste ich laut

Air New Zealand nur noch eine spezielle „Fahr-

radtasche“ kaufen. Zurück zu Dave. Er verkaufte

mir nicht nur die Spezialtasche, sondern zerlegte

mein Fahrrad dafür auch noch in seine Einzelteile.

Die Tasche kostete übrigens 54,99 Dollar.

Alles einfacher als ich dachte, aber die Gedanken

an die Heimfahrt mit dem Bus vom Berliner Flug-

hafen in meine Wohnung lösten inneren Stress

aus. Die Tasche war extrem schwer, sperrig, und

ich hatte ja auch noch meinen Koffer dabei...

Ankunft in Berlin-Tegel: Keine schwarze Tasche

weit und breit! Alles umsonst? Nach 15 Minu-

ten aufgeregten Nachfragens entpuppte sich die

Situation als Glücksfall. Mein Fahrrad steckte in

London fest und wurde mir dann einen Tag später

von einem Kurier direkt in meine Wohnung im

ersten Stock geliefert.

Der Kurier fluchte bei jedem Schritt im Stiegen-

haus über die schwere Riesentasche und ich

konnte erahnen, was mir erspart geblieben ist!

Ich bin stolz auf mein Andenken, und wenn die

Sonne über Berlin scheint, cruise ich los, erin-

nere mich an den Strand von Santa Monica, frage

Fremde im Vorbeifahren nach ihrem Befinden,

grüße mit einer lässigen Handbewegung meine

langhaarigen, bärtigen Kollegen auf ihren Harleys

und fühle mich unbeschreiblich gut!

In eine polizeiliche Fahrradkontrolle sollte ich

aber lieber nicht geraten, denn mein Cruiser hat

keine Handbremsen. Die würden nur den rosa

Lack von den Felgen wetzen. Ich bremse mit

Rücktritt, wenn die Kette zur Abwechslung mal

nicht rausspringt! Die Lenkstange wackelt etwas

und der Sitz quietscht von Jahr zu Jahr mehr,

weil die Federn rosten. Bergauf zu fahren fordert

sportliche Höchstleistungen, weil es keine Gang-

schaltung gibt.

Ach ja und bei Regen werde ich extrem nass.

Bei Cruisern hat man keine Schutzbleche, weil

uncool...

Page 198: myp MAGAZINE #11

PHILIPP BLOCH IST 23 JAHRE ALT, STUDENT UND

KREATIVSCHAFFENDER UND LEBT IN WILHELMSHAVEN.

WWW.HUMMELMORS.DE

BlochPhilipp

Page 199: myp MAGAZINE #11

WWW.HUMMELMORS.DE

BlochPhilipp

Page 200: myp MAGAZINE #11
Page 201: myp MAGAZINE #11
Page 202: myp MAGAZINE #11
Page 203: myp MAGAZINE #11

Das

Der Anblick eines Andenkens lässt uns alle an

etwas denken. Viele Menschen kaufen, verschen-

ken oder erben Andenken, die an einen besonde-

ren Moment oder eine geliebte Person erinnern

sollen.

Ich dagegen bin anders. Ich bin gut im Weg-

schmeißen. Im Wegschmeißen von Dingen, die

mich ständig dazu bringen, an das Vergangene zu

denken. An schöne Momente, die - genau so - nie-

mals wiederkommen werden. An Menschen, die

es so nie wieder in meiner Gegenwart geben wird.

Ich kann mich nicht an alte Tage klammern. Das

wäre falsch gegenüber meiner inneren Zuver-

sicht. Es wäre Melancholie. Dieser anlastende

Zustand macht mich nicht glücklich. Nein, er

erdrückt mich.

Der Anblick eines Andenkens macht mich

schwach. Er sagt meiner Seele: „Das war schön

damals. Das wird so nie wieder passieren.“

An alte Zeiten denken, um sich darin verlieren

zu können, lässt meine Seele leiden. Aber ich bin

Optimist, ich will leben. In meinem Fokus steht

die Hoffnung. Ich will sagen: „Es kommt wie es

kommt. Lass es kommen.“ Das macht mich neu-

gierig. Das macht mein Leben so lebenswert. Wie

eine rasante Autofahrt, bei der hinter jeder Kurve

etwas anderes auf mich wartet - eine Heraus-

forderung, ein nicht vorhersehbares Hindernis.

Genau an das möchte ich denken. Das ist mein

Andenken. Der Gedanke an eine wunderbare

Zukunft, der Gedanke an das Leben.

Und trotz meiner Lust am Wegschmeißen besitze

ich Andenken. Vielleicht weil ich ein ganz norma-

ler Mensch bin, vielleicht weil ich die Melancholie

doch brauche.

Ich besitze aber nichts Großes. Vielmehr Bilder,

Fotos, Motive. Das sind meine Andenken. Ein Aus-

schnitt aus einer vergangen Zeit, die so zwar nie

mehr wieder kommt, aber die ein Fenster wider-

spiegelt, durch das ich kurz einmal durchschauen

kann, um mich zu erinnern.

Falls ich jemals vergessen werde, wie es war, was

dort war, wo ich war.

TEXT & FOTO: PHILIPP BLOCH

Fenster

Page 204: myp MAGAZINE #11

NatašaVuckovic

Page 205: myp MAGAZINE #11

NATAŠA VUČKOVIĆ IST 25 JAHRE ALT, STUDIERT

GRAFIKDESIGN UND LEBT IN HAMBURG.

WWW.NAVUCKO.COM

NatašaVuckovic

WWW.FACEBOOK.COM/NAVUCKO

Page 206: myp MAGAZINE #11
Page 207: myp MAGAZINE #11
Page 208: myp MAGAZINE #11
Page 209: myp MAGAZINE #11

Der Eiffelturm. Auf meinem Tisch, dem dunkel-

braunen Holztisch aus Mahagoni im Wohnzimmer.

Da steht er. Natürlich nicht der echte. Der wäre

auch etwas zu groß gewesen. Aber eine maß-

stabsgetreue Miniaturausgabe davon. Wenn ich

ihn ansehe, dann die Augen schließe und einen

kurzen Moment abwarte, dann passiert etwas

Wunderbares:

Auf einmal bin ich wieder mitten in Paris. Ich laufe

an den vielen kleinen Ständen der Künstler und

Buchverkäufer am Ufer der Seine vorbei. Laufe

ich wirklich? Nein. Ich schlendere. Langsam. Ohne

jede Eile. Hin und wieder bleibe ich stehen. Zum

Beispiel bei Pierre. Pierre ist ein kleiner, hagerer

Mann, der früher einmal sehr gut ausgesehen

haben muss. Heute, mit seinen 83 Jahren steht er

noch immer hier hinter seinem kleinen Stand. Er

verschwindet fast hinter den hohen Stapeln von

alten, gebundenen Büchern, die er dort feil bietet.

Ein kurzes Lächeln, verschmitzt und freundlich,

so wie Pierre gerne lächelt, wenn er ein bekann-

tes Gesicht entdeckt, huscht über seinen großen,

breiten Mund, als ich an seinen Stand trete.

„Bonjour, Mademoiselle“, sagt er und schaut mich

dabei mit seinen braunen, nicht zu eng zusammen

liegenden Augen freundlich an. Pierre steht hier

am Seine-Ufer seit mittlerweile 52 Jahren, wie

ich bei meinem letzten Besuch einige Tage zuvor

erfahren durfte. Es können auch schon 53 Jahre

sein. Das ist ihm nicht so wichtig. Überhaupt hat

Pierre ein sehr liebevolles Verhältnis zur Zeit.

Alles, was er macht, ob er morgens seinen hell-

grünen Holztisch aufbaut, auf dem die vielen mitt-

lerweile ganz gelb gewordenen Bücher liegen,

oder ob er einen neuen Kunden begrüßt, der wie

zufällig an seinem Stand stehen bleibt; all das tut

er mit Bedacht und ohne auch nur einen Anflug

von Hektik.

Einmal habe ich ihn gefragt, was denn sein

Geheimnis sei. Ich bewunderte seine unerschüt-

terliche Ruhe und wohltuende Gelassenheit und

hatte mir fest vorgenommen, dahinter zu kommen.

Pierre zeigte sein schönstes Lächeln und sagte

nur: „Geheimnis, Mademoiselle? Ich kämpfe nicht

gegen die Sekunden, Minuten und Stunden, wie so

viele andere Menschen. Die Zeit ist mein Freund.

Ich komme gut mit ihr aus. Warum also sollte ich

versuchen, sie zu besiegen?“

Dann öffne ich wieder die Augen und schaue

noch eine ganze Weile den Eiffelturm auf meinem

Holztisch an. Pierre hat Recht, denke ich dann und

muss nun selber lächeln.

TEXT & FOTO: NATAŠA VUČKOVIĆ

GeheimnisPierres

Page 210: myp MAGAZINE #11

RoqueFábio Miguel

Page 211: myp MAGAZINE #11

FÁBIO MIGUEL ROQUE IS A 28-YEAR-OLD

PHOTOGRAPHER LIVING IN LISBON, PORTUGAL .

WWW.CARGOCOLLECTIVE.COM/FABIOROQUE

RoqueFábio Miguel

Page 212: myp MAGAZINE #11
Page 213: myp MAGAZINE #11
Page 214: myp MAGAZINE #11
Page 215: myp MAGAZINE #11

Having this opportunity to describe something

through text and image as “My Souvenir,” I decided

to dedicate this project to my two year old son,

Tomé.

I, unlike most people, always doubted that I would

one day become a father. Not that I didn’t want to

be one, but I always imagined that fate, for some

reason, would not give me this opportunity. We

have such doubtful and enduring feelings towards

several ideas or situations, but I was mistaken.

With great anticipation I waited eight months,

although he was born prematurely. I don’t have

any experience and knowledge in this field, but

like with many situations and experiences, we

slowly learned.

There were very many good moments, but some

bad ones as well: many feelings of frustration

were had, my career stagnated due to shifting

priorities and fatigue, which rendered my unable

to visit the cinema, or do anything for that matter.

My project could be entirely different, but it is not.

The project is my souvenir, representing a won-

derful balance that has been maintained over two

years. As a father, I have experienced unimagi-

nable and indescribable sensations and emotions

during this period of time. And, of course, all that

has been temporarily cast aside, such as trips to

the cinema and involvement with my career, has

been reestablished with a new sense of normalcy

and a desire to improve greatly and significantly.

TEXT & PHOTO: FÁBIO MIGUEL ROQUE

WonderfulBalance

Page 216: myp MAGAZINE #11

ROBIN KATER IST 21 JAHRE ALT, STUDIERT

FOTODESIGN UND LEBT IN BERLIN.

WWW.ROBINKATER.DE

Page 217: myp MAGAZINE #11

KaterRobin

Page 218: myp MAGAZINE #11
Page 219: myp MAGAZINE #11
Page 220: myp MAGAZINE #11
Page 221: myp MAGAZINE #11

Für immer

TEXT & FOTO: ROBIN KATER

wach

Als Kind brachte ich von all’ meinen Reisen irgen-

dein Andenken mit nach Hause, sei es ein Kus-

cheltier, eine Postkarte oder “irgendetwas zum

Hinstellen”.

Diese Gegenstände sind daraufhin leider häufig

in allen möglichen Ecken meines Zimmers ver-

schollen oder verstaubten in Regalen.

Wenn ich sie ansah, wusste ich zwar noch unge-

fähr, wo dieser Gegenstand herkam, aber oft gab

es dazu keine bestimmte Geschichte, die mir

wieder einfallen würde.

Seitdem ich eine Kamera besitze und diese aktiv

nutze, stelle ich fest, dass mein Andenken an

alles, was mir besonders erscheint, durch meine

Bilder gewährleistet wird. Dies sind nicht unbed-

ingt Momente, die mit der Kamera festgehalten

wurden, sondern vor allem Orte und Stimmun-

gen an denselben, die sich irgendwo in meinem

Gedächtnis eingenistet haben.

Diese Andenken sind nun nicht mehr materiell,

sondern eigentlich weder greifbar und leicht mit

Anderen teilbar.

So erinnere ich mich beispielsweise oft an

einen einzelnen Tag, den ich mit meiner Familie

während eines Schottlandurlaubs erlebt habe.

Sonne, Meer, Wald, Berge, Klippen, Wind, Wald-

wege, eine Bucht... All das sind die einzelnen

Andenken, die mir diesen Tag immer noch nahezu

lebhaft vor Augen führen.

An diesem Tag habe ich auch fotografiert. Ich

hoffe, dass die Bilder, die ich dort gemacht habe,

mein Andenken an die Stimmung an diesem Tag

für immer wach halten.

Page 222: myp MAGAZINE #11

FreudenthalerTanja

Page 223: myp MAGAZINE #11

TANJA FREUDENTHALER IST 24 JAHRE ALT,

KOMMUNIKATIONSDESIGNERIN UND LEBT IN STUTTGART.

WWW.TANJAFREUDENTHALER.DE

FreudenthalerTanja

Page 224: myp MAGAZINE #11
Page 225: myp MAGAZINE #11
Page 226: myp MAGAZINE #11
Page 227: myp MAGAZINE #11

TEXT: TANJA FREUDENTHALER

FOTO: SANDRINE MAUSE UND TANJA FREUDENTHALER

Der wahreGenuss

Se souvenir de...

Jäger und Sammler,

durchstreifen Metropolen,

jagend nach Erinnerungen,

dem einzigartigen Stück.

Sprinten durch Massen,

Menschen, die bummeln,

aus verschiedenen Welten,

sind schon vorbei.

Fokussiert auf die Highlights,

von einem zu nächsten,

blitzend und zoomend,

blenden sie aus.

Tausend Bilder im Chip,

keines im Kopf

hinter der Linse,

verfliegt der Moment.

Verpassen das Wichtige,

der wahre Genuss.

Die Erinnerung bleibt,

zumindest im Bild.

Page 228: myp MAGAZINE #11

HENRIKE OTT IST 31 JAHRE ALT,

KOMMUNIKATIONSDESIGNERIN UND LEBT IN BERLIN.

WWW.DESIGN-OTT.DE

OttHenrike

BE BERLIN DESIGN-SOUVENIR AWARD

Page 229: myp MAGAZINE #11

OttHenrike

Page 230: myp MAGAZINE #11
Page 231: myp MAGAZINE #11
Page 232: myp MAGAZINE #11

Es begann damit, dazugehören zu wollen.

Einige Jahre später war es der Wunsch, einen Gedanken mit mir zu tragen.

Einen Gedanken, der Hoffnung gibt.

Später wurde daraus eine große Liebe. Seitdem ist es ein allumfassender Plan.

Manchmal ein spontaner Moment – ein Witz.

Was es bleibt:

Ein Souvenir, das mich an jeden dieser Momente erinnert.

TEXT: HENRIKE OTT

FOTO: MARK HALBSTARK

GroßeLiebe

Page 233: myp MAGAZINE #11
Page 234: myp MAGAZINE #11

SchievelkampJulian

Page 235: myp MAGAZINE #11

JULIAN SCHIEVELKAMP IST 19 JAHRE ALT,

FOTOKÜNSTLER UND LEBT IN KÖLN.

WWW.JULIANSCHIEVELKAMP.COM

SchievelkampJulian

Page 236: myp MAGAZINE #11
Page 237: myp MAGAZINE #11
Page 238: myp MAGAZINE #11
Page 239: myp MAGAZINE #11

Die lange

Eden Calling: Inmitten einer Frühlingslichtung

wache ich unter einem raschelnden Meer dicht

bewachsener Baumkronen auf, als ein leichter

Hauch die farbenprächtige Wildflora um mich

herum erzittern lässt. Während ich versuche,

den Duft von feuchtem Eichenholz zu erhaschen,

bringt mich ein fernes Raunen aus der Fassung.

Ich habe das seltsame Gefühl, die vernarbten Ast-

löcher einiger Bäume flüstern meinen Namen.

Klingt fast wie Herbstlaub im Auslauf des Windes,

hat dabei jedoch seinen ganz eigenen Charakter.

Einen tiefen Atemzug lang halte ich still, bis ich

pollenartige Körnchen bemerke, die von oben hin-

unter fallen und in den Boden sickern. Die Erde

leuchtet auf und weitet sich, lässt Wurzeln um

meinen Körper ranken, um mich zu halten.

Bevor ein solch utopischer Waldzauber die Fan-

tasien des einen oder anderen beflügelt, muss

ich anmerken: Das Ganze ist gar nicht so mär-

chenhaft wie es klingt, denn das Kitzeln überdi-

mensionaler Mikrosporen in der Nase ist wirklich

unerträglich.

Wenn ich heute daran zurückdenke, genieße ich

den Moment häufig mit einer Zigarette und einem

Notizblock, auf dem ich einfach die Gedanken ein-

fange, die mir in Form von goldglühendem Blü-

tenstaub in der Luft erschienen.

Ich fiel nur einen kurzen Moment in die Hänge des

Waldes, aber wenn ich guten Kitsch nicht so lieben

würde, wäre ich dort wahrscheinlich nie gelandet.

Es war jedoch ausgeschlossen, mich bloß auf eine

verschwommene Traumvorstellung zu beschrän-

ken, die irgendwann in den Winkeln meiner

Gedankenkonstruktionen dahinvegetiert. Ich war

zu Hause.

TEXT & FOTO:

JULIAN SCHIEVELKAMP

Nacht der Musen

Page 240: myp MAGAZINE #11

MeyerJonas

Page 241: myp MAGAZINE #11

JONAS MEYER IST DESIGNER UND

HERAUSGEBER UND LEBT IN BERLIN.

WWW.JMVC.DE

MeyerJonas

Page 242: myp MAGAZINE #11
Page 243: myp MAGAZINE #11
Page 244: myp MAGAZINE #11

About

TEXT: JONAS MEYER

FOTO: ROBERTO BRUNDO

Sharing

Dass dieser Moment kommen würde, das wuss-

ten wir beide nur zu gut. Dabei lag er noch vor

einer Stunde so unendlich weit im Irgendwann,

dass er einfach nicht präsent sein wollte in unse-

ren Köpfen, nicht existent sein durfte in unseren

Herzen. Und so sahen wir auch gar nicht ein, nur

einen einzigen Gedanken an das zu verschwen-

den, was uns jetzt so plötzlich und brutal den

Boden unter den Füßen wegriss.

Dabei standen wir gar nicht. Sondern saßen.

Nebeneinander. Schweigend, früh morgens am

Brunnen. Irgendwie schien sich gerade der ganze

Schmutz der Stadt in diesem trüben Wasser auf-

zulösen – jener großen Stadt, die noch schlief,

obwohl es bereits hell war.

Wir waren wach, immer noch. In zwei Stunden

würdest du aufbrechen zum anderen Ende der

Welt, würdest zurückkehren in dein Leben und

mich zurücklassen in meinem.

Und so sahen wir hilflos dabei zu, wie die Zeit

unsere letzten gemeinsamen Minuten fraß. Eine

nach der anderen, rasend schnell und doch so

quälend langsam, dass der Schmerz uns zu zer-

reißen drohte.

Reden ging nicht, Tränen blockierten den Hals.

Trotzdem nahmst du dieses Buch, das ein stän-

diger Begleiter war auf deiner langen Reise und

braune Flecken hatte vom schmutzigen Brunnen.

Ich solle es behalten, sagtest du, denn ich könne

damit deine Sprache lernen.

Wie sie klingen würde, würdest du mir demonst-

rieren, und last mir die laut ersten Zeilen vor:

Miércoles, 17 de marzo. HISTORIA DE DIOS.

Descubrir que no se es inmortal, que hay más

dioses, cuya vida tampoco es eterna. El drama de

saberse absoluto, pero sólo para sus criaturas.

„Nein“, fuhr ich dich an, „hör auf! Merkst du denn

nicht, dass du es dadurch nur noch schlimmer

machst?“

Wir standen auf und liefen einige Schritte mit

Beinen aus Blei. Der Moment des Abschieds, der

eben noch irgendwo im Irgendwann lag, stand uns

nun Auge in Auge gegenüber – und nahm dich mit.

Nur das Buch lies er da. Und deine letzten Worte.

„Life’s about sharing, Jonas!“

Page 245: myp MAGAZINE #11
Page 246: myp MAGAZINE #11

LeisterLukas

Page 247: myp MAGAZINE #11

LUKAS LEISTER IST 23 JAHRE ALT, FOTOGRAF

UND STUDENT UND LEBT IN FURTWANGEN.

WWW.LUKASLEISTER.DE

LeisterLukas

Page 248: myp MAGAZINE #11
Page 249: myp MAGAZINE #11
Page 250: myp MAGAZINE #11

Ein

TEXT: LUKAS LEISTER

FOTO: BEAT EISELE

halbes Jahr

Der schwarze Fleck, da wolle er keine beschöni-

gende Umschweife machen, sei ein haselnuss-

großer Tumor mitten im Stammhirn. Dr. Larsson

tippte mit seinem Mittelfinger unerträglich sou-

verän auf dem Ausdruck der Röntgenaufnahme

herum. Es hatte mich schon immer gestört, wenn

Leute anstatt des Zeigefingers, der seine zei-

gende Funktion ja nicht offensichtlicher im Namen

tragen könnte, den Mittelfinger zum Deuten

benutzten. Dass es dann letzten Endes Larssons

souveräner Mittelfinger sein musste, der mir das

attestierte, was ich die letzten Tage befürchtete,

war wie ein finaler Tritt in sowieso schon ange-

brochene Rippen.

Überhaupt wirkte alles an Larsson so unan-

genehm gefestigt und sicher. Seine klare, tiefe

Stimme, seine kerzengerade Haltung und das

markante Gesicht machten ihn zu dem, was man

im Groben und Ganzen als genaues Gegenteil von

mir bezeichnen kann.

Es täte ihm leid sagte er, während er wie ein-

studiert seine Hand mit tröstender Absicht auf

meiner knorrigen Schulter parkte.

Doch trösten konnte er mich nicht und wollte ich

mich auch nicht lassen.

Stattdessen schien mir seine Hand wie ein heißes

Bügeleisen, das sich langsam seinen Weg durch

meine Jacke, meinen Pullover und meine Haut

brannte. Erschrocken von der Hitze, die sich

plötzlich in meinem Körper ausbreitete, schubste

ich seine Hand ungewollt grob von mir.

Davon unbeeindruckt schaute mir Dr. Larsson,

der wohl auf eine Reaktion von mir wartete, mit

einem starrem Blick in die Augen. Genau wie ich

rechnete er wohl damit, dass ich jeden Moment in

Tränen aus- und dann zusammenbrechen würde.

Doch irgendwie schaffte ich es ruhig zu bleiben,

nichts zu sagen und regungslos dazustehen, für

eine - vielleicht auch zwei - Minuten.

Meine vermeintliche Gefasstheit ließ augen-

scheinlich auch den Arzt zumindest für einen

kurzen Moment stutzen und verstummen, was

mir für einen noch viel kürzen Moment ein bei-

nahe befriedigendes Gefühl gab, mein Gegenüber

aus seiner Routine gerissen zu haben.

Page 251: myp MAGAZINE #11

Dass ich schon die letzten zwei Tage abwechselnd

geweint, geschrien, nichts gegessen und wenig

geschlafen hatte, konnte er nicht wissen und ich

hätte den Teufel getan und es ihm erzählt.

„Wie lange?“, war das Erste was ich dann mit doch

peinlich zittriger Stimme über die Lippen brachte

– das hatte ich mir zurechtgelegt. In Arztserien

schafft das Stellen dieser Frage für gewöhnlich

einen dramatisch anmutenden Pathos. In meiner

Situation war es nicht pathetisch und wenn über-

haupt mutete es erbärmlich an. Indessen bot es

der Souveränität Larssons Gelegenheit, sich in

voller Pracht zurückzumelden.

Das könne er nicht sagen, da müsse man erst

genauere Tests durchführen, es wäre mir nur

nahezulegen, auch wenn er sicherlich leicht reden

hätte, nicht den Kopf in den Sand zu ste... „Wie

lange?“, unterbrach ich ihn. Larsson hielt inne.

Drei, vier Monate, wenn man sofort mit der

Behandlung beginne und die Medikamente

anschlügen, vielleicht auch ein halbes Jahr. Man

könne mich heute noch aufnehmen, er würde sich

persönlich darum kümmern.

Ob ich schon gepackt hätte, fragte er mich. „Nein.“,

sagte ich und nickte trotzdem zustimmend, dass

das wohl das Nächste sei, was zu tun wäre.

Draußen vor der Klinik schien die Sonne. Ich

schaute auf meine Uhr. Es war März, der zweiund-

zwanzigste, Mittagszeit. Larsson hatte recht, ich

musste packen. In drei Stunden ging mein Flieger.

Ich nahm mein Notizbuch aus der Tasche und

schlug den Jahreskalender auf der dritten Seite

auf.

Ein halbes Jahr im besten Fall, dann wäre es Sep-

tember und bald Herbst.

Page 252: myp MAGAZINE #11
Page 253: myp MAGAZINE #11
Page 254: myp MAGAZINE #11
Page 255: myp MAGAZINE #11

Wir danken allen von ganzem Herzen, die uns seit

über zwei Jahren auf unserem Weg begleiten und uns

jeden tag in dem bestärken, was wir tun.

Page 256: myp MAGAZINE #11

ImpressumMYP MAGAZINE

THE MY PAGES MAGAZINE

SCHLESISCHE STR. 19, 10997 BERLIN, GERMANY

+49 (0) 30 . 22 39 31 72 - [email protected]

HERAUSGEBER & REDAKTION:

JONAS MEYER & LUKAS LEISTER

GRAFISCHE KONZEPTION & DESIGN:

JONAS MEYER (JMVC)

FOTOGRAFISCHE KONZEPTION:

DAVID PAPROCKI

FOTOGRAFIE & BILDBEARBEITUNG:

DAVID PAPROCKI - MAXIMILIAN KÖNIG

STEPHEN GWALTNEY - MAXIMILIAN LEDERER

ROBERTO BRUNDO

COVERMODEL:

ELISA SCHLOTT (DIE AGENTEN)

COPYRIGHT BY JONAS MEYER & LUKAS LEISTER

GERMANY 2013 - ALL RIGHTS RESERVED

W W W. M Y P - M A G A Z I N E . C O M

WWW.JMVC.DE

WWW.LUKASLEISTER.DE

Page 257: myp MAGAZINE #11
Page 258: myp MAGAZINE #11

Inspiriertdurch Kalifornien

im Frühling.

Page 259: myp MAGAZINE #11

Inspiriertdurch Kalifornien

im Frühling.DEDICATED TO CRISTIANO QUEIROZ JR. AND REMINGTON RIEHL .

Page 260: myp MAGAZINE #11

W W W. M Y P - M A G A Z I N E . C O M© G E R M A N Y 2 0 1 3