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1 Bericht Pfeifer-Mobil „…Immer zu Hause, immer unterwegs, immer Musik…“

Reisebericht Christian Wallner

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Reisebericht Pfeifermobil

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Bericht Pfeifer-Mobil

„…Immer zu Hause, immer unterwegs, immer Musik…“

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Die Reise

Sa. 03.05.2008-So 04.05.2008

Fahrt von Luzern nach Westdorpe (Holland)

Mo.05.05.2008 – Sa. 10.05.2008

Unterricht bei Fapy Lafertin in Westdorpe, Zeeland, Holland.

So. 11.05.2008- Mi. 14.05.2008

Campieren in der nähe von Westdorpe, üben, üben, üben

Do. 15.05.2008

Fahrt nach Gent. Camping am Stadtrand. Lunch, üben, mit dem Velo ins Zentrum.

Fr. 16.05.2008

Fahrt nach Liberchies. Camping in Luttre, klein, einfach, sympathisch. Andere Festivalbesucher treffen ein. Viele Franzosen. Gute Jam-Sessions. Stürmisch regnerische Nacht.

Sa. 17.05.2008 – So. 18.05.2008

Festival „Django à Liberchies“ am Geburtsort von Django Reinhardt. Viele Konzerte und Sessions. Ich habe die Telefonnummer vom Gitarristen Mandino Reinhardt bekommen. Er wohnt in der Nähe von Strassbourg, wo er auch Stunden gibt. Vielleicht werde ich da vorbei gehen...

Mo. 19.05.2008 – Mi. 21.05.2008

Unterricht bei Lollo Meier in Born.

Do. 22.05.2008 – Di. 27.05.2008

Amsterdam

Mi. 28.05.2008 – Fr. 30.05.2008

Ich verbringe meinen Geburtstag fahrend von Amsterdam nach Esch-sur Alzette. Danach weiter nach Lac de la Liez (Haut Marne) und schliesslich nach Cassieu bei Lyon.

Fr. 30.05.2008 – So. 1.06.2008

Workshop bei Romane und Richard Manetti in Chassieu.

Mo. 02.06.2008 – Mi. 04.06.2008

Fahrt nach St. Remy en Provance. Ich versuche, den Gitarristen Coco Breaval zu finden, leider erfolglos. Ich suche das trockene, warme Wetter und werde in Le Grau du Roi fündig. Super Platz auf dem Camping l’Espiguette. Ruhe, viel Platz, ich kann hier sehr gut üben.

Mi.04.06.08-Di.10.06.08

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Ich bleibe eine ganze Woche in l’Espiguette bei Le Grau du Roi in der Camarque. Ich verarbeite, vertiefe das bisher Gelernte. Vorbereitung auf die Konzerte in der Schweiz.

Di.10.06.08.-Mi.11.06.08

Fahrt über Aix les Bains nach Hause.

Do.12.06.08-So15.06.08

Bin zu Hause. Nach 6 Wochen Camping ist das etwas ungewohnt. Am Samstag Gig mit den Swing Strings in Greifensee an einem Privatfest. Am Sonntag mit Caravane Matinee in Wolishofen und am Abend ein Konzert in der Esse Music Bar in Winterthur. Meine Studien beginnen bereits Früchte zu tragen.

Mo.16.06.08-Mi.18.06.08

Fahrt mit Annette in Richtung Samois. Wir sind zwei Tage auf dem fast leeren Camping in Samois. Ich übe und Annette lernt Text.

Do.19.06.08.-So.22.06.08

4 Tage Paris. Habe gute Konzerte besucht.

Mo.23.06.08-So.29.06.08

Festival Django Reinhardt in Samois-sur-Seine. Dieses Festival ist weltweit das grösste Gipsyjazzfestival. Viele fantastische Konzerte, Sessions und neue Bekanntschaften.

Mo.30.06.08

Fahrt nach Westdorpe (Holland).

Di.01.07.08-Sa05.07.08

Unterricht bei Fapy Lafertin.

So. 06.07.08-Do.10.07.08

Ich bleibe noch in Holland in der Nähe von Fapy und versuche all die neuen Infos zu verarbeiten.

Do.10.07.08-Fr.11.07.08

Fahrt nach Luzern.

Sa.12.07.08-Sa.26.07.08

Die letzten zwei Wochen verbringe ich in Begleitung meiner Partnerin Annette unterwegs in Frankreich. Üben und Entspannen halten sich die Waage.

Die beiden wichtigsten Lehrer

Die beiden wichtigsten Lehrer auf meiner Reise waren eindeutig Fapy Lafertin und Lollo Meier.

Fapy Lafertin

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Ich war zweimal für länger Zeit bei Fapy Lafertin. Er hat mit allen noch lebenden Mitgliedern des Hot Club de France (die berühmte Band von Django Reinhardt) gespielt, in England hat er mit vielen Grössen des Jazz gespielt und zahlreiche internationale Tourneen absolviert. Fapy spielt ganz in der Tradition von Django Reinhardt, er hat den Stil vollkommen verinnerlicht und kann völlig frei über sämtliche Stücke improvisieren. Die meisten bekannten Gipsy-Gitarristen in Holland haben ihr Handwerk unter anderem bei Fapy Lafertin gelernt, darunter Stars wie Stochelo Rosenberg, Martin Limberger und die Gitarristen der Familien Rosenberg und Basili.

Als Lehrer ist er gnadenlos ehrlich. Als erstes hat er mein Spiel komplett zerpflückt. („this is not good and this is not good either...“) Ich habe später an Sessions einige Leute kennengelernt, die auch bei Fapy Unterricht hatten und es ist allen gleich ergangen. Im Unterricht lässt er mich das Gleiche immer und immer wieder wiederholen bis es ganz genau auf dem Punkt ist. Oft ist sein Unterricht mit kleinen Denksportaufgaben gespickt und er sagt immer wieder: „you have to use your brain“. Ich hatte bei Fapy jeweils zwei Stunden Unterricht pro Tag, meistens war ich aber den ganzen Nachmittag oder auch bis spät Abends bei ihm. Er hat viel aus seinem musikalischen Leben erzählt, oder wie es war, in den 40er und 50er Jahren als Zigeunerjunge aufzuwachsen, wie er sich selbst lesen und schreiben beigebracht hat, weil er nicht zur Schule gehen konnte...

Der Unterricht bei Fapy war etwas vom Besten was mir musikalisch je passiert ist! Der Unterricht bei Fapy ist sehr systematisch und strukturiert. Es war wunderbar, von einem solch grossartigen Musiker zu lernen und einen höchst interessanten, liebenswürdigen, intelligenten und manchmal philosophischen Menschen kennen zu lernen. Ich werde meine Studien bei ihm fortsetzten und in Zukunft zwei bis dreimal pro Jahr für ein paar Tage nach Holland reisen, um bei ihm weiterhin Unterricht zu nehmen.

Lollo Meier

Ich kenne Lollo Meier und seine Familie nun schon seit mehr als drei Jahren und in dieser Zeit ist eine schöne Freundschaft entstanden. Lollo lebt mit seiner Frau, seinen zwei Kindern und seinen elf Geschwistern mit Familie in einer Mobilhome - Siedlung ausserhalb der Ortschaft Born (Limburg/Holland) In Holland leben die meisten Gipsys sesshaft in solchen Siedlungen.

Während meiner Reise hatte ich drei Unterrichtsblöcke bei Lollo. Im Gegensatz zu Fapy ist der Unterricht bei Lollo viel weniger strukturiert. Wie die meisten Gipsy-Gitarristen weiss Lollo oftmals nicht genau, was er eigentlich macht, da er weder eine Schule noch eine Musikschule besucht hat. Der Unterricht besteht daher vor allem aus Zuhören und Nachspielen. Es liegt dann an mir, das Gelernte in einen musiktheoretischen Zusammenhang zu stellen, um es in der Improvisation kreativ nutzen zu können.

Ich hatte jeweils zwei Stunden am Vormittag und zwei Stunden am Abend. D.h. nach 5 Tagen hatte ich 20 Stunden Unterricht! Zum Glück konnte ich die Lektionen aufnehmen, sodass ich all die schönen Melodien und Ideen später in Ruhe verarbeiten konnte.

Ueben

Ein Hauptteil meiner Beschäftigung war natürlich das Ueben. Es war jeweils wichtig, nach einer Phase des Inputs das neu Gelernte zu verarbeiten und in die kontinuierliche Arbeit zu integrieren. Ich habe täglich zwischen vier und acht Stunden geübt. Als Hilfsmittel benutzte ich meinen Laptop: Ich habe

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jeweils ein Playback (Begleitung) aufgenommen und dazu geübt. Das Pfeifermobil bot mir jederzeit die Möglichkeit, in einem geschützten Raum konzentriert zu arbeiten.

Konzerte

Die meisten Konzerte konnte ich an den beiden grossen Festivals in Liberchies (Belgien) ,in Samois-sur-Seine(Frankreich) und in Paris hören. Insgesamt waren es mehr als 30 Konzerte, an denen ich alle aktuellen Musiker der Szene live hören konnte. Nebst den eigentlichen Konzerten hatte ich auch die Möglichkeit, berühmte und weniger berühmte wunderbare Musiker an Sessions und Workshops live zu hören.

Sessions

Vor allem an den Festivals von Liberchies (Belgien) und Samois-sur-Seine (Frankreich) bot sich die Gelegenheit für viele spontane Sessions mit Musikern aus der ganzen Welt. Während dieser Festivals finden rund um die Uhr Hunderte von Sessions statt. Stets ist man zum Mitspielen eingeladen. An diesen Sessions hatte ich oft die Gelegenheit, mit sehr guten Musikern zusammen zu spielen und in ungezwungener Atmosphäre und mit viel Spass zu lernen.

Das Wohnmobil

Das Pfeifermobil als Wohn - und Arbeitsraum hat sich für mich sehr bewährt. Die technische Handhabung des Fahrzeuges hatte ich schnell im Griff, so konnte ich mich von Anfang an intensiv der Musik widmen.

Manchmal war es etwas komisch, mit einem brandneuen Wohnmobil unterwegs zu sein. Die neugierigen und manchmal neidischen Blicke waren oftmals irritierend. In den Gipsy - Siedlungen standen nach spätestens 5 Minuten 5 – 10 Leute ums Fahrzeug herum und haben eifrig gefachsimpelt.

Die schönsten Kommentare waren wohl: „Ein Schloss auf Rädern!“; „...genau das was ein Musiker braucht¨“; „...ach, warum müssen die schönen Dinge immer so teuer sein?“

Die Mobilität und damit Flexibilität habe ich sehr schnell schätzen gelernt und ich bin in den 12 Wochen, in denen ich unterwegs war, insgesamt ca. 9200 km weit gefahren. Zur Bewältigung von grossen Distanzen z.B. Amsterdam - Lyon (ca. 1000 km) bin ich pro Tag jeweils zwischen 300 und 400 km weit gefahren, so wurde ich nie müde und hatte auch an diesen Tagen einige Stunden Zeit zu üben.

Abschliessend

Ich möchte mich bei den Verantwortlichen der Pfeifer-Stiftung noch einmal ganz herzlich bedanken. In den drei Monaten Mai, Juni und Juli habe ich für meine grosse Passion, den Gipsy Jazz mehr Inputs und Erfahrungen gesammelt als in den letzten drei Jahren, in denen ich hier zu Hause gearbeitet habe. Das Leben in einem Wohnmobil, die Begegnungen mit den Gipsys und den vielen anderen musikbegeisterten Leuten sind für mich und meine Musik eine sehr grosse Bereicherung. Die vielen

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verschiedenen Orte, die langen Fahrten und all die unterschiedlichen Stimmungen werden noch für viele eigene Kompositionen inspirierend sein. Das Pfeifermobil-Stipendium hat mir ermöglicht, eine der inspirierendsten, lehrreichsten und aussergewöhnlichsten Erfahrungen meines Lebens zu machen!