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Der Hexenhammer Malleus Maleficarum Bearbeitet von Heinrich Kramer, Günter Jerouschek, Wolfgang Behringer, Werner Tschacher 1. Auflage 2000. Taschenbuch. 864 S. Paperback ISBN 978 3 423 30780 2 Format (B x L): 12 x 19,1 cm Weitere Fachgebiete > Religion > Systematische Theologie > Geschichte der Theologie, Einzelne Theologen schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

Der Hexenhammer - ReadingSample · 2018-03-22 · Der Hexenhammer Malleus Maleficarum Bearbeitet von Heinrich Kramer, Günter Jerouschek, Wolfgang Behringer, Werner Tschacher 1. Auflage

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Der Hexenhammer

Malleus Maleficarum

Bearbeitet vonHeinrich Kramer, Günter Jerouschek, Wolfgang Behringer, Werner Tschacher

1. Auflage 2000. Taschenbuch. 864 S. PaperbackISBN 978 3 423 30780 2

Format (B x L): 12 x 19,1 cm

Weitere Fachgebiete > Religion > Systematische Theologie > Geschichte derTheologie, Einzelne Theologen

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

als 8 Millionen Produkte.

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Der ›MalleusMaleficarum‹, deutsch ›Der Hexenhammer‹, Erst-druck 1486, steht am Beginn der blutigen Epoche der europäi-schen Hexenverfolgungen. Als Handbuch der Hexenjäger zählter zu den verhängnisvollsten Büchern der Weltliteratur. Nichtzuletzt deswegen ist er auch heute noch ein Basistext zum Ver-ständnis der abendländischen Geistes- und Kulturgeschichte.Seit langem galt die 1902 erschienene Übersetzung des lateini-schen Originaltextes als unzulänglich, wenn auch unentbehr-lich. Mit dieser Ausgabe liegt nun nach fast hundert Jahren erst-mals eine lesbare, übersichtlich gestaltete und wissenschaftlichverlässliche Neuübertragung aus dem Lateinischen vor. DieKommentierung wichtiger Belegstellen und der Nachweis derBeispiele aus historisch dokumentierten Hexenverfolgungen er-leichtern den Zugang. Herausgeber und Übersetzer haben dabeiden neuesten internationalen Forschungsstand einbezogen. Da-mit können immer noch verbreitete falsche Vorstellungen überAusmaß, Zeitraum und Charakter der Hexenverfolgungen end-lich zurechtgerückt werden.

Prof. Dr. iur. Dr. phil. Günter Jerouschek ist Ordinarius an derJuristischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena undPsychoanalytiker.Prof. Dr. phil. Wolfgang Behringer war von 1999–2003 Chairin Early Modern History an der University of York, England,und ist seither Professor an der Universität des Saarlandes. Erist Herausgeber des dtv-Bandes ›Hexen und Hexenprozesse inDeutschland‹ (30781).Dr. phil. Werner Tschacher arbeitet als Historiker über spät-mittelalterliche Dämonologien.

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Heinrich Kramer (Institoris)

Der Hexenhammer

Malleus Maleficarum

Neu aus dem Lateinischen übertragenvon Wolfgang Behringer, Günter Jerouschek

und Werner TschacherHerausgegeben und eingeleitet

von Günter Jerouschek und Wolfgang Behringer

Deutscher Taschenbuch Verlag

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Zum Umschlagbild: Hexenverbrennung in Derenburg, dem Hauptort derGrafschaft Regenstein, bei Wernigerode am Harz. Ein bei Georg Merkel inNürnberg gedruckter Einblattdruck informierte über die Verbrennungzweier Frauen, der Groebeschen und der Gisslerschen, als »haexen oder un-hold«. Während der Verbrennung am 1. Oktober 1555 habe der Teufel dieGroebesche, die seine Buhlin war, durch die Luft entführt. Der Mann derGroebeschen wurde am 12. Oktober mit dem Schwert hingerichtet. Am14. Oktober wurde eine dritte Frau, »die Serckschen genannt«, wegen Gift-mord und Schwellen- und Viehzauber verbrannt. Der Holzschnitt bildetdiese Ereignisse ab. Der in mehreren Exemplaren erhaltene Druck, einer derfrühesten zu diesemThema, nimmt auf die imHexenhammer genannten Be-

standteile der Hexerei Bezug und zeigt damit dessenWirkung an.

NeuübersetzungSeptember 2000

3. revidierte Auflage März 20036. Auflage Dezember 2007

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH&Co. KG,Münchenwww.dtv.de

© 2000 Deutscher Taschenbuch Verlag, MünchenUmschlagkonzept: Balk & Brumshagen

Umschlagbild: Ausschnitt aus einem zeitgenössischen Flugblattmit Holzschnitt (1555) von Jörg Merckel

AKG BerlinGesetzt aus der Sabon 9,5/10,5.

Satz: Fotosatz Reinhard AmannAichstetten

Druck und Bindung: Druckerei C.H. Beck, NördlingenGedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany · ISBN 978-3-423-30780-2

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Inhalt

Vorwort7

»Das unheilvollste Buch der Weltliteratur«?Zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte

des Malleus Maleficarum und zu denAnfängen der Hexenverfolgung

9

Der Hexenhammer(mit Bulle (101), Approbatio (107),

Apologia (117) und Inhaltsverzeichnis (121)

Der Hexenhammer, Erster Teil136

Der Hexenhammer, Zweiter Teil345

Der Hexenhammer, Dritter Teil599

Anhang

Quellen und Literatur zur Interpretationdes Hexenhammers

799

Register836

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Vorwort

Publikationen entstehen nicht im luftleeren Raum. Die vorlie-gende Neuübersetzung des Malleus Maleficarum verdankt sichden Kontakten zwischen einem der Herausgeber, Wolfgang Beh-ringer (München/York), und dem Deutschen Taschenbuch Verlagin München. Die Neuherausgabe des Dokumentenbandes »He-xen und Hexenprozesse in Deutschland« bot Anlaß zu einer An-frage beim Verlag, ob man die alte Hexenhammer-Übersetzungdes Indologen J.W. Richard Schmidt nicht durch eine brauchba-rere ersetzen könnte. Dieser Vorschlag wurde nicht nur begrüßt,sondern mit der Bitte verbunden, dies möglichst zügig ins Werkzu setzen. Um den damit entstandenen Zugzwang ins Positive zuwenden, erfolgte die Kontaktaufnahme mit Günter Jerouschek(Jena), einem durch mehrere Publikationen ausgewiesenen Spe-zialisten für den Hexenhammer, für die Planung der gemeinsa-men Neuausgabe.

Für die Neuübersetzung dazugewonnen und im Rahmen einesvon der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertenProjekts (Leitung Günter Jerouschek) beschäftigt wurde WernerTschacher (Aachen), ausgewiesen durch seine Dissertation überden Formicarius des Johannes Nider. Eine Rohübersetzung wur-de von den Übersetzern drei arbeitsaufwendigen Korrekturdurch-gängen anhand des lateinischen Originals unterworfen, die aufArbeitstagungen in Jena, Erfurt und München diskutiert wurden.Große Teile der Übersetzung wurden zusätzlich durch Prof. Dr.Othon Scholer (Luxemburg) überprüft. Für seine Bereitschaft zurMitwirkung waren wir um so dankbarer, als der unerwartete Todvon Prof. Dr. Dr. Winfried Trusen (Würzburg), der seine Mitar-beit bereits zugesagt hatte, für unser Team einen schweren Verlustbedeutet hat. Danken möchten wir auch Sonja Kinzler (Mün-chen) für die Erstellung des Registers. Besonders nützlich bei derKommentierung der Übersetzung waren die Vorarbeiten vonProf. Dr. Heide Dienst (Wien), Dr. André Schnyder (Bern) undProf. Dr. Sönke Lorenz (Tübingen).

Wolfgang Behringer (York) Günter Jerouschek (Jena)

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»Das unheilvollste Buch der Weltliteratur«?

Zur Entstehungs- und Wirkungs-geschichte des Malleus Maleficarum

und zu den Anfängen der Hexenverfolgung

Die Bewertung des Hexenhammers

Der Malleus Maleficarum oder Hexenhammer hat wie kaum einanderes Buch seine Leser fasziniert und abgestoßen. Sein Rufverdankt sich dem Umstand, daß er für die Schrecken der beispiel-losen und mehrere Jahrhunderte dauernden europäischen He-xenverfolgungen verantwortlich gemacht wird. Im Hexenham-mer wurden aus der älteren Literatur systematisch Argumentezusammengetragen, welche die Menschenjagd legitimieren undrechtliche Hinderungsgründe aus dem Weg räumen sollten. FürBefürworter der Hexenverfolgung stellte er die grundlegendeAutorität dar. Und unter denen, die an die Möglichkeit von He-xerei glaubten, hat er leidenschaftliche Anhänger gefunden.Noch vor wenigen Jahrzehnten wurde er von seinem englischenHerausgeber Montague Summers als »eines der wichtigsten,weisesten und bedeutsamsten Bücher der Welt« gepriesen.1

Auf der anderen Seite hat der Hexenhammer von Anfang anAbscheu ausgelöst. Bereits im 16. Jahrhundert erschien er vielenals blutrünstig und inhuman, als wirr und verlogen. Selbst nüch-terne Wissenschaftler ließen sich zu emotionalen Reaktionenhinreißen. Der Aufklärer Christian Thomasius (1655–1728),einer der großen Kämpfer gegen den Hexenwahn, hat denHexenhammer als confusissima disputatio bezeichnet.2 Der Hi-storiker Sigmund Riezler (1843–1927), Autor einer wichtigen

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1 Montague Summers, Malleus Maleficarum, London 1948, XL.2 Thomasius 1712/1986, 174.

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Abhandlung zur Geschichte der Hexenverfolgung, nannte es»das verrückteste und dennoch das unheilvollste Buch der Welt-literatur«.3 Und Joseph Hansen (1862–1943), der wichtigsteProtagonist der älteren Hexenforschung, erblickte darin ein »un-glaubliches Monstrum voll geistiger Sumpfluft«, in dem sich»ein kaltblütiger und geschwätziger Cynismus, ein erbärmlicherund nichtswürdiger Hang zur Menschenquälerei, der beim Leserimmer wieder den Grimm und die äußerste Erbitterung über dieVäter dieser eklen Ausgeburt religiösen Wahns wachruft«,4 Bahnbrachen. Derartige Bewertungen ließen sich endlos fortsetzen.Noch in jüngster Zeit wurde der Hexenhammer als »krudes«und »bresthaftes Machwerk« tituliert.5

Der Leser der deutschen Übersetzung des Malleus Malefi-carum kann sich unschwer selbst ein Bild machen, inwieweitdiese Klassifikationen zutreffen. In allem Ernst wird hier überSchadenszauber, Hexenflug, Teufelsbuhlschaft und Tierver-wandlung diskutiert. Seiten über Seiten werden damit zuge-bracht, zu diskutieren, warum die Taten der Hexen schlimmerseien als die schlimmsten Verbrechen und die ärgsten Sünden,schlimmer sogar als die Werke des Teufels selbst. Und von ihren –wie wir heute sagen würden: irrationalen – Prämissen aus ist dieBeweisführung nach allen Regeln der scholastischen Argumenta-tionstechnik nicht einmal unschlüssig. Sie ist gelegentlich sogarinteressant, etwa wo der Autor über die Unzuverlässigkeit dermenschlichen Wahrnehmung räsoniert. Gerade weil es hier um einVerbrechen geht, das in der europäischen Kultur seit wenigstenszweihundert Jahren als nicht existent, als Wahndelikt erachtetwird, ist es besonders lehrreich zu sehen, mit welchen Argumenteneine außerordentliche Gefahr konstruiert wird, um außerordent-liche Gegenmaßnahmen zu propagieren. Diese Argumentationsfi-gur kennen wir heute noch, sie taucht immer wieder einmal im po-litischen Diskurs auf. Die Lektüre des Hexenhammers führt dieGefährlichkeit solch scheinbar schlüssiger Argumente vor Augen.Angeklagte wurden wegen eines imaginären Verbrechens hinge-richtet, das sie unter der Folter gestehen mußten, und sie waren je-

10

3 Riezler 1896, 102f.4 Hansen 1900, 474f.5 Jerouschek 1992, XVI.– Jerouschek 1993, 208.

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der Verteidigungsmöglichkeit beraubt, wie dies Friedrich Spee(1591–1635) aufgezeigt hat.6 Die Hexenprozesse waren eine derschlimmsten von Menschenhand angerichteten Katastrophen dereuropäischen Geschichte. Der fromme Wunsch, daß man aus derGeschichte lernen kann – hier ist er berechtigt.

Historische Einordnung

Auch aus heutiger Perspektive wird man sagen können, daß derHexenhammer das zentrale Buch in der Geschichte der europäi-schen Hexenverfolgung gewesen ist. Mit etwa dreißig Auflagenzwischen 1486 und 1669 hatte er eine lange und intensive Wir-kungsgeschichte. Fast alle Befürworter von Hexenverfolgungenberiefen sich auf ihn, fast alle Gegner polemisierten gegen diesesBuch. Dennoch sieht die heutige Forschung die Rolle des Hexen-hammers differenzierter. In inhaltlicher Hinsicht enthält der He-xenhammer, wie schon in seiner Apologia betont wird,7 kaumNeues, er hat überkommene Lehrmeinungen zusammengesuchtund neu angeordnet, allerdings in sehr spezifischer Weise. SeineArgumentation befleißigt sich der Prinzipien der scholastischenMethode, wie sie sich in der mittelalterlichen Wissenschaftdurchgesetzt hatte und besonders im Dominikanerorden8 ge-pflegt worden ist. Wenn dieser Disputationsstil auch heute be-fremdlich erscheinen mag, so unterscheidet er sich doch nichtgrundlegend von dem anderer theologischer Traktate der dama-ligen Zeit.9 In dämonologischer Hinsicht basiert die Argumen-

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6 Friedrich Spee, Cautio Criminalis, Rinteln 1631.– München 1982, neu:München 2000 – van Oorschot.

7 Malleus, Apologia, fol. 1f.8 Dominikanerorden, offizielle Bezeichnung Ordo Fratrum Praedicatorum

(OP, zu deutsch Predigerorden). Gegründet durch den Hl. Dominikus (ca.1170–1221), 1216 durch Papst Honorius III. anerkannt und zum Lebennach der Augustinusregel verpflichtet. Der Orden mit dem Armutsgelübdewar eine gezielte Gründung zur Bekämpfung der Ketzer. Dies geschahzunächst durch theologisches Studium und Predigt. Seit 1232 waren Domi-nikaner im päpstlichen Auftrag als Inquisitoren tätig. Erkennbar waren dieDominikaner an ihrer Ordenstracht, dem weißen Habit, Skapulier und Ka-puze sowie dem schwarzen Mantel.

9 Schnyder 1993.

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tation des Hexenhammers auf dem Kirchenvater Augustinus(354–430) und dem dominikanischen Ordenstheologen Tho-mas von Aquin (ca. 1224–1274), welche – allerdings in ehermarginalen Passagen ihrer Werke – das Fundament gelegt hattenfür die Theorie vom Dämonenpakt. Auf dieser Literatur basier-ten zahlreiche dämonologische Traktate von italienischen, fran-zösischen und spanischen Autoren des 15. Jahrhunderts.10

Auch die Auswirkungen des Hexenhammers sind relativiertworden. In mehreren Regionalstudien ist deutlich geworden, daßer bei der Entwicklung der Hexenverfolgungen eine geringereRolle gespielt hat, als früher vermutet. In dem Dreiländereck umden Genfer See, wo der neue Hexenbegriff in den Jahrzehnten um1400 entstanden war, bildete die Publikation des Hexenhammerskeine Zäsur. Wie bereits von Hansen herausgearbeitet, wurdedort die Fusion von Ketzerprozeß und Zauberprozeß vollzogenund die Hexerei als die bedrohlichste Erz-Ketzerei gewisser-maßen erfunden. Im weiteren Hintergrund stand dabei die Aus-einandersetzung der Papstkirche mit der dualistischen Bewe-gung der Katharer, von der sich der Begriff »Ketzer« überhauptableitete.11 Die Hexen wurden oft mit dem Namen einer anderenreal existierenden religiösen Gruppierung belegt, der von Romebenfalls verketzerten Waldenser (Vaudois).12 Begrifflich spiel-ten bei der Kreation des neuen Hexenstereotyps auch antijüdi-sche Vorstellungen (Sabbat, Synagoge, Ritualmord) eine Rolle.13

Inhaltlich bestand das neue Erz-Verbrechen aus Bestandteilen,die man diesen Ketzersekten angedichtet hatte (Teufelsanbe-tung, nächtliche Orgien, das Opfern von Kindern), aus Reliktennichtchristlicher Mythologien (magischer Flug, Tierverwand-lung) sowie aus jenem Schadenszauber, der in traditionellen Ge-sellschaften so gefürchtet ist. Das Kernland der frühen Hexen-verfolgungen bildeten die Gebiete rund um den Genfer See: dasalte Herzogtum Savoyen, das Piemont, die Dauphiné und dieangrenzenden Schweizer Kantone Wallis, Waadtland und Bern.Bereits seit den 1430er Jahren wurden dort Traktate geschrieben,

12

10 Hansen 1900; Hansen 1901; Harmening 1979.11 Borst 1953.12 Audisio 1989/1996.13 Cohn 1975.

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die den Hexensabbat stärker betonten als der Hexenhammer.Zusammengefaßt wurden die Erkenntisse dieser frühen Hexen-verfolgungen in dem um 1437 verfaßten Formicarius des BaselerKonzilstheologen Johannes Nider (ca. 1385–1438).14 DieserTraktat zählt im Hexenhammer zu den am häufigsten zitiertenSchriften.

Der Hexenhammer hat die Hexenverfolgungen also, entge-gen früheren Vermutungen, nicht ins Leben gerufen. Vielmehrwaren sie bereits zwei bis drei Generationen vorher im Prinzipmöglich. Sie blieben zunächst auf bestimmte Regionen be-schränkt, wenn auch mit expansiver Tendenz. In diesen Regio-nen kam es immer wieder zu Hexenprozessen, teils vor Inquisi-tionsgerichten, teils vor weltlichen Richtern. Insgesamt kannman erkennen, daß diese Prozesse nicht gleichmäßig, sondernmit gewissen Konjunkturen stattfanden. Der Hexenhammerfügt sich ein in eine der Prozeßwellen der zweiten Hälfte des15. Jahrhunderts.15 Verfolgungen gab es damals bereits inNordspanien, Südfrankreich, Oberitalien, Burgund sowie imElsaß und im Herzogtum Lothringen. In Zentraleuropa wurdedie neue Hexenvorstellung noch abgelehnt, wie man dem He-xenhammer selbst unschwer entnehmen kann. Die Bedeutungdes Malleus Maleficarum lag damit zunächst einmal darin, daßer diese Gebiete mit der neuen, elaborierten Hexenvorstellungvertraut machte. Der Hexenhammer war vor allem für diedeutschen Länder von unmittelbarer Bedeutung. Darüber hin-aus gehörte er jedoch zu den ersten Dämonologien, die imdamals neuen Medium des Buchdrucks erschienen. Die me-dientheoretischen Diskussionen der letzten Jahre haben heraus-gearbeitet, in welcher Weise die Verfügbarmachung einerSchrift im Druck deren Rezeption erleichtert hat. Wenn auchbestimmte Obsessionen des Hexenhammers – etwa über weib-liche und männliche Impotenz oder gestohlene Penisse – in denspäteren Hexenprozessen keine große Bedeutung erlangten, soermöglichte die Verfügbarkeit in den Bibliotheken doch eine er-staunliche Langzeitwirkung. Durch die Verwendung der mit-telalterlichen Universalsprache Latein war der Malleus Malefi-

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14 Paravicini/Ostorero 1999; Tschacher (1998).15 Blauert 1989, 17–97.

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carum von den Gelehrten – den Theologen und Juristen – inganz Europa rezipierbar.16

Eine Zäsur für die Rezeption des Hexenhammers bedeutetedas Fundamentalereignis der Reformation, die den Machtan-spruch der Papstkirche grundsätzlich in Frage stellte, zugleichaber auch das Wirken des Teufels nachhaltig zu bestätigenschien. In protestantischen Gebieten – etwa im lutherischen Kur-sachsen oder in Württemberg, in der calvinistischen Stadtrepu-blik Genf oder in der Kurpfalz – wurde der Hexenhammer alsvorreformatorisches, »papistisches« Machwerk entweder rund-heraus abgelehnt oder jedenfalls nur ungern als Autorität heran-gezogen.17 Die evangelischen Freikirchen, die von den großenKonfessionen ihrerseits verketzert wurden und keinen ausge-prägten Teufelsglauben besaßen, standen der Konzeption desHexenhammers feindlich gegenüber. Dies hatte vor allem dortAuswirkungen, wo diese Gruppierungen einen erheblichen An-teil an der Bevölkerung stellten, wie etwa in Böhmen, auf demBalkan oder in den Niederlanden.18

Doch auch in altgläubig gebliebenen Gebieten veränderte sichdie Lage grundlegend. Seit etwa 1520 gab es arbeitsfähige In-quisitionsgerichte nur noch in Italien und auf der iberischenHalbinsel. Die weltlichen Juristen in den sich herausbildendenTerritorialstaaten jedoch, etwa in Frankreich, aber auch in Bay-ern oder Tirol, waren bei der Rezeption des Hexenhammerszurückhaltend, da man seine radikalen Konsequenzen scheute.19

Die Gesetzgebung des Heiligen Römischen Reiches deutscherNation, die 1532 in der Constitutio Criminalis Carolina kulmi-nierte, überging in ihrer Strafbestimmung (Art. 109) den Hexen-hammer und konzentrierte sich auf das alte Delikt des Schadens-zaubers. Aber sogar in der katholischen Vormacht Spanien, woman am ehesten eine geneigte Aufnahme hätte erwarten kön-nen, wurde der Hexenhammer gerade von der Behörde abge-lehnt, die für Zauberfragen zuständig war, nämlich von der Spa-nischen Inquisition. Ihre oberste Leitung, die Supremà, stellte

14

16 Clark 1998.17 Midelfort 1972.– Monter 1976.– Schmidt 1997.18 Gijswijit-Hofstra/Frijhoff 1991.19 Rapp 1891; Riezler 1896; Behringer 1987.

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1536 in einer Direktive klar, daß der Hexenhammer keine maß-gebliche Autorität darstelle, und unterdrückte seither die vonder Bevölkerung gewünschten Strafaktionen gegen Hexen alsschweren Glaubensirrtum. Und die Inquisitionsbehörden Portu-gals und Italiens waren zu demselben Ergebnis gelangt. Über dieAuswirkung dieser Richtungsentscheidung besteht heute keinZweifel mehr. Sowohl in Italien als auch in den iberischen Län-dern und ihren Kolonien in Lateinamerika wurden vom 16. biszum 18. Jahrhundert weit weniger Hexen hingerichtet, alsfrüher angenommen.20 Die portugiesische Inquisition, die auchfür die portugiesischen Kolonialgebiete in Amerika (Brasilien),Afrika und Asien zuständig war, verhängte in den etwa dreihun-dert Jahren ihres Bestehens ganze fünf Todesurteile wegen Hexe-rei.21

Unmittelbare Rezeption

Nach dieser Relativierung der Bedeutung des Hexenhammersscheint nun allerdings mit der konkreten Rezeptionsforschungdas Pendel nach der anderen Richtung auszuschlagen.22 WalterRummel hat in seiner Analyse der ersten Hexenverfolgungen imHochstift Trier, also dem weltlichen Herrschaftsgebiet des Erzbi-schofs und Kurfürsten, herausgearbeitet, daß die Publikation desHexenhammers eine Zäsur bedeutet hat und im Saar-Mosel-Raum in den 1490er Jahren nicht nur ein deutlicher Anstieg derVerfolgungsaktivität zu verzeichnen war, sondern sich in einerlokalen Chronik sogar nachweisen läßt, daß speziell die Lektüredes Malleus Maleficarum wie eine Erlösung auf jene Theologengewirkt hat, die mit ihren Bauern Hexen verfolgen wollten, abernach der überkommenen Theologie und Kanonistik keineHandhabe dafür besaßen. Der Hexenhammer war das Werk-zeug, mit dem hier die Dämme des Herkommens eingerissenwerden konnten.23

15

20 Henningsen/Tedeschi 1986.– Haliczer 1987.21 Bethencourt 1990, 403–424.22 Jerouschek 1993, 202ff., 207ff.23 Rummel 1990, 91–117.

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Der spektakuläre Fund macht darauf aufmerksam, daß dieRezeptionsgeschichte des Hexenhammers immer noch in denAnfängen steckt. Die 29 Auflagen des Malleus Maleficarum, diebereits Hansen ausgemacht hat24 und die durch die gründlichenForschungen André Schnyders im wesentlichen bestätigt wor-den sind,25 wo sind sie alle geblieben? Dreizehn dieser Auflagensind allein bis 1523 erschienen, großzügig gerechnet wohl10000 Exemplare. Sie reichten aus, um sämtliche Kloster-, Für-sten-, Rats- und Universitätsbibliotheken der lateinischen Chri-stenheit und darüber hinaus die Sammlungen zahlreicher Ge-lehrter zu bestücken. Dies sagt natürlich noch nichts über dieArt der Rezeption. Doch offenbar gab es nicht nur ablehnendeReaktionen, wie das ständige Lamento im Hexenhammer überdie Gegner der Hexenverfolgungen vermuten läßt. Vielmehrkann man sehen, daß gewichtige Prediger nicht nur aus demDominikanerorden, sondern auch der wortgewaltige Straßbur-ger Domprediger Geiler von Kaysersberg (1445–1510)26 oderhumanistisch angehauchte Theologen wie der Abt aus dem Be-nediktinerorden Johannes Trithemius (1462–1516), der um1508 Kaiser Maximilian und den Kurfürsten Johannes von Bran-denburg in dieser Frage beriet, auf den Kurs des Hexenhammerseinschwenkten.27 Um 1511 fügte Christoph Tengler in das po-puläre Rechtshandbuch seines Vaters, den »Layenspiegel«, einHexenkapitel explizit auf der Basis des Malleus ein.28 Und ein-flußreiche dominikanische Theologen wie Silvester Prierias(1460–1523), ein früher Gegner Luthers,29 und dessen SchülerBartholomaeus de Spina (1480–1546), der an der Vorbereitungdes Konzils von Trient mitwirkte, beriefen sich in ihren Hexen-traktaten auf den Hexenhammer.30 Bis in die erste Hälfte des 17.Jahrhunderts hinein dürfte der Hexenhammer die verbreitetstesystematische Dämonologie überhaupt gewesen sein, und da-

16

24 Hansen 1898, 119–168.25 Schnyder 1993, 2–2326 Geiler 1517.27 Trithemius 1508/1555.– Vgl. Hansen 1901.– Anderer Ansicht ist Arnold

1971.28 Tengler 1511, fol. 190–195.– Hansen 1901, 296–306.29 Prierias 1520.– Hansen 1901, 317–323.30 Spina 1525.– Hansen 1901, 326–337.

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nach dürfte er nur durch die 26 Auflagen der Disquisitionummagicarum libri sex des Jesuiten Martin Delrio (1551–1608) inden Schatten gestellt worden sein, die seit 1600 in rascher Folgeerschienen. Diese Publikation beruhte jedoch – bei allen Abwei-chungen en détail – auf dem theoretischen Fundament des He-xenhammers.31

Wenn der Hexenhammer nur auf Ablehnung gestossen wäre,dann hätte er kaum so viele Käufer gefunden. Und daß er Befür-worter gefunden hat, ist nicht einmal völlig unverständlich.Denn aufgrund des geschickten Taktierens des Verfassers stelltees sich in der Öffentlichkeit so dar, als genösse der Hexenham-mer die Unterstützung des Papsttums, des Kaisers sowie der an-gesehenen Theologischen Fakultät der Universität Köln: dennderen Urkunden, die den Hexenhammer scheinbar bestätigten,waren seit April 1487 allen Ausgaben des Buches vorangestellt.32

In zahlreichen der erhaltenen Exemplare des Malleus Malefi-carum finden sich intensive Benutzungsspuren. Nicht nur dashier für die Neuübersetzung verwendete Exemplar der Erstaus-gabe aus dem Bestand der Niedersächsischen Universitäts- undStaatsbibliothek Göttingen wurde über Jahrzehnte hinweg im-mer wieder von anderen Benutzern mit Randbemerkungen ver-sehen, die etwas von der Intensität der Auseinandersetzung mitdiesem Werk über einen längeren Zeitraum erahnen lassen. Diesystematische Erforschung der Eigentumsvermerke, Widmun-gen, Notizen und Randglossen in den erhaltenen Ausgaben desHexenhammers wäre der Mühe wert. Wenn nun die Lektüre desHexenhammers nicht nur heftige Ablehnung hervorrief, sondernintensive Auseinandersetzung, starke Zustimmung und sogarregelrechte Bekehrungserlebnisse auslöste, so zeigt dies, daß derHexenhammer den Nerv seiner Zeit traf.

17

31 Delrio 1599/1600.– Dazu: Fischer 1975, Nagel 1995, besprochen vonJerouschek 1999, S. 514f.

32 Vgl. fol. I– III.

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Der Nerv der Zeit

Die zentrale Aussage des Hexenhammers besteht darin, daß dieHexen die Schäden, die ihnen zur Last gelegt wurden, auchtatsächlich verübten. Das Aufsehenerregende an dieser Bot-schaft war, daß sie das Empfinden großer Teile der Bevölkerungwiderspiegelte, aber in krassem Widerspruch zur theologischenTradition stand, in der seit Augustinus die Ansicht vorherrschte,daß Magie keinerlei direkte Wirksamkeit besitze und ihre An-hänger lediglich zu bestrafen seien, weil sie ihr Vertrauen nichtin Gott, sondern in Dämonen setzten. So hatte Regino vonPrüm, Verfasser einer einflußreichen Rechtssammlung zu Be-ginn des 10. Jahrhunderts in einem Kapitel, das mit dem Wort»Bischöfe« (episcopi) beginnt und seit der Aufnahme in das ka-nonische Recht als Canon Episcopi bezeichnet wird, einen viel-leicht gerade in seiner moselromanischen Heimat populärenGlauben an die nächtlichen Ausfahrten der Seelen mit gewissenheidnischen Göttinnen, Fortuna oder Holda, als heidnischenIrrtum bezeichnet und mit schweren geistlichen Strafen belegt.33

Diese Bestimmung, die von Burchard von Worms und Ivo vonChartres rezipiert wurde und mit Gratians (ca. 1100– ca. 1179)Decretum in das kanonische Recht Eingang fand,34 diente imSpätmittelalter zur Zurückweisung der realen Möglichkeit ma-gischer Flüge. Der Hexenhammer hingegen behauptete, dieseBestimmungen träfen in der neueren Zeit nicht mehr zu, denn essei eine neue Sekte von Zauberern aufgekommen, die mit der Er-laubnis Gottes und der Hilfe der Dämonen tatsächlich in derLage seien, durch die Lüfte zu fliegen und alle nur denkbarenSchäden zu verüben.35

Bereits in der Bulle Summis desiderantes, die Papst InnozenzVIII. am 5. Dezember 1484 auf Anfrage des Inquisitors HeinrichKramer (ca. 1430–1505) in dessen vorformulierten Worten er-

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33 Canon Episcopi, überliefert bei: Regino von Prüm, Libri duo de synodali-bus causis.– Behringer 1995, 60f. (Quelle 36).– Steinruck 1996; – Jerou-schek 1999, 515ff.– Tschacher 1999.

34 Gratianus, Decretum 2, 26,5,12.35 Der Hexenhammer argumentiert daher fortwährend gegen diese Bestim-

mung des Canon Episcopi an: Malleus, fol. 4va, 6ra, 30vb (mit langem Zi-tat), 49ra, 51ra (mit langem Zitat), 52vb, 67ra.

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lassen hat,36 ist davon die Rede, daß in den fünf deutschen Erz-bistümern durch die Taten der Hexen große Schäden verursachtwürden, an Mensch, Tier und Feldfrüchten, daß schmerzhafteKrankheiten aufträten und die Frauen, die Männer und die Erdeunfruchtbar würden. Im Text des Malleus Maleficarum wirdgroßer Raum darauf verwandt, mit immer neuen Beispielen dieRealität des Schadenszaubers, etwa durch Unwetter, Mißerntenoder Krankheiten, unter Beweis zu stellen. Und in der Apologiades Hexenhammers wird die Vision einer Endzeit entwickelt, inwelcher die Welt gleichsam aus den Fugen geraten sei, wie es inder Offenbarung des Johannes, also dem Buch der Apokalypse,vorhergesagt war.

Die Akzentuierung des Schadenszaubers im Hexenhammertraf den Nerv der Zeit, weil gerade seit dem Ende der 1470erJahre eine tatsächliche Häufung von Ernteschäden, Krankheitenund möglicherweise eine Verminderung der Fruchtbarkeit beiMensch und Tier vorlag. In diesen Jahren setzte nämlich eineneue Welle der Klimaverschlechterung ein, welche in den vergan-genen Jahrzehnten im Zusammenhang mit der sogenanntenKleinen Eiszeit in die Literatur eingegangen ist. Viele der klima-tischen Erscheinungen, aber auch ihrer Folgen für die Landwirt-schaft wurden von den Menschen als »unnatürlich« betrachtet.Das Hexereiparadigma eröffnete nicht nur eine Erklärung fürKrankheiten und Ernteschäden, sondern auch die Möglichkeitzu konkreten Gegenaktionen.37 Speziell in Oberdeutschland ver-zeichnen die Chroniken für 1480 eine ungewöhnliche Preisstei-gerung, 1481 war ein besonders niederschlagsreiches Jahr, waszu einem Rückgang der Wein- und Getreideernte führte, dieTeuerung nahm weiter zu, was Mangelernährung und Hungerzur Folge hatte. 1482 traten dann ungewöhnliche Krankheitenauf. In der drastischen Sprache einer Memminger Chronik heißtes: »Es war in diesem Jahr ein Sterbend hier und flohe des Volcksviel hinauß. So wuchsen den Leuten Würmb im Kopff, daranihrer viele sturben . . .38.« Zwischen 1482 und 1484 grassiertenin ganz Oberdeutschland Epidemien, darunter auch die Schwarze

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36 Pitz 1988.37 Behringer 1995, 1–27; Behringer 1999.38 Christoph Schorer, Memminger Chronick, Memmingen 1660, 42ff.– Beh-

ringer 1988/1995, 106.

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Pest, der in vielen Städten – etwa Reichsstädten wie Kemptenoder Kaufbeuren – bis zu einem Drittel der Bevölkerung zumOpfer fiel. Im Hexenhammer wird auf diese Pestepidemie in dra-stischer Weise angespielt.39

Frauenfeindlichkeit im Titel

Die vielleicht auffälligste Besonderheit des Hexenhammers ge-genüber seinen Vorläufern ist die Zuspitzung auf Frauen. Diesekommt bereits im Titel zum Ausdruck. Wenngleich im Texthäufig noch männliche Schadenszauberer erwähnt werden (ma-lefici), wie es auch der Hauptströmung der theologischen Tra-dition entsprach, so bezieht sich doch die Mehrzahl der Bei-spiele auf das weibliche Geschlecht (maleficae). Anhand um-fangreicher Exkurse, die freilich fast durchweg eine Ausbeuteaus älterer frauenfeindlicher Literatur darstellen,40 arbeitet derAutor des Hexenhammers die besondere Anfälligkeit des weib-lichen Geschlechts für die Anfechtungen des Teufels heraus.Und er tut dies mit einer derartigen Intensität und mit so vielenWiederholungen, daß man darin ein besonderes Anliegen desAutors erkennen muß. Es ist kein Zufall, sondern Programm,wenn im Titel des Werkes allein die weibliche Form (malefi-carum) verwendet wird. Speziell auf die Frauen zielt dieserHammer (malleus).

Dies wird um so deutlicher, wenn man den Titel in sein litera-risches Genre einordnet, eine Literatur, die sich der Bekämpfungvon Gegnern der Papstkirche widmete und die man nach ihremSignalwort als Malleus-Literatur bezeichnen könnte. Die älte-ren Hämmer wandten sich durchweg gegen Männer – zunächstwaren sie sogar selbst welche. Der Titel »Ketzerhammer« –Malleus Haereticorum – wurde bereits dem Kirchenvater Hiero-nymus (ca. 348–420) beigelegt. Im Hoch- und Spätmittelalterwurde er besonders eifrigen Ketzerinquisitoren verliehen, etwaRobert le Bougre, einem Konvertiten, der mit besonderer Grau-samkeit gegen die durch Mission vom Balkan gekommene dua-

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39 Malleus, fol. 38rb.40 Crohns 1903.