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MAI 05/2012 EUR 3,90 FLIEDER & SALAT-REZEPTE & EIN HAUS AM TEGERNSEE & BOOTSBAU AM STARNBERGER SEE & ALTMÜHLTALER SCHINKEN Für dich, Mama! Süße Rezepte aus ganz Bayern Tanz in den Mai Schuhplatteln & Dirndldrahn Im Lallinger Winkel & Nürnberger Pfeifen & Kulmbacher Küchla & Aschauer Messerkunst > EINFACH . GUT . LEBEN 2 2 Wiesen über blühende Zwischen dem Oberallgäu und Bad Kissingen Dachsspuren in Stadt & Land & 05/2012

Servus in Stadt & Land - Bayern 05/2012

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Servus in Stadt & Land - Vorschau auf die Ausgabe Bayern 05/2012

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MAI 05/2012

EUR 3,90

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Für dich, Mama! Süße rezepte aus ganz Bayern

Tanz in den Mai Schuhplatteln & dirndldrahn

Im Lallinger Winkel & Nürnberger Pfeifen & Kulmbacher Küchla & Aschauer Messerkunst >

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Wiesenüber blühende

Zwischen dem Oberallgäu und Bad Kissingen

Dachsspuren

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12 In der BlumenwieseWerner Gamerith lädt zu einem Philosophikum an der frischen Luft.

22 Ein Fest für alle SinneWenn der Flieder blüht, öffnen sich die Herzen.

28 Ganz schön verwachsenGerlinde Halwax und ihr Garten in Oberaichbach.

36 Hübsche LückenfüllerÜbergangslösungen für den Garten.

122 Der NachtschwärmerWir haben den Dachs aus seinem luxuriösen Bau gelockt.

Natur & Garten 50 Von Gurkn & Girgle

Das vielsortige Gemüse bringt uns den Sommer in die Küche.

54 Für dich, Mama!Fünf süße Klassiker für den Ehrentag der Mütter.

62 Aus Omas KochbuchKulmbacher Küchla.

64 Maiwipferl-SirupSo wird der gesunde Saft angesetzt.

66 Grünzeug mit PfiffFrisch gepflückt und fein kompo-niert: Die Salatsaison ist eröffnet.

Küche 74 Ein Häusl, das wieder lacht

Sabina Tuscany und Günther Engler haben beim Tegernsee ein altes Zuhäusl vor dem Verfall bewahrt.

82 Von Tür zu TischWir fanden eine alte Stalltür, jetzt ist sie ein Wohnzimmertisch.

84 Der schönste TagEinfache und schöne Deko-Ideen für die Hochzeit.

88 Fruchtige KüchentücherObst und Stoffmalfarben machen sie zu einem bunten Blickfang.

Wohnen

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92 Die Zier der SchachtelnMonika Baumgartner schafft mit feinen Pinselstrichen Kunstwerke.

108 Klingende KunstIn einer Chiemgauer Werkstatt wer-den einzigartige Messer geschmiedet.

112 Königin am SeeDie „Wiking“ segelte einst über die Weltmeere, am Starnberger See wird die Legende neu geboren.

118 Feuer der LeidenschaftIn Deutschlands ältester Pfeifen-Ma-nufaktur entstehen feine Rauchgeräte.

128 Im Winkel von LallingEin Besuch im Hochtal auf der Sonnenseite Niederbayerns.

Land & Leute 18 Ein bisschen verhext

Um die Walpurgisnacht ranken sich Aberglaube und viel Hokuspokus. Miriam Wiegele zaubert Licht ins sagenumwobene Dunkel.

96 Vom Schuhplatteln und DirndldrahnWenn im Berchtesgadener Land der Maibaum aufgestellt wird, erlebt die Tradition des uralten Gebirgstanzes ihren ersten Höhepunkt.

150 Himmlische DilettantenVor 120 Jahren haben Konrad Dreher und Xaver Terofal das Schlierseer Bauerntheater gegründet.

Brauchtum

5 Vorwort 10 Servus daheim 34 Schönes für draußen 40 Der Garten-Philosoph 42 Gartenpflege, Mondkalender 46 Selbst gebastelt: Maipfeiferl 48 Natur-Apotheke: Stinkender Storchschnabel 72 Schönes für die Küche 90 Schönes für daheim 104 Michael Köhlmeier: Musikant und Wolf 138 Gutes vom Bauern 140 Michael Lerchenberg: Bayern, Piefkes und Tiroler 144 ServusTV: Sehenswertes im Mai 148 Feste, Märkte, Veranstaltungen 154 Impressum, Bezugsquellen

Standards

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In der Blumenwiese

Sie ist eine kleine, faszinierende Welt. Sie ist eine Wiege der Artenvielfalt und Inspiration auf der Suche nach wahren Werten. Sie braucht Landwirte,

die Maß halten und im besten Sinn bäuerlich denken. Servus-Autor Werner Gamerith lädt zu einem Philosophikum an der frischen Luft.

frühlingsspaziergang

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Eine prächtige Steilwiese über Oberstdorf im Allgäu: mit blauen Glockenblumen, lila- farbenen Witwenblumen, duftendem Ruchgras und einem Goldpippau ganz links im Bild. Rechts: Der Große Feuerfalter ist vielerorts durch zu viele Mahden selten geworden.

lumenreiche Wiesen gehören zu den wichtigsten und vitalsten Elementen unserer Kulturlandschaft. Als Lebensraum für Pflanzen und Tiere sind sie Wiegen der Artenvielfalt. Ihre bunten Teppiche voll singender Heuschrecken, gaukelnder Schmetterlinge und anderer Bewohner sind für uns Menschen eine unerschöpfliche Quelle heilsamer Naturberührung. Vor al-lem sind solche Wiesen aber die Futterbasis der wichtigsten Haustiere. Ohne Nutzung verschwinden sie, durch Übernutzung de-generieren sie.

Blumenwiesen sind – rein wissenschaft-lich – Gesellschaften von krautigen Pflan-zen, in denen Gehölze weitgehend fehlen. Aber in Wahrheit sind sie viel mehr: das an-sprechendste Sinnbild eines harmonischen Zusammenlebens von Mensch und Natur.

In unserer Heimat verdanken die Wiesen ihr Dasein der Gewinnung von Viehfutter. Beweidung oder Mahd und die Pflege durch den Land wirt sind Voraussetzungen für ihren Erhalt. Natürliche Wiesen gibt es in unseren ursprünglich von Wäldern beherrschten Breiten nämlich nur in ganz bestimmten Zonen: über der Waldgrenze in der alpinen Höhen stufe, in Hochmooren und in biologisch besonders reichhaltigen Trockenrasenbiotopen.

DiE SEnSE, DAS GEniAlE WERkzEuG

Erst die Erfindung der Sense vor tausend Jahren erlaubte in großem Stil die Erzeu-gung von Heu als nahrhaftes Winterfutter. Und sie ließ die Mähwiesen entstehen, wie sie uns heute so vertraut sind. Die Mahd mit diesem genialen Werkzeug, das den Schwung des ganzen Oberkörpers zum Schneiden nutzt, wirkt sich auf den Pflan-zenbestand anders aus als das selektive Ab-beißen der besonders schmackhaften Arten durch weidende Tiere.

Auch die Mischform, also die Mahd und die Beweidung einer Wiese, hat sich bewährt. Daran hat auch der Gebrauch von modernen Geräten prinzipiell nichts geän-dert. Allerdings wurde vielfach die Land-schaft durch sogenannte Flurbereinigungen und Geländekorrekturen den immer größe-

ren Maschinen angepasst. Stallmist und Jauche wurden früher haupt-

sächlich auf Äckern ausgebracht. Die regelmäßige

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Am Weitsee in den Chiemgauer Alpen wächst ganz in Purpur die Skabiosen-Flockenblume neben dem Rauen Löwenzahn, Margeriten und weißem Bären-klau. Kleines Foto links: Die Gottes anbeterin (auf ei-ner Steinnelke) liebt eher trockene, sonnige Wiesen.➻

Düngung der Wiesen resultiert erst aus dem Mitte des 20. Jahrhunderts entstandenen Drang der Menschen, alles zu spezialisieren und zu intensivieren. So erhöht natürlich je-der Zukauf von Kunstdünger und Kraftfutter den Umsatz der Nährstoffe im Betrieb und treibt damit auch das Wiesenwachstum an.

Wurde früher meist nur zweimal im Jahr gemäht, sind es heute bis zu fünf oder sechs Schnitte. Unter solchen Bedingungen können allerdings nur noch wenige Pflan-zenarten überleben und sich regenerieren. Das sind vor allem die gezüchteten Hoch-leistungsgräser, außerdem Löwenzahn und Hahnenfuß und die Unkräuter Wiesenkerbel und Stumpfblattampfer, die dann wiederum oft mit Herbiziden bekämpft werden.

Auf diese Weise nähert sich eine einst artenreiche Wiese einer Monokultur. Sie kann zwar pro Hektar mehr Vieh ernähren, hat aber dafür ihre Vielfalt und ihre para-diesische Schönheit verloren.

MenSCh unD nAtuR ALS PARtneR

Die gute Nachricht: Heutzutage merken viele Bauern intuitiv, dass Produktionsstei-gerung allein auf Dauer nicht funktioniert. Sie spüren, dass die Gesundheit von Boden, Pflanze, Haustier und Mensch ursächlich zusammenhängen. Und es sind unsere hei- mischen Biolandwirte, die hier am konse-quentesten den richtigen Weg gehen: Sie vermeiden weitgehend den Import von Nähr- und Fremdstoffen.

Es gibt Bauern sonder Zahl, die ohne die vielfach empfohlene Ertragsmaximierung mit Blumenwiesen gut leben und wirtschaf-ten. Sie verstehen diesen Lebensraum eben als Inbegriff einer gelungenen Partnerschaft von Mensch und Natur und erfreuen sich ihrer Schönheit. Für diese Pflege ökologisch wertvoller Flächen – mit entsprechenden Düngungsbeschränkungen und Mähter-minen – bekommen sie auch öffentliche Fördergelder.

Der Umgang des Besitzers mit seiner Wiese ist nur ein Aspekt – wenn auch ein sehr wichtiger. Klima, Boden und Wasser-haushalt des Standortes bestimmen das Wiesenbild ebenso. Jede Wiese hat ihre Ge-schichte, ihre von Anlage, Behandlung und

Alter geformten Eigenheiten. Man charakterisiert sie über die bestimmende Grasart

und spricht z. B. von ei-ner Glatthafer- oder

Trespenwiese. Und an diesen Bezeich-nungen hängt

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9Heute spüren wieder viele bauern,

dass die gesundHeit von boden, pflanze, Haustier und menscH ursäcHlicH zusammenHängen.

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Diesen prächtigen Panoramablick auf die Alpspitze und die Zugspitzgruppe bei Garmisch-Partenkirchen genießt der gelbe Wiesen-Bocksbart den ganzen Sommer. Margeriten, lilafarbener Storchschnabel und weiße Bibernelle leisten ihm dabei Gesellschaft. Kleines Foto rechts: Der Neuntöter ist ein Insekten-jäger, der als Rückzugsgebiet Hecken oder dornen-reiche Sträucher braucht.

9… ob nicht blumen und

schmetterlinge zumindest ebenso wichtig sind wie

alles geld der welt.9

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jeweils eine komplette, artenreiche Gemein-schaft von Blumen und Tieren.

Der Große Feuerfalter beispielsweise ernährt sich als Raupe hauptsächlich von Sauerampfer-Blättern. Weil dieser in mittel-feuchten Wiesen wächst, ist der leuch tende Schmetterling an diesen Lebensraum ge-bunden. Der Neuntöter wiederum jagt nach den vielen Insekten, die hier kreuchen und fleuchen. Er braucht aber möglichst dornige Sträucher als Sitzwarte und Nistplatz.

Die Gottesanbeterin lebt dagegen in son-nigen Trockenwiesen, weil sie als mediter-ranes Insekt die wärmsten Plätze aufsucht.

Diese Beispiele deuten an, wie vielfältig die Abhängigkeiten und ökologischen Be-ziehungen innerhalb einer Wiese sind. Und sie zeigen obendrein, wie Artenreichtum entsteht und welchen gewaltigen Beitrag dafür die traditionelle Landwirtschaft geleistet hat. Es wird aber auch klar, wie katastrophal die Verwandlung von Blumen-wiesen und kleinstrukturierten Bauernland-schaften in Monokulturen ist.

Die größte Gefahr für viele Blumenwie-sen ist das Ende der Bewirtschaftung. Ihrer Steilheit verdanken sie oft, dass sie mager und artenreich sind, aber auch, dass sich die Ernte eines Tages nicht mehr auszahlt.

Sobald aber eine Wiese weder gemäht noch beweidet wird, verwandelt sie sich von einem Jahr aufs andere in eine Hoch-staudengesellschaft und später in einen Wald zurück. Noch bedenklicher ist die lei-der immer noch verbreitete Aufforstung mit standortfremden Fichten oder Douglasien.

Die Schönheit einer bunten Wiese sollte uns mit staunender Bewunderung erfüllen, aber auch mit Dankbarkeit gegenüber dem Fleiß der Bauern und ihrer Einstellung zu Beruf und Natur. Jede artenreiche Wiese ist mit viel Arbeit verbunden und mit dem Ver-zicht auf Höchsterträge.

Ein solches verantwortungsvolles, im besten Sinn bäuerliches Denken täte der ge-samten Landwirtschaft gut. Natürlich kann auch jeder von uns einen Beitrag leisten, indem wir die Überlastung und Verschwen-dung der Natur beenden.

Da kann das Entzücken über eine Blu-menwiese schon beim Nachdenken über einen Gesinnungswandel helfen: ob nicht Blumen und Schmetterlinge zumindest

ebenso wichtig sind wie alles Geld der Welt. 3

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rezepte mit tradition

Für dich, Mama! Anno 1923 feierten die Mütter in Deutschland erstmals ihren Ehrentag.

Und die Süßspeisen dazu fanden auch gleich in handgeschriebenen Kochbüchern ihren Platz. Fünf Klassiker, die sich die ganze Familie gern auf der Zunge zergehen lässt.

Redaktion: Uschi Korda, christian teUbner FotoS: eisenhUt & mayer

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Schwaben

Rhabarberdatschi

Man könnte natürlich auch blechkuchen zu diesem erfrischenden backwerk sagen. In bayerisch-Schwa-ben nennt man ihn aber Datschi, und das klingt doch viel besser. Der name leitet sich vermutlich vom ober- und mitteldeutschen detschen oder datschen ab, was so viel heißt wie hineindrücken. hineingedrückt wird jedenfalls immer Obst, jetzt im Frühling sorgt Rhabarber für eine erfrischende Geschmacksnote. wir haben für unser Rezept übrigens jungen Rhabar-ber genommen, weil man ihn nicht schälen muss.

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Franken

Weinringe

Sie sind die saftigste Versuchung jeder kaffee- tafel und können natürlich mit Fruchtkompotten aller art gefüllt werden. Jetzt aber ist erdbeerzeit, und die süßen roten Sommerfrüchte passen am besten dazu. Die ringe kann man übrigens auf zwei arten herstellen: entweder, so wie bei unse-rem rezept, den Teig einfach ausstechen und auf dem Blech backen. Oder Förmchen mit einem Loch in der Mitte zur Hälfte befüllen. Dafür sollte der Teig allerdings flüssiger sein, also nimmt man 100 Gramm zerlassene Butter und 4 eier.

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NiederbayerN

Schuxen

erstmals erwähnt wird das Schmalzgebäck in ei-nem Verzeichnis von dienstordnungen, die ende des 15. Jahrhunderts von Sebald Schreyer zusam-mengefasst wurden. es war vor allem in der bäuer-lichen Küche beliebt und wurde in schlechten Zei-ten salzig und mit Sauerkraut gegessen. der Name dürfte sich von der länglich-ovalen Schuhsohlen-Form ableiten. das vermutet zumindest der legen-däre bayerische Mundartforscher Johann andreas Schmeller. Süße Schuxen müssen dünn sein, brau-chen eine ordentliche Portion Zimt und können mit einem Löffel Schlagrahm sowie einem Tupfen Himbeermarmelade verfeinert werden.

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München

Prinzregententorte

Klar ist, wem die traditionelle Torte gewidmet ist, nämlich Luitpold von Bayern, der ab 1886 regier-te. Weniger klar ist, wer sie erfunden hat. Da wäre einmal Anton Seidl, ein Münchner hofbäcker, der 1869 dem Prinzregenten eine Torte zur Genehmi-gung vorlegte. Sie bestand aus neun Schichten, als Symbol für die neun Kinder von Ludwig I. Auch hoflieferant heinrich Georg erbshäuser erhob 1886 Anspruch auf die Kreation. Seine Torte hatte sieben Schichten, die für die sieben Kreise des Kö-nigreichs Bayern standen. Vielleicht hat sie aber auch ein Mundkoch von Maximilian II. von Bayern (1848 – 1864) als erstes gebacken. Julius oder Johann Rottenhöfer erwähnt in seinem Illustrirten Kochbuch nämlich ebenfalls eine Prinzregententorte.

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AltbAyern

Quarkkugeln

ein Schmalzgebäck aus der alten bäuerlichen Küche, das seit jeher zum Kaffee gereicht wird. Am einfachsten geht es, wenn man die in Schneckenform eingedrehten Kugeln zum backen in kleine Förmchen setzt. legt man sie so wie einst nur auf ein backblech, ist die Gefahr groß, dass die süße Quarkfülle ausrinnt. Ob mit oder ohne rosinen ist eine Geschmacksfrage.

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Zutaten für 4 PersonenZeitaufwand: 1 K Stunden

Für den Teig:350 g Mehl, 15 g Hefe, V l Milch80 g zerlassene Butter 40 g Zucker , K tL salzabgeriebenes von K Zitrone, 2 eierButter für die formen

O l Weißwein (riesling)150 g Zucker, 1 eL Zitronensaft100 g aprikosenmarmelade

400 g erdbeeren1 tL stärkepuder, mit Wasser angerührtev. geschlagene sahne für die Dekoration

ZuBereitung

1. Aus Mehl, Hefe und Milch einen Vorteig zubereiten und gehen lassen.

2. Den Vorteig mit der zerlassenen Butter, Zucker, Salz, Zitronenabgeriebenem und Eiern vermischen. Einen glatten, weichen Teig anrühren und nochmals 30 Minuten gehen lassen.

3. Teig 2 cm dick ausrollen. Dann mit 2 runden Ausstechern mit 6 cm und 3 cm Durchmesser kleine Ringe ausstechen. Auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech legen und nochmals auf das Doppelte aufgehen lassen.

4. Im Backrohr bei 190 °C etwa 15 Minuten lang hellbraun backen.

5. Wein mit Zucker und Zitronensaft auf­kochen und um L reduzieren. Die Ringe damit tränken, bis sie vollständig von der Flüssigkeit durchdrungen sind. Den rest­lichen Sirup beiseite stellen.

6. Marmelade mit 2 EL Wasser aufkochen, die Weinringe damit bepinseln.

7. Die Erdbeeren putzen, waschen und hal­bieren. Restlichen Sirup aufkochen und mit der angerührten Stärke leicht bin­den. Die Erdbeeren damit überziehen und in die Ringe füllen. Nach Belieben mit geschlagener Sahne dekorieren.

Zutaten für 1 BackBLecHZeitaufwand: 2 Stunden

Für den Teig:375 g Mehl20 g frische HefeV l lauwarme Milch100 g zerlassene Butter70 g ZuckerN tL salz

Für den Belag:1,2 kg junger rhabarber50 g Zucker

Für den Streusel:150 g weiche Butter150 g Zucker 230 g Mehl1 Msp. salz

ZuBereitung

1. Mehl in eine Schüssel geben, eine Ver­tiefung eindrücken und Hefe hineinbrö­ckeln. Mit der lauwarmen Milch auflösen und mit Mehl bedecken. Diesen Vorteig zugedeckt gehen lassen, bis die Ober­fläche deutliche Risse zeigt.

2. Den Vorteig mit Butter, Zucker und Salz zu einem glatten Hefeteig schlagen. Nochmals etwa ½ Stunde gehen lassen.

3. In der Zwischenzeit Rhabarber waschen und in 5 cm lange Stücke schneiden.

4. Das Backrohr auf 200 °C vorheizen.5. Den Hefeteig auf Blechgröße ausrollen.

Auf das leicht gefettete Backblech legen und mit einer Gabel mehrmals einste­chen, damit der Teig beim Backen keine Blasen wirft. Den Rhabarber darauf ver­teilen und mit Zucker bestreuen.

6. Aus der weichen Butter mit Zucker, Mehl und Salz einen geschmeidigen Teig kne­ten und mit den Händen zu Streuseln reiben. Über dem Rhabarber verteilen, nochmals etwa 15 Minuten gehen lassen.

7. Im Ofen auf der mittleren Schiene etwa 40 Minuten backen.

Zutaten für 4 PersonenZeitaufwand: 1 K Stunden

300 g Mehl, 15 g frische Hefe100 ml Milch, 40 g Butter 30 g Zucker, K tL salz1 ei, K tL Zimt50 g brauner rohrzuckerButterschmalz (oder Pflanzenöl) zum Backen

ZuBereitung

1. Mehl in eine Schüssel geben, in die Mitte eine Vertiefung drücken. Hefe hineinbrö­ckeln und mit lauwarmer Milch auflösen. Mit dem Mehl vom Rand bedecken und mit einem Tuch bedeckt aufgehen lassen, bis die Oberfläche deutliche Risse zeigt.

2. Butter zerlassen, mit Zucker, Salz und Ei verrühren. Mit dem aufgegangenen Teigl vermischen, zu einem glatten Hefe­teig schlagen und zugedeckt nochmals etwa K Stunde gehen lassen, bis er sein Volumen verdoppelt hat.

3. Den Teig zusammendrücken, kurz ruhen lassen und 1 cm stark ausrollen. Mit einem runden Ausstecher (6 cm Durchmesser) Taler ausstechen und zu dünnen Ovalen ausrollen. Zimt und braunen Rohrzucker vermischen, die Ovale damit leicht bestreuen und noch­mals drüberrollen. Den restlichen Zimt­zucker beiseite stellen. Die Ovale mit dem Teigroller längs einschneiden und nochmals gehen lassen.

4. In einem Topf oder einer großen Pfanne reichlich Butterschmalz (oder Pflanzen­öl) erhitzen, die Schuxen darin beidseitig knusprig braten. Herausnehmen, auf Küchenpapier abtropfen lassen und mit dem restlichen Zimtzucker bestreuen. (Will man die Schuxen im Ofen backen, werden die mit Zimtzucker ausgerollten Ovale auf ein Backblech gelegt und mit verquirltem Eigelb bestrichen. Mit Zimt­zucker bestreuen, etwas gehen lassen und bei 200 °C knusprig braun backen.)

Rhabarberdatschi SchuxenWeinringe

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Servus 61

Zutaten für 15 StückZeitaufwand: 2 K Stunden

Für den Teig270 g Mehl, 15 g Hefe, 125 ml lauwarme Milch40 g Butter, 30 g Zucker, 1 Prise Salz, 1 ei

Für die Fülle:200 g trockener Quark (Schichtkäse)80 g Zucker, abgeriebenes von 1 Zitrone, 1 ei 60 g geriebene Mandeln, 80 g rosinen2 eL Semmelbrösel

1 eigelb zum Bestreichen100 g aprikosenmarmelade2 eL Staubzucker und etwas Zitronensaft für die Glasur

ZuBereitunG

1. 6 EL Mehl in eine kleine Schüssel geben. Hefe hineinbröckeln und mit der Hälfte der lauwarmen Milch verrühren. Das Dampfl zugedeckt an einem warmen Ort etwa 15 Minuten gehen lassen.

2. Butter zerlaufen lassen, mit Zucker, Salz, Eiern und der restlichen Milch verrüh­ren. Mit dem restlichen Mehl und dem Dampfl zu einem glatten Hefeteig schla­gen. Den Teig nochmals gehen lassen.

3. Teig auf einer bemehlten Arbeitsplatte zu einem Rechteck von 60 × 25 cm ausrollen.

4. Quark in einer Schüssel mit den übrigen Zutaten verrühren und auf dem Teig gleichmäßig verstreichen. Dabei längs­seits einen Streifen von etwa 3 cm frei lassen. Diesen Streifen mit dem ver­quirlten Eigelb bestreichen.

5. Den Teig zum bestrichenen Streifen hin einrollen und fest andrücken, sodass kei­ne Fülle austreten kann. In etwa 4 cm breite Stücke schneiden und in kleine, gefettete Förmchen oder nebeneinander auf ein gefettetes Backblech setzen.

6. Im Backrohr bei 200 °C etwa 20 Minuten backen.

7. Mit heißer Aprikosenmarmelade und Zuckerglasur bestreichen, mit gehack­ ten Mandeln bestreuen.

QuarkkugelnPrinzregententorteZutaten für 1 torteZeitaufwand: 4 Stunden

Für das Biskuit:6 eigelb150 g Zucker6 eiweiß120 g Mehl40 g zerlassene Butter

Für die Creme:K l Milch3 eigelb1 Päckchen Vanillepudding-Pulver220 g Zucker300 g Butter50 g kakaopulver100 g geschmolzene bittere kuvertüre (oder tafelschokolade)

Pergament- oder Backpapier250 g kochschokolade 100 g Butter für die Glasur

ZuBereitunG

1. Für das Biskuit die Eigelbe mit L des Zuckers schaumig rühren. Die Eiweiße schaumig schlagen, dabei nach und nach den restlichen Zucker einrieseln lassen. (Es soll ein schnittfester Eischnee ent­stehen.) Etwa ein Viertel davon unter die schaumigen Eigelbe rühren, dann den restlichen Schnee und das Mehl unterheben. Zum Schluss die Butter unterziehen.

2. Das Backrohr auf 210 °C vorheizen.3. Auf 6 Backpapierstücke jeweils einen

Kreis von 24 cm Durchmesser zeichnen. Die Biskuitmasse gleichmäßig darauf ver teilen und glatt streichen.

4. Die Biskuitböden nacheinander im Ofen nach Sicht hellbraun backen.

5. Für die Creme von der Milch 2 EL ab­nehmen, mit den Eigelben und dem Puddingpulver gut verrühren.

6. Die restliche Milch mit Zucker und Ka­kaopulver zum Kochen bringen. Das angerührte Puddingpulver mit dem Schneebesen unterrühren und die Creme nochmals aufwallen lassen. Vom Herd

nehmen und erkalten lassen. Dabei ab und zu durchrühren und zum Schluss durch ein feines Sieb streichen.

7. Die Butter schaumig rühren, nach und nach die kalte Creme zugeben. Achtung: Butter und Creme sollten die gleiche Temperatur haben, da die Creme sonst leicht gerinnen kann. Zum Schluss die geschmolzene Schokolade, die nicht zu warm sein darf, unterrühren.

8. 5 Böden mit der Schokoladen­Butter­creme bestreichen, dabei 2 EL der Creme zurückbehalten. Die bestrichenen Böden aufeinanderschichten und den unbestri­chenen als Abschluss obendrauf legen. Die gefüllte Torte im Kühlschrank fest werden lassen.

9. Mit dem Rest der Creme den Rand und die Oberfläche dünn einstreichen. Noch­mals im Kühlschrank fest werden lassen.

10. Für die Glasur Kochschokolade und Butter in einem Wasserbad bei 50 °C schmelzen und glatt rühren. Die Torte auf ein Kuchengitter setzen und damit überziehen.

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84 Servus

festschmuck

Wer Hochzeit feiert, kann auch nach Herzenslust dekorieren. Oft reichen ein paar einfache Ideen, die toll wirken, aber dem Brautpaar nicht die Schau stehlen.

redaktion: Alice fernAu FotoS: kAthArinA gossow Styling: mArkus JAgersberger, mAryAm yegAnehfAr

Der schönste Tag

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Bitte zu tischLinke Seite: Für unsere Blumendekoration der Brauttafel haben wir bewusst verschie dene alte Gläser und Schalen vom Flohmarkt aus­gesucht, diese mit Wasser befüllt und kleine Schwimmkerzen hineingelegt. Dazu passen zarte Gänseblümchen, Maiglöckchen, Freesien, Wicken, Mutterkraut und Pastinakenblüten.

die LieBe so süssFoto links: Natürlich dürfen auch kleine Gastge­schenke, die das schöne Fest überdauern sollen, auf den Tischen nicht fehlen: Als Symbol für das Aufblühen des gemeinsamen Lebens haben wir gemischte Blumenwiesensamen in kleine Perga­mentsäckchen gefüllt und mit einem Satinband Namenskarten daran befestigt. Kleine Gläschen mit selbstgemachter Marmelade spielen auf das süße Eheleben an. Als Etagere haben wir Lilien­Porzellan­Teller in drei Größen auf ausgediente Sektschalen gestellt und mit Makronen belegt. Natürlich passen auch Pralinen, Konfekt, Kekse oder andere süße Köstlichkeiten.

es werde LichtFoto unten: Seit jeher wird Braut und Bräutigam ein Licht mit auf den Weg in die gemeinsame Zukunft gegeben, um ihnen ebendiesen zu er­hellen. Als es noch keine elektrische Beleuch­tung gab, war dies auch ein Geschenk mit prak­tischem Wert, denn Licht war teuer und kostbar. Für unsere Brautkerze haben wir gepresste Blumen vorsichtig eingefärbt, auf eine creme­farbene Stumpenkerze gedrückt und das fragile Bild mit transparenter Kerzenfolie fixiert. Die Satinbänder in zwei Farben symbolisieren die Persönlichkeiten des Brautpaares.

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Durch Die BlumeLinke Seite oben: Für unseren Brautstrauß haben wir Freesien, Mutterkraut, Rosmarin, Pastinakenblüten und Wolfsmilch zu einem engen Gebinde zusammengefasst, auf eine Länge gebracht, ein Stück Folie um die nassen Stiele gewickelt und diese mit einem breiten Ripsband fest eingebunden. Die Anstecksträußchen für die Familie des Bräu­tigams sind aus Rosmarin, Freesien und Mut­terkraut: die Blüten einfach zusammennehmen, binden und eine Sicherheitsnadel einarbeiten.Die Blumenmädchen bekommen Kränzchen aus Efeu, Mutterkraut und Vergissmeinnicht.

ÜBer Den GaumenLinke Seite unten: Früher war es bei den ein­fachen Leuten üblich, dass die Gäste ihren eige­nen Kuchen zur Hochzeitsfeier mitbrachten. Die einzelnen Gebäcke wurden dann zu einer großen Hochzeitstorte gestapelt, gemeinsam angeschnitten und verzehrt. Unser Kuchen ist übrigens aus einer „Schweren Masse“.

Zutaten: 200 g zimmerwarme Butter, 200 g Puder zucker, 1 Packerl Vanillezucker, 6 Eier, 1 Schuss Rum, 1 Prise Salz, 200 g Mehl, frisch geriebene Zitronenschale, 2 EL Maisstärke, 1 Packerl Backpulver Zubereitung:1. Butter und Zucker flaumig rühren. 2. Eier, Vanillezucker, Rum und Salz nach und

nach zugeben. 3. Das mit Maisstärke und Backpulver

vermischte Mehl unterrühren. 4. Die Form mit etwas Butter einfetten und

die Masse einfüllen.5. Backrohr auf 175 °C Umluft vorheizen und

etwa 45 Minuten backen. Aus dem Ofen nehmen, abkühlen lassen und mit Puder­zucker bestreuen.

Dekoriert haben wir unsere Hochzeitskuchen mit Wicken, einem Rosmarinkranz und Mutterkraut.

mitten inS herzLinks: Ein ganz spezielles Gästebuch lässt sich aus alten Fotos vom Flohmarkt gestalten. Wir haben einfach ein Loch in die Karten gestanzt und ein dünnes Satinband daran befestigt.Kleiner Tipp: Mehr Bilder als die Zahl eingelade­ner Gäste vorbereiten, damit wirklich jeder die Wahl hat. Der Gast sucht sich beim Fest ein Mo­tiv aus, schreibt seine Glückwünsche darauf und gibt die Karte dann wieder ab. Als stilgerecht nostalgisches Sammel­ und Aufbewahrungsbe­hältnis haben wir eine alte Blechdose gewählt. Später können die Brautleute ihre Lieblingskar­ten zu Hause an eine gespannte Schnur knüpfen – eine schöne und dekorative Erinnerung. 3

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96 Servus

Brauchtum

Die Tradition des uralten Gebirgstanzes erlebt jetzt ihren ersten Höhepunkt. Wenn im Berchtesgadener Land der Maibaum

aufgestellt wird, zeigen die Burschen ihre geballte Kraft beim Platteln, während die Madln die Dirndlröcke in die Höhe wirbeln.

TexT: uschi Korda FoToS: marco rossi

Vom Schuhplatteln und Dirndldrahn

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Nach der Fastenzeit geht’s los mit dem Balztanz der Männer um die Gunst der Dirndln. Die Madln hier am Tanzboden in Ainring drehen sich wie eine surrende Spindel, die Männer zeigen mit kräftigen Schlägen und Stampfen, was sie draufhaben.

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98 Servus

angen wir doch gleich mit dem Wesent­lichen an: „Wer von enk woaß, wo links

und rechts is?“, fragt der Auer Hans, und „I!“, „I!“, „I!“ und „I a!“, schallt es vom Ainringer Tanzboden zurück. „Na, dann schaugts amoi her. Rechtes Bein anhebn und mit da rechten Hand draufschlogn. Und d’ Madln drahn si nach links. Hobts des mitkriagt?“

Neun kleine Trachtenpärchen bringen sich in Stellung, während sich der Auer Hans die Knopfharmonika umhängt und mit dem sogenannten „Häusei“, einem ur­alten Schuhplattler, loslegt.

Gut, das mit dem Links und Rechts hat dann bei manchen in der Aufregung doch noch nicht so wirklich geklappt, aber die Zwergerl, die einmal zünftige Schuhplatt­ler werden wollen, sind ja auch gerade im besten Volksschulalter. Sie müssen so früh beginnen, denn sind sie erst einmal verhei­ratet, ist es aus mit dem Schuhplatteln und dem Dirndldrahn. Der volkstümliche Tanz ist nämlich traditionellerweise ein Balztanz der Männer, und wer einmal sein Dirndl eingefangen hat, kann sich öffentliches Imponiergehabe dann ersparen.

Mitte des vorigen Jahrhunderts sei das Schuhplatteln zu einem Revuetanz mit reinem Schau­Charakter für Touristen ver­kommen, erzählt Siegi Götze, Moderator und Experte der bayerischen Kultur. Damit sei dieses Stück alpenländischen Volksguts zwar über seine regionalen Grenzen hin­aus bekannt geworden, habe aber seinen eigentlichen Sinn verloren. Erst seit etwa zehn Jahren wird der Tanz wieder in seiner Ursprünglichkeit von den Trachtenvereinen hier im Berchtesgadener Land gepflegt. Und dabei haben weder ältere Plattler und schon gar nicht ein gegenseitiges Abwat­schen der Mannsbilder etwas zu suchen.

Die Chiemgauer platteln sChneiDiger

„Völlig sinnentleert!“, sagt Siegi Götze, dem dabei die Abscheu förmlich ins Gesicht ge­ zeichnet ist. Schließlich sei das ein Werbe­tanz, bei dem die Mädchen mit Eleganz, Musikalität und vor allem mit Kraft beein­druckt werden sollen. Letzteres geschieht ausschließlich durch rhythmisches Schla­gen jeweils einer Hand auf eine bestimmte Stelle eines Beines oder Fußes.

Weil der Mensch aber nur zwei Hände und zwei Beine hat, sind die Variationsmög­lichkeiten auf sechs Knie­ und Schenkel­schläge sowie zwölf Plattelschläge (siehe Kasten S. 102) beschränkt. Und die gilt es, möglichst geschmeidig rüberzubringen.

Wie, das ist von Region zu Region in den Plattlerländern Tirol, Bayern und Salzburg unterschiedlich. Die Salzburger Pongauer etwa platteln langsamer und freier, dafür sei­en die Chiemgauer schneidiger und eher za­ckig in der Bewegung, erklärt der Auer Hans, Volkspfleger vom Landkreis Berchtesgadener Land und Volksmusikant aus Hammerau.

Wenn er zu seiner Ziach greift, kann we­der Jung noch Alt still sitzen bleiben. Ein­mal pro Woche unterrichtet er die Kinder des Trachtenvereins Hammerau­Ainring, manchmal kommen auch die aus Feldkir­chen und Thundorf dazu. Dafür hat er extra Gruppenvolkstänze zu Plattlern umgebaut, damit sich die Kleinen leichter tun.

90 Prozent aller Schuhplattler basieren auf einem Dreivierteltakt, der Rest ist auf zwei Vierteln aufgebaut. Begleitet wird der Tanz auf jeden Fall von mindestens

F

Der auer hans hilft beim adjustieren. Wichtigstes utensil ist nämlich eine vollständige tracht. Dazu gehört auf jeden Fall der hut, der je nach Ortschaft mit einer Feder, einem Flaum oder einem gams-bart geschmückt ist. und dann muss er natürlich beim Drehen fest auf dem Kopf sitzen.

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Früh übt sich: Die Mädeln und Buben der Trach-tenvereine Hammerau-Ainring, Feldkirchen und Thundorf wollen einmal zünftige Schuhplattler und Dirndldraherinnen werden. Bei ihren ersten Schritten werden sie vom Auer Hans und seiner Ziach begleitet.

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100 Servus

einem Akkordeon, bei festlichen Auftritten ist auch eine kleine Blasmusikgruppe dabei. Die eigentliche musikalische Attraktion ist aber der Schall der Schläge, wenn sie von mehreren Burschen gleichzeitig im Takt ausgeführt werden.

neubairischer und pempererstoisser

Eine Tradition, die allerdings in dieser Form erst knappe 160 Jahre alt ist. Zwar wird in früheren Aufzeichnungen bereits erwähnt, dass Gebirgler, Jäger und Holzknechte zu Landlermelodien platteln, aber immer nur einzeln. Die älteste Schilderung eines schuhplattlerähnlichen Tanzes stammt aus dem Jahr 1050. Im „Ruodlieb“, einer in lateinischen Hexametern verfassten Ritter­dichtung, schildert ein Mönch des Klosters Tegernsee das Treiben in den umliegenden Dörfern, das auf eine Frühform des Schuh­plattelns hinweist.

Erst 1817 taucht unter dem Namen der „Neubairische“ wieder ein Tanz auf, bei dem sich die Burschen auf Schenkel und Schuh­sohlen schlagen. Was ihm 1846 im Berch­tes gadener Land den Beinamen „Pemperer­stoisser“ (= Schallerzeuger) eintrug und als

Hinweis gewertet wird, dass erstmalig nicht nur einzeln, sondern gemeinschaftlich in der Gruppe geplattelt wurde. Ebenfalls aus dieser Zeit stammt die Melodie des ältesten heute noch existierenden Schuhplattlertan­zes vom „Dirndl mit dem roten Mieder“.

1858 trat dann die Miesbacher Jugend mit einem Schuhplattler vor König Max II. auf, ein Jahr später schildert Fanny Lewald in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ die Grazilität und Lieblichkeit des gestampf­ten Gebirgsländlers, bei dem „sich das Mä­del mit niedergeschlagenem Blick wie eine surrende Spindel um sich selbst dreht“.

Ob Einzel­ oder Gruppentanz – Schuh­platteln war nie eine reine Männersache. Immer waren Mädchen beteiligt, schließlich sollten die ja beeindruckt werden. Voraus­gesetzt, sie waren schwindelfrei, da sie sich in ziemlichem Tempo um sich selbst drehen mussten, während die Burschen plattelten.

Das ist auch heute noch so und macht den angehenden Dirndldraherinnen in Ain­ring sichtlich Spaß. Während sie allerdings zum Üben in den Probenraum vom „Alten Schulhaus“ gehen müssen, weil daheim sonst die Einrichtung in Gefahr wäre, kön­

nen die Buben ihre Plattlerschläge auch zu Hause vor dem Spiegel trainieren, sooft sie wollen. Und solange sie das Stampfen und Schlagen durchhalten.

Denn da kommt jetzt die Kraft und irgendwie auch die Jugendlichkeit ins Spiel. „Wannst des viermal hintereinander machst“, sagt der Auer Hans, der schon lange nicht mehr aktiv plattelt, „daun geht des in die Wadln, und du derschnaufst es nimmer.“ Überhaupt, sagt auch Siegi Götze, sei der Tanz in den letzten Jahren immer athletischer geworden, deshalb seien die besten Tänzer auch gute Sportler.

kräftige Wadln und eine hirschlederne

Während man früher nur auf den Fersen aufgetreten ist und sich auf dem Absatz gedreht hat, absolviert man die meisten Schritte heute federnd auf dem Fußballen. Das sieht zwar graziler aus, braucht aber umso mehr Kraft. Eine Zeitlang hat man für einen besseren Klang der Schläge glat te Krachlederne ohne Applikationen getra­gen. Ganz im Sinne der Rückbesinnung auf Traditionen plattelt man aber heute wieder in ausgestickten Hirschlederhosen. ➻

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9’S Schuahplattln ko net glei

oana im ganzen gäuSo guat wia i beim tanz

kimm gwiSS net auSn kranz.9

ältestes gedicht übers Schuhplatteln von Franz von kobell, 1860

Die Kleineren versuchen sich erst einmal in Rundtänzen wie dem „Kikeriki“

links- und rechtsmäßig zu koordinieren. Dafür gibt’s vom Auer Hans ein Gummi-

bärli. Ein rotes selbstverständlich! Bei den Älteren klappt das mit dem grazilen Drehen

und dem Platteln schon ausgezeichnet.

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102 Servus

Das Ursprungsgebiet des Schuhplattelns zieht sich vom Werdenfelser Land in Oberbayern über die Ötztaler Alpen nach Südtirol hinüber bis zu den Dolomiten, weiter ins Pustertal nach Osttirol, zurück in den Pinzgau und Pongau und von Garmisch über Tölz und Tegernsee in den Chiemgau bis Berchtesgaden. Laut Volksmund soll der Tanz von der Auerhahnbalz inspiriert sein. Er wurde von Holzfällern, Jägern und Berglern aufgeführt. Basis sind folgende Schläge, die dann unterschiedlich kombiniert werden:

SechS Knie- und SchenKelSchlägeSie lassen den Fuß aus dem Spiel, sind also keine sogenannten Plattel-schläge. Mit diesen Schlägen werden 65 Prozent des Plattelns bestritten.Bei den vier Knieschlägen schlägt eine Hand auf den angehobenen Oberschenkel des Spielbeins in Kniehöhe. Also: rechte Hand – rechter Oberschenkel, linke Hand – linker Oberschenkel, rechte Hand – linker Oberschenkel, linke Hand – rechter Oberschenkel.

Bei den zwei Schenkelschlägen schlägt eine Hand auf den Oberschenkel des Standbeins. Also: rechte Hand – rechter Oberschenkel, linke Hand – linker Oberschenkel.

Zwölf PlattelSchlägeSie unterteilen sich in:Vier Sohlenschläge: Eine Hand schlägt vor oder hinter dem Körper auf eine Schuhsohle. Über Kreuz, also linke Hand auf rechte Sohle und umgekehrt, aber nur vorn.

Vier fußschläge: Die linke oder rechte Hand schlägt vor dem Körper auf die Außen- oder Innenseite des Fußes. Aber immer nur linke Hand mit linkem Fuß und rechte Hand mit rechtem Fuß.

Zwei Kreuzschläge: Die linke oder rechte Hand schlägt hinter dem Körper auf die Sohle des anderen Fußes. Also: linke Hand – rechte Sohle, rechte Hand – linke Sohle.Zwei hochschläge: Die rechte Hand schlägt gegen die Innenseite oder von oben gegen die Sohle des hochgerissenen rechten Fußes. In Tirol und im Chiemgau schlägt man gegen die Fußinnenseite, im Bayerischen Oberland gegen die Sohle. Links wird der Schlag so gut wie nie praktiziert.

So wird geplattelt

ganz wichtig beim Plat-teln: sauber ausgeführte Schläge und eine korrekte handhaltung. während man früher mit dem gan-zen fuß aufgetreten ist, wird heute mehr auf dem fußballen gefedert.

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Auch beim Preisplatteln, dem tänzerischen Wettkampf, bei dem die Ortstrachtenverei-ne zeigen, was sie können. Königsdisziplin: das Gruppenplatteln, bei dem vier Paare Synchronität beweisen müssen – und zwar in vier Kreisen mit einem Durchmesser von 90 Zentimetern, deren Mittelpunkte nur zwei Meter voneinander entfernt sind.

die socken müssen stramm sitzen

In aufrechter Haltung, mit vom Ellenbo- gen senkrecht hinaufgewinkelten Armen schreiten die Paare auf die Tanzfläche, le-gen ein paar Walzerdrehungen hin, bevor die Burschen in den Kreis steigen. Dort ver-suchen sie, in Schlag und Haltung größt-mögliche Gleichmäßigkeit zu erzielen, und müssen sich dabei auch noch drehen. Bei den Besten wirbeln derweilen die Mädeln mit fast waagrecht fliegenden Röcken um ihre eigene Achse, bevor sie von ihren Bur-schen wieder eingefangen werden und das Ganze ein zweites Mal wiederholt wird.

Zehn Punkte gilt es zu erzielen, wobei neben Tanz, sauberen Schlägen und Hal-tung auch das äußere Erscheinungsbild gewertet wird. Punkteabzug gibt es unter anderem für Piercings, zu viel Schmuck oder rutschende Socken.

Als Preise werden Abzeichen verteilt, die wie Trophäen auf den Trachtenhut ge-steckt werden. Der ist übrigens Pflicht beim Schuhplatteln, egal ob im Wettkampf oder bei geselligen Veranstaltungen.

Platteln den ganzen sommer lang

Die kleinen Trachtenpärchen auf dem Tanz-boden vor dem Ainringer Maibaum haben sich zwar noch keine Abzeichen, aber jetzt einmal ein paar Gummibärli verdient. „Guat habts es gmocht“, sagt der Auer Hans, wäh- rend er seine Ziach wegpackt, „d’ Winter-pause war jo heier b’sonders lang.“

Das Schuhplatteln und Dirndldrahn rich-tet sich nämlich streng nach dem Kirchen-jahr. Und da darf während der Advent- und der Fastenzeit nicht getanzt werden. Die Saison beginnt am Ostermontag und erreicht beim Aufstellen des Maibaums ihren ersten Höhepunkt. Ab dann wird den ganzen Som-mer über geplattelt und gedraht, bis einem die Kraft ausgeht. Oder bis Mann halt sein Dirndl auf ewig eingefangen hat. 3

der Bernhard ist ein richtiges talent. er hat sich die schuhplattler der erwachsenen allein durchs zuschauen selbst beigebracht. da hat er wohl auch gesehen, wie man die madln neckt (re. u.). moderator siegi götze (li. u.) ist Volkskulturexperte und beim Preisplatteln in der Jury dabei.

Hoagascht: Einen TV-Bericht übers Schuh-platteln und Dirndldrahn in Bayern sehen Sie auf: www.servustv.com/maitanz

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112 Servus

handwerkskunst

An einem der lauschigsten Plätze am Starnberger See liegt die Bootswerft Rambeck. Hier wird gerade mit moderner Technik

und alter Handwerkskunst eine Legende neu geboren. TexT: anJa keuL FoToS: Bernhard huBer

ausfahrt aus der heimatwerft. spätestens im herbst wird auch die „wiking“ hier in ihr zweites Leben starten.

Königinfo

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Servus 113

as Boot steht aufgebockt in der Werfthalle, handbreite Gurte

fixieren es zusätzlich an den Deckenbalken. Ringsherum warten noch fünf, sechs Motor­yachten und andere Segelschiffe auf den letzten Schliff.

Aber dieses hier steht im Mittelpunkt – und das in jeder Hinsicht: Lang und schmal, scheint das wertvolle Stück über dem Bo­den zu schweben. Der Rumpf aus Mahagoni glänzt schon herrlich, auch wenn noch ei­nige Schichten Lack fehlen. Und ein feiner Goldstreifen zieht sich bereits über die gesamte Länge unterhalb der Reling.

Golden wird später auch das geschwun­gene „R“ sein, das Signet der traditionsrei­chen Bootsbauerfirma Rambeck in Starn­berg – auch wenn man jetzt nur die ins Holz gefrästen Konturen sieht.

„Wenn wir das Boot, das einst unter dem Namen „Wiking“ über die Meere gekreuzt ist, ganz fertig haben, wird es eines der schönsten am See sein“, erzählt uns Anton Dreher. In knapp vier Jahren haben er und seine Bootsbauer mehr als 4.500 Arbeits­stunden hineingesteckt, um den rund 90 Jahre alten 40er­Schärenkreuzer – die Klasse ist benannt nach den 40 Quadratmeter Se­gelfläche – wieder flottzumachen. Ach was, ihn neu zu erfinden. Ihm seine alte Leichtig­keit und Eleganz zurückzugeben, mit mo­dernster Technik und alter Handwerkskunst.

bei kunststoff lupft er die augenbraue

Schon einmal ist hier ein ähnliches Kunst­stück gelungen: mit der typgleichen „Unfor­gettable Fire“, die am Gardasee traurig vor sich hin schaukelte. Als das Boot in Anton Drehers Hände kam, war es rundum mit weißem Kunststoff verkleidet.

Bei dem Wort „Kunststoff“ verzieht der Chef der 1883 gegründeten Traditionsfirma nur ganz unmerklich das Gesicht, denn seine Mimik ist wie bei vielen gestandenen Bayern eher beherrscht. Doch ein kleines Lupfen der Augenbraue, ein Kräuseln der Oberlippe verrät, dass dieser Werkstoff nicht der beliebteste ist in dem Betrieb, den er vor fast 50 Jahren von seinem Großonkel geerbt hat. Und in dem mittlerweile auch sein 44­jähriger Sohn Anton Dreher jun. mit Leidenschaft und hohem handwerklichen Können tätig ist.

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Jedenfalls – unter dem Kunststoff faulte das Holz, faulten die Planken und Spanten. Und ähnlich sah es auch bei der „Wiking“ aus, obwohl sie mit dem grauslichen Mate­rial gar nicht überzogen war. Aber: Die Plankennähte hatten sich geöffnet und überall zeigten sich Wunden im Holz.

Kein Wunder, die „Wiking“ war viel un­terwegs gewesen, und das nicht nur auf dem Wasser: Nach dem Krieg kam sie erst von Berlin nach Sankt Petersburg, wurde dann über Land nach Sizilien gebracht und schließlich wieder zurück nach Berlin.

Dort kaufte sie ein Architekt, der aber mit der Restaurierung überfordert war, und so landete das Boot am Starnberger See. Ein

Angestellter und eine Kunde von Anton Dre­her hatten es erworben.

Ein Wrack, bei dem die hölzernen Span­ten, die dem Rumpf ihre Form geben („wie die Rippen beim Menschen“), komplett verfault und nur einige wenige aus Eisen erhalten waren. Überhaupt musste der gan­ze Kiel erneuert werden. Was gar nicht so leicht war. Denn aussagekräftige Konstruk­tionszeichnungen gab es nicht mehr. Und die „Unforgettable Fire“ taugte nur bedingt als Vorbild, da die beiden bald 100 Jahre alten Schönheiten zwar typgleich, aber eben nicht baugleich sind.

Man kann sich also vorstellen, welcher Aufwand und welche Kunstfertigkeit

der neubau der „Wiking“ beginnt: durch die verfaulten planken sind schon die ersten neuen spanten zu sehen. sie geben dem rumpf seine form, wie die rippen beim Menschen.

9ES bringt nichtS, allES SchnEllEr

machEn zu wollEn. DaS iSt So, wiE wEnn Du EinEm KinD bEfiEhlSt, SchnEllEr zu

wachSEn. manchE DingE brauchEn zEit. 9

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114 Servus

nötig waren, um die „Wiking“ wieder zum Leben zu erwecken.

Zum Einsatz kamen natürlich nur die besten Materialien. So muss zum Beispiel das Eichenholz, aus dem die Spanten gebo-gen werden, mindestens fünf Jahre lagern, damit es möglichst zwischen elf und drei-zehn Prozent Feuchtigkeit hat. „In der Tro-ckenkammer geht’s natürlich schneller“, sagt Anton Dreher. „Aber das bringt nichts. Das ist so, als wenn man einem Kind be-fiehlt, du musst jetzt schneller wachsen. Manche Dinge brauchen eben ihre Zeit.“

mit wasserdampf schwung verleihen

Anderes wiederum muss unglaublich schnell gehen. Die mit Wasserdampf form-bar gemachten neuen Spanten einpassen etwa. „Da steht ein Mann im Schiff, einer außen, und ein dritter kommt mit dem ge-dämpften Spant angerannt“, erklärt Anton Dreher. „Es gilt, ihm genau den Schwung zu verleihen, den der Bootsrumpf haben soll.“ Andere, tragende Spanten hingegen sind aus sieben Schichten verleimt und werden auf der sogenannten „Harfe“ mittels Schraubzwingen millimetergenau in Form gebracht.

Schließlich kommen die Planken dran. Im unteren Kielbereich sind sie aus Eiche, im oberen aus Mahagoni, weil’s schöner ist und Eiche auch nicht so gern Sonne mag – und das Boot schwer machen würde.

Planken und Spanten müssen natürlich wasserdicht verbunden werden. „Wir kitten die Schraublöcher aber nicht, sondern es kommt ein Holzstopsel darauf, der am Schluss verschliffen wird“, sagt der Chef und kritzelt schon den fünften gelben No-tizzettel voll, um seine Worte zu illustrie-ren. Hier der Stopsel von der Seite, hier von oben, Zettel zerknüllt.

Schauen wir uns das besser in der Werft-halle an: Nur wenn man es weiß, sind die feinen, kreisrunden Stopselreste zu sehen, und das auch nur, weil ihr Holz ein bisschen anders gemasert ist.

Die unterste Planke einzusetzen ist das Schwierigste überhaupt. Anton Dreher braucht wieder einen gelben Zettel, um zu verdeutlichen, wie das von Hand tagelang rundgehobelte, geschwungene Holz seinen genau definierten Platz einnimmt.

die unterste planke über Bleikiel und totholz einzusetzen ist ein schwieriges unterfangen. unten: am unlackierten rumpf der „wiking“ sind noch holzstopsel zu sehen, die später verschliffen werden.

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Bei der „Wiking“ muss noch der Bleikiel ange-passt werden. Oben: An-ton Dreher baut seit 50 Jahren Schiffe am Starn-berger See. Unten: Ein Spant wird im Wasser-dampf vorgebogen. Dann muss man ihn schnell einbauen.

Die unterste Planke wird zurechtgehobelt. Ganz oben: Jeder einzelne Stopsel wird vorher gefräst. Mitte: Die Bootsbauer bereiten den Einbau eines weiteren Spants vor. Alles muss millimetergenau passen.

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116 Servus

Genuss auf dem Wasser

Das Rambeck-„R“ ist bereits ausgefräst, der Rumpf aus Mahagoni mit mehreren Schichten Lack überzogen. Bootsbaumeister Dietmar Cenkier ist zufrieden.

Auch von innen muss die Lackstärke nochmals kontrolliert werden. In der Werfthalle kommt die schnittige Schönheit schon gut zur Geltung.

Wer kein eigenes Boot am Starnberger See liegen hat oder Freunde kennt, die eines besitzen, hat wenige Mög-lichkeiten, auf dem „königlichen“ See zu segeln – zu wertvoll sind die Liegeplätze, um sie mit nur sporadisch genutzten Leihbooten zu belegen. Die Alternative für alle, die die herrliche Uferlinie und das Alpenpanorama vom Wasser aus sehen möchten, ist die Flotte der Baye-rischen Seen-Schifffahrt.

Servus, „MS Seeshaupt“! Dieses Jahr gibt es mit der „MS Seeshaupt“ einen prominenten Neuzugang: Das 60 m lange und 12,50 m breite Schiff mit Platz für 800 Personen wurde in der Lux-Werft bei Bonn erbaut – auf Stahlschiffsbau dieses Kalibers ist die heimische Rambeck-Werft nicht ausgelegt. Die „Seeshaupt“ kam in zwei Teilen auf Tiefladern an den Starnberger See. Wird der Innenausbau pünktlich fertig, soll sie am 13. Juli getauft werden.

Acht Ziele am See. Berg, Leoni, Possenhofen, Tutzing, Ammerland, Bernried, Ambach und Seeshaupt sind die Anlaufstationen der zur Sommersaison verkehrenden Starnberger Dampferflotte, die auch von Wanderern und Radlern gern genutzt wird.

Bitte an Bord! Große Rundfahrt (¤ 16,50), Große Schlösserfahrt (¤ 12,80), nördliche (¤ 8,80) oder süd-liche Rundfahrt (¤ 10,80). Einfache Fahrten zwischen nahe gelegenen Orten kosten ab ¤ 2,70, ein Fahrrad auf allen Strecken ¤ 2,50. Kinder bis fünf Jahre fahren gratis, für Sechs- bis 17-Jährige werden ca. 50 Prozent des regulären Fahrpreises fällig. www.seenschifffahrt.de

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Servus 117

Rambeck Bootsvertrieb und Yachthafen: Schiffbauerweg 4, 82319 Starnberg, www.rambeck.de

ckenräume, eine eigene Schmiede für Be-schläge, eine Lackiererei, das alles kam dazu.

So viel anders als heute, das ist alten Schwarz-Weiß-Bildern zu entnehmen, sa-hen Werft und Yachthafen übrigens auch damals nicht aus: Enten, Blesshühner, Graugänse und Schwäne schwimmen zwi-schen Bootshäusern herum, an Dalben und Stegen schaukeln die Boote am Nordende des Starnberger Sees, wo die Würm wieder hinaus gen Gauting fließt.

Nach dem Krieg ließ das Geschäft mit Schiffsneubauten zwar nach, doch die Hand-werkstradition blieb lebendig. Immerhin wur - den in fast 130 Jahren mehr als 2.200 Holz-boote hier am Starnberger See gebaut.

Die „Unforgettable Fire“ kehrte übri-gens 2010 in neuem Glanz an den Garda-see zurück. Und die „Wiking“ wird heuer im Herbst – noch fehlen ja die Inneneinrichtung, der 14 Meter hohe Mast und die Beschläge – die Werft verlassen. Und auf dem Starnber-ger See, also irgendwie daheim, bleiben.

Bevor das jedoch geschieht, werden die Bootsbauer mit Schnüren und Senkeln noch

Es muss ja alles fugenfrei sitzen bei ei-nem Boot, sich ineinanderschmiegen und verbinden, gleichzeitig aber auch mit dem Wasser arbeiten und nicht dagegen.

Die Aufträge für solche Meisterstücke der Bootsbaukunst sind rar. Aber manchmal gibt es sie eben doch: „Wir haben zum Beispiel 16 Fahrgastboote aus Holz für den Königssee gebaut“, schwärmt Anton Dreher, „Passagier-boote für 100 Leute, doppelt geplankt, dazwi-schen Leinwand mit Bleiweiß, einem Farb-gemisch mit Schlämmkreide. Da trocknet nix aus, wenn das Schiff im Winter aus dem Was-ser kommt. Die wollten es gscheit haben.“

mit deR Rakete zum „hofliefeRanten“

„Gscheit haben“ wollte es weiland auch der Bayerische Yacht-Club, für den die Ram-beck-Werft zum „Hoflieferanten“ avancier-te. Die von ihr gebaute Yacht „Rakete 1“ hatte 1899 bei der Kieler Woche, Deutsch-lands prestigeträchtigstem Seglertreffen, in zwölf Regatten zwölf Preise gewonnen.

Das gab der Werft mächtig Auftrieb. Und so wurde die Werkstatt ausgebaut. Holztro-

ein letztes Mal ausloten, ob der Kiel genau senkrecht steht, sie werden die tief im Rumpf versenkten Bolzen vielleicht ein we-nig lockern, bevor sie nachjustieren, und sie dann ganz festziehen. Und sie werden den glänzenden Mahagonirumpf nur sehr be-hutsam anfassen, um das 14 Meter lange, 1,88 Meter breite und inklusive Bleikiel knapp drei Tonnen schwere Boot aufs Was-ser zu bugsieren.

Dort wird Anton Dreher ihm vielleicht ab und zu einmal begegnen, wenn er mit seinem eigenen, 55 Jahre alten Vertens-kreuzer „Tochrito“ unterwegs ist.

Ob das von ihm restaurierte Boot dann wohl einen anderen Namen hat? Anton Dre-her, der, gerade 70 geworden, noch lange nicht ans Aufhören denkt, ist ziemlich si-cher, dass es wieder „Wiking“ heißen wird: „Da sind wir Seeleute abergläubisch!“ 3

die „unforgettable fire“: das Schwesterschiff kreuzt bereits wieder auf dem Gardasee.

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